Sittenwidrigkeit (§ 138
BGB) eines ehevertraglichen Ausschlusses des Versorgungsausgleichs:
Wirksamkeits- und Ausübungskontrolle, Gesamtnichtigkeit; Imparität
BGH, Urteil vom 9. Juli
2008 - XII ZR 6/07
Fundstelle:
NJW 2008, 3426
Amtl. Leitsatz:
a) Ein im Ehevertrag
kompensationslos vereinbarter Ausschluss des Versorgungsausgleichs ist nach
§ 138 Abs. 1 BGB nichtig, wenn die Ehegatten bei Abschluss des Vertrags
bewusst in Kauf nehmen, dass die Ehefrau wegen Kindesbetreuung alsbald aus
dem Berufsleben ausscheiden und bis auf weiteres keine eigenen
Versorgungsanrechte (abgesehen von Kindererziehungszeiten) erwerben wird.
b) Der Ausschluss des Versorgungsausgleichs kann in solchen Fällen zur
Gesamtnichtigkeit des Ehevertrags führen, wenn die Ehefrau bei seinem
Abschluss im neunten Monat schwanger ist und ihr der Vertragsentwurf
erstmals in der notariellen Verhandlung bekannt gegeben wird.
Zentrale Probleme:
S. BGHZ 158, 81 = FamRZ 2004, 601
©sl 2008
Tatbestand:
1 Die am 19. Oktober 1984 geschossene Ehe der Parteien, aus der die Töchter
I.A.C. (geb. 3. November 1984), M.I. (geb. am 28. Februar 1986) und C.O.
(geb. am 30. Juli 1993) hervorgegangen sind, wurde durch Urteil des
Amtgerichts - Familiengericht - vom 15. Februar 2006 geschieden (insoweit
rechtskräftig seit 11. Juli 2006). Die noch minderjährige Tochter C.O. wird
seit der Trennung der Parteien (nach den Feststellungen des Amtsgerichts: am
1. September 2002) von der Antragstellerin betreut. Die Parteien streiten
über schuldrechtlichen Versorgungsausgleich sowie über Zugewinnausgleich.
2 Die Parteien haben am 5. Oktober 1984 einen Ehevertrag geschlossen. Der
Antragsgegner (im Folgenden: Ehemann; geboren am 1. Juli 1940) war im
Zeitpunkt des Vertragsschlusses 44 Jahre alt und als Jurist - nach
erfolgreicher Tätigkeit in mehreren anderen Untenehmen - in der
Personalabteilung der M.-AG tätig; gegen Ende seines Berufslebens war er
leitender Angestellter einer Bank in Frankfurt. Die Antragstellerin (im
Folgenden: Ehefrau; geboren am 12. Dezember 1959) war bei Vertragsschluss 24
Jahre alt und als Erzieherin in einem Kindergarten tätig. Diese
Arbeitsstelle hat sie in der Folgezeit aufgegeben; heute ist sie als
Fachlehrerin teilzeitbeschäftigt. In dem Ehevertrag, dessen Text der Ehefrau
vor der notariellen Verhandlung nicht bekannt gegeben worden war, ist u.a.
folgendes geregelt:
"§ 2
Bis zur Geburt von Kindern sind beide Ehegatten zur Berufstätigkeit
berechtigt und verpflichtet. …
Wenn ein Kind geboren wird, gibt ein Ehegatte, unter normalen Umständen
die Ehefrau, seine Berufstätigkeit vorübergehend auf. Diesem Ehegatten
obliegt dann die Haushaltsführung und die Kindesbetreuung. Sobald die
Kindesbetreuung es zulässt, ist er berechtigt, seinen Beruf oder eine
auf dem Arbeitsmarkt verfügbare sonstige Erwerbstätigkeit aufzunehmen.
Vorrangig ist jedoch das Wohl der Kinder. Steht dieses einer Halb- oder
Ganztagsbeschäftigung nicht entgegen, so ist der Ehegatte zur Aufnahme
einer zumutbaren Berufstätigkeit berechtigt und verpflichtet.
§ 3
Die Ehegatten wollen in Gütertrennung leben und schließen den
gesetzlichen Güterstand aus. …
§ 4
Die Ehegatten schließen gegenseitig den Versorgungsausgleich völlig aus.
§ 5
Für den Fall, dass unsere Ehe vor Ablauf von 5 Jahren geschieden wird,
verzichten wir gegenseitig und völlig auf jeden nachehelichen Unterhalt.
Ist bei der Scheidung jedoch ein gemeinsames Kind vorhanden, so steht
dem Ehegatten, der das Kind betreut, unter den Voraussetzungen des §
1570 BGB Unterhalt zu.
Im übrigen soll es grundsätzlich bei der gesetzlichen Regelung
verbleiben. Jedoch soll sich das Maß des Unterhalts nicht nach den
ehelichen Lebensverhältnissen, sondern nach dem erlernten bzw. dem mit
höherem Einkommen verbundenen ausgeübten Beruf des
unterhaltsberechtigten Ehegatten bestimmen. Der Aufstockungsanspruch des
§ 1573 Abs. 2 BGB und der Kapitalisierungsanspruch des § 1585 Abs. 2 BGB
werden ausgeschlossen.
§ 6
Sollte eine der Vereinbarungen unwirksam sein oder werden, so sollen die
übrigen Vereinbarungen dennoch wirksam bleiben."
3 Im Scheidungsverbundverfahren hat die
Ehefrau - neben der Zahlung von nachehelichem Unterhalt und der Durchführung
des Versorgungsausgleichs - im Wege der Stufenklage begehrt, den Ehemann zu
verurteilen, Auskunft über sein Endvermögen zum 29. Oktober 2003 zu
erteilen. Das Amtsgericht hat die Ehe geschieden, dem Unterhaltsverlangen
teilweise entsprochen, den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich
durchgeführt, den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich vorbehalten und die
Zugewinnausgleichsstufenklage abgewiesen. Auf die Berufung beider Parteien
hat das Oberlandesgericht den Unterhaltsausspruch herabgesetzt und den
Ehemann verurteilt, der Ehefrau Auskunft über sein Endvermögen zum 29.
Oktober 2003 zu erteilen; den Antrag des Ehemannes festzustellen, dass ein
schuldrechtlicher Versorgungsausgleich nicht stattfindet, hat es abgewiesen.
Gegen die Entscheidung zum Zugewinnausgleich und zum schuldrechtlichen
Versorgungsausgleich richtet sich die - insoweit zugelassene - Revision des
Ehemannes.
- 5 -
Entscheidungsgründe: 4 Das zulässige Rechtmittel hat keinen Erfolg.
I.
5 Nach Auffassung des Oberlandesgerichts ist der von den Parteien
geschlossene Ehevertrag nach § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig und damit
unwirksam.
6 Eine Gesamtschau der getroffenen Vereinbarungen ergebe eine einseitige
Benachteiligung der Ehefrau, die nicht durch Regelungen zu ihren Gunsten
ausgeglichen würden. Zwar bleibe der als Kernbereich der Scheidungsfolgen
anzusehende Betreuungsunterhalt im Grundsatz unberührt, dies allerdings mit
der Einschränkung, dass das Maß des Unterhalts sich nicht nach den ehelichen
Lebensverhältnissen, sondern nach dem Einkommen bemesse, das aus dem
erlernten oder, falls höher dotiert, aus dem ausgeübten Beruf erzielbar
wäre. Die Ehefrau sei so an ihrem Beruf als Erzieherin festgehalten worden;
an der wirtschaftlichen Stellung des Ehemannes habe sie - im Gegensatz zu
den gemeinsamen Kindern der Parteien - nicht teilhaben sollen, und zwar
unabhängig davon, ob sie durch ihre Erwerbstätigkeit im erlernten Beruf
ihren Mindestunterhalt würde bestreiten können. Dieser Nachteil werde durch
den vereinbarten Ausschluss des Aufstockungsunterhalts verschärft. Der
generelle Ausschluss des Versorgungsausgleichs bewirke, dass die Ehefrau,
die nach dem Ehevertrag für die Zeit der Kinderbetreuung zur Aufgabe ihrer
Berufstätigkeit verpflichtet gewesen sei, in dieser Zeit - abgesehen von den
Kindererziehungszeiten -keine nennenswerte Versorgung habe aufbauen können.
Eine Vereinbarung über den Ausschluss des Zugewinnausgleichs sei zwar
grundsätzlich wirksam.
Dies könne jedoch dann nicht gelten, wenn diese Vereinbarung - wie hier -
Bestandteil eines einen Ehegatten insgesamt beeinträchtigenden Vertrages
sei.
7 Im Übrigen sei der Ehevertrag nur deshalb zustande gekommen, weil zwischen
den Parteien ein wirtschaftliches und soziales Missverhältnis bestanden
habe; denn die Parteien hätten sich - abgesehen von dem zwischen ihnen
bestehenden Altersunterschied - in einer nach Bildung und sozialer Stellung
völlig unterschiedlichen Situation befunden. Außerdem lasse der Umstand,
dass der Ehefrau vor der notariellen Verhandlung kein Vertragsentwurf
zugeleitet worden sei und die Ehefrau sich - nach dem Vortrag des Ehemannes
- um die Formulierung im Vertrag nicht sonderlich gekümmert habe, den
sicheren Schluss zu, dass der Vertragsinhalt bereits vor dem
Beurkundungstermin zwischen dem Ehemann und dem Notar ausgehandelt worden
sei. Vor allem sei zu berücksichtigen, dass die Ehefrau bei Vertragsschluss
im neunten Monat schwanger gewesen sei und aus der Sicht beider Parteien die
Eheschließung alsbald habe erfolgen sollen. Dem Ehemann sei es dabei - nach
seinem eigenen Vortrag - darauf angekommen, dass das Kind in der Ehe geboren
werde, damit auch er sorgeberechtigt würde; die Ehefrau habe
unterhaltsrechtlich abgesichert sein wollen. Eine Gesamtwürdigung der
Situation ergebe, dass der Ehemann auf die Ehefrau - ausdrücklich oder
nicht, jedenfalls aber tatsächlich -einen so erheblichen Druck ausgeübt
habe, dass dem Ehevertrag die rechtliche Anerkennung insgesamt versagt
bleiben müsse.
II.
8 Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand.
9 1. Wie der Senat wiederholt dargelegt hat (grundlegend Senatsurteil
BGHZ 158, 81 = FamRZ 2004, 601), darf die
grundsätzliche Disponibilität der Scheidungsfolgen nicht dazu führen, dass
der Schutzzweck der gesetzlichen Regelungen durch vertragliche
Vereinbarungen beliebig unterlaufen werden kann. Das wäre der Fall, wenn
dadurch eine evident einseitige und durch die individuelle Gestaltung der
ehelichen Lebensverhältnisse nicht gerechtfertigte Lastenverteilung
entstünde, die hinzunehmen für den belasteten Ehegatten - bei angemessener
Berücksichtigung der Belange des anderen Ehegatten und seines Vertrauens in
die Geltung der getroffenen Abrede - bei verständiger Würdigung des Wesens
der Ehe unzumutbar erscheint. Die Belastungen des einen Ehegatten werden
dabei um so schwerer wiegen und die Belange des anderen Ehegatten um so
genauerer Prüfung bedürfen, je unmittelbarer die vertragliche Abbedingung
gesetzlicher Regelungen in den Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts
eingreift.
10 Dabei hat der Tatrichter zunächst - im Rahmen einer
Wirksamkeitskontrolle - zu prüfen, ob die Vereinbarung schon im
Zeitpunkt ihres Zustandekommens offenkundig zu einer derart einseitigen
Lastenverteilung für den Scheidungsfall führt, dass ihr - und zwar losgelöst
von der zukünftigen Entwicklung der Ehegatten und ihrer Lebensverhältnisse -
wegen Verstoßes gegen die guten Sitten die Anerkennung der Rechtsordnung
ganz oder teilweise mit der Folge zu versagen ist, dass an ihre Stelle die
gesetzlichen Regelungen treten (§ 138 Abs. 1 BGB). Erforderlich ist dabei
eine Gesamtwürdigung, die auf die individuellen Verhältnisse bei
Vertragsschluss abstellt, insbesondere also auf die Einkommens- und
Vermögensverhältnisse, den geplanten oder bereits verwirklichten Zuschnitt
der Ehe sowie auf die Auswirkungen auf die Ehegatten und auf die Kinder.
Subjektiv sind die von den Ehegatten mit der Abrede verfolgten Zwecke sowie
die sonstigen Beweggründe zu berücksichtigen, die den begünstigten Ehegatten
zu seinem Verlangen nach der ehevertraglichen Gestaltung veranlasst und den
benachteiligten Ehegatten bewogen haben, diesem Verlangen zu entsprechen
(Senatsurteil BGHZ 158, 81, 100 = FamRZ 2004, 601,
606).
11 Soweit ein Vertrag der Wirksamkeitskontrolle standhält, hat sodann eine
Ausübungskontrolle nach § 242 BGB zu erfolgen. Dafür sind nicht nur
die Verhältnisse im Zeitpunkt des Vertragsschlusses maßgebend. Entscheidend
ist vielmehr, ob sich nunmehr - im Zeitpunkt des Scheiterns der
Lebensgemeinschaft - aus dem vereinbarten Ausschluss der Scheidungsfolge
eine evident einseitige Lastenverteilung ergibt, die hinzunehmen für den
belasteten Ehegatten unzumutbar ist (Senatsurteil
BGHZ 158, 81, 100 = FamRZ 2004, 601, 606).
12 2. Die ehevertraglichen Abreden der Parteien halten bereits der
Wirksamkeitskontrolle (§ 138 Abs. 1 BGB) nicht stand.
13 a) Schon bei einer isolierten Betrachtung der Einzelregelungen ergibt
sich, dass der Ehevertrag teilweise eine - bereits im Zeitpunkt des
Vertragsschlusses offenkundige - einseitige Lastenverteilung für den
Scheidungsfall bewirkt, die durch den geplanten Zuschnitt der Ehe nicht
gerechtfertigt und durch keinerlei Vorteile für die Ehefrau ausgeglichen
wird.
14 aa) Die zum nachehelichen Unterhalt getroffenen Abreden der Parteien
rechtfertigen allerdings - für sich genommen - das Verdikt der
Sittenwidrigkeit nicht. Mit dem grundsätzlichen Ausschluss nachehelichen
Unterhalts für den Fall, dass die Ehe vor Ablauf von fünf Jahren geschieden
wird, nehmen die Ehegatten einen Rechtsgedanken auf, der sich auch in § 1579
Abs. 1 Nr. 1 BGB sowie - ansatzweise (Begrenzung des Unterhalts nach Höhe
und Dauer) -auch in § 1578 b BGB findet. Der Umstand, dass die vertraglich
vorgesehene Fünfjahresfrist über den Zeitrahmen hinausgeht, für den der
Senat eine kurze Ehedauer bejaht hat (vgl. etwa Senatsurteil vom 9. Juli
1986 - IVb ZR 39/85 -FamRZ 1886, 886, 887: bis drei Jahre), steht nicht
entgegen. Denn der vom Senat gezogene Zeitrahmen beansprucht nur für den
Regelfall Geltung (vgl. Senatsurteil vom 25. Januar 1995 - XII ZR 195/93 -
FamRZ 1995, 1405, 1407) und ist schon deshalb einer - angemessenen -
abweichenden Konkretisierung durch Ehevertrag zugänglich. Die von § 1579 Nr.
1 2. Halbs. BGB besonders geschützten Kindesbelange sind gewahrt, da der
vereinbarte generelle Unter-haltsausschluss für den Betreuungsunterhalt
nicht gilt.
15 Die Unterhaltsabrede erweist sich - allein betrachtet - auch nicht schon
deshalb als sittenwidrig, weil die Parteien die Höhe des Unterhaltsanspruchs
abweichend von den gesetzlichen Vorgaben geregelt und dabei nicht an die
ehelichen Lebensverhältnisse, sondern an das Einkommen angeknüpft haben, das
der Unterhaltsberechtigte aus seinem erlernten oder, falls höher dotiert,
ausgeübten Beruf erzielen könnte. Eine solche abweichende Regelung der
Unterhaltshöhe ist, wie der Senat entschieden hat, nicht schon deshalb zu
beanstanden, weil die vertraglich vorgesehene Unterhaltshöhe - nach den bei
Vertragsschluss bestehenden oder vorhersehbaren Einkommensverhältnissen
-hinter den ehelichen Lebensverhältnissen zurückbleibt. Vielmehr ist die
Schwelle der Sittenwidrigkeit allenfalls dann erreicht, wenn die vertraglich
vorgesehene Unterhaltshöhe nicht annähernd geeignet ist, ehebedingte
Nachteile des Unterhaltsberechtigten auszugleichen (Senatsurteil vom 25. Mai
2005 - XII ZR 296/01 - FamRZ 2005, 1444, 1447). Das ist hier nicht der Fall:
Die getroffene Abrede will, wenn sie für die Höhe des geschuldeten
Unterhalts an das - hier von der Ehefrau - in ihrem erlernten oder später
ausgeübten und besser bezahlten Beruf anknüpft, gerade die Nachteile
ausgleichen, die für die Ehefrau mit dem durch die Kinderbetreuung bedingten
Verzicht auf eine fortdauernde eigene Berufstätigkeit verbunden sind. Auf
die vom Oberlandesgericht angesprochene Frage, ob die danach geschuldete
Unterhaltshöhe den Mindestbedarf der Ehefrau deckt, kommt es nicht an; denn
es ist schon nicht ersichtlich, dass nach den - maßgebenden - Verhältnissen
im Zeitpunkt des Vertragsschlusses das tatsächliche oder zu erwartende
Einkommen der Ehefrau als Erzieherin zur Deckung ihres Mindestbedarfs nicht
ausreichen könnte.
16 bb) Der Ausschluss des Versorgungsausgleichs hält dagegen - schon für
sich genommen - einer Überprüfung am Maßstab des § 138 Abs. 1 BGB nicht
stand.
17 Der Versorgungsausgleich ist - als gleichberechtigte Teilhabe beider
Ehegatten am beiderseits erworbenen Versorgungsvermögen - einerseits dem
Zugewinnausgleich verwandt und wie dieser ehevertraglicher Disposition
grundsätzlich zugänglich (§ 1408 Abs. 2, § 1587 o BGB). Er ist jedoch
andererseits als vorweggenommener Altersunterhalt zu verstehen; von daher
steht er einer vertraglichen Abbedingung nicht schrankenlos offen.
Vereinbarungen über den Versorgungsausgleich müssen deshalb nach denselben
Kriterien geprüft werden wie ein vollständiger oder teilweiser
Unterhaltsverzicht (Senatsurteil BGHZ 158, 81, 98 = FamRZ 2004, 601, 605;
vgl. ferner Senatsbeschluss vom 6. Oktober 2004 - XII ZB 57/03 - FamRZ 2005,
185, 187; Senatsurteil vom 28. November 2007 - XII ZR 132/05 - FamRZ 2008,
582, 585). Der Unterhalt wegen Alters gehört, wie der Senat dargelegt hat,
zum Kernbereich des gesetzlichen Scheidungsfolgenrechts; das Gesetz misst
ihm als Ausdruck ehelicher Solidarität besondere Bedeutung zu - was freilich
einen Verzicht nicht generell ausschließt, etwa wenn die Ehe erst im Alter
geschlossen wird. Nichts anderes gilt für den Versorgungsausgleich. Ein
Ausschluss des Versorgungsausgleichs ist deshalb nach § 138 Abs. 1 BGB
unwirksam, wenn er dazu führt, dass ein Ehegatte aufgrund des schon beim
Vertragsschluss geplanten Zuschnitts der Ehe über keine hinreichende
Alterssicherung verfügt und dieses Ergebnis mit dem Gebot ehelicher
Solidarität schlechthin unvereinbar erscheint. Das kann namentlich dann
der Fall sein, wenn sich ein Ehegatte, wie schon beim Vertragsschluss
geplant, der Betreuung der gemeinsamen Kinder gewidmet und deshalb auf eine
versorgungsbegründende Erwerbstätigkeit in der Ehe verzichtet hat. Das in
diesem Verzicht liegende Risiko verdichtet sich zu einem Nachteil, den der
Versorgungsausgleich gerade auf beide Ehegatten gleichmäßig verteilen will
und der ohne Kompensation nicht einem Ehegatten allein angelastet werden
kann, wenn die Ehe scheitert (vgl. Senatsbeschluss vom 6. Oktober 2004 -
XII ZB 57/03 - FamRZ 2005, 185, 187).
18 So liegen die Dinge hier. Nach dem Ehevertrag sollte bei Geburt eines
Kindes ein Ehegatte - nach der im Ehevertrag gewählten Formulierung: "unter
normalen Umständen die Ehefrau" - seine Berufstätigkeit aufgeben und sich
der Haushaltsführung und Kinderbetreuung widmen. Erst wenn die
Kinderbetreuung und das "vorrangige Wohl der Kinder" es zuließe, sollte die
Ehefrau berechtigt sein, ihren Beruf oder eine auf dem Arbeitsmarkt
verfügbare sonstige Berufstätigkeit aufzunehmen. Die Ehegatten haben damit
bei Vertragsschluss bewusst in Kauf genommen, dass die bei Vertragsschluss
im neunten Monat schwangere Ehefrau alsbald aus dem Berufsleben ausscheiden
und damit bis auf weiteres keine eigenen Versorgungsanrechte (außer
Kindererziehungszeiten) erwerben würde. Der mit der Geburt von drei Kindern
und deren - der Ehefrau aufgegebenen - Betreuung einhergehende Verzicht auf
den Ausbau der eigenen Versorgungsbiographie stellt sich nunmehr - mit der
Scheidung - für die Ehefrau als ein bei Vertragsschluss vorhersehbarer
ehebedingter Nachteil dar. Mit dem ehevertraglichen Ausschluss des
Versorgungsausgleichs wird dieser Nachteil auf die Ehefrau verlagert. Da
diese einseitige Lastenverteilung durch keinerlei Vorteil für die Ehefrau
kompensiert wird, ist er nach § 138 Abs. 1 BGB unwirksam.
19 cc) Anders verhält es sich - bei isolierter Betrachtung - mit dem
vereinbarten Ausschluss des Zugewinnausgleichs. Der Zugewinnausgleich wird
vom Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts nicht umfasst; er erweist sich
ehevertraglicher Gestaltung am weitesten zugänglich (Senatsurteil BGHZ
158, 81, 95, 98 f. = FamRZ 2004, 601, 605, 608). Schon im Hinblick auf diese
nachrangige Bedeutung des Zugewinnausgleichs im System des
Scheidungsfolgenrechts wird ein Ausschluss dieses Güterstandes, worauf der
Senat wiederholt hingewiesen hat (Senatsurteile vom 12. Januar 2005 - XII ZR
238/03 - FamRZ 2005, 691, 692 a.E., vom 25. Mai 2005 - XII ZR 296/01 - FamRZ
2005, 1444, 1448, vom 28. März 2007 - XII ZR 130/04 - FamRZ 2007, 1310, 1311
und vom 17. Oktober 2007 - XII ZR 96/05 - FamRZ 2008, 386, 388), für sich
genommen regelmäßig nicht sittenwidrig sein. Das gilt auch hier.
20 b) Auch wenn die Regelungen des Ehevertrags über den teilweisen
Ausschluss und die höhenmäßige Begrenzung des nachehelichen Unterhalts sowie
über den Ausschluss des Zugewinnausgleichs - bei jeweils gesonderter
Betrachtung - den Vorwurf der Sittenwidrigkeit nicht zu rechtfertigen
vermögen, erweist sich der Ehevertrag bei einer Gesamtwürdigung der
getroffenen Abreden dennoch als insgesamt sittenwidrig und damit als im
ganzen nichtig.
21 aa) Der objektive Gehalt der Gesamtregelung zielt erkennbar auf eine
einseitige Benachteiligung der Ehefrau: Der Ehefrau wird "unter normalen
Umständen" die Betreuung der gemeinsamen Kinder übertragen. Der damit - nach
der im Ehevertrag zum Ausdruck kommenden Vorstellung der Parteien: notwendig
- einhergehende Verzicht auf eine eigene Erwerbstätigkeit wird der Ehefrau
jedoch nicht honoriert. Im Falle einer Auflösung der Ehe vor Ablauf der
Fünfjahresfrist wird die Ehefrau auf den Betreuungsunterhalt verwiesen; ein
Anschlussunterhalt wegen Alters, Krankheit oder Arbeitslosigkeit bleibt ihr
versagt. Auch bei einer - wie hier - längeren Ehedauer muss sie unmittelbar
nach der Scheidung ihres bisherigen "ehelichen" Lebenszuschnitts entsagen
und sich mit einem ihrem ursprünglichen Beruf gemäßen, deutlich
bescheideneren Lebensunterhalt begnügen. Die mit dem Verzicht auf
Erwerbstätigkeit verbundene Lücke in der Versorgungsbiographie wird nicht
geschlossen; der Ausschluss des Versorgungsausgleichs sichert die in der Ehe
gemeinsam erwirtschaftete Altersversorgung allein dem Ehemann. Diese
Einseitigkeit findet im Ausschluss des Zugewinnausgleichs ihre konsequente
Fortsetzung: Die Erträge aus der Erwerbstätigkeit des Ehemannes verbleiben
ungeschmälert ihm.
22 bb) Die Frage, ob das objektive Zusammenspiel dieser die Ehefrau
einseitig benachteiligenden Regelungen bereits ausreicht, um den Ehevertrag
für insgesamt sittenwidrig zu erachten, kann hier dahinstehen. Denn die
bei einer Gesamtwürdigung durchweg einseitige Lastenzuweisung im Ehevertrag
erweist sich jedenfalls deshalb als zur Gänze sittenwidrig, weil die
Parteien sich beim Vertragsschluss nicht als "gleich starke
Verhandlungspartner" gegenübergestanden, der Ehevertrag vielmehr erkennbar
auf einer gravierenden wirtschaftlichen wie sozialen Imparität der
(späteren) Ehegatten beruht.
23 Zwar vermag eine Schwangerschaft der Frau bei Abschluss des Ehevertrages,
wie der Senat wiederholt dargelegt hat, für sich allein noch keine
Sittenwidrigkeit des Ehevertrages zu begründen. Sie indiziert aber eine
ungleiche Verhandlungsposition und damit eine Disparität bei
Vertragsabschluß, die es rechtfertigt, den Vertrag einer verstärkten
richterlichen Inhaltskontrolle zu unterziehen, wobei in einer Gesamtschau
alle maßgeblichen Faktoren zu berücksichtigen sind (Senatsurteile vom
25. Mai 2005 - XII ZR 296/01 - FamRZ 2005, 1444, 1446, vom 5. Juli 2006 -
XII ZR 25/04 - FamRZ 2006, 1359, 1361, vom 28. März 2007 - XII ZR 130/04 -
FamRZ 2007, 1310, 1311 und vom 17. Oktober 2007 - XII ZR 96/05 - FamRZ 2008,
386, 387). Bei einer solchen Gesamtschau kann der von den Parteien
geschlossene Ehevertrag keinen Bestand haben.
Objektiv ist dabei dem Umstand Rechnung zu tragen, dass mit der Begrenzung
des nachehelichen Unterhalts, vor allem aber mit dem Ausschluss des
Versorgungsausgleichs Regelungen aus dem Kernbereich des gesetzlichen
Scheidungsfolgenrechts teilweise (Unterhalt) bzw. ganz
(Versorgungsausgleich) abbedungen worden sind, ohne dass dieser Nachteil für
die Ehefrau durch anderweitige Vorteile gemildert oder durch die besonderen
Verhältnisse der Ehegatten, den von ihnen angestrebten oder gelebten Ehetyp
oder durch sonstige gewichtige Belange des begünstigten Ehegatten
gerechtfertigt würde (Senatsurteil vom 28. März 2007 - XII ZR 130/04 - FamRZ
2007, 1310, 1311). Subjektiv ist bei dieser Gesamtschau - worauf das
Oberlandesgericht mit Recht hinweist - zu berücksichtigen, dass die
(spätere) Ehefrau bei Abschluss des Ehevertrags unmittelbar vor der Geburt
ihres Kindes stand, auf eine unterhaltsrechtliche Sicherung - auch im
Interesse ihres Kindes - angewiesen war und gegenüber dem juristisch
versierten, deutlich älteren und beruflich erfolgreichen (späteren) Ehemann
keine reale Chance hatte, sich mit dem ihr erstmals in der notariellen
Verhandlung bekanntgegebenen Vertragstext kritisch auseinanderzusetzen und
diesen Vertrag auf der Ebene der Gleichordnung mit ihrem (späteren) Ehemann
zu diskutieren. Es kann dahinstehen, ob ein Notar mit der Beurkundung eines
solchen die (künftige) Ehefrau einseitig belastenden Ehevertrags, der weder
mit beiden künftigen Ehegatten vorbesprochen noch der rechtsunkundigen und
im neunten Monat schwangeren Ehefrau rechtzeitig vor der notariellen
Verhandlung zur Kenntnis gebracht worden ist, zumindest nach heutigen
Maßstäben seinen Standespflichten genügt. Jedenfalls rechtfertigt eine
Würdigung aller Umstände den - auch vom Oberlandesgericht gezogenen -
Schluss, dass ein solchermaßen zustande gekommener Ehevertrag, mag er auch
in Einzelfragen - isoliert betrachtet - vertretbar erscheinen, insgesamt
keine Anerkennung der Rechtsordnung verdient.
24 cc) Danach ist der Ehevertrag nicht nur hinsichtlich des Ausschlusses des
Versorgungsausgleichs, sondern auch in Ansehung des Ausschlusses des
Zugewinnausgleichs und der Vereinbarung der Gütertrennung nichtig. Die von
den Parteien vereinbarte salvatorische Klausel (§ 6 des Ehevertrags) ändert
daran nichts. Ergibt sich, wie hier, die Sittenwidrigkeit der getroffenen
Abreden bereits aus der Gesamtwürdigung eines Vertrags, dessen Inhalt für
eine Partei - wie hier für die Ehefrau - ausnahmslos nachteilig ist und
dessen Einzelregelungen durch keine berechtigten Belange der anderen Partei
gerechtfertigt werden, so erfasst die Nichtigkeitsfolge notwendig den
gesamten Vertrag, hier also auch den für die Ehefrau nachteiligen Ausschluss
des Zugewinnausgleichs. Für eine auf den Ausschluss des
Versorgungsausgleichs beschränkte Teilnichtigkeit bleibt in solchem Fall
kein Raum (Senatsbeschluss vom 17. Mai 2006 - XII ZB 250/03 - FamRZ 2006,
1097, 108; vgl. auch Brambring FPR 2005, 130, 133; vgl. ferner BGH Urteil
vom 13. März 1979 - KZR 23/77 - NJW 1979, 1605, 1606).
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