Abgrenzung von Schenkung und Leihe; Formfreiheit
auch langfristiger Leihe: Keine analoge Anwendung von § 550 BGB; Verleihung
durch (nicht befreiten) Vorerben: Keine Umgehung von § 2113, keine Bindung
des Nacherben an schuldrechtliche Verpflichtungen des Vorerben betr.
Nachlassgegenstände (Leihvertrag); Voraussetzung einer außerordentlichen
Kündigung nach § 314 BGB
BGH, Urteil vom 27. Januar 2016 - XII
ZR 33/15 - OLG Hamm
Fundstelle:
noch nicht bekannt
für BGHZ vorgesehen
Amtl. Leitsatz:
a) Verstirbt der Kläger während des Rechtsstreits
und wird er vom Beklagten und einem Dritten als Miterben beerbt, so wird der
Prozess auf Klägerseite allein vom Dritten fortgeführt und behält der
Beklagte seine prozessuale Stellung bei (im Anschluss an BGH Beschluss vom
27. Februar 2014 - III ZB 99/13 - NJW 2014, 1886).
b) Die unentgeltliche Gebrauchsüberlassung von Wohn- oder Geschäftsräumen
ist regelmäßig auch bei langer Vertragslaufzeit Leihe und selbst dann nicht
formbedürftig, wenn das Recht des Verleihers zur Eigenbedarfskündigung
vertraglich ausgeschlossen ist (Fortführung von
BGHZ 82, 354 = NJW 1982, 820; BGH Urteile vom 20. Juni 1984 - IVa ZR
34/83 - NJW 1985, 1553 und vom 10. Oktober 1984 - VIII ZR 152/83 - NJW 1985,
313 sowie Beschluss vom 11. Juli 2007 - IV ZR 218/06 - FamRZ 2007, 1649).
Zentrale Probleme:
Ein extrem lehrreicher, aber komplizierter Fall mit
Berührung zu Erbrecht, Sachenrecht und Schuldrecht: Eine Vorerbin verleiht
ein zur Vorerbschaft gehörendes Haus langfristig für über 31 Jahre an eines
ihrer Kinder (hier der Bekl. zu 1). Nacherben nach dem vorverstorbenen Vater
sind beide Kinder. Die Vorerbin hatte sich zunächst auf die Unwirksamkeit
des langfristigen Leihvertrags berufen und vom Beklagten die Herausgabe
verlangt, war aber dann vor rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens
verstorben. Sie wurde von beiden Kindern beerbt. Das zweite Kind (der
Kläger) führt nun den Prozess auf Herausgabe des Grundstücks fort (besser,
man macht sich hier mal eine Zeichnung ...).
a) Zunächst stellt sich die prozessuale Frage, ob er das als Miterbe kann.
Nach § 239 ZPO ist der Prozess bis zu dessen Aufnahme durch den Erben
unterbrochen. Hier kann der einzelne Miterbe den Prozess gegen den anderen
Miterben aufnehmen und gem. § 2039 S. 1 BGB im Rahmen einer gesetzlichen
Prozessstandschaft alleine klagen, allerdings muss er Leistung an alle
Miterben fordern (also vom Beklagten Herausgabe an sich und den Beklagten
verlangen).
b) In diesem Rahmen stellt sich die Frage der Wirksamkeit des Leihvertrags.
Da für Sittenwidrigkeit und Anfechtbarkeit wegen Drohung offenbar nicht
ausreichend vorgetragen war, kommt zunächst Nichtigkeit nach §§ 518 I, 125
S. 1 BGB in Betracht, wenn es sich um eine Schenkung gehandelt hat. Dieses
schon klassische Problem verneint der Senat unter Verweis auf
BGHZ 82, 354: Die Leihe ist ein besonders geregelter
unentgeltlicher Vertrag, auf den auch dann, wenn sie einen hohen
Vermögenswert darstellt, § 518 BGB weder direkt noch analog anwendbar ist
(s. bei Rn. 17 und Rn. 23). Ob
ausnahmsweise dann, wenn die Gebrauchsüberlassung der endgültigen Weggabe
der Sache wirtschaftlich nahekommt, weil deren Wert während der Leihzeit
verzehrt ist, von einer Schenkung auszugehen ist, lässt der Senat wiederum
offen. Auch die Tatsache, dass die Erblasserin als Entleiherin zusätzlich
die Unterhaltungskosten übernommen hatte, ändere nichts am Vorliegen einer
Leihe, denn § 601 Abs. 1 BGB, wonach diese Kosten vom Entleiher zu tragen
sind, ist dispositiv. Gleiches gilt für den Ausschluss des Kündigungsrechts
wegen Eigenbedarfs (§ 605 Nr. 1 BGB), denn
dem Verleiher bleibt immer noch die Möglichkeit der
außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund nach § 314 BGB.
Die Leihe führt also keinesfalls zu einer endgültigen
Vermögensübertragung, wie das bei der Schenkung der Fall ist.
c) Auch eine Sittenwidrigkeit des langfristigen Leihvertrags verneint der
Senat im vorliegenden Fall. Insbesondere ergibt sich eine solche auch nicht
aus einer Umgebung von § 2113 BGB. Nach dieser Vorschrift kann nämlich der
nicht befreite (s. § 2136 BGB) Vorerbe nicht über zur Erbschaft gehörende
Grundstücke verfügen. Diese Vorschrift ist hier nicht einschlägig, weil die
Leihe kein Verfügungsgeschäft darstellt. Sie kommt dem auch nicht
wirtschaftlich nahe, weil der Nacherbe durch einen Leihvertrag des Vorerben
nicht gebunden ist, da er ja beim Nacherbfall nicht diesen, sondern den
Erblasser beerbt und deswegen aus der bloßen Tatsache der Nacherbfolge nicht
nach §§ 1922, 1967 BGB in Verbindlichkeiten des Vorerben eintritt (hier war
das gleichsam nur "zufällig" der Fall, weil die Nacherben zugleich die Erben
des Vorerben waren und daher aus diesem Grund in die Verbindlichkeiten
eintraten [Rn. 32]- das hätte man zB durch Ausschlagung
verhindern können). Eine Bindung des Nacherben an Verpflichtungen des
Vorerben gibt es nur bei Vermietung und Verpachtung (§§ 2135, 1056 I, 566
BGB: Eintritt des Nacherben in den Miet- oder Pachtvertrag), nicht aber bei
bloßer Leihe.
