Alternativanknüpfung des Abstammungsstatuts (Art. 19 I EGBGB), Bedeutung des Günstigkeitsprinzips: Schnelle rechtliche oder schnelle wirkliche Vaterschaft (oder "Lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach")

BayObLG, Beschluß vom 11. 1. 2002 - 1Z BR 51/01


Fundstellen:

NJW-RR 2002, 1009
FGPrax 2002, 66
IPRax 2002, 405 m. Anm. Hepting aaO S. 388 ff
FamRZ 2002, 686
Vorgesehen für BayObLGZ
s. auch
BGH v. 23.11.2011 - XII ZR 78/11 sowie die Anm. zu BGH v. 3.8.2016 - XII ZB 110/16.


Amtl. Leitsätze:

1. Kommen zwei alternative Abstammungsstatute in Betracht, auf Grund derer das Kind zwei Väter im Rechtssinne hat, geht nach dem Günstigkeitsprinzip die gesetzlich vermutete Vaterschaft des (Ex-)Ehemanns der Mutter der Vaterschaft eines anerkennenden Dritten vor. Das gilt nicht, wenn der Dritte im Augenblick der Geburt die Vaterschaft wirksam anerkannt hat; in diesem Fall ist nach dem Günstigkeitsprinzip dem Kind der wahrscheinliche Vater zuzuordnen.
2. Zur Berichtigung des Geburtenbucheintrages über die Familiennamen von Mutter und Kind, die türkische Staatsangehörige sind, in einem Fall, in dem das Kind innerhalb von 300 Tagen nach Scheidung der Mutter geboren worden ist.


Zum Sachverhalt:

Das im September 1998 in Nürnberg geborene Mädchen ist die Tochter der Bet. zu 2 und lebt bei ihr in Nürnberg. Beide sind türkische Staatsangehörige. Die Bet. zu 2, eine geborene B, hatte 1997 in der Türkei den türkischen Staatsangehörigen A (Bet. zu 1) geheiratet. Die Ehe wurde mit Entscheidung eines Gerichts der Türkei vom 11. 6. 1998, rechtskräftig seit 15. 6. 1998, geschieden. Die Geburt des Kindes wurde am 9. 11. 1998 beim Standesamt Nürnberg beurkundet. In dem Eintrag heißt es unter anderem: „Das Kind hat die Vornamen … erhalten und führt den Familiennamen A." Als Name der Mutter wurde eingetragen „A, geb. B"; weiterhin enthält das Geburtenbuch die Eintragung „Vater des Kindes ist A". Am 19. 11. 1998 erkannte der türkische Staatsangehörige C zu Urkunde des Standesbeamten des Standesamts Nürnberg die Vaterschaft mit Zustimmung der Bet. zu 2 an. Die Bet. zu 2 beantragte am 5. 5. 1999 die Berichtigung des Geburtenbucheintrages vom 9. 11. 1998 dahin, dass für sie und das Kind ihr Geburtsname B als Familienname eingetragen werde.

Mit Beschluss vom 7. 6. 1999 ordnete das AG an: „Der Eintrag des Standesamtes im Geburtenbuch ist durch Beischreibung folgenden Randvermerks zu berichtigen: Die Angaben über den eingetragenen Vater sind zu streichen. Die Mutter und das Kind führen den Familiennamen B. Gegen diesen Beschluss legte die Bet. zu 3 (Standesamtsaufsicht) sofortige Beschwerde ein mit dem Antrag, die Entscheidung des AG zu bestätigen. Das LG entschied wie folgt: „I. Auf die sofortige Beschwerde der Bet. zu 3 wird der Beschluss des AG vom 7. 6. 1999 dahin abgeändert, dass der Randvermerk nur zu lauten hat: Die Mutter und das Kind führen den Familiennamen B. - II. Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde zurückgewiesen." Gegen diese Entscheidung legte die Bet. zu 3 sofortige weitere Beschwerde ein, mit der sie nunmehr die Bestätigung der landgerichtlichen Entscheidung anstrebt. Das BayObLG entschied, dass das Kind den Familiennamen A trägt, der Name der Mutter dagegen B lautet.

Aus den Gründen:

II. 1. … (zur Zulässigkeit der sofortigen weiteren Beschwerde)

Das LG hat zu Unrecht die Voraussetzungen für die Berichtigung des Geburtsnamens des Kindes angenommen. Diese sind nur bezüglich des Familiennamens der Mutter gegeben. Insoweit hat es die amtsgerichtliche Entscheidung ohne Rechtsfehler bestätigt. Im Übrigen hat das LG mit zutreffenden Gründen die Anordnung des AG, die Angaben über den eingetragenen Vater zu streichen, aufgehoben. In den beiden letztgenannten Punkten ist die landgerichtliche Entscheidung zu bestätigen.

2. Das LG hat ausgeführt:

a) Zu Recht habe das AG angeordnet, dass als Familienname der Mutter und des Kindes B einzutragen sei. Die Bet. zu 2 trage nach Scheidung gem. Art. 141 türk. ZGB wieder ihren Geburtsnamen als Familiennamen.

b) Die Bet. zu 2 lebe in Deutschland und könne als Inhaberin der elterlichen Sorge (Art. 21 EGBGB, § 1626a II BGB) bestimmen, dass sich der Familienname des Kindes nach deutschem Recht richte (Art. 10 III Nr. 2 EGBGB). Dies habe die Bet. zu 2 zur Niederschrift des Standesbeamten am 5. 5. 1999 formgerecht getan.

c) Dagegen könne der Eintrag, wonach der Vater des Kindes der Bet. zu 1 sei, nicht berichtigt werden. Die Bet. hätten hier kein Wahlrecht; vielmehr komme dasjenige Recht zum Zuge, das zum frühesten Zeitpunkt zur Feststellung eines Vaters führe.

3. Die Entscheidung des LG hält der rechtlichen Überprüfung nur in den Punkten 2. a und 2. c stand (§§ 47 I 1, 49 II, 48 I PStG, § 27 I FGG, § 546 ZPO).

a) Das LG hat - stillschweigend - seine internationale Zuständigkeit zur Entscheidung des vorliegenden Falles angenommen. Diese ist tatsächlich gegeben, weil eine Eintragung im deutschen Geburtenbuch betroffen ist; die internationale Zuständigkeit folgt aus der örtlichen Zuständigkeit (vgl. § 50 I PStG; BayObLGZ 1995, 238 [240]). Aus der internationalen Zuständigkeit ergibt sich die Anwendung des deutschen Verfahrensrechts (lex fori, vgl. BGH, NJW-RR 1993, 130; BayObLGZ 1995, 238 [240]). Nach deutschem Personenstandsrecht ist somit die Frage zu beurteilen, ob die von der Bet. zu 2 beantragte Berichtigung im deutschen Geburtenbuch vorzunehmen ist.

b) Das LG hat die Voraussetzungen für eine Berichtigung des Geburtenbuchs zu Recht verneint, soweit die Eintragung der väterlichen Abstammung des Kindes betroffen ist.

aa) Ist - wie hier - die Eintragung in einem Personenstandsbuch abgeschlossen, so kann sie gem. § 47 I 1 PStG auf Anordnung des Gerichts berichtigt werden, wenn sie von Anfang an unrichtig war (vgl. BGH, NJW 1988, 1469 [1470]; BayObLG, FamRZ 2000, 55). Die Eintragung des Namens des geschiedenen Ehemanns der Bet. zu 2 als Vater in das Geburtenbuch hat keine rechtserzeugende Wirkung, sondern nur Beweisfunktion. Den erforderlichen Berichtigungsantrag hat die hierzu berechtigte Bet. zu 2 (§ 47 II PStG) gestellt. Die Berichtigung eines abgeschlossenen Eintrags setzt voraus, dass die Unrichtigkeit der Eintragung feststeht (BayObLG, Report 2000, 31 [32]).

bb) Da Mutter und Kind sowie der Bet. zu 1 türkische Staatsangehörige sind, ist es notwendig, die für die Abstammung des Kindes maßgebliche Rechtsordnung zu bestimmen (Art. 3 I 1 EGBGB). Nach der die Abstammung eines Kindes regelnden Kollisionsnorm des Art. 19 I EGBGB kommen hierfür im vorliegenden Fall das deutsche Recht (Art. 19 I 1 EGBGB) und das türkische Recht (Art. 19 I 2 EGBGB) in Frage. Die Anknüpfungsmöglichkeit nach dem Ehewirkungsstatut gem. Art. 19 I 3 EGBGB bleibt außer Betracht, weil die Mutter (Bet. zu 2) im Zeitpunkt der Geburt geschieden war.

(1) Gem. Art. 19 I 1 EGBGB unterliegt die Abstammung eines Kindes dem Recht des Staates, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Danach ist deutsches Recht anwendbar, weil das Kind in Nürnberg geboren ist und dort bei seiner Mutter lebt. Diese war ausweislich des Scheidungsurteils vom 11. 6. 1998, das gem. Art. 7 § 1 I 3 FamRÄndG ohne förmliches Anerkennungsverfahren zu beachten ist, im Zeitpunkt der Geburt vom Bet. zu 1 geschieden. Deshalb greift bei Anwendung deutschen Rechts die Vaterschaftsvermutung des § 1592 Nr. 1 BGB nicht ein. Im Zeitpunkt der Geburt am 24. 9. 1998 stünde auch keine andere Person als Vater fest; der türkische Staatsangehörige C hat die Vaterschaft erst am 19. 11. 1998 anerkannt (Art. 19 I 1 EGBGB, § 1592 Nr. 2 BGB). Da die Vaterschaft des Kindes im Zeitpunkt der Geburt nicht festgestanden hat, wäre - in Anwendung des deutschen Rechts - die Eintragung des Bet. zu 1 als Vater des Kindes unrichtig.

(2) Gem. Art. 19 I 2 EGBGB kann die Abstammung eines Kindes im Verhältnis zu jedem Elternteil auch nach dem Recht des Staates bestimmt werden, dem dieser Elternteil angehört. Soweit die Vaterschaft des geschiedenen Ehemanns (Bet. zu 1) in Frage steht, ist danach sein türkisches Heimatrecht anwendbar. Dieses enthält dieselbe Regelung, wie sie § 1593 BGB a.F. bis zum 30. 6. 1998 vorgesehen hat: Gem. Art. 241 S. 1 türk. ZGB hat ein Kind, das innerhalb von 300 Tagen nach Auflösung der Ehe geboren wird, den Ehemann zum Vater. Danach stünde der Bet. zu 1 als Vater mit der Geburt des Kindes fest.

Im Hinblick darauf bliebe die Anerkennung der Vaterschaft durch C zunächst ohne Bedeutung: Nach § 1594 II BGB ist eine Anerkennung der Vaterschaft nicht wirksam, solange die Vaterschaft eines anderen Mannes besteht. Diese Vorschrift greift auch dann ein, wenn die Vaterschaft nach einer anwendbaren ausländischen Rechtsordnung gegeben ist (Klinkhardt, in: MünchKomm, 3. Aufl., Art. 19 EGBGB n.F. Rdnr. 14; Soergel/Kegel, BGB, 12. Aufl., Art. 20 EGBGB Rdnr. 12; Hepting, StAZ 2000, 33 [39]; Gaaz, StAZ 1998, 248 [250]; Looschelders, IPRax 1999, 420 [422]). Um die Vaterschaftsvermutung zu beseitigen, müsste zunächst die Abstammung des Kindes angefochten werden (Art. 20 EGBGB), bevor der Weg frei wäre für die Anerkennung der Vaterschaft durch den Erzeuger des Kindes. Nur für den Fall, dass alle Bet. einschließlich des geschiedenen Ehemanns darin übereinstimmen, dass das Kind dem anerkennungswilligen Vater zugeordnet wird, kann in entsprechender Anwendung des § 1599 II BGB die Vaterschaftsvermutung überwunden werden (Hepting, StAZ 2000, 33 [39]; Gaaz, StAZ 1998, 248 [251]; Looschelders, IPRax 1999, 420 [422]).

cc) Die Anknüpfungsmöglichkeiten nach Art. 19 I 1 EGBGB (deutsches Recht) und Art. 19 I 2 EGBGB (hier türkisches Recht) stehen nach h.M. im Verhältnis gleichrangiger Alternativität (vgl. BT-Dr 10/5632, S. 43 zu Art. 20 EGBGB a.F.; Erman/Holoch, BGB, 10. Aufl., Art. 19 EGBGB Rdnr. 17; Palandt/Heldrich, BGB, 61. Aufl., Art. 19 EGBGB Rdnr. 2; Soergel/Kegel, zu Art. 20 EGBGB a.F. Rdnrn. 10f.; Hepting, StAZ 2000, 33 [38]; Gaaz, StAZ 1998, 248 [250]; Looschelders, IPRax 1999, 420 [421]).

An welche Alternative anzuknüpfen ist, bestimmt sich nach dem Günstigkeitsprinzip, das sich aus dem Nebeneinander der konkurrierenden Anknüpfungen ergibt (vgl. Hepting/Gaaz, PStG, 2000, III Bd. 2 IV-433). Es kommt das Recht zur Anwendung, das für das Wohl des Kindes günstiger ist (vgl. BT-Dr 10/5632, S. 43 zu Art. 20 I EGBGB a.F.; OLG Hamm, FamRZ 1991, 221 [223]; KG, NJW-RR 1995, 70 = FamRZ 1994, 986 [988]; Staudinger/Kropholler, BGB, 1996, Art. 20 EGBGB Rdnr. 41).

Die Frage, welche Lösung dem Wohl des Kindes am besten entspricht, wird unterschiedlich beantwortet. Nach der einen Auffassung ist maßgebend diejenige Rechtsordnung, die dem Kind zum frühestmöglichen Zeitpunkt, am besten schon mit der Geburt, einen Vater zuordnet (Klinkhardt, in: MünchKomm, Art. 19 EGBGB n.F. Rdnr. 14; Palandt/Heldrich, Art. 19 EGBGB Rdnr. 6; Soergel/Kegel, Art. 20 EGBGB Rdnr. 12; Erman/Holoch, Art. 19 EGBGB Rdnr. 17 a.E.). Im vorliegenden Fall hätte hiernach das Heimatrecht des geschiedenen Ehemanns (Bet. zu 1) den Vorrang. Nach a.A. ist die für das Kind günstigste Lösung diejenige, die ihm ohne Umwege möglichst schnell und ohne unnötige Kosten zu seinem wirklichen Vater verhilft (Henrich, FamRZ 1998, 1401 [1402]; StAZ 1998, 1 [2]). Nach dieser Auffassung wäre vorliegend das deutsche Recht maßgeblich, das nach Scheidung keine Vaterschaftsvermutung vorsieht mit der Folge, dass dem Kind ohne die Blockade des § 1594 II BGB nach Vaterschaftsanerkennung ein Vater zugeordnet werden kann.

Die Meinungsunterschiede beziehen sich auf die Kriterien der Günstigkeit. Ist es für das Kind günstiger, den geschiedenen Ehemann im Zeitpunkt der Geburt generell als vermutlichen - wenn auch unwahrscheinlichen - Vater rechtsverbindlich anzusehen, oder ist es für das Kind günstiger, im Zeitpunkt der Geburt vaterlos zu sein, um im Falle einer Vaterschaftsanerkennung bzw. -feststellung eine einfache Zuordnung des - wahrscheinlichen - Vaters zu ermöglichen?

dd) Der Senat geht grundsätzlich von der Auffassung der überwiegenden Meinung aus. Sind gem. Art. 19 I EGBGB für die Abstammung des Kindes zwei Rechtsordnungen alternativ maßgeblich, so bietet diejenige die günstigste Auswirkung, die dem Kind zuerst zu einem Vater verhilft (vgl. BayObLG, FamRZ 2000, 699 [700]; BayObLGZ 2000, 205 [208] = NJW-RR 2000, 1602). Denn die rechtliche Zuordnung zu einem Vater nach dem einen Recht ist schon im Hinblick auf die unterhalts- und erbrechtlichen Konsequenzen günstiger als die völlige Vaterlosigkeit nach dem anderen Recht.

In dem Augenblick aber, in dem das Kind im Zeitpunkt seiner Geburt von alternativ maßgeblichen Abstammungsstatuten zwei unterschiedlichen Vätern zugeordnet wird, hat dasjenige Vorrang, das zum wirklichen und nicht lediglich zum gesetzlich vermuteten Vater führt (Abstammungswahrheit). Ein solcher Konkurrenzfall liegt vor, wenn die gesetzliche Vaterschaftsvermutung nach dem einen Recht mit Geburt eintritt und nach dem anderen Recht ein vorgeburtliches Vaterschaftsanerkenntnis (vgl. § 1594 IV BGB) vorliegt. In diesem Fall führt das Günstigkeitsprinzip zu der Rechtsordnung, die die Feststellung des wirklichen Vaters ermöglicht (vgl. Gaaz, StAZ 1998, 248 [251]).

Das in Art. 19 I EGBGB statuierte Günstigkeitsprinzip erlaubt es aber nicht, ebenso zu verfahren, wenn die Vaterschaft nach der Geburt des Kindes anerkannt wird. Die alternativen Anknüpfungen in Art. 19 I EGBGB sollen nach dem Gesetzeszweck die Abstammungsfeststellung im Interesse des Kindes erleichtern. Inhaltliche Widersprüche zwischen den anwendbaren Rechten werden nach dem Günstigkeitsprinzip gelöst. Dabei werden die Ergebnisse verglichen; das Recht mit dem günstigsten Ergebnis setzt sich durch, die anderen werden nicht angewandt. Es kommt allein auf die jeweils günstigste Auswirkung für das Kind an. Da hierbei ein objektiver Maßstab anzulegen ist, besteht entgegen der Auffassung des AG in keinem Fall ein Wahlrecht der Mutter (vgl. Hepting, StAZ 2000, 33 [35]; a.A. Palandt/Heldrich, Art. 19 EGBGB Rdnr. 6a.E.).

Hat nach diesen Grundsätzen eines der anwendbaren Rechte zur Feststellung der Abstammung geführt - im vorliegenden Fall auf Grund der Vaterschaftsvermutung des Art. 241 türk. ZGB -, ist der Rückgriff auf eine alternativ zur Verfügung stehende Rechtsordnung nicht mehr möglich (Prioritätsgrundsatz). Das Recht, das zuerst zur Bestimmung einer Abstammung geführt hat, ist das verbindlich gewordene Abstammungsstatut. Die Anwendung einer anderen Rechtsordnung kommt erst in Betracht, wenn die bereits vorliegende wirksame Feststellung der Abstammung durch Anfechtung (vgl. Art. 20 EGBGB) oder auf andere Weise beseitigt worden ist. Erst dann ist die Frage der Abstammung wieder offen, so dass eines der anderen sich aus Art. 19 I EGBGB ergebenden Rechte für eine erneute Bestimmung der Abstammung herangezogen werden kann (Erman/Holoch, Art. 19 EGBGB Rdnr. 17; Palandt/Heldrich, Art. 19 Rdnr. 6; Hepting, StAZ 2000, 33 [41]).

Das bedeutet für den vorliegenden Fall, in dem das Vaterschaftsanerkenntnis nach der Beurkundung der Geburt abgegeben worden ist, dass das Kind im Augenblick der Geburt dem Bet. zu 1 auf Grund der gesetzlichen Vaterschaftsvermutung des anwendbaren türkischen Rechts zugeordnet ist und diese Zuordnung im Hinblick auf § 1594 II BGB (s.o.) durch die Vaterschaftsanerkennung allein nicht beseitigt werden kann. Dies ist erst nach erfolgreicher Anfechtung (Art. 20 EGBGB) oder - ohne gerichtliches Verfahren - in entsprechender Anwendung des § 1599 II BGB möglich, wenn der geschiedene Ehemann der Mutter, der nach türkischem Recht als Vater vermutet wird, der Anerkennung der Vaterschaft des Dritten zustimmt (vgl. Gaaz, StAZ 1998, 248 [251]).

c) Zu Recht ist das LG davon ausgegangen, dass sich die Namensführung der Bet. zu 2 nach ihrem türkischen Heimatrecht richtet (Art. 10 I EGBGB). Gem. Art. 141 S. 2 türk. ZGB erhält die Bet. zu 2 mit der Scheidung ihren früheren Familiennamen zurück. Die am 11. 6. 1998 ausgesprochene Scheidung der Bet. zu 1 und 2 wurde am 15. 6. 1998 rechtskräftig. Damit hat die Bet. zu 2 ihren Geburtsnamen „B" zurückerhalten. Der im Geburtenbucheintrag vom 9. 11. 1998 für sie eingetragene Familienname „A" ist daher unrichtig, seine Berichtigung ist zu Recht angeordnet worden.

d) Hingegen kommt eine Berichtigung des Geburtsnamens des Kindes „A" nicht in Betracht, weil der entsprechende Geburtenbucheintrag richtig ist. Das Kind ist türkischer Staatsangehöriger und erhält seinen Namen nach türkischem Heimatrecht (Art. 10 I EGBGB). Gem. Art. 259 türk. ZGB trägt das eheliche Kind den Namen seines Vaters. Die Vorfrage, ob das Kind im Verhältnis zu seinem Vater als ehelich anzusehen ist, richtet sich ebenfalls nach türkischem Recht. Vorfragen sind im Namensrecht nach bisher h.M. grundsätzlich unselbstständig anzuknüpfen (BGHZ 90, 129 = NJW 1984, 1299). Allerdings hat der BGH die Vorfrage der Ehelichkeit im Kindesnamensrecht ausnahmsweise selbstständig angeknüpft (BGH, NJW 1986, 3022). Das KindRG hat die Ehelichkeit als Rechtsbegriff abgeschafft. Für die hier maßgebliche Frage der Ehelichkeit des Kindes bietet das deutsche Kollisionsrecht keine Anknüpfung. Danach ist im Wege der unselbstständigen Anknüpfung Art. 241 türk. ZGB heranzuziehen. Da das Kind innerhalb von 300 Tagen nach Rechtskraft der Scheidung am 15. 6. 1998 geboren ist, hat es nach dieser Vorschrift den geschiedenen Ehemann zum Vater mit der Folge, dass dessen Name zum Kindesnamen wird.

Der allein sorgeberechtigten Bet. zu 2 (Art. 21 EGBGB, § 1626a II BGB) bleibt allerdings unbenommen, gem. Art. 10 III Nr. 2 EGBGB die von ihr gewünschte Namensänderung nach deutschem Recht herbeizuführen. Die Rechtswahl ist aktenkundig zu machen (§ 270 IV 3 DA). Die nach der Beurkundung der Geburt abgegebene Erklärung muss öffentlich beglaubigt werden (Art. 10 III 2 EGBGB). Die Beglaubigung kann auch vom Standesbeamten vorgenommen werden (§ 31a I 1 Nr. 1 PStG). Der öffentlichen Beglaubigung durch den Standesbeamten steht es gleich, wenn er über die Erklärung eine Niederschrift fertigt, die von ihm und den Erklärenden unterschrieben und mit dem Dienstsiegel versehen wird (§ 270 IV 4 DA).

Die vom Standesbeamten am 5. 5. 1999 aufgenommene Niederschrift über die Erklärungen der Bet. zu 2 wird diesen Anforderungen nicht gerecht. Die Erklärungen sind nicht auf Rechtswahl und Namensänderung, sondern auf Berichtigung der Geburtenbucheinträge gerichtet. Eine Belehrung über die Rechtswahlmöglichkeit nach Art. 10 III EGBGB ist nicht erfolgt. Die Niederschrift entbehrt auch der Formerfordernisse der öffentlichen Beglaubigung i.S. des § 31a I PStG i.V. mit § 270 IV 4 DA. Das Standesamt ist gehalten, der Bet. zu 2 Gelegenheit zu geben, die von ihr der Sache nach gewünschte Namensänderung nach Rechtswahl in der erforderlichen Form vorzunehmen.