Vaterschaftsanfechtung bei Samenspende; (kein) konkludenter
Verzicht auf die Vaterschaftsanfechtung, Abgrenzung zur heterologen
konsentierten Insemination
BGH, Urteil vom 15. Mai 2013 - XII ZR
49/11 - OLG Köln
Fundstelle:
NJW 2013, 2589
BGHZ 197, 242
Amtl. Leitsatz:
Die Anfechtung der
Vaterschaft durch den sog. biologischen Vater nach § 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB
steht im Fall einer nicht erklärten Einwilligung des rechtlichen Vaters im
Sinne von § 1600 Abs. 5 BGB grundsätzlich auch dem Samenspender offen.
Zentrale Probleme:
Durch auch durch Tagespresse gegangene Entscheidung
ist vor allem aufgrund der verfassungsrechtlichen Erwägungen von
übergreifendem Interesse. Sie betrifft einen Sonderfall der Samenspende, in
welcher der Spender nicht - in Absprache mit der Mutter und deren Ehemann -
anonym bleiben sollte (letzteres ist die sog. heterologe konsentierte
Insemination). Der vorliegende Fall war insofern untypisch, als keine solche
Absprache vorlag, dass der Samenspender anonym bleiben sollte. Vielmehr war
vereinbart, dem Kind später die Vaterschaft offen zu legen: Die Mutter lebte
in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft, der biologische Vater
erklärte sich zu einer Samenspende bereit, später "besorgte" sich die Mutter
einen anderen Mann, der die Vaterschaft anerkannte. Ziel war, den
biologischen Vater von der Vaterschaft auszuschließen um eine Adoption durch
die Lebenspartnerin der Mutter zu erleichtern.
Der Senat teilt nicht die Ansicht, dass das Erfordernis der Glaubhaftmachung
einer "Beiwohnung" dem Ziel dient, den Samenspender in jedem Fall von der
Vaterschaftsanfechtung auszuschließen. In einem Fall heterologer
konsentierter Insemination soll vielmehr ein (konkludenter) Verzicht des
biologischen Vaters (Samenspenders) auf die Anfechtungsmöglichkeit
angenommen werden. Der (rechtliche) Vater sowie die Mutter verlieren in
einem solchen Fall ihr Anfechtungsrecht aufgrund der in § 1600 V BGB
getroffenen Regelung ("Ist das Kind mit Einwilligung des Mannes und der
Mutter durch künstliche Befruchtung mittels Samenspende eines Dritten
gezeugt worden, so ist die Anfechtung der Vaterschaft durch den Mann oder
die Mutter ausgeschlossen."). Da hier ein solcher Verzicht nicht angenommen
werden konnte, war die Klage des biologischen Vaters möglich, d.h. der
Begriff des "Beiwohnung" ist erweitert auszulegen. S. auch
BGH v. 23.9.2015 - XII ZR 99/14.
©sl 2013
Tatbestand:
1 Die Parteien streiten um die Anfechtung und die
Feststellung der Vaterschaft für den am 21. Juli 2008 geborenen Beklagten zu
2 (im Folgenden: das Kind). Das Kind war mittels einer Samenspende gezeugt
worden, welche der Kläger der Mutter in einem Gefäß übergeben hatte und von
dieser selbst eingeführt worden war.
2 Der Kläger lebt ebenso wie die Mutter in einer gleichgeschlechtlichen
Partnerschaft. Nachdem eine vom Kläger im Januar 2009 erklärte
Anerkennung der Vaterschaft mangels Zustimmung der Mutter nicht wirksam
geworden war, erkannte im März 2009 der Beklagte zu 1 mit Zustimmung der
Mutter die Vaterschaft an. Der Kläger hat mit der im August 2009
eingereichten Klage die Vaterschaft des Beklagten zu 1 angefochten und die
Feststellung seiner eigenen Vaterschaft beantragt. Zwischen den
Parteien ist streitig, ob mit der Mutter und den jeweiligen Lebenspartnern
vereinbart war, dass der Kläger die väterliche Verantwortung für das Kind
habe übernehmen sollen oder ob von vornherein beabsichtigt war, dass das
Kind von der Lebenspartnerin der Mutter als Stiefkind adoptiert werden
sollte.
3 Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat
das Berufungsgericht nach Einholung eines Abstammungsgutachtens
festgestellt, dass nicht der Beklagte zu 1, sondern der Kläger der Vater des
Kindes ist. Dagegen haben die Beklagten die zugelassene Revision eingelegt.
Sie erstreben die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
4 Die Revision hat keinen Erfolg.
5 Auf das Verfahren ist gemäß Art. 111 Abs. 1 FGG-RG noch das bis 31. August
2009 geltende Prozessrecht anwendbar, weil der Rechtsstreit vor diesem
Zeitpunkt eingeleitet worden ist (vgl. Senatsbeschluss vom 3. November 2010
- XII ZB 197/10 - FamRZ 2011, 100 Rn. 10).
I.
6 Nach Auffassung des Berufungsgerichts steht dem Kläger nach § 1600 Abs. 1
Nr. 2 BGB bei verfassungskonformer Auslegung dieser Vorschrift ein
Anfechtungsrecht bezüglich der Vaterschaft des Beklagten zu 1 zu. Nach der
vom Kläger abgegebenen eidesstattlichen Versicherung habe dieser der Mutter
wiederholt Samen zur Verfügung gestellt, damit die Mutter diesen in der
Hoffnung, schwanger zu werden, einführen sollte. Dadurch sei die
Voraussetzung einer Versicherung, der Mutter in der Empfängniszeit
"beigewohnt" zu haben, erfüllt.
7 Das Merkmal des Beiwohnens diene in erster Linie der Eingrenzung der
Anfechtungsberechtigten auf diejenigen, die als biologische Väter in
Betracht kämen. Dies sei bei der vorliegenden "Samenübertragung" ebenso der
Fall wie bei unmittelbarem Geschlechtsverkehr. Auch im Rahmen der
Vaterschaftsvermutung des § 1600 d Abs. 2 BGB stünden beide Fälle gleich.
Allerdings solle nach der Begründung der Beschlussempfehlung des
Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages neben der Anfechtung "ins Blaue
hinein" zugleich verhindert werden, dass ein samenspendender Dritter ein
Anfechtungsrecht erhalte. Auch habe der Bundesgerichtshof in einem obiter
dictum angemerkt, dass der bloße Samenspender nicht zur Anfechtung
berechtigt sei, weil es regelmäßig nicht zutreffe, dass er der Mutter
beigewohnt habe. Auf der Grundlage der Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts vom 9. April 2003 dürfe die Anfechtung indessen im
vorliegenden Fall nicht ausgeschlossen werden, weil sonst das
verfassungsrechtlich geschützte Elternrecht des biologischen Vaters verletzt
würde.
8 Soweit es dem Willen des Gesetzgebers entsprochen habe, den
Samenspender vom Anfechtungsrecht auszuschließen, sei davon auszugehen, dass
hierbei nur der "herkömmliche" Samenspender im Blickpunkt gestanden habe,
der an einem den Regeln der Ärzteschaft entsprechenden Verfahren teilnehme,
bei dem durch möglichst weitgehende Vereinbarungen und weitgehende
Anonymisierung von vornherein die väterliche Verantwortung des Spenders
ausgeschlossen und diejenige des sozialen Vaters begründet werde.
Das erkläre sich daraus, dass verfassungsrechtliche Bedenken verneint worden
seien, weil die erklärte Bereitschaft zur Teilnahme an einer Samenspende als
konkludenter Verzicht auf die rechtliche Vaterschaft und damit auf ein
entsprechendes Anfechtungsrecht zu deuten sei. Gleiches erschließe sich auch
aus der Regelung in § 1600 Abs. 5 BGB.
9 Im vorliegenden Fall seien dagegen keine rechtlich verbindlichen
Absprachen getroffen worden. Vielmehr sei dem Kläger von der Mutter die
Inanspruchnahme auf Unterhalt in Aussicht gestellt worden, wenn er nicht von
der Durchsetzung von Vaterrechten absehe.
10 Das Anfechtungsrecht allein von der Art der Samenübertragung abhängig zu
machen, werde dem grundrechtlich geschützten Elternrecht des Klägers nicht
gerecht. Wie auch ein Vergleich mit der homologen Insemination zeige, dürfe
das Elternrecht des biologischen Vaters insoweit nicht allein vom Willen der
Mutter abhängen, was durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
zur gemeinsamen elterlichen Sorge nicht verheirateter Väter bestätigt werde.
Der Ausschluss des Anfechtungsrechts des Samenspenders sei unter
Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Bedeutung seines Elternrechts
nur haltbar, wenn die Samenspende von vornherein in einem Verfahren
abgegeben werde, in dem der Spender im Rahmen des rechtlich Zulässigen auf
Vaterrechte und -pflichten verzichte bzw. von diesen entbunden werde.
11 Im vorliegenden Fall liege auch nach dem Vortrag der Beklagten keine
sozial-familiäre Beziehung vor. Unstreitig bestehe zwischen dem Beklagten zu
1 und der Mutter lediglich eine kollegiale freundschaftliche Beziehung und
mache die Mutter keinen Hehl daraus, dass jener sozusagen als "Sperrvater"
ausgewählt worden sei, damit die Stiefkind-Adoption durch ihre Partnerin
nicht erschwert oder unmöglich werde. Die sozial-familiäre Beziehung des
Kindes mit der Partnerin der Mutter spiele für den Ausschluss des
Anfechtungsrechts hingegen keine Rolle. Dass eine solche Beziehung zwischen
dem Kläger und dem Kind bestehe, sei nicht erforderlich, sondern vom
Bundesverfassungsgericht nur als zusätzliches Argument für die
Anfechtungsmöglichkeit des biologischen Vaters angeführt worden.
II.
12 Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.
13 1. Nach § 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB ist der Mann, der an Eides statt
versichert, der Mutter des Kindes während der Empfängniszeit beigewohnt zu
haben, zur Anfechtung der Vaterschaft berechtigt.
14 a) Inhalt der im vorliegenden Fall vom Kläger abgegebenen
eidesstattlichen Versicherung ist allerdings nur, dass er der Mutter Sperma
zum Zweck der Befruchtung zur Verfügung gestellt habe. Der Wortlaut der
Vorschrift schließt eine Erstreckung auf die Samenspende nicht aus.
15 Vielmehr gebieten sowohl Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung als
auch ihre Stellung im System des Abstammungsrechts eine Anwendung der
Vorschrift auch auf eine ohne Geschlechtsverkehr mögliche genetische
Vaterschaft des Anfechtenden, wenn der Zeugung des Kindes keine auf die
(ausschließliche) Vaterschaft eines Dritten als Wunschvater gerichtete
Vereinbarung im Sinne von § 1600 Abs. 5 BGB vorausgegangen ist (sog.
konsentierte heterologe Insemination). Dies wird nicht zuletzt durch
verfassungsrechtliche Erwägungen gestützt.
16 b) Der vorliegende Fall einer Samenspende, welche nicht aufgrund einer
auf die ausschließliche rechtliche Vaterstellung eines anderen Mannes
gerichteten Abrede erfolgt ist, ist von einer Anfechtung nicht ausgenommen.
17 aa) § 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB ist durch das Gesetz zur Änderung von
Vorschriften über die Anfechtung der Vaterschaft und das Umgangsrecht von
Bezugspersonen vom 23. April 2004 (BGBl. I 2004, 598) eingeführt worden. Mit
der gesetzlichen Neuregelung hat der Gesetzgeber einer Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts vom 9. April 2003 (FamRZ 2003, 816) Rechnung
getragen, durch die § 1600 BGB in seiner vorausgegangenen Fassung für
teilweise verfassungswidrig erklärt worden war.
18 Der leibliche, aber nicht rechtliche Vater ist nach der Rechtsprechung
des Bundesverfassungsgerichts als solcher zwar noch nicht Träger des
Elternrechts aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG. Die Grundrechtsnorm schützt den
leiblichen Vater aber in seinem Interesse, die Rechtsstellung als Vater des
Kindes einzunehmen (BVerfG FamRZ 2003, 816; FamRZ 2008, 2257).
Auch dieser
Schutz vermittelt noch kein Recht, in jedem Fall vorrangig vor dem
rechtlichen Vater die Vaterstellung eingeräumt zu erhalten. Der Gesetzgeber
kann den Interessen des Kindes und seiner rechtlichen Eltern am Erhalt eines
durch Art. 6 Abs. 1 GG bestehenden sozialen Familienverbandes den Vorrang
einräumen. Dagegen ist dem leiblichen Vater jedoch von Verfassungs wegen die
Möglichkeit zu eröffnen, die rechtliche Vaterposition zu erlangen, wenn dem
der Schutz einer familiären Beziehung zwischen dem Kind und seinen
rechtlichen Eltern
nicht entgegensteht und festgestellt wird, dass er der leibliche Vater des
Kindes ist (BVerfG FamRZ 2003, 816, 818).
19 Nach dem zugrunde liegenden Gesetzentwurf der Bundesregierung war das
Anfechtungsrecht noch an die Glaubhaftmachung der Beiwohnung geknüpft. Nach
der Begründung des Gesetzentwurfs sollte die Glaubhaftmachung (nur) der
"Schlüssigkeitsprüfung" dienen. Die Glaubhaftmachung sollte "insbesondere
aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes von Mutter, Kind und rechtlichem
Vater als - wenn auch kleine - formelle Hürde eine Anfechtung 'ins Blaue'
hinein" verhindern (BT-Drucks. 15/2253 S. 10). Der Entwurfstext wurde im
Lauf des Gesetzgebungsverfahrens nur insoweit geändert, als auf Vorschlag
des Rechtsausschusses die Glaubhaftmachung durch die eidesstattliche
Versicherung ersetzt wurde.
20 Die vom Berufungsgericht berücksichtigte weitere Begründung des
Rechtsausschusses, dass durch die Bezugnahme der eidesstattlichen
Versicherung auf die Beiwohnung zugleich verhindert werde, dass ein
samenspendender Dritter als "biologischer Vater" ein Anfechtungsrecht
erhalte, hat im Gesetzestext keinen Niederschlag gefunden. Denn die
Beiwohnung selbst ist nicht Voraussetzung eines erfolgreichen
Anfechtungsantrags. Die Begründetheit der Anfechtungsklage hängt vielmehr
nach § 1600 Abs. 2 BGB allein von der leiblichen Abstammung ab, während die
Beiwohnung lediglich Gegenstand der eidesstattlichen Versicherung sein muss.
Dementsprechend ging auch die Entwurfsbegründung - wie ausgeführt - davon
aus, dass es sich bei der Voraussetzung lediglich um eine ("kleine")
formelle Hürde handele, die eine Anfechtung "ins Blaue" hinein verhindern
solle. Wenn hingegen - wie im vorliegenden Fall - die genetische Vaterschaft
von den Beteiligten nicht bezweifelt wird, kann davon nicht die Rede sein.
21 Auf die Frage, ob die vom Rechtsausschuss des Bundestages geäußerte
Vorstellung von der - darüber möglicherweise hinausgehenden - Wirkungsweise
der Vorschrift den für die Gesetzesanwendung verbindlichen Willen des
Gesetzgebers repräsentieren kann (vgl. auch die Begründung des Entwurfs
eines Gesetzes zur Stärkung der Rechte des leiblichen, nicht rechtlichen
Vaters BT-Drucks. 17/12163 S. 14), kommt es hier nicht entscheidend an.
Denn
aus den weiteren Erwägungen des Rechtsausschusses ergibt sich, dass diese
sich auf den Fall der Einwilligung eines Wunschvaters in die Zeugung mittels
Samenspende im Sinne von § 1600 Abs. 5 BGB (konsentierte heterologe
Insemination) bezogen, welche im vorliegenden Fall unstreitig nicht
vorliegt. Der Bundesrat hatte abweichend vom Regierungsentwurf für den Fall
der künstlichen Befruchtung mittels einer Samenspende eine eigenständige
Ausschlussvorschrift vorgeschlagen. Diese sollte aber in einer Ergänzung von
§ 1600 Abs. 4 (heute: Abs. 5) BGB bestehen und neben der
Vaterschaftsanfechtung durch den (rechtlichen) Vater und die Mutter auch die
des samenspendenden Dritten ausschließen (BT-Drucks. 15/2253 S. 15), was
nach der Begründung des Rechtsausschusses nicht mehr erforderlich war.
Dementsprechend sah der Rechtsausschuss im Hinblick auf das (etwaige)
Elternrecht des leiblichen Vaters nach Art. 6 Abs. 2 GG keine Bedenken gegen
eine Versagung der Anfechtungsbefugnis, weil dessen erklärte Bereitschaft
zur Teilnahme an einer Samenspende als konkludenter Verzicht auf die
rechtliche Vaterschaft und auf ein entsprechendes Anfechtungsrecht zu deuten
sei (BT-Drucks. 15/2942 S. 9). Die vom Rechtsausschuss angestellten
Erwägungen beziehen sich damit auf den Fall des § 1600 Abs. 5 BGB, der zum
Ausschluss der Anfechtung durch den (rechtlichen) Vater oder die Mutter
führt. Nur diese Konstellation ist dadurch gekennzeichnet, dass mit der
Mutter, dem Wunschvater und dem samenspendenden Dritten alle an der Zeugung
des Kindes Beteiligten übereinstimmend von einer (noch zu begründenden)
rechtlichen Vaterschaft des Wunschvaters ausgehen.
Bei dieser Form des Zusammenwirkens beschränkt sich der Samenspender auf die
Hergabe des Spermas, während er die Übernahme elterlicher Verantwortung dem
Wunschvater überlassen und selbst regelmäßig im Rahmen des rechtlich
Zulässigen (oder darüber hinaus) anonym bleiben will.
22 Nur in der genannten Konstellation kann schließlich entsprechend den in
den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck gekommenen Vorstellungen des
Rechtsausschusses davon ausgegangen werden, dass der Samenspender durch
seine Mitwirkung konkludent auf seine rechtliche Vaterschaft und sein
Anfechtungsrecht verzichtet. Ist dies nicht der Fall und soll sogar seine
Rolle bei der Zeugung - wie im vorliegenden Verfahren unstreitig ist - dem
Kind später offengelegt werden, so steht er dem leiblichen Vater nach einer
homologen Insemination näher als dem bloßen Samenspender im Fall des § 1600
Abs. 5 BGB. Im einen wie im anderen Fall bezweckt die nur als "formelle
Hürde" betrachtete Voraussetzung des § 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB, die unabhängig
von der Richtigkeit der eidesstattlichen Versicherung erfüllt wäre, nicht
den Ausschluss des leiblichen Vaters von der Anfechtung und schließt dessen
Anfechtungsrecht folglich nicht aus.
23 Wenn mit der Samenspende - anders als im Fall von § 1600 Abs. 5 BGB -
kein Verzicht auf die (spätere) Begründung des Elternrechts verbunden ist,
muss dem Samenspender aufgrund seiner genetischen Vaterschaft somit schon
aus verfassungsrechtlichen Erwägungen wenigstens der Zugang zur Elternschaft
grundsätzlich möglich sein.
24 bb) Ein Zugang des Samenspenders zur Vaterschaft entspricht außerhalb der
konsentierten heterologen Insemination auch im Übrigen der Systematik des
Abstammungsrechts. Die konsentierte heterologe Insemination zeichnet sich im
Gegensatz zur bloßen Anerkennung der Vaterschaft dadurch aus, dass
bereits die Zeugung des Kindes auf einer entsprechenden Abrede der
Beteiligten beruht und das Kind damit - wie es bei der medizinisch
assistierten heterologen Insemination aufgrund der medizinrechtlichen
Vorschriften (vgl. Rütz Heterologe Insemination - Die rechtliche Stellung
des Samenspenders 2008 S. 75 ff.) besonders deutlich wird - der Abrede der
Beteiligten letztlich seine Existenz verdankt (vgl. Wanitzek Rechtliche
Elternschaft bei medizinisch unterstützter Fortpflanzung 2002 S. 254).
Dieser Umstand rechtfertigt es des Weiteren, das Anfechtungsrecht des
Samenspenders im Fall des § 1600 Abs. 5 BGB - über den Wortlaut des § 1600
Abs. 1 Nr. 2 BGB hinausgehend - selbst dann auszuschließen, wenn der
Anfechtende eine genügende eidesstattliche Versicherung abgegeben hat und
zwischen dem rechtlichen (Wunsch-)Vater und dem Kind keine sozial-familiäre
Beziehung mehr besteht.
25 Mangelt es dagegen an einem in die künstliche Befruchtung
einwilligenden Wunschvater, kann ohne weiteres eine Feststellung des Samenspenders als
Vater nach § 1600 d BGB erfolgen. Zu einem entsprechenden Antrag waren nach
dem hier noch geltenden § 1600 e Abs. 1 Nr. 1, 2 BGB nicht nur das Kind und
die Mutter befugt, sondern auch der Samenspender selbst als (angeblicher)
leiblicher Vater. Dasselbe gilt auch für das seit 1. September 2009 geltende
Verfahrensrecht im Hinblick auf den Antrag nach § 171 FamFG (vgl. Löhnig
FamRZ 2009, 1798, 1799; Prütting/Helms/Stößer FamFG 2. Aufl. § 171 Rn. 7).
Dementsprechend ist auch der Bestand der Vaterschaft eines noch
nicht in die künstliche Zeugung einwilligenden und erst aufgrund späteren
Entschlusses die Vaterschaft anerkennenden Mannes vom Gesetz nicht besonders
gesichert. Denn sowohl der Anerkennende als auch die Mutter können die
Vaterschaft (innerhalb der Anfechtungsfrist) anfechten. Der Ausschluss der
Anfechtung nach § 1600 Abs. 5 BGB greift mangels Einwilligung des Mannes in
die künstliche Befruchtung mittels Samenspende eines Dritten nicht ein.
Damit fehlt es zugleich an einer Rechtfertigung, einen solchen Samenspender
von der Anfechtung auszuschließen. Fehlt es zudem an einer sozial-familiären Beziehung
zwischen dem Anerkennenden und dem Kind, so muss auch dem Samenspender die
Anfechtung der Vaterschaft möglich sein.
26 In diesem Sinne eingeschränkt sind auch die - die damalige Entscheidung
nicht tragenden - Ausführungen im Senatsurteil vom 26. Januar 2005 (FamRZ
2005, 612, 614) zu verstehen, die sich ausdrücklich auf den bloßen
Samenspender beziehen. Soweit die Ausführungen einen darüber hinausgehenden
Inhalt haben, hält der Senat daran nicht fest.
27 2. Dass die Mutter und ihre Lebenspartnerin eine Stiefkindadoption
anstreben, ist schließlich unabhängig von dem zwischen den Parteien
streitigen Umstand, ob der Kläger ursprünglich mit diesem Vorhaben
einverstanden war, für die Vaterschaftsanfechtung als alleinigen Gegenstand
des vorliegenden Verfahrens nicht ausschlaggebend.
28 Ob die Lebenspartnerin der Mutter das Elternrecht erlangen kann, ist
ohnedies nicht im vorliegenden Anfechtungsverfahren, sondern nur im Rahmen
einer Stiefkindadoption nach § 9 Abs. 7 LPartG zu entscheiden. Vor der
Adoption ist der Lebenspartner des Elternteils nach der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts selbst dann nicht Träger des Elternrechts aus Art.
6 Abs. 2 Satz 1 GG, wenn er mit diesem und dessen Kind in einer
sozial-familiären Beziehung lebt. Das bis zur Adoption allein bestehende
soziale Elternverhältnis zum Kind des Lebenspartners begründet keine
verfassungsrechtliche Elternschaft (BVerfG FamRZ 2013, 521, 524). Auch die
zwischen den Parteien streitige Frage, ob der Kläger vor der Zeugung mit
einer späteren Adoption durch die Lebenspartnerin einverstanden war, wäre
somit erst im Adoptionsverfahren zu prüfen und dort im Rahmen der
Kindeswohldienlichkeit zu berücksichtigen.
29 Das von der Revision angeführte Recht auf Familie aus Art. 6 Abs. 1 GG,
das auch der Lebenspartnerin der Mutter zustehe, ist für den vorliegenden
Streitgegenstand nicht erheblich. Denn durch die Anfechtung der Vaterschaft
wird in die bestehende soziale Familie nicht unmittelbar eingegriffen.
Vielmehr handelt es sich hierbei um ein Statusverfahren, welches
ausschließlich die rechtliche Elternstellung im Hinblick auf die Person des
Vaters betrifft. Daher stellt nach § 1600 Abs. 2 BGB allein eine
sozial-familiäre Beziehung zum rechtlichen Vater ein Hindernis für die
Anfechtung dar. Sich aus der Statusänderung ergebende mittelbare Folgen wie
etwa eine mögliche Beteiligung am Sorgerecht oder die Regelung des Umgangs
zwischen Vater und Kind sind unter vorrangiger Berücksichtigung des
Kindeswohls in besonderen Verfahren zu klären.
30 Die Anerkennung der Vaterschaft durch einen die (soziale) Elternschaft
nicht anstrebenden Dritten ist demnach jedenfalls kein legitimes Mittel, um
eine Adoption zu erleichtern, indem der an einer Elternschaft in
Wirklichkeit nicht interessierte rechtliche Vater in die Adoption nach § 9
Abs. 7 LPartG, § 1747 BGB einwilligt. Ein solches Vorgehen würde nicht nur
die Grundlage für die im Adoptionsverfahren anzustellende Beurteilung durch
das Familiengericht verfälschen, sondern auch einen Missbrauch des durch die
Anerkennung erworbenen Elternrechts darstellen, das allein zu dem Zweck
eingesetzt würde, den dauerhaften Ausschluss des leiblichen Vaters von der
Elternstellung zu erreichen (vgl. auch EGMR FamRZ 2004, 1456 sowie BVerfG
FamRZ 2004, 1857). Einen solchen Rechtsmissbrauch zu unterbinden und dem
leiblichen Vater den Zugang zur Elternstellung zu ermöglichen, entspricht
schließlich der Zielsetzung der in § 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB eingeräumten
Vaterschaftsanfechtung.
31 3. Im Ergebnis steht demnach das Anfechtungsrecht nach § 1600 Abs. 1
Nr. 2 BGB auch dem Samenspender zu, wenn kein Fall des § 1600 Abs. 5 BGB
vorliegt.
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