d) Was hat also der Kläger (möglicherweise) falsch gemacht? Wenn er die
Erbfolge nach seiner Mutter ausgeschlagen hätte, wäre diese vom Beklagten zu
1. alleine beerbt worden. Der Kläger wäre aber Nacherbe nach seinem Vater
geblieben. Der Leihvertrag wiederum wäre durch Konfusion erloschen: Der
Bruder wäre dann nämlich (als Erbe der Mutter) zugleich Verleiher und
Entleiher geworden. Der Kläger hat als (Mit-)Nacherbe Zugriff auf das
Grundstück gehabt. Der Leihvertrag an die Bekl. zu 2 hätte ihn nicht
gebunden.
©sl 2016
Tatbestand:
1 Der Kläger begehrt von den beiden
Beklagten, seinem Bruder und dessen Ehefrau, die Herausgabe von Wohn- und
Geschäftsräumen.
2 Der Vater des Klägers und des Beklagten zu 1 verstarb im Juni 2008. Er
wurde von seiner Ehefrau, deren Mutter (im Folgenden: Erblasserin),
als befreiter Vorerbin beerbt. Als Nacherben zu gleichen
Teilen nach dem Tod der Erblasserin waren die beiden Söhne eingesetzt.
In den Nachlass fiel auch die streitgegenständliche Immobilie, in
der sich mehrere Wohnungen sowie Geschäftsräume befinden.
3 Bereits im Jahre 2007 hatte die Erblasserin dem Kläger Barvermögen von
rund 250.000 € sowie ein Hausanwesen geschenkt. Anfang 2011 unterzeichnete
sie (damals 74jährig) zwei jeweils mit "Gebrauchsüberlassungsvereinbarung"
überschriebene Schriftstücke, in denen sie sich - jeweils befristet bis zum
31. Dezember 2041 - verpflichtete, unentgeltlich dem Beklagten zu 1 drei
Wohnungen und die Geschäftsräume sowie der Beklagten zu 2 drei weitere
Wohnungen und ein Zimmer in der Immobile zur Verfügung zu stellen. Nach den
insoweit gleich lautenden Schriftstücken sollten die Beklagten berechtigt
sein, Änderungen an den ihnen jeweils überlassenen Objekten vorzunehmen,
frei über sie zu verfügen und Dritten Rechte hieran einzuräumen, während die
Erblasserin verpflichtet war, die Objekte angemessen zu versichern und in
gebrauchsfähigem Zustand zu erhalten. Eine Pflicht der Beklagten,
Betriebskosten zu zahlen, sollte nicht bestehen, eine Eigenbedarfskündigung
der Erblasserin war ausgeschlossen. Die beiden Beklagten übernahmen die
Räumlichkeiten, nutzten einen Teil der Wohnräume selbst und vereinnahmten im
Übrigen Miete.
4 Anfang 2012 wurde für die Erblasserin eine Betreuerin für den
Aufgabenkreis Rechts-, Vermögens- und Wohnungsangelegenheiten bestellt.
Mit Anwaltsschreiben vom 13. März 2012 ließ die Erblasserin
gegenüber den Beklagten die Anfechtung der
Gebrauchsüberlassungsvereinbarungen wegen Irrtums und Täuschung erklären,
widerrief ihre Erklärungen, berief sich auf Nichtigkeit wegen
Sittenwidrigkeit und erklärte vorsorglich die fristgemäße Kündigung unter
Berufung auf ein berechtigtes Interesse im Sinne des § 573 Abs. 1 Satz 1,
Abs. 2 Nr. 3 BGB. Mit ihrer Mitte 2012 erhobenen Klage hat die Erblasserin
von den beiden Beklagten Räumung und Herausgabe der überlassenen Räume
verlangt. Das Landgericht hat der Klage mit Urteil vom 27. Februar
2014 in vollem Umfang stattgegeben.
5 Nachdem die Erblasserin in der Nacht vom 21. auf den 22. März 2014
verstorben war und von Kläger und Beklagtem zu 1 zu gleichen Teilen beerbt
wurde, haben die Beklagten ihre Berufung gegen den Kläger gerichtet, der mit
der Berufungserwiderung seinerseits die Kündigung der
Gebrauchsüberlassungsvereinbarungen erklärt hat. Der Kläger hat
Zurückweisung der Berufung beantragt, hilfsweise mit der Maßgabe, dass die
Herausgabe an die aus ihm und dem Beklagten zu 1 bestehende
Erbengemeinschaft zu erfolgen habe. Das Oberlandesgericht hat die
Entscheidung der Vorinstanz abgeändert und die Klage abgewiesen.
Hiergegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des
Klägers.
Entscheidungsgründe:
6 Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
7 Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:
8 Das Verfahren sei nicht durch den Tod der Erblasserin unterbrochen, weil
der Kläger als derjenige Miterbe, der bislang nicht am Verfahren beteiligt
gewesen sei, in die Parteistellung seiner Mutter eingetreten sei.
9 Dem Kläger stehe ein Herausgabeanspruch nicht zu. Denn die Beklagten seien
zum Besitz berechtigt, weil die Gebrauchsüberlassungsverträge wirksam
geschlossen und nicht erfolgreich angefochten worden seien und weder die
Kündigung der Erblasserin noch die des Klägers die Vertragsverhältnisse
beendet hätten. Die Vereinbarungen seien als Leihe anzusehen, weil es sich
um unentgeltliche Gebrauchsüberlassung handele und es an einer das Vermögen
des Überlassenden in seiner Substanz mindernden Zuwendung fehle.
10 Die Verträge seien nicht sittenwidrig. Tatsachen, die für eine
Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs. 2 BGB sprächen, seien weder vorgetragen
noch ersichtlich. Die Erblasserin habe für sich in Anspruch genommen, nicht
pflegebedürftig zu sein. Vor diesem Hintergrund bewege sich die behauptete
Drohung des Beklagten zu 1, sie in B. bzw. E. allein zurückzulassen, im
Rahmen normaler zwischenmenschlicher Beziehungen. Eine Sittenwidrigkeit
ergebe sich auch nicht
aus § 138 Abs. 1 BGB. Sie sei zwar für die Zeit ab Eintritt des Nacherbfalls
nicht fernliegend, weil die Verträge offenkundig der Umgehung der Regelung
des § 2113 Abs. 2 BGB dienten, die allerdings nur Verfügungen im technischen
Sinne umfasse. Denn der wirtschaftliche Wert des den Nacherben zustehenden
Nachlassgegenstands werde nahezu vollständig ausgehöhlt, nachdem bei Vertragsschluss nahe gelegen habe, dass die Erblasserin das "biblische"
Alter von 105 Jahren nicht erreichen werde und damit im Wesentlichen die
Nacherben, insbesondere der Kläger, mit den Vertragspflichten belastet und
an der Fruchtziehung gehindert sein würden. Gegen eine Sittenwidrigkeit
spreche aber das Interesse der Erblasserin, mit Blick auf die dem Kläger
bereits überlassenen Vermögenswerte eine Gleichbehandlung ihrer Kinder
herzustellen, wobei es durch die Überlassungsverträge allerdings zu einem
erheblichen Missverhältnis zu Ungunsten des Klägers komme. Dies reiche
gleichwohl nicht für die Annahme einer Sittenwidrigkeit aus, denn die
Befugnis der Erblasserin als befreiter Vorerbin umfasse den Abschluss der
Gebrauchsüberlassungsverträge, was auch die gesetzgeberische Wertung in §
2287 BGB zeige. Für die Zeit vor Eintritt des Nacherbfalls liege es nicht
anders. Selbst wenn ein Zuwendender durch eine unentgeltliche Zuwendung
mittellos werde, führe dies nicht allein, sondern erst bei Hinzutreten hier
nicht substanziiert vorgetragener Umstände zur sittlichen Missbilligung und
Nichtigkeit der Zuwendung. Hinzu komme, dass die Erblasserin zu ihrer
angeblichen Mittellosigkeit nicht hinreichend substanziiert vorgetragen
habe. Das gelte ebenso für Anfechtungsgründe.
11 Die von der Erblasserin ausgesprochene Kündigung habe die Verträge
nicht beendet. Die Eigenbedarfskündigung nach § 605 Nr. 1 BGB sei wirksam
ausgeschlossen, so dass nur eine Kündigung aus wichtigem Grund gemäß § 314
BGB in Betracht komme. Ein solcher wichtiger Grund sei aber selbst dann
nicht gegeben, wenn man unterstelle, dass die Erblasserin nicht mehr über
hinreichende Einkünfte zur Instandhaltung der Immobilie und Finanzierung
ihres Lebensunterhalts verfüge. Zwar seien bei der Kündigung eines
Gefälligkeitsverhältnisses keine hohen Anforderungen an das Vorliegen eines
wichtigen Grundes zu stellen. Vielmehr genüge, dass ein vernünftiger Grund
für die Beendigung spreche. Auch einen solchen habe die Erblasserin aber
nicht mit Substanz vorgetragen.
12 Die Kündigung durch den Kläger habe ebenfalls nicht zur Vertragsbeendigung geführt. Das Kündigungsrecht gegenüber der Beklagten zu 2 habe der
Kläger nur gemeinsam mit dem Beklagten zu 1 ausüben können. Die
Erbengemeinschaft nach dem Vater bestehe unaufgelöst fort. Zwar könne eine
Kündigung grundsätzlich durch Mehrheitsbeschluss herbeigeführt werden. An
der nach Erbteilen zu bemessenden Mehrheit fehle es aber bei den
vorliegenden hälftigen Erbanteilen. Ein Interessenwiderstreit, der zu einer
Stimmenthaltungspflicht des Beklagten zu 1 führen könne, liege im Verhältnis
zur Beklagten zu 2 nicht vor. Den beiden Nacherben stehe auch
gemeinschaftlich kein Sonderkündigungsrecht aus §§ 2135, 1056 BGB zu, weil
ein solches jedenfalls nach § 242 BGB ausgeschlossen sei. Denn die Nacherben
seien mit identischen Erbanteilen sowohl Gesamtrechtsnachfolger ihrer Mutter
als auch des Vaters geworden und daher als Grundstückseigentümer tatsächlich
in der Lage, die sie treffende Vertragspflicht zur Gebrauchsüberlassung zu
erfüllen. Schließlich habe auch der Kläger keinen wichtigen Grund im Sinne
des § 314 BGB vorgetragen.
II.
13 Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand.
14 1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der
Rechtsstreit auf der Klägerseite nach dem Tod der ursprünglichen Klägerin allein vom Kläger fortgeführt wird und der Beklagte - obwohl ebenfalls Miterbe
zur Hälfte nach der Mutter - seine prozessuale Stellung beibehalten hat
(vgl. BGH Beschluss vom 27. Februar 2014 - III ZB 99/13 - NJW 2014, 1886 Rn.
9; Stein/Jonas/Roth ZPO 22. Aufl. § 239 Rn. 13; Stöber MDR 2007, 757, 759).
Aus § 2039 Satz 1 BGB folgt die Berechtigung des einzelnen Miterben, eine
zum Nachlass gehörende Forderung als gesetzlicher Prozessstandschafter für
die Erbengemeinschaft (BGHZ 167, 150 = NJW 2006, 1969 Rn. 7)
auch gegen
einen Miterben geltend zu machen (BGH Urteile vom 1. Oktober 1975
- IV ZR 161/73 - WM 1975, 1179, 1181 und vom 19. Juni 1952 - III ZR 217/50 -
LM Nr. 3 zu § 249 [Fa] BGB; MünchKommBGB/Gergen 6. Aufl. § 2039 Rn. 32;
Staudinger/Löhnig BGB [2016] § 2039 Rn. 20, 25; Stöber MDR 2007, 757, 759).
15 2. Die Erblasserin und die beiden Beklagten haben wirksame befristete
Leihverträge über die in dem Hausanwesen befindlichen Räume geschlossen, die
den Beklagten gegenüber dem Herausgabeverlangen des Klägers aus § 985 BGB
ein Recht zum Besitz im Sinne des § 986 BGB vermitteln.
16 a) Das Berufungsgericht hat - was die Parteien in der Revisionsinstanz
auch nicht in Zweifel ziehen - die zwischen der Erblasserin und den
Beklagten geschlossenen Gebrauchsüberlassungsverträge zu Recht als
Leihverträge im Sinne des § 598 BGB - und nicht als gemäß § 518 BGB
formbedürftige Schenkung - angesehen.
17 aa) Wie der Bundesgerichtshof wiederholt in Fällen der Vereinbarung eines
unentgeltlichen schuldrechtlichen Wohnrechts entschieden hat, liegt in der
bloßen vorübergehenden Gebrauchsüberlassung einer Sache in der Regel keine
das Vermögen mindernde Zuwendung, wie sie für eine Schenkung gemäß § 516
Abs. 1 BGB erforderlich wäre. Denn die Sache verbleibt im Eigentum und
mithin im Vermögen des Leistenden. Auch der unmittelbare Besitz wird dann
nicht endgültig, sondern nur vorübergehend aus der Hand gegeben. Allein das
Merkmal der Unentgeltlichkeit macht die Zuwendung noch nicht zu einer
Schenkung. Wer sich vertraglich verpflichtet, einem anderen den Gebrauch der
Sache unentgeltlich zu gestatten, begründet vielmehr einen formlos
zulässigen Leihvertrag gemäß § 598 BGB. Da eine Leihe gerade die Gestattung
des unentgeltlichen Gebrauchs zum Gegenstand hat, kann auch in der damit
verbundenen Zuwendung des Wertes einer sonst möglich gewesenen Eigennutzung
der Sache keine Schenkung gesehen werden (BGHZ 82, 354 = NJW 1982, 820; BGH
Urteile vom 20. Juni 1984 - IVa ZR 34/83 - NJW 1985, 1553 und vom
10. Oktober 1984 - VIII ZR 152/83 - NJW 1985, 313 sowie Beschluss vom
11. Juli 2007 - IV ZR 218/06 - FamRZ 2007, 1649, 1650).
18 Dass die Gebrauchsüberlassung auch über den Tod des Überlassenden hinaus
andauern sollte, etwa weil eine Überlassung auf Lebenszeit des
Wohnberechtigten vereinbart und ein Vorversterben des Überlassenden zu
erwarten ist, macht insoweit keinen Unterschied. Auf das jeweilige Alter der
Vertragsschließenden und die Wahrscheinlichkeit, dass der eine den anderen
überlebt, kann für die rechtliche Behandlung derartiger Abreden nicht
abgehoben werden (BGH Urteil vom 20. Juni 1984 - IVa ZR 34/83 - NJW 1985,
1553).
19 bb) Für die streitgegenständlichen Gebrauchsüberlassungsverträge gilt
nichts anderes. Allerdings wird durch sie den Beklagten nicht lediglich eine
Nutzung der Räume zu eigenen Wohnzwecken ermöglicht, sondern darüber hinaus
auch eine Gebrauchsüberlassung an Dritte. Dies ändert jedoch nichts daran,
dass das Eigentum bei der Erblasserin verblieb und es sich um eine - wenn
auch lang andauernde - Gebrauchsüberlassung nur auf Zeit handelte.
20 Ob dann, wenn die Gebrauchsüberlassung der wirtschaftlichen Weggabe der
Sache nahe kommt, von einer Schenkung im Sinne des § 516 BGB auszugehen ist
(offen gelassen von BGH Urteil vom 20. Juni 1984 - IVa ZR 34/83
-NJW 1985, 1553), bedarf keiner Entscheidung. Denn ein solcher Fall ist hier
nicht gegeben. Dass der Wert der streitgegenständlichen Immobilie nach
Ablauf der Vertragslaufzeiten von 31 Jahren erschöpft wäre, ist nicht
ersichtlich. Es wird auch weder von der Revision geltend gemacht noch ist es
vom Berufungsgericht festgestellt. Soweit im Berufungsurteil ausgeführt ist,
der wirtschaftliche Wert des auch dem Kläger zustehenden Nachlassgegenstands
werde in Ansehung der Vertragslaufzeit nahezu vollständig ausgehöhlt,
bezieht sich dies auf die (zeitliche) Nutzungsmöglichkeit durch die
Nacherben, nicht aber auf den Wert der überlassenen Sache insgesamt.
21 Schließlich führt das Berufungsgericht zutreffend aus, dass die von den
Vertragsparteien vereinbarten Abweichungen von der in §§ 598 ff. BGB
gesetzlich vorgesehenen Ausgestaltung der Leihe nicht die Annahme
rechtfertigen, es liege kein Leihvertrag vor. Dies gilt sowohl für die
Erlaubnis zur Gebrauchsüberlassung an Dritte, deren Erteilung das Gesetz in
§ 603 Satz 2 BGB vorsieht, als auch dafür, dass sich die Erblasserin
abweichend von § 601 Abs. 1 BGB zur Übernahme der gewöhnlichen
Erhaltungskosten verpflichtet hat. Diese Gesetzesbestimmung ist ebenso
abdingbar (jurisPK-BGB/Colling [Stand:
1. Oktober 2014] § 601 Rn. 12; Palandt/Weidenkaff BGB 75. Aufl. § 601 Rn. 3;
Soergel/Heintzmann BGB 13. Aufl. § 601 Rn. 5) wie das in § 605 Nr. 1 BGB
vorgesehene Recht des Entleihers zur Eigenbedarfskündigung (allgM, vgl. etwa
BeckOK BGB/Wagner [Stand: 1. Februar 2015] § 605 Rn. 1; jurisPK-BGB/Colling [Stand: 1. Oktober 2014] § 605 Rn. 11; MünchKommBGB/Häublein 6.
Aufl. § 605 Rn. 6; Staudinger/Reuter BGB [2013] § 605 Rn. 1). Die von den
Vertragsparteien gegenüber dem gesetzlichen Modell vorgenommenen
Modifikationen ändern nichts daran, dass eine unentgeltliche
Gebrauchsüberlassung und mithin eine Leihe vorliegt.
22 b) Die Gebrauchsüberlassungsverträge waren auch nicht entsprechend § 518
BGB formbedürftig.
23 aa) Verträge über die Gestattung des unentgeltlichen Gebrauchs einer
Sache sind ungeachtet eines etwa hierdurch dem Eigentümer entstehenden
wirtschaftlichen Nachteils generell als Leihe zu qualifizieren (§ 598 BGB).
In diese Richtung weist auch das Schenkungsrecht selbst. Denn nach § 517 BGB
liegt keine Schenkung vor, wenn jemand zum Vorteil eines anderen lediglich
einen Vermögenserwerb unterlässt. Auf den Leihvertrag sind deshalb
schenkungsrechtliche Vorschriften grundsätzlich auch dann nicht anzuwenden,
wenn dem Eigentümer infolge der Gebrauchsüberlassung Vermögensvorteile
entgehen, die er bei eigenem Gebrauch hätte erzielen können (BGHZ 82, 354 =
NJW
1982, 820, 821).
24 Weil die Regelung über den Leihvertrag nicht auf nur kurzfristige
Gestattungsverträge beschränkt ist (vgl. § 604 BGB), kann die Dauer des
Vertragsverhältnisses für die Frage der entsprechenden Anwendung von
Bestimmungen aus dem Schenkungsrecht wie etwa dem Formerfordernis des § 518
BGB keine entscheidende Bedeutung erlangen. Soweit das Gesetz nicht für
bestimmte Verträge Formerfordernisse vorschreibt, wie die schriftliche Form
bei für längere Zeit als ein Jahr geschlossenen Mietverträgen (§ 550 BGB mit
der Folge vorzeitiger Kündbarkeit), ist ein Rechtsgeschäft nach dem
Grundsatz der Vertragsfreiheit mit dem formlos vereinbarten Inhalt wirksam.
Für den Abschluss eines Leihvertrags ist keine bestimmte Form vorgesehen.
Dieser Vertrag ist mithin auch dann formlos zulässig, wenn er nach den
besonderen Umständen des Einzelfalls ein Risiko in sich birgt oder einen
Nachteil mit sich bringen kann, wie dies mit der langfristigen Überlassung
von Räumen zum unentgeltlichen Besitz und Gebrauch einhergeht. Es spielt
keine Rolle, ob sich diese Gefahr nur aus der Länge der verabredeten
Bindungsdauer oder erst aus der mit der Gebrauchsgewährung verknüpften Aufgabe eines Vermögensvorteils der sonst
möglichen Eigennutzung ergibt (BGHZ 82, 354 = NJW 1982, 820, 821).
25 bb) Eine Ausnahme von der Formfreiheit besteht im vorliegenden Fall auch
nicht wegen des in den Gebrauchsüberlassungsverträgen enthaltenen -
unterstellt wirksamen - Ausschlusses einer Eigenbedarfskündigung nach § 605
Nr. 1 BGB.
26 Zwar ist die Kündigungsbefugnis nach § 605 Nr. 1 BGB eine Rechtfertigung
dafür, dass das Gesetz die Belange des Verleihers auch ohne Formzwang als
ausreichend gewahrt ansieht (BGHZ 82, 354
= NJW 1982, 820, 821). Deshalb
wird teilweise vertreten, dass im Falle des Ausschlusses der
Eigenbedarfskündigung die analoge Anwendung des § 518 BGB in Betracht zu
ziehen sei (MünchKommBGB/Häublein 6. Aufl. § 598 Rn. 14; Nehlsen-von Stryck
AcP 187, 552, 590; Grundmann AcP 198, 457, 479 f.).
27 Dem ist jedoch nicht zu folgen. Auch bei Ausschluss der
Eigenbedarfskündigung stellt die Leihe ein Minus zur Schenkung dar, weil das
Eigentum beim Verleiher verbleibt und der Entleiher die geliehene Sache nur
als Fremdbesitzer nutzt (Staudinger/Reuter BGB [2013] § 598 Rn. 9).
Darüber
hinaus steht dem Verleiher bei Dauerschuldverhältnissen wie der Leihe auf
Zeit jedenfalls die Kündigung aus wichtigem Grund gemäß § 314 BGB offen, um
sich bei Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Vertragsverhältnisses von diesem
zu lösen (vgl. auch
BGHZ 82, 354 = NJW 1982, 820, 821). Zwar ist dieses
Sonderkündigungsrecht durch die vertraglichen Regelungen dahin modifiziert,
dass der Eigenbedarf des Verleihers eine Unzumutbarkeit im Sinne des § 314
Abs. 1 BGB - eigentlich - nicht begründen kann. Es ist jedoch in den Blick
zu nehmen, dass die Leihe aufgrund ihrer Unentgeltlichkeit zu den
Gefälligkeitsverträgen gehört (Staudinger/Reuter BGB [2013] Vorbem zu §§ 598
ff. Rn. 8). Dem Entleiher kann es daher, zumal bei Hinzutreten eines verwandtschaftlichen
Näheverhältnisses zwischen den Vertragsparteien, im Einzelfall gemäß § 242
BGB verwehrt sein, sich auf den vertraglich vereinbarten
Kündigungsausschluss zu berufen (vgl. zur sog. Ausübungskontrolle
grundlegend Senatsurteil BGHZ 158, 81 = FamRZ 2004, 601, 606). Im Ergebnis
führt daher auch der Ausschluss der Eigenbedarfskündigung des § 605 Nr. 1
BGB nicht zu einer mit der Schenkung vergleichbaren Interessenlage, so dass
die entsprechende Anwendung der schenkungsrechtlichen Formvorschriften
ausscheidet (so etwa Staudinger/ Reuter BGB [2013] § 598 Rn. 9; vgl. auch
Gitter Gebrauchsüberlassungsverträge S. 151 f.; Palandt/Weidenkaff BGB 75.
Aufl. Einf v § 598 Rn. 4; Soergel/
Heintzmann BGB 13. Aufl. Vor § 598 Rn. 6).
28 c) Zutreffend hat das Berufungsgericht eine Sittenwidrigkeit der
Gebrauchsüberlassungsverträge verneint.
29 aa) Ohne Erfolg macht die Revision geltend, die Leihverträge führten zu
einer sittenwidrigen Umgehung der erbrechtlichen Regelung des § 2113 Abs. 2
BGB, nach der das Recht des Nacherben vereitelnde oder beeinträchtigende
unentgeltliche Verfügungen des Vorerben unwirksam sind. Dabei bedarf es
keines vertieften Eingehens auf die Frage, ob und unter welchen
Voraussetzungen der mit einem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck der
Gesetzesumgehung zur Nichtigkeit gemäß § 138 BGB führen kann (vgl. die
Darstellungen bei MünchKommBGB/Armbrüster 7. Aufl. § 138 Rn. 53 f. und bei
Staudinger/Sack/ Fischinger BGB [2011] § 138 Rn. 672). Denn jedenfalls
erfordert die Annahme einer den Verstoß gegen die guten Sitten begründenden
Verwerflichkeit, dass mit dem Rechtsgeschäft ein Rechtszustand geschaffen
werden soll, den die umgangene gesetzliche Bestimmung zu verhindern sucht.
Dies ist hier jedoch nicht der Fall.
30 (1) Die Vorschrift des § 2113 BGB schützt den Nacherben nur gegen
bestimmte Verfügungen des Vorerben über Gegenstände der Vorerbschaft, indem
sie die Unwirksamkeit der Verfügung anordnet. Sie bezieht sich nach der
zutreffenden allgemeinen Meinung allein auf Verfügungen im Rechtssinne, so
dass ihr Verpflichtungsgeschäfte nicht unterfallen (BGHZ 52, 269 = NJW 1969,
2043, 2045; BGH Urteil vom 30. Mai 1990 - IV ZR 83/89 - FamRZ 1990, 1344,
1345 f.; BeckOK BGB/Litzenburger [Stand: 1. November 2015] § 2113 Rn. 10,
15; MünchKommBGB/Grunsky 6. Aufl. § 2113 Rn. 8, 24). Vom Gesetzgeber wurden
nur die mit Verfügungen verbundenen unmittelbaren Rechtsbeeinträchtigungen
als so schwerwiegend eingestuft, dass es einer gesetzlichen Anordnung der
Unwirksamkeit bedurfte.
31 (2) Dem sind schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäfte nicht vergleichbar,
wie auch die vorliegende Fallgestaltung der Raumleihe durch den Vorerben
verdeutlicht. Durch einen Leihvertrag über Räume wird dem Nachlass für den
Nacherben weder das Grundstück noch sonstiges Vermögen entzogen. Bis zum
Eintritt des Nacherbfalls unterbleibt lediglich die Fruchtziehung durch den
Vorerben, die aber ohnedies - von den Fällen der ordnungswidrigen oder
übermäßigen Fruchtziehung des § 2133 BGB abgesehen - allein diesem zusteht.
Mit einem vom Vorerben abgeschlossenen Leihvertrag wird schuldrechtlich auch
nicht der Nacherbe verpflichtet, weil er nicht der Rechtsnachfolger des
Vorerben ist. Ein Vertragsübergang findet nur bei zur Erbschaft gehörenden
Miet- oder Pachtverträgen über Grundstücke und eingetragene Schiffe aufgrund
der besonderen gesetzlichen Anordnung in §§ 2135, 1056, 566 BGB statt, nicht
aber bei der Leihe. Mithin kann der Nacherbe mit Eintritt des Nacherbfalls
vom Entleiher die Herausgabe aus § 985 BGB verlangen. Allein der Vorerbe -
oder seine Erben - haften gegebenenfalls wegen Nichterfüllung der
Überlassungsverpflichtung gegenüber dem Entleiher.
32 (3) Dieser Herausgabeanspruch scheitert im zu entscheidenden Fall allein
daran, dass die Nacherben zusätzlich personenidentisch mit den Erben der
Vorerbin und damit deren Rechtsnachfolger sind, weshalb die beiden Entleiher
ihnen gegenüber ein Recht zum Besitz gemäß § 986 BGB haben.
33 Als Erbengemeinschaft nach der Erblasserin sind Kläger und Beklagter zu 1
in die Stellung als Verleiher eingerückt, und zwar sowohl gegenüber der
Beklagten zu 2 als auch gegenüber dem Beklagten zu 1. Dass Letztgenannter in
einem der beiden Vertragsverhältnisse der Entleiher ist, führt dort nicht
zur (teilweisen) Konfusion. Denn der Nachlass bildet infolge seiner gesamthänderischen Bindung ein Sondervermögen, so dass die
Vereinigungswirkung von Recht und Verbindlichkeit erst eintritt, wenn aus
dem Nachlass einzelne Rechte auf Miterben übertragen werden (BGH Urteil vom
8. April 2015 - IV ZR 161/14 -FamRZ 2015, 1025 Rn. 15; MünchKommBGB/Leipold
6. Aufl. § 1922 Rn. 127, 129; Palandt/Weidlich BGB 75. Aufl. § 1922 Rn. 6).
Dass eine Bindung der beiden Mitglieder der Nacherbengemeinschaft über den
Tod der Vorerbin hinaus an die Leihverträge besteht, berührt mithin nicht
den Schutzzweck des § 2113 BGB, sondern ist ausschließlich der Erbfolge nach
der Erblasserin und dem Umstand geschuldet, dass der Kläger die Erbschaft
nach der Erblasserin nicht ausgeschlagen hat.
34 bb) Sonstige Gründe für eine Sittenwidrigkeit werden weder von der
Revision geltend gemacht noch sind sie anderweitig ersichtlich. Insbesondere
ist für eine Nichtigkeit gemäß § 138 Abs. 1 BGB nicht ausreichend, dass es
sich bei den Leihverträgen - noch dazu in der hier gegebenen Ausgestaltung -
um nahezu ausschließlich eine Vertragsseite begünstigende Regelungen
handelt.
35 d) Die in den Gebrauchsüberlassungsvereinbarungen getroffenen
Laufzeitbestimmungen sind wirksam. Das für einen über eine längere Zeit als
ein
Jahr abgeschlossenen Grundstücks- oder Raummietvertrag geltende
Schriftformerfordernis des § 550 BGB ist nicht, auch nicht entsprechend,
anwendbar. Hauptzweck dieser Vorschrift ist es, einem Erwerber des
Grundstücks die Gelegenheit zu verschaffen, sich zuverlässig über bestehende
Mietverhältnisse zu unterrichten, in die er nach § 566 BGB eintreten muss.
Eine § 566 BGB vergleichbare Vorschrift fehlt jedoch bei der Leihe (vgl. BGH
Urteil vom 20. Juni 1984 - IVa ZR 34/83 - NJW 1985, 1553, 1554).
36 3. Die Kündigungen der Erblasserin und des Klägers haben die
Vertragsverhältnisse nicht beendet.
37 a) Die Kündigung der Erblasserin ist weder gemäß § 605 Nr. 1 BGB noch
nach § 314 BGB wirksam.
38 aa) Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei festgestellt, dass
weder die Erblasserin (als die ursprüngliche Klägerin) noch der Kläger einen
Eigenbedarf der Erblasserin im Sinne des § 605 Nr. 1 BGB dargelegt haben,
weil es an subsanziiertem Vortrag zur Mittellosigkeit der Erblasserin
fehlt. Hiergegen erhebt die Revision keine erheblichen Einwände;
insbesondere geht der Hinweis der Revision auf die Feststellungen im
landgerichtlichen Urteil ins Leere, weil das Oberlandesgericht diese nicht
übernommen, sondern zur Frage der Bedürftigkeit der Erblasserin abweichende
eigene Feststellungen getroffen hat. Daher kann dahinstehen, ob der
vertragliche Ausschluss der Eigenbedarfskündigung jeweils durchgreift.
39 bb) Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist auch, dass das
Berufungsgericht einen für die Erblasserin streitenden wichtigen Grund im
Sinne des § 314 BGB verneint hat.
40 (1) Voraussetzung für eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund
ist, dass dem Kündigenden die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses unter
Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der
beiderseitigen Interessen nicht zugemutet werden kann. Dies ist im
Allgemeinen nur dann anzunehmen, wenn die Gründe, auf die die Kündigung
gestützt wird, im Risikobereich des Kündigungsgegners liegen.
Wird der
Kündigungsgrund hingegen aus Vorgängen hergeleitet, die dem Einfluss des
Kündigungsgegners entzogen sind und aus der eigenen Interessensphäre des
Kündigenden herrühren, rechtfertigt dies nur in Ausnahmefällen die fristlose
Kündigung. Die Abgrenzung der Risikobereiche ergibt sich dabei aus dem
Vertrag, dem Vertragszweck und den anzuwendenden gesetzlichen Bestimmungen
(BGH Urteil vom 11. November 2010 - III ZR 57/10 - NJW-RR 2011, 916
Rn. 9 mwN). Bei der Kündigung eines Gefälligkeitsverhältnisses sind an das
Vorliegen eines wichtigen Grundes keine hohen Anforderungen zu stellen. Es
genügt vielmehr, dass ein vernünftiger Grund für die Beendigung spricht
(BGH
Urteil vom 7. November 1985 - III ZR 142/84 - NJW 1986, 978, 980).
41 Ob nach diesen Kriterien bestimmte Umstände als wichtiger Grund für eine
fristlose Kündigung zu werten sind, hat in erster Linie der Tatrichter zu
entscheiden. Die revisionsgerichtliche Kontrolle erstreckt sich allein
darauf, ob das Tatsachengericht den Rechtsbegriff des wichtigen Grunds
richtig erfasst, ob es aufgrund vollständiger Sachverhaltsermittlung
geurteilt und ob es in seine Wertung sämtliche Umstände des konkreten Falles
einbezogen hat (BGH Urteile vom 11. November 2010 - III ZR 57/10 - NJW-RR
2011, 916 Rn. 10 mwN und vom 9. März 2010 - VI ZR 52/09 - NJW 2010, 1874 Rn.
17 mwN).
42 (2) Einer Überprüfung anhand dieser Maßstäbe hält die Würdigung des
Berufungsgerichts stand. Das Oberlandesgericht ist davon ausgegangen, dass
den Gebrauchsüberlassungsverträgen ein Gefälligkeitsverhältnis zugrunde
liegt. Es hat sich folgerichtig die Frage vorgelegt, ob vernünftige Gründe
für die Vertragsbeendigung sprechen, dies rechtlich beanstandungsfrei jedoch
schon deshalb verneint, weil die Erblasserin solche weder substanziiert
vorgetragen noch unter Beweis gestellt habe. Die Revision zeigt nicht auf,
dass dabei Umstände unberücksichtigt geblieben sind.
43 b) Die vom Kläger ausgesprochene Kündigung hat ebenfalls nicht zur
Vertragsbeendigung geführt.
44 aa) Insoweit stellt sich allerdings nicht die vom Berufungsgericht
erörterte Frage, ob eine Kündigung im Rahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung
im Sinne des § 2038 Abs. 1 Satz 2 BGB des den Nacherben angefallenen
Nachlasses erfolgen konnte. Denn diese Nacherbengemeinschaft ist nicht in
die Verleiherrolle, sondern allein in die Eigentümerstellung eingerückt. Zu
einer Kündigung der Vertragsverhältnisse war die an diesen nicht beteiligte
Nacherbengemeinschaft nicht berechtigt. Vielmehr kommen für sie
ausschließlich aus dem Eigentum folgende Rechte in Betracht.
45 bb) Ein Grund, der die Kündigung der Leihverträge durch die
Erbengemeinschaft nach der Mutter als der neuen Verleiherin rechtfertigen
könnte, ist weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich.
46 Der Kläger kann sich auch nicht auf ein Sonderkündigungsrecht gemäß oder
analog §§ 2135, 1056 Abs. 2 Satz 1 BGB stützen. Eine direkte Anwendung der
Vorschriften scheitert bereits daran, dass der Leihvertrag nicht in § 2135
BGB genannt ist. Für eine entsprechende Anwendung fehlt es an einer
planwidrigen Regelungslücke. Die Vorschrift des § 2135 BGB stellt aus
Gründen des Mieter- und Pächterschutzes (Staudinger/Avenarius BGB
[2013] § 2135 Rn. 1 ff.; vgl. auch Senatsurteil vom 20. Oktober 2010 - XII
ZR 25/09 -NJW 2011, 61 Rn. 12) sicher, dass der Nacherbe
ausnahmsweise bei bestimmten Miet- und Pachtverhältnissen in die Rechte und Pflichten einer vom
Vorerben geschlossenen schuldrechtlichen Vereinbarung eintritt, und gewährt
dem Nacherben im Gegenzug ein Sonderkündigungsrecht. Für Leihverträge hat
der Gesetzgeber ein entsprechendes Regelungsbedürfnis nicht gesehen, so dass
es insoweit damit sein Bewenden hat, dass dem Nacherben aus dem vom Vorerben
geschlossenen Vertrag keine Verpflichtungen entstehen. Mangels einer
vertraglichen Verbindung zwischen Nacherbe und Entleiher bedarf es aber auch
keines Sonderkündigungsrechts für den Nacherben.
47 4. Schließlich beruft sich der Kläger mit der Revision ohne Erfolg
darauf, die Beklagten seien verpflichtet, die Räume im Wege des
Schadensersatzes gemäß §§ 2138 Abs. 2, 1967, 249 Satz 1 BGB (Beklagter zu 1)
bzw. §§ 826, 249 Satz 1 BGB (Beklagte zu 2) herauszugeben.
48 Der Tatbestand des § 2138 Abs. 2 BGB ist durch die von der Erblasserin
abgeschlossenen Leihverträge nicht erfüllt, so dass der Beklagte zu 1 als
Miterbe schon mangels Schadensersatzverpflichtung der Erblasserin nicht auf
Naturalrestitution im Wege der Herausgabe haftet. Entgegen der von der
Revision vertretenen Auffassung bedeutete der Abschluss der Leihverträge
keine Verminderung der Nacherbschaft, weil diese Verträge für die Nacherben
als solche keine Bindung entfalten. Zu einer wirtschaftlichen
Beeinträchtigung der Raumnutzung durch beide Nacherben führt erst der
Umstand, dass sie auch die Erblasserin beerbt haben. Insoweit wirkt sich
insbesondere aus, dass der Kläger die Erbschaft nach der Erblasserin nicht
ausgeschlagen hat. Denn bei Ausschlagung wäre der Beklagte zu 1 alleiniger
Verleiher und dem Herausgabeanspruch der Erbengemeinschaft aus § 985 BGB
stünde kein Recht zum Besitz der Beklagten gegenüber. Das mit dem Beklagten
zu 1 bestehende Vertragsverhältnis wäre nämlich durch Konfusion
untergegangen und der zwischen Beklagtem zu 1 als Verleiher und der
Beklagten zu 2 als Entleiherin bestehende
Vertrag würde die mit der Verleiherseite nicht personenidentische
Nacherbengemeinschaft nicht verpflichten.
49 Aus den gleichen Gründen hat der Abschluss des Leihvertrags durch die
Beklagte zu 2 nicht zu einer Schädigung der Nacherben geführt. Es bedarf
daher keiner Erörterung, inwieweit der Beklagten zu 2 in der vorliegenden
Fallgestaltung überhaupt eine sittenwidrige vorsätzliche Schädigung im Sinne
des § 826 BGB zum Nachteil der Nacherben zur Last fallen könnte.
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