IPR: Internationales Namensrecht und
Statutenwechsel; Erhalt wohlerworbener Rechte; Prinzip der
Namenskontinuität; Angleichung (Transposition): Fortführung eines unter
fremden Recht erworbenen Zwischennamens
BGH, Beschluss vom 19. Februar 2014 -
XII ZB 180/12 - OLG Nürnberg
Fundstelle:
NJW 2014, 1383
Amtl. Leitsatz:
a) In Personenstandssachen kann die
Aufsichtsbehörde für das Standesamt auch dann die Rechtsbeschwerdeinstanz
anrufen, wenn sie selbst die Beschlussfassung in der angefochtenen
Beschwerdeentscheidung beantragt hat.
b) Wird eine in Deutschland lebende bulgarische Staatsangehörige unter
Beibehaltung ihrer bulgarischen Staatsbürgerschaft eingebürgert und gibt sie
keine Erklärungen nach Art. 47 EGBGB ab, ihren nach dem bisherigen
bulgarischen Heimatrecht gebildeten Vatersnamen ablegen oder als weiteren
Vornamen führen zu wollen, führt sie diesen Namensbestandteil in seiner
Funktion als Vatersnamen weiter.
Zentrale Probleme:
Internationales Namensrecht ist eine wunderbare
Spielwiese von grundsätzlichen Fragen des allgemeinen Teils des IPR. Hier
geht es darum, ob eine eingebürgerte Bulgarin ihren Vatersnamen (das ist ein
Zwischenname, der den Vornamen des Vaters enthält mit eine einer
geschlechtsspezifischen Endung) als solchen behält, oder ob er forthin als
zweiter Vorname zu führen ist. Art. 47 EGBGB sieht hier eine
materiellrechtliche Regelung vor, wonach ein solcher zwischen Name abgelegt
werden kann (Art. 47 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB) oder zum Vor -oder Familiennamen
bestimmt werden kann (Art. 47 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB). Hier hatte die Namensträgerin
aber eine solche Erklärung nicht abgegeben. So stellte sich nun die Frage,
wie dieser Name nunmehr für die Namensführung maßgeblichen deutschen Recht
zu beurteilen ist. Als wohlerworbenes Recht hatte die Betroffene diesen
Namen zwar behalten, aber es stellte sich die Frage, welche Funktion dieser
Name nunmehr im deutschen Recht haben sollte (funktionelle
Namenskontinuität). Dabei kam in Betracht, den Namen nunmehr im Wege der
Angleichung (Transposition) als Vornamen zu qualifizieren. Dafür spricht
aber allenfalls das Ordnungsinteresse, dass die Standesämter dafür keine
Rubrik haben. Das aber alleine ist, wie der Senat zutreffend sagt, auch
angesichts des persönlichkeitsrechtlichen Aspekts des Namensrechts kein
hinreichender Grund zu einer Angleichung gegen den Willen des Namensträgers.
S. auch BGH v. 3.12.2014 - XII
ZB 101/14. S. dazu auch den Besprechungsaufsatz von Prinz v.
Sachsen-Gessaphe StAZ 2015, 65.
©sl 2014
Gründe:
I.
1 Das Verfahren betrifft die Auswirkungen einer Änderung des Namensstatuts
auf einen unter ausländischem Recht erworbenen Zwischennamen (hier:
Vatersname nach bulgarischem Recht).
2 Die Betroffene wurde im Jahre 1983 als bulgarische Staatsangehörige
geboren. Sie erhielt den Vornamen Neli und führte den Namen Neli Naydenova
Di., wobei der Zwischenname (Vatersname) von dem väterlichen Vornamen Nayden
abgeleitet war. Im Jahre 2010 wurde die Betroffene unter Beibehaltung der
bulgarischen Staatsangehörigkeit eingebürgert; eine Erklärung zur
Angleichung ihres Namens nach Art. 47 EGBGB hat sie bislang nicht abgegeben.
-
3 Die Betroffene schloss im Jahre 2011 in Bulgarien mit dem deutschen
Staatsangehörigen Alexander Gn. die Ehe. Sie hat bei dem Standesamt die
Beurkundung ihrer Ehe im Eheregister beantragt und dabei angegeben,
dass sich die Namensführung der Eheleute nach deutschem Recht richten solle
und sie ihren Vatersnamen behalten wolle. Das Standesamt
möchte den Zwischennamen im Eheregister gesondert als Vatersnamen
kennzeichnen. Es hat aber Zweifel, ob der Vatersname nicht ohne eine solche
Kennzeichnung als zweiter Vorname einzutragen sei und die Sache daher über
die Beteiligte zu 1 (Standesamtsaufsicht) dem Amtsgericht zur Entscheidung
vorgelegt. Das Amtsgericht hat das Standesamt angewiesen, im Eheregister in
die Spalte für den Vornamen der Ehefrau "Neli Naydenova" mit dem
klarstellenden Klammerzusatz "(Vorname und Vatersname)" einzutragen.
Das Oberlandesgericht hat die Beschwerde der Standesamtsaufsicht
zurückgewiesen. Die Standesamtsaufsicht hat die zugelassene Rechtsbeschwerde
eingelegt. Sie hält die Entscheidungen der Vorinstanzen für zutreffend und
möchte in der Rechtsbeschwerdeinstanz eine Bestätigung von deren
Rechtsauffassung erreichen.
II.
4 1. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft, weil das Beschwerdegericht sie in
dem angefochtenen Beschluss zugelassen hat. Daran ist der Senat gebunden (§
70 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 FamFG iVm § 51 Abs. 1 PStG). Sie ist auch im
Übrigen, insbesondere hinsichtlich der Beschwerdeberechtigung der
Standesamtsaufsicht zulässig, die sich aus § 59 Abs. 3 FamFG iVm §§ 51 Abs.
2, 53
Abs. 2 PStG ergibt.
5 a) Nach § 53 Abs. 2 PStG steht der Aufsichtsbehörde für das Standesamt -
wie schon in seiner zwischen dem 1. Januar 2009 und dem 31. August 2009
geltenden Fassung und nach § 49 Abs. 2 PStG in der bis zum 31. Dezember 2008
geltenden Fassung - das Recht der Beschwerde unabhängig von einer Beschwer
in jedem Fall und somit auch dann zu, wenn sie selbst die angefochtene
Beschlussfassung beantragt hat (OLG Brandenburg StAZ 2011, 47; Gaaz/Bornhofen
PStG 2. Aufl. § 51 Rn. 23 und § 53 Rn. 7 f.; Rhein PStG § 53 Rn. 3). § 53
Abs. 2 PStG konkretisiert insoweit das den Behörden durch § 59 Abs. 3 FamFG
eingeräumte Beschwerderecht (vgl. BT-Drucks. 16/6308 S. 317).
6 b) Einer formellen oder materiellen Beschwer der Aufsichtsbehörde bedarf
es auch bei der Anrufung der Rechtsbeschwerdeinstanz nicht. Unter der
Geltung des bis zum 31. August 2009 gültigen Gesetzes über die
Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG) war es anerkannt,
dass der Aufsichtsbehörde für das Standesamt durch die Einräumung eines von
der Entscheidung der Vorinstanzen unabhängigen Beschwerderechts eine
verfahrensrechtliche Handhabe gegeben werden sollte, um in wichtigen und
umstrittenen Fragen eine klärende obergerichtliche Entscheidung
herbeizuführen (BGHZ 56, 193, 194 = FamRZ 1971, 426; Senatsbeschluss BGHZ
157, 277, 279 = FamRZ 2004, 449 f.; vgl. auch BT-Drucks. 16/1831 S. 51).
Nach der Neugestaltung des Rechtsmittelsystems durch das Gesetz zur Reform
des Verfahrens in Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen
Gerichtsbarkeit (FGG-RG) zum 1. September 2009 erfüllt nunmehr die
Rechtsbeschwerdeinstanz bei dem Bundesgerichtshof die Funktion des dritten
Rechtszuges, der unter der Geltung des alten Verfahrensrechts durch die
weitere Beschwerde (§ 27 FGG) zum Oberlandesgericht (mit der Möglichkeit
einer Divergenzvorlage nach § 28 FGG an den Bundesgerichtshof) eröffnet war.
7 2. In der Sache hält die Beschwerdeentscheidung der Überprüfung
durch das Rechtsbeschwerdegericht stand.
8 a) Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner unter anderem in StAZ
2012, 182 veröffentlichten Entscheidung im Wesentlichen das Folgende
ausgeführt:
9 Zum Zeitpunkt der Geburt der Betroffenen sei für die Bestimmung ihres
Namens allein bulgarisches Recht maßgeblich gewesen, so dass sie neben Vor-
und Familiennamen zwingend einen vom Vornamen ihres Vaters abgeleiteten
Zwischennamen zu führen hatte. Daran habe ihre Einbürgerung im Jahre 2010
nichts geändert. Zwar unterliege ihre Namensführung seither ungeachtet des
Fortbestandes ihrer bulgarischen Staatsangehörigkeit dem deutschen Recht.
Ein solcher Statutenwechsel lasse die Namensführung jedoch grundsätzlich
unberührt. Dies gelte auch für den Zwischennamen der Betroffenen, in dessen
unveränderter Weiterführung kein Verstoß gegen den ordre public erkannt
werden könne. Zwar liege allen namensrechtlichen Vorschriften des deutschen
Rechts unausgesprochen zugrunde, dass jede Person einen Vor-und einen
Familiennamen führen müsse; diesem Erfordernis werde der nach bulgarischem
Recht gebildete Name der Betroffenen aber gerecht. Es sei nicht
verständlich, warum darüber hinaus Namenszusätze wie Zwischennamen
unzulässig sein sollten. Der Gesetzgeber hätte sich das in § 94 BVFG und
neuerdings in Art. 47 EGBGB eingeräumte Recht zur Ablegung von Zwischennamen
sparen können, wenn "nahezu dasselbe Ergebnis" einer Anpassung des unter dem
ausländischen Namensstatut erworbenen Namens an die Regeln des deutschen
Namensrechts auch dann eintritt, wenn die scheinbar Begünstigten von dem
Angebot des Gesetzgebers keinen Gebrauch machen wollten. Die von Amts wegen
vorgenommene Angleichung des Vatersnamens bulgarischen Rechts in einen
Vornamen deutschen Rechts stehe zudem in Widerspruch zur Rechtsprechung des
Europäischen Gerichtshofes, der in dem Bestehen eines hinkenden
Namensverhältnisses bei EU-Doppelstaatlern wie der Betroffenen eine zu
vermeidende Beeinträchtigung der Freizügigkeit sehe. Jeder Unionsbürger habe
das Recht, innerhalb der EU einen einheitlichen Namen zu führen; hieraus
ergebe sich für die Mitgliedstaaten eine primärrechtliche Verpflichtung,
"hinkende" Namensverhältnisse, die sich vor allem aus dem Nebeneinander
nicht vereinheitlichter nationaler Kollisionsrechte ergeben könnten, zu
vermeiden.
10 Gegen diese Ausführungen bestehen keine durchgreifenden rechtlichen
Bedenken.
11 b) Zutreffend sind die rechtlichen Ausgangspunkte des
Beschwerdegerichts zu den Fragen des Namenserwerbs und des Statutenwechsels.
12 aa) Die Frage, nach welchem Recht der Namenserwerb der Betroffenen zu
beurteilen ist, richtet sich - da die Betroffene im Jahre 1983 geboren ist -
nach dem vor dem 1. September 1986 geltenden Recht. Ein Namenserwerb, der
auf einer Geburt vor diesem Zeitpunkt beruht, ist ein abgeschlossener
Vorgang im Sinne von Art. 220 Abs. 1 EGBGB (Senatsbeschlüsse vom 14.
November 1990 - XII ZB 26/89 - FamRZ 1991, 324 und vom 9. Juni 1993 - XII ZB
3/93 - FamRZ 1993, 1178, 1179). Nach dem vor dem 1. September 1986 geltenden
deutschen internationalen Privatrecht galt für den Erwerb des Namens durch
Geburt das Personalstatut mit Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit des
Namensträgers, und zwar auch soweit es Zwischennamen betraf (Senatsbeschluss
vom 9. Juni 1993 - XII ZB 3/93 - FamRZ 1993, 1178, 1179). Da die Betroffene
im Zeitpunkt ihrer Geburt die alleinige bulgarische Staatsangehörigkeit
besaß, ist für diese Beurteilung nur bulgarisches Recht maßgebend.
Nach bulgarischem Recht führt das Kind als Zwischennamen einen Vatersnamen,
der aus dem Eigennamen des Vaters unter Anfügung von -ov oder -ev als Suffix
und einer geschlechtsspezifischen Endung gebildet wird (vgl. auch
Jessel/Holst in Bergmann/Ferid/Henrich Internationales Ehe- und
Kindschaftsrecht Länderteil Bulgarien [Stand: 1. Juli 2012] S. 39).
13 bb) Anders als der Namenserwerb, der mit der Namenserteilung
abgeschlossen ist, stellt das durch den Namenserwerb erlangte subjektive
Recht einer Person auf die Führung des von ihr erworbenen Namens einen
rechtlichen Dauertatbestand dar. Dieser kann als Folge tatsächlicher
Veränderung des Anknüpfungsgrundes, und zwar insbesondere bei einem Wechsel
der Staatsangehörigkeit des Namensträgers, einem Statutenwechsel unterliegen
(BGHZ 63, 107, 111 f. = NJW 1975, 112, 113; Senatsbeschluss BGHZ
147, 159, 168 f. = FamRZ 2001, 903, 905), wobei für diese
Beurteilung das im Zeitpunkt der tatsächlichen Veränderung geltende
Kollisionsrecht maßgebend ist (vgl. MünchKommBGB/Sonnenberger 5.
Aufl. Art. 220 EGBGB Rn. 14).
14 Im vorliegenden Fall hat der Erwerb der deutschen
Staatsangehörigkeit durch die Betroffene im Jahre 2010 ungeachtet der
Beibehaltung ihrer bulgarischen Staatsangehörigkeit aus Sicht des deutschen
internationalen Privatrechts dazu geführt, dass ihre Namensführung vom
Zeitpunkt ihrer Einbürgerung an durch deutsches Recht beherrscht wird. Es
kann dabei dahinstehen, ob dies aus Art. 10 Abs. 1 iVm Art. 5 Abs. 1 Satz 2
EGBGB folgt, wonach der deutschen Staatsangehörigkeit bei Doppelstaatlern
der prinzipielle Vorrang einzuräumen ist, oder ob die Anwendung von Art. 5
Abs. 1 Satz 2 EGBGB im Verhältnis zur Staatsangehörigkeit eines weiteren
EU-Mitgliedstaates im Hinblick auf das Diskriminierungsverbot aus Art. 18
AEUV rechtlichen Bedenken begegnet (vgl. Nachweise zum Streitstand
bei Palandt/Thorn BGB 73. Aufl. Art. 5 EGBGB Rn. 3). Denn unter den
obwaltenden Umständen ergibt sich die Anwendung deutschen Rechts auf die
künftige Namensführung der Betroffenen jedenfalls aus Art. 10 Abs. 1 iVm
Art. 5 Abs. 1 Satz 1 EGBGB, weil die deutsche Staatsangehörigkeit der
Betroffenen nach ihrer dauerhaften Übersiedlung in die Bundesrepublik
Deutschland auch ihre effektive Staatsangehörigkeit im Sinne von Art. 5 Abs.
1 Satz 1 EGBGB geworden ist.
15 c) Die Frage, ob die Namensführung des Namensträgers eine
Veränderung erfährt, ist im Gefolge eines Statutenwechsels nach den
einschlägigen Bestimmungen des Eingangsstatuts zu
beurteilen. Es bestimmt sich daher nach deutschem Recht, ob der
Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit Auswirkungen auf die Namensführung
der Betroffenen hat.
16 aa) Das deutsche Recht enthält indessen nach ständiger
Rechtsprechung des Senats keine Norm, die es ohne weiteres erlauben würde,
die Namensführung eines eingebürgerten Ausländers abweichend von dem fremden
Recht zu beurteilen, unter dem der Name erworben wurde (vgl.
Senatsbeschlüsse BGHZ 121, 305, 313 = FamRZ 1993, 935, 937 f. und vom 9.
Juni 1993 - XII ZB 3/93 - FamRZ 1993, 1178, 1179). Vielmehr ist das
deutsche Recht von dem - ungeschriebenen - Grundsatz der Namenskontinuität
beherrscht, mit dem sowohl allgemeinen Ordnungsinteressen als auch dem
Bestreben Rechnung getragen wird, Namensänderungen gegen den Willen des
Namensträgers möglichst zu vermeiden (vgl. BGHZ 63, 107, 112 = NJW
1975, 112, 113).
17 Das Prinzip der Namenskontinuität besagt allerdings zunächst nur,
dass der Namenswortlaut unberührt bleibt, so dass die unter dem fremden
Recht erworbenen Bezeichnungen und Zusätze mit Namensqualität grundsätzlich
bestehen bleiben. Hieraus folgt im vorliegenden Fall, dass der von der
Betroffenen nach bulgarischem Heimatrecht als Vatersname erworbene
Namensbestandteil Naydenova aufgrund des Statutenwechsels zum deutschen
Recht nicht schlicht weggefallen ist (klarstellend Hochwald StAZ
2010, 335, 336). Der Grundsatz der Namenskontinuität umgreift
demgegenüber nicht ohne weiteres die Namensfunktion, die sich im Gefolge
eines Statutenwechsels durchaus ändern
kann (Staudinger/Hepting/Hausmann BGB [2013] Art. 10 EGBGB Rn. 156;
NK-BGB/Mankowski Art. 10 EGBGB Rn. 21). Denn die Namensfunktion ist
eine materiell-rechtliche Kategorie; sie kann daher an das Namensrecht des
Eingangsstatuts "angeglichen" werden, wenn und soweit dieses die
Namensformen des Ausgangsstatuts nicht kennt.
18 bb) Die erste Regelung, um das Problem der Angleichung im deutschen
Namensrecht durch eine Vorschrift sachlichen Rechts zu lösen (materiellrechtliche
Angleichung), wurde mit dem zum 1. Januar 1993 in Kraft getretenen § 94 BVFG
geschaffen. Durch diese Vorschrift sollte für statusdeutsche (Art. 116 Abs.
1 GG) Aussiedler eine erleichterte Möglichkeit eröffnet werden, ihre in den
Aussiedlungsgebieten unter dem dortigen Namensstatut gebildeten - und häufig
slawisierten - Namen durch eine Angleichungserklärung an die in Deutschland
üblichen Namensformen und insbesondere an das deutsche Schema "Vorname und
geschlechtsneutraler Familienname" anzupassen, ohne dafür den Weg der
öffentlich-rechtlichen Namensänderung beschreiten zu müssen.
19 Außerhalb des Anwendungsbereichs von § 94 BVFG konnte demgegenüber bis
zum Jahre 2007 nur im Einzelfall eine - auch als Transposition
bezeichnete - objektive (kollisionsrechtliche) Angleichung nach allgemeinen
Regeln des internationalen Privatrechts vorgenommen werden, wenn der
Namensträger infolge eines Statutenwechsels nunmehr deutschem Recht
unterstand, sein nach ausländischem Recht erworbener Name aber nicht mit den
in Deutschland üblichen Namensbildungen verträglich war.
Der internationalprivat-rechtliche Grundsatz der Angleichung wurde von der
Rechtsprechung entwickelt, um Widersprüche, Lücken und Spannungen zu
überwinden, die sich ergeben können, wenn auf Grund des deutschen
Kollisionsrechts die Normen ausländischen materiellen Rechts im Inland
anzuwenden sind; die Angleichung erfolgt dadurch, dass auf der Grundlage der
sogenannten Funktionsäquivalenz eine modifizierte Anwendung der Rechtsnormen
im Inland vorgenommen wird (zum Namensrecht vgl. Senatsbeschluss
BGHZ 109, 1, 6 = FamRZ 1990, 39, 41).
20 Die Praxis der kollisionsrechtlichen Angleichung, bei der ohne
genügende Grundlage im positiven Recht (so auch
Staudinger/Hepting/Hausmann BGB [2013] Art. 47 EGBGB Rn. 18)
versucht wurde, im Falle eines mit dem Erwerb der deutschen
Staatsangehörigkeit verbundenen Statutenwechsels Namensangleichungen
vorzunehmen, wurde als alleinige Lösung für die in diesem Zusammenhang mit
der Namensführung entstehenden Rechtskonflikte als unbefriedigend empfunden
(vgl. BT-Drucks. 16/1831 S. 71 und BT-Drucks. 16/3309 S. 12 f.).
Dies veranlasste den Gesetzgeber, mit der Einführung von Art. 47
EGBGB durch das Personenstandsrechtsreformgesetz vom 19. Februar
2007 (BGBl. I S. 122) allen Personen, deren Namensführung aufgrund
eines Statutenwechsels unter die Herrschaft deutschen Rechts gelangt war,
für die wichtigsten Angleichungskonstellationen (Art. 47 Abs. 1 Nr. 1 bis 4
EGBGB) eine dem § 94 BVFG nachgebildete Möglichkeit einzuräumen, eine
materiellrechtliche Wahl des nach deutschem Recht künftig zu tragenden
Namens zu treffen
.
21 cc) Soweit es dabei insbesondere die Führung von dem deutschen
Recht unbekannten Zwischennamen betrifft, wird dem von einem Statutenwechsel
zum deutschen Recht betroffenen Namensträger durch Art. 47 Abs. 1 Nr. 3
EGBGB ("Ablegeerklärung") ermöglicht, diesen schlicht wegfallen zu lassen.
Will der Namensträger seinen unter dem Ausgangsstatut als Zwischennamen
geführten Namensbestandteil neben seinem Vornamen und Familiennamen
behalten, ist ihm grundsätzlich auch die Möglichkeit eröffnet, seinen
Zwischennamen nach Art. 47 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB ("Sortiererklärung") entweder
zum weiteren Vornamen oder zum Begleitnamen zu bestimmen (vgl.
Staudinger/ Hepting/Hausmann BGB [2013] Art. 47 EGBGB Rn. 46).
22 Bezogen auf den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass die
Betroffene nach dem Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit die Möglichkeit
gehabt hätte, ihren im deutschen Recht nicht vorgesehenen Vatersnamen
Naydenova durch eine Erklärung nach Art. 47 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB wegfallen zu
lassen. Sie hätte ferner den Vatersnamen Naydenova nach Art. 47 Abs. 1 Nr. 1
EGBGB zum zweiten Vornamen bestimmen können; in diesem Fall wäre es ihr
darüber hinaus möglich gewesen, mit einer weiteren Erklärung nach Art. 47
Abs. 1 Nr. 4 EGBGB ("Ursprungserklärung") ihren dann die Funktion eines
weiteren Vornamens erfüllenden Namensbestandteil Naydenova in der passenden
weiblichen Grundform - wohl Nayda - zu führen (vgl. dazu Hepting
StAZ 2008, 161, 174).
23 d) Nicht einheitlich beantwortet wird die Frage, ob der
Namensträger, der nach einem Statutenwechsel - wie hier - keine Erklärung
nach Art. 47 EGBGB abgeben will, seinen bisherigen Namen in der
ursprünglichen unangeglichenen Funktion behält oder ob in einem solchen Fall
eine objektive Angleichung entsprechend der bisherigen Praxis nach den
Regeln des internationalen Privatrechts auch ohne Erklärung des
Namensträgers vorzunehmen ist.
24 aa) Dabei besteht allerdings - wovon auch das Beschwerdegericht ausgeht -
Einigkeit darüber, dass die Angleichung jedenfalls dann von der (fehlenden)
Angleichungserklärung abgekoppelt werden kann, wenn der unter dem
ausländischen Recht gebildete Name eines Statutenwechslers keine
strukturelle Aufgliederung in Vornamen und Familiennamen - sondern
beispielsweise nur eine Kette von Eigennamen - enthält
(Staudinger/Hepting/Hausmann BGB [2013] Art. 47 EGBGB Rn. 28; Mörsdorf-Schulte
in Prütting/Wegen/Weinreich BGB 8. Aufl. Art. 47 EGBGB Rn. 3; jurisPK-BGB/Janal
[Stand: Oktober 2012] Art. 47 EGBGB Rn. 3; Rauhmeier StAZ 2010, 337, 338;
Hepting StAZ 2008, 161, 176; Mäsch IPrax 2008, 17, 18, 20; Henrich StAZ
2007, 197, 198). Diese Beurteilung hält auch der Senat für zutreffend.
Der nach deutschem Recht gebildete bürgerliche Name einer
natürlichen Person enthält zwingend einen Namensteil, der mit der
Übertragbarkeit auf den Ehegatten und die Kinder auch die Aufgabe des
Familiennamens erfüllen kann und einen anderen Namensteil, der als Vorname
die Mitglieder einer Familie und allgemein die Träger des gleichen
Familiennamens voneinander unterscheidbar macht. Damit steht es in
Einklang, dass das Gesetz dem Namensträger - wenn auch in beschränktem
Umfang - öffentlich-rechtliche Pflichten zur Führung seines bürgerlichen
Namens auferlegt (vgl. etwa § 111 OWiG, § 5 Abs. 2 PAuswG, §§ 15 Abs. 1, 21
Abs. 1 PStG, §§ 15 a, 15 b GewO in der bis zum 24. März 2009 geltenden
Fassung), die jeweils daran anknüpfen, dass der Name mindestens einen
Vornamen und einen Familiennamen enthält. Auch dies verdeutlicht,
dass unter deutschem Namensstatut die Führung eines Vornamens und eines
Familiennamens ein unverzichtbares Ordnungs- und Unterscheidungskriterium
darstellt. Staatlichen Ordnungsinteressen wird daher regelmäßig der Vorzug
gegenüber dem Wunsch eines eingebürgerten Ausländers an der funktionellen
Kontinuität bei der Führung seines unter fremdem Recht ohne Vornamen
und/oder Familiennamen gebildeten Namens zu geben sein, so dass in diesen
Fällen eine objektive Angleichung zwar unter möglicher Berücksichtigung der
Wünsche des Namensträgers, aber gegebenenfalls auch gegen seinen Willen
(vgl. MünchKommBGB/Birk 5. Aufl. Art. 47 EGBGB Rn. 18) zu erfolgen hat.
25 bb) Umstritten ist demgegenüber die Frage, ob der Name eines
Statutenwechslers beim Fehlen von Erklärungen nach Art. 47 EGBGB auch dann
nach kollisionsrechtlichen Regeln angeglichen werden kann, wenn dessen unter
ausländischem Recht gebildeter Name zwar Vornamen und Familiennamen, darüber
hinaus aber auch solche, dem deutschen Recht unbekannte Namensbestandteile -
insbesondere Zwischennamen - enthält. Ein Teil des Schrifttums
vertritt die Ansicht, dass die Fortführung von dem deutschen Recht
unbekannten Namensbestandteilen mit staatlichen Ordnungsinteressen ebenso
unvereinbar sei wie das Fehlen eines Vornamens oder eines Familiennamens und
ein nach ausländischem Recht gebildeter Zwischenname daher nach dem
Statutenwechsel nur funktionsäquivalent - typischerweise als weiterer
Vorname - weitergeführt werden könne (Staudinger/Hepting/Hausmann BGB [2013]
Art. 47 EGBGB Rn. 47; MünchKommBGB/Birk 5. Aufl. Art. 47 EGBGB Rn. 33;
Mörsdorf-Schulte in Prütting/Wegen/Weinreich 8. Aufl. Art. 47 EGBGB Rn. 12;
Hochwald StAZ 2010, 335, 336; Rauhmeier StAZ 2010, 337, 338; Mäsch IPrax
2008, 17, 19; Hepting StAZ 2008, 161, 173; Henrich StAZ 2007, 197, 201).
Eine abweichende Auffassung ist demgegenüber mit dem
Beschwerdegericht der Ansicht, dass das Prinzip der Namenskontinuität in
diesem Falle auch die funktionelle Kontinuität umgreift, der
Statutenwechsler mithin einen nicht abgelegten Zwischennamen auch unter
deutschem Recht in der aus dem früheren Heimatrecht abgeleiteten Funktion
weiterführen könne (Palandt/Thorn BGB 73. Aufl. Art. 47 EGBGB Rn.
5; jurisPK-BGB/Janal [Stand: Oktober 2012] Art. 47 EGBGB Rn. 3; vgl. bereits
OLG Frankfurt StAZ 2006, 142, 143).
26 cc) Der Senat hält die letztgenannte Auffassung jedenfalls für
die hier zur Beurteilung stehenden Fallkonstellation des Vatersnamens von
Doppelstaatlern für zutreffend.
27 (1) Der Senat hat im Jahre 1993 in Bezug auf die Fortführung des
unter russischem Recht erworbenen Vatersnamens eines statusdeutschen
Spätaussiedlers ausgesprochen, dass "Zwischennamen (Vatersnamen), die nach
dem bisherigen Heimatrecht des Aussiedlers erworben worden und Bestandteil
seines Namens sind, in deutsche Personenstandsregister einzutragen sind,
sofern der Aussiedler keine Erklärung nach § 94 Bundesvertriebenengesetz ...
abgibt" (Senatsbeschluss vom 9. Juni 1993 - XII ZB 3/93 - FamRZ 1993, 1178,
1180). Bereits daraus wurde - wie auch vom Beschwerdegericht -
hergeleitet, dass der Senat in Bezug auf die Führung solcher Zwischennamen
nach einem Statuswechsel zum deutschen Recht von einer funktionellen
Namenskontinuität ausgegangen sei (vgl. OLG Frankfurt StAZ 2006,
142, 143; dagegen Henrich StAZ 2007, 197, 200 f.).
28 (2) Der Name des Menschen wird von seinem allgemeinen
Persönlichkeitsrecht nach Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 GG umfasst. Jede
Maßnahme, die in das verfassungsrechtlich geschützte Recht am Namen
eingreift, muss sich am Maßstab der Verhältnismäßigkeit messen lassen
(BVerfG FamRZ 1988, 587, 589). Auch die im Wege objektiver
Angleichung gegen den Willen des Namensträgers erzwungene Verpflichtung,
einen unter ausländischem Recht als Vatersnamen erworbenen Namensbestandteil
künftig als weiteren Vornamen zu führen, stellt sich als Eingriff in das
Persönlichkeitsrecht des Namensträgers dar (so auch
Staudinger/Hepting/Hausmann BGB [2013] Art. 47 EGBGB Rn. 31), der
nur durch gewichtige öffentliche Interessen an der Angleichung
gerechtfertigt werden kann.
29 (a) Ein Bedürfnis für die Angleichung von Zwischennamen wird in erster
Linie im Zusammenhang mit der Registerdarstellung gesehen (vgl. BeckOK
BGB/Mäsch [Stand: Mai 2013] Art. 10 EGBGB Rn. 19 und Art. 47 EGBGB Rn. 11).
Der Führung amtlicher Register in Deutschland liegt die strukturelle
Aufteilung des Namens in Vorname und Familienname zugrunde, und die
Eintragung von Zusätzen, welche daneben die Bedeutung eines dem deutschen
Recht unbekannten Namensbestandsteils im Register kennzeichnen und erläutern
sollen, wird grundsätzlich unerwünscht sein. Indessen müssen solche
Schwierigkeiten bei der Registerdarstellung seit jeher überwunden werden,
wenn es um die Eintragung von Zwischennamen geht, die nach dem maßgeblichen
Heimatrecht Bestandteil des vollen bürgerlichen Namens eines ausländischen
Staatsbürgers sind (BGH Beschluss vom 26. Mai 1971 - IV ZB 22/70
-NJW 1971, 1571, 1572; vgl. zur Eintragung von Vatersnamen bulgarischer
Staatsangehöriger OLG Hamm StAZ 1981, 190, 193).
30 Ausschlaggebend kann im vorliegenden Fall auch nicht sein, dass sich ein
eingebürgerter Ausländer in Deutschland in einer Gesellschaft bewegt, die im
Behördenverkehr sowie im gesellschaftlichen und beruflichen Leben maßgeblich
von den Normen und Vorstellungen des materiellen deutschen Namensrechts
geprägt ist (vgl. BayObLG NJWE-FER 1999, 111, 112) und die Angleichung
seiner dem deutschen Recht unbekannten Namenstypen grundsätzlich geeignet
sein kann, die Integration des Namensträgers in seine namensrechtliche
Umwelt nicht nur im privaten Interesse der betroffenen Person, sondern auch
im öffentlichen Interesse zu fördern. Denn eine Namensangleichung dürfte zur
Integration nicht mehr viel beitragen können, wenn der unter ausländischem
Recht gebildete Name schon die nach deutschem Namensrecht zwingend
notwendigen Bestandteile Vorname und Familienname enthält, die der
eingebürgerte Namensträger in dieser Funktion bereits verwenden kann.
31 (b) Der Vatersname erfüllt im bulgarischen Recht ebenso wie im
gesamten slawischen Rechtskreis die Funktion, einen
generationsübergreifenden familiären Zusammenhang zu kennzeichnen
(vgl. Staudinger/Hepting/Hausmann BGB [2013] Art. 47 EGBGB Rn. 51). Dies
wird etwa dadurch verdeutlicht, dass ein Kind nach bulgarischem Namensrecht
im Falle einer sogenannten Volladoption (auch) einen neuen Vatersnamen
erhält, der aus dem Vornamen des annehmenden Mannes abgeleitet wird (Art. 18
Abs. 2 iVm Art. 13 des Gesetzes über die Personenstandsregistrierung vom 23.
Juli 1999, abgedruckt bei Jessel/ Holst in Bergmann/Ferid/Henrich
Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht Länderteil Bulgarien [Stand: 1.
Juli 2012] S. 90 ff.). Das Interesse des eingebürgerten Ausländers,
diesen familiären Zusammenhang durch die fortdauernde Führung des
Vatersnamens - in der durch das ausländische Recht bestimmten Funktion -
auch künftig kenntlich zu machen, muss aus der Sicht des deutschen Rechts
jedenfalls dann respektiert werden, wenn der Namensträger (wie im
vorliegenden Fall die Betroffene) durch Beibehaltung der bisherigen
Staatsangehörigkeit seine Bindungen zum Heimatrecht nicht vollständig gelöst
hat.
32 e) Es braucht daher nicht erörtert zu werden, ob sich - wie das
Beschwerdegericht meint - die Wertung, dass die Betroffene ihren
Namensbestandteil Naydenova nach dem Statutenwechsel zum deutschen Recht in
der Funktion als Vatersnamen weiterