IPR: Internationales Kindschaftsrecht; Konkurrenz
mehrerer Vaterschaften; Ausschluss der Rückverweisung bei alternativen
Anknüpfungen (Günstigkeitsprinzip) (...oder: "besser einen Vater als gar
keinen...")
BGH, Beschluss vom 3. August 2016 -
XII ZB 110/16 - OLG Karlsruhe
Fundstelle:
noch nicht bekannt
Amtl. Leitsatz:
Zur Konkurrenz der
verschiedenen Anknüpfungsalternativen in Art. 19 Abs. 1 EGBGB
Zentrale Probleme:
Eigentlich ein einfacher Fall zum internationalen
Kindschaftsrecht: Die Abstammung eines Kindes unterliegt gem. Art. 19 I
EGBGB alternativ mehreren Rechtsordnungen, nämlich dem Recht seines
gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes, aber auch dem Heimatrecht des
Elternteils, von dem die Abstammung bestimmt werden soll. Weiter steht das
Recht der allgemeine Wirkungen Wirkungen der Ehe der Mutter zur Verfügung.
Dabei kann es zu der Situation einer Konkurrenz zwischen mehreren
(rechtlichen) Vätern kommen (s. dazu BayObLG
FamRZ 2002, 686, 687). Darum ging es hier aber gar nicht, denn es war
noch keine andere rechtliche Vaterschaft etabliert als diejenige des Mannes,
der nach seinem (türkischen) Heimatrecht als Vater galt (es aber
nachweislich biologisch nicht ist!). Eine Rückverweisung (Art. 4 I EGBGB)
auf deutsches Recht war nicht zu prüfen, denn diese hätte dem Sinn der
Verweisung widersprochen: Es ist ja gerade Zweck von Art. 19 EGBGB einen
Kreis verschiedener Rechtsordnung zur Verfügung zu stellen, um dem Kind
einen (rechtlichen) Vater zu verschaffen, auch wenn er nicht der biologische
Vater ist. Eine Rückverweisung würde den Kreis zur Verfügung stehender
Rechte wieder einengen.
Dass der nunmehr trotzdem rechtlich Vater ist, ist ein auch dem deutschen
Recht nicht unbekanntes Ergebnis. Er muss eben versuchen, die Vaterschaft
anzufechten. Dafür stehen ihm nach Art. 20 EGBGB wiederum alle
vaterschaftsbegründenden Rechtsordnungen zur Verfügung. Geht das, zB wegen
Fristablauf nicht mehr, hat er Pech gehabt. er war wohl schlicht beraten,
seinen Anfechtungsantrag, den er 2012 gestellt hatte, zurückzunehmen, der
Hinweis des Gerichts, der ihn dazu gebracht hat, war evident fehlerhaft. Zu
Art. 19 EGBGB s. auch BGH v.
24.8.2016 - XII ZB 351/15 und BGH vom 20. April
2016 - XII ZB 15/15, BGH v. 7.7.2017 -
XII ZB 277/16 sowie BGH v.
12.1.2022 - XII ZB 562/20.
©sl 2016
Gründe:
I.
1 Die Beteiligten streiten um die Abänderung eines im vereinfachten
Verfahren errichteten Titels über Kindesunterhalt für das im Mai 2011
geborene Kind M.
2 Der Antragsteller ist türkischer Staatsangehöriger. Seine Ehe mit
der Kindesmutter, die ebenfalls die türkische Staatsangehörigkeit besitzt,
wurde durch Beschluss des Amtsgerichts P. vom 19. April 2011 - rechtskräftig
seit diesem Tag - geschieden. Es ist in diesem Verfahren unstreitig, dass
der Antragsteller nicht der biologische Vater des etwa vier Wochen nach
Rechtskraft der Scheidung geborenen Kindes M. ist, welches sich seit seiner
Geburt ebenfalls in Deutschland aufhält.
3 Der Antragsteller leitete im Jahr 2012 vor dem Amtsgericht B. ein
Vaterschaftsanfechtungsverfahren ein. Auf den in diesem Verfahren erteilten
gerichtlichen Hinweis, dass "nicht ersichtlich sei, was die Vaterschaft
begründe", nahm der Antragsteller seinen Antrag auf Anfechtung der
Vaterschaft zurück.
4 Der Antragsgegner, der für das Kind M. fortlaufend Leistungen nach
dem Unterhaltsvorschussgesetz erbringt, hat den Antragsteller aus
übergegangenem Recht auf Kindesunterhalt in Anspruch genommen.
Nachdem der Antragsgegner den Antragsteller im Dezember 2011 zur Erteilung
von Auskünften über seine Einkommensverhältnisse aufgefordert hatte, wurde
der Antragsteller durch Beschluss des Amtsgerichts vom 15. Mai 2014 im
vereinfachten Unterhaltsfestsetzungsverfahren nach § 239 FamFG dazu
verpflichtet, an den Antragsgegner seit Dezember 2011 rückständigen
und laufenden Kindesunterhalt für M. zu zahlen. Seine gegen diesen
Beschluss gerichtete Beschwerde nahm der Antragsteller am 27. Januar 2015
zurück.
5 Mit dem hier verfahrensgegenständlichen Antrag vom 29. Januar 2015
hat der Antragsteller eine Abänderung des Unterhaltsfestsetzungsbeschlusses
dahingehend begehrt, keinen Unterhalt zahlen zu müssen. Zur Begründung hat
er sich darauf berufen, dass er nicht der biologische Vater von M. sei und
auch nicht als dessen rechtlicher Vater angesehen werden könne. Das
Amtsgericht hat den Antrag abgewiesen. Das Oberlandesgericht, dessen
Entscheidung in FamRZ 2016, 924 (mit Anmerkung Henrich FamRZ 2016, 926)
veröffentlicht ist, hat die dagegen gerichtete Beschwerde des Antragstellers
zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit seiner
zugelassenen Rechtsbeschwerde.
II.
6 Der Senat beabsichtigt, die Rechtsbeschwerde gemäß § 74 a Abs. 1 FamFG
zurückzuweisen. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde
gemäß § 70 Abs. 2 Satz 1 FamFG liegen nicht vor und die Rechtsbeschwerde hat
auch in der Sache keine Aussicht auf Erfolg.
7 1. Im Streitfall stellen sich insbesondere keine Rechtsfragen von
grundsätzlicher Bedeutung (§ 70 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 FamFG). Grundsätzliche
Bedeutung hat eine Sache, wenn sie eine entscheidungserhebliche,
klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in
einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann. Klärungsbedürftig ist
eine Rechtsfrage dann, wenn eine durch die Beschwerdeentscheidung
aufgeworfene Rechtsfrage zweifelhaft ist, mithin insbesondere dann, wenn sie
vom Bundesgerichtshof bisher nicht entschieden worden ist und von einigen
Oberlandesgerichten unterschiedlich beantwortet wird, oder wenn dazu in der
Literatur unterschiedliche Meinungen vertreten werden (Senatsbeschluss vom
24. April 2013 - XII ZR 159/12 -FamRZ 2013, 1199 Rn. 4; BGH Beschluss vom 8.
Februar 2010 - II ZR 54/09 -NJW-RR 2010, 1047 Rn. 3). So liegt der Fall hier
nicht, und zwar auch nicht in Bezug auf die vom Beschwerdegericht als
zulassungsrelevant angesehene Rechtsfrage, wie sich die "konkrete Anwendung
des Günstigkeitsprinzips im Rahmen des Art. 19 Abs. 1 Satz 1 und 2 EGBGB" in
Fällen auswirkt, in denen "die rechtliche Vaterschaftsfiktion zu
widersprechenden Ergebnissen gegenüber der wahrscheinlichen biologischen
Abstammung" führt.
8 a) Nach Art. 19 Abs. 1 Satz 1 EGBGB unterliegt die Abstammung
eines Kindes dem Recht des Staates, in dem das Kind seinen gewöhnlichen
Aufenthalt hat (Aufenthaltsstatut). Sie kann gemäß Art. 19 Abs. 1 Satz 2
EGBGB im Verhältnis zu jedem Elternteil auch nach dem Recht des Staates
bestimmt werden, dem dieser Elternteil angehört (Personalstatut),
oder, wenn die Mutter verheiratet ist, gemäß Art. 19 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz
1 EGBGB nach dem Recht, dem die allgemeinen Wirkungen ihrer Ehe bei der
Geburt nach Art. 14 Abs. 1 EGBGB unterliegen (Ehewirkungsstatut).
Der Senat hat bereits ausgesprochen, dass das Personalstatut und das
Ehewirkungsstatut dem Aufenthaltsstatut grundsätzlich gleichwertige
Zusatzanknüpfungen sind (Senatsurteil BGHZ 168, 79 Rn. 12 = FamRZ
2006, 1745 und
Senatsbeschluss vom 20. April 2006 - XII ZB 15/15 - juris
Rn. 28).
9 b) Wird ein Kind mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland nach
der Scheidung der Ehe seiner Mutter geboren und könnte es deshalb -
insbesondere ohne vorangehende Vaterschaftsanfechtung - nach deutschem Recht
von einem Dritten ohne weiteres anerkannt werden, kann dies zu Konflikten
mit solchen über Art. 19 Abs. 2 Satz 2 und 3 EGBGB berufenen Rechtsordnungen
führen, die - wie etwa das türkische, griechische oder polnische Recht
(weitere Beispiele bei jurisPK-BGB/Gärtner/Duden [Stand: Dezember
2015] Art. 19 EGBGB Rn. 64) - das Kind als Abkömmling des
(geschiedenen) Ehemannes ansehen, wenn die Empfängniszeit noch in die Zeit
vor Beendigung der Ehe fiel. Zur Auflösung eines solchen Konflikts
werden im Wesentlichen drei verschiedene Lösungsansätze vertreten:
10 aa) Nach einer Ansicht soll das Abstammungsstatut in solchen Fällen
vorrangig an den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes angeknüpft werden, weil
der Gesetzgeber Art. 19 Abs. 1 Satz 1 EGBGB einerseits als Regelanknüpfung
ausgestaltet habe und der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes andererseits die
engste Beziehung zum Sachverhalt aufweise (vgl. Andrae Internationales
Familienrecht 3. Aufl. § 5 Rn. 27 und 33 ff.; Dethloff IPrax 2005, 326, 329
f.).
11 bb) Die wohl überwiegende Meinung in Rechtsprechung und Literatur
vertritt mit unterschiedlichen Begründungen die Ansicht, dass diejenige
Rechtsordnung maßgeblich sein soll, die dem Kind schon mit der Geburt zu
einem Vater verhelfe (Prioritätsgrundsatz). Hierzu wird teilweise
auf das Günstigkeitsprinzip rekurriert, weil es dem Wohl des Kindes im
Hinblick auf seine unterhaltsund erbrechtliche Absicherung am besten
entspreche, wenn ihm schon zum frühestmöglichen Zeitpunkt ein Vater
zugeordnet werde (vgl.
BayObLG FamRZ 2002, 686, 687; OLG Frankfurt FamRZ 2002,
688, 689; OLG Nürnberg FamRZ 2005, 1697, 1698 und FamRZ 2016, 920, 922; OLG
Hamm FamRZ 2014, 1559, 1560 und FamRZ 2009, 126, 128; OLG Köln StAZ 2013,
319, 320; jurisPK-BGB/Gärtner/Duden [Stand: Dezember 2015] Art. 19 EGBGB Rn.
70; NK-BGB/ Bischoff 3. Aufl. Art. 19 EGBGB Rn. 24). Teilweise wird der
Prioritätsgrundsatz nicht aus einem kindeswohlbezogenen Günstigkeitsprinzip,
sondern aus dem formalen Ordnungskriterium hergeleitet, dass alle nach Art.
19 Abs. 1 EGBGB berufenen Rechte gleichrangig seien (vgl. Frank StAZ 2009,
65, 67) und diejenige Rechtsordnung, die dem Kind zeitlich als erstes einen
Vater zuordne, demzufolge nur durch eine Vaterschaftsanfechtung wieder
verdrängt werden könne (vgl. MünchKomm/Helms BGB 6. Aufl. Art. 19 EGBGB Rn.
16).
12 Freilich kann der Prioritätsgrundsatz den Wertungskonflikt zwischen
verschiedenen gemäß Art. 19 Abs. 1 EGBGB berufenen Rechten für sich genommen
nicht auflösen, wenn eine - alle Wirksamkeitsvoraussetzungen erfüllende -
pränatale Vaterschaftsanerkennung durch den mutmaßlichen Erzeuger des Kindes
(etwa nach deutschem Recht) mit einer nachwirkenden Vaterschaftsvermutung
zugunsten des geschiedenen Ehemannes der Kindesmutter nach dem gemäß Art. 19
Abs. 1 Satz 2 oder 3 BGB berufenden Auslandsrecht konkurriert.
Weisen die alternativ berufenen Rechtsordnungen dem Kind deshalb schon bei
der Geburt unterschiedliche Väter zu, wird von der überwiegenden Auffassung
nach dem Günstigkeitsprinzip derjenigen Rechtsordnung der Vorzug gegeben,
die zum wirklichen Vater des Kindes führt (vgl. hierzu im Einzelnen
Staudinger/Henrich BGB [2014] Art. 19 EGBGB Rn. 38; jurisPK-BGB/
Gärtner/Duden [Stand: Dezember 2015] Art. 19 EGBGB Rn. 72 ff.).
13 cc) Eine weitere Ansicht meint, dass der Gesichtspunkt der
Abstammungswahrheit von vornherein als wesentliches Kriterium des
Günstigkeitsprinzips anzusehen und die vorzugswürdige Rechtsordnung deshalb
generell diejenige sei, die dem Kind ohne Umwege möglichst schnell und ohne
unnötige Kosten zu seinem wirklichen Vater verhelfe (Henrich FamRZ
1998, 1401, 1402). Auf dieser gedanklichen Grundlage soll sich auch
eine wirksame postnatale Vaterschaftsanerkennung durch den mutmaßlichen
Erzeuger gegenüber der auf einer geschiedenen Ehe gegründeten
Vaterschaftsvermutung nach ausländischem Recht durchsetzen können, wenn die
Anerkennung der Vaterschaft "zeitnah" nach der Geburt angekündigt wird und
die wirksame Vaterschaftsanerkennung im Zeitpunkt der Beurkundung der Geburt
durch den Standesbeamten vorliegt (vgl. OLG Karlsruhe [11.
Zivilsenat] FamRZ 2015, 1636, 1638; AG Karlsruhe FamRZ 2007, 1585, 1586; AG
Regensburg FamRZ 2003, 1856, 1857; Staudinger/Henrich BGB [2014] Art. 19
EGBGB Rn. 38; vgl. auch AG Hannover FamRZ 2002, 1722, 1724 f.).
14 c) Der Senat hat zwar bislang offengelassen, in welchem
Verhältnis die Anknüpfungsalternativen zueinander stehen, wenn diese zu
unterschiedlichen Eltern-Kind-Zuordnungen führen, und welcher Alternative im
Konkurrenzfall der Vorrang gebührt (vgl.
Senatsbeschluss vom 20. April 2016
- XII ZB 15/15 - FamRZ 2016, 1251 Rn. 29). Diese Frage
stellt sich unter den hier obwaltenden Umständen allerdings nicht.
Nach den von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffenen Feststellungen des
Beschwerdegerichts ist die Anerkennung der Vaterschaft für das Kind M. durch
einen anderen Mann weder erfolgt noch beabsichtigt. Die nach Art. 19 Abs. 1
Satz 1 EGBGB vorzunehmende Anknüpfung des Abstammungsstatuts an den
gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes in Deutschland würde deshalb dazu führen,
dass dem Kind M. überhaupt kein Vater zugeordnet werden könnte, weil die
Mutter von M. zum Zeitpunkt der Geburt nicht mehr verheiratet war
(§ 1592 Nr. 1 BGB) und weder eine Anerkennung der Vaterschaft durch
einen anderen Mann (§ 1592 Nr. 2 BGB) noch eine gerichtliche
Vaterschaftsfeststellung (§ 1592 Nr. 3 BGB) vorliegen.
Demgegenüber würde die Anknüpfung an das Personalstatut des Antragstellers
gemäß Art. 19 Abs. 1 Satz 2 EGBGB nach den zutreffenden Ausführungen des
Beschwerdegerichts dazu führen, dass dem Kind M. der Antragsteller als
rechtlicher Vater zugeordnet wird, weil der geschiedene Ehemann nach Art.
285 Abs. 1 des türkischen Zivilgesetzbuches auch dann noch als rechtlicher
Vater des Kindes gilt, wenn dieses von der geschiedenen Ehefrau - wie es
hier der Fall ist - vor Ablauf von 300 Tagen nach Beendigung der Ehe geboren
worden ist.
15 Bei einer solchen Sachverhaltskonstellation kommt es folglich schon nicht
dazu, dass die verschiedenen Anknüpfungsalternativen des Art. 19 Abs. 1
EGBGB zu unterschiedlichen Vater-Kind-Zuordnungen führen, weil das nach Art.
19 Abs. 1 Satz 1 EGBGB berufene deutsche Aufenthaltsrecht dem Kind M.
überhaupt keinen rechtlichen Vater zuweist und es damit nicht um die Auswahl
zwischen mehreren in Betracht kommenden Vätern geht. Die gänzliche
rechtliche Vaterlosigkeit ist indessen ein - auch kollisionsrechtlich -
unerwünschter Zustand, der durch die nach Art. 19 Abs. 1 EGBGB eröffnete
Mehrfachanknüpfung gerade vermieden werden soll. Darüber,
dass eine durch ein alternativ berufenes Auslandsrecht ermöglichte
Vater-Kind-Zuordnung aufgrund geschiedener Ehe der völligen Vaterlosigkeit
vorzuziehen ist, besteht - soweit ersichtlich - in Rechtsprechung und
Literatur Einigkeit (so ausdrücklich MünchKomm/Helms BGB 6. Aufl.
Art. 19 EGBGB Rn. 20; jurisPK-BGB/Gärtner/Duden [Stand: Dezember 2015] Art.
19 EGBGB Rn. 62), und zwar auch bei den Vertretern derjenigen Ansichten, die
dem von der herrschenden Meinung bevorzugten (strengen) Prioritätsgrundsatz
im Ausgangspunkt nicht folgen wollen (vgl. insbesondere Dethloff IPrax 2005,
325, 329; Staudinger/Henrich BGB [2014] Art. 19 EGBGB Rn. 37; Henrich FamRZ
2016, 926). Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde spielt es
auch keine entscheidende Rolle, dass dem Kind bei einer Vater-Kind-Zuordnung
aufgrund nachwirkender Vaterschaftsvermutung mit dem geschiedenen Ehemann
der Mutter häufig ein Vater zugewiesen wird, der - wie es auch in diesem
Fall zu sein scheint - nicht der Erzeuger des Kindes ist. Insoweit ist nur
ergänzend darauf hinzuweisen, dass auch dem deutschen Abstammungsrecht -
insbesondere bei der Ehelichkeitsvermutung des § 1592 Nr. 1 BGB -
Vater-Kind-Zuordnungen geläufig sind, die zwar auf einer typisierten
Vaterschaftswahrscheinlichkeit beruhen, aber fehlerhafte Zuordnungen
vorbehaltlich bestehender Anfechtungsmöglichkeiten bewusst in Kauf nehmen.
16 d) Die angefochtene Entscheidung begegnet auch insoweit keinen
rechtlichen Bedenken, als das Beschwerdegericht keine weiteren Erwägungen zu
möglichen Rückverweisungen durch das internationale Privatrecht der Türkei
angestellt hat. Denn es kann im Ergebnis offen bleiben, ob es sich
bei der Verweisung in Art. 19 Abs. 1 Satz 2 EGBGB um eine Gesamtverweisung
oder um eine Sachnormverweisung handelt (vgl. Staudinger/Henrich
BGB [2014] Art. 19 EGBGB Rn. 27 mit Nachweisen zum Streitstand) und ob das
türkische Kollisionsrecht möglicherweise wieder in das deutsche Recht
zurückverwiesen hätte. Die alternative Anknüpfung in Art. 19 Abs. 1
EGBGB verfolgt gerade das Ziel, die Feststellung der Abstammung auch in
solchen Fällen zu ermöglichen, in denen nach einem der in Frage kommenden
Rechte die Feststellung ausgeschlossen wäre. Eine Rückverweisung durch das
nach Art. 19 Abs. 1 Satz 2 oder 3 EGBGB berufene Recht bleibt nach
einhelliger und zutreffender Meinung jedenfalls dann unbeachtlich, wenn
durch die Annahme der Rückverweisung die Möglichkeit einer Feststellung der
Abstammung entfiele (vgl. OLG Nürnberg FamRZ 2005, 1697, 1698; OLG
Celle FamRZ 2011, 1518, 1520; BeckOK BGB/ Heiderhoff [Stand: Mai 2016] Art.
19 EGBGB Rn. 30; MünchKommBGB/Helms 6. Aufl. Art. 19 EGBGB Rn. 29). Auch die
Rechtsbeschwerde erinnert hiergegen nichts.
17 2. Gemessen daran hat die Rechtsbeschwerde auch keine Aussicht auf
Erfolg. Da der Antragsteller im Übrigen keine Tatsachen vorgetragen hat,
welche die Herabsetzung des im Unterhaltsfestsetzungsbeschluss titulierten
Kindesunterhalts rechtfertigen könnten, kommt es auf die vom
Beschwerdegericht offengelassene Frage nach der Einhaltung der Frist des §
240 Abs. 2 Satz 1 FamFG nicht an.
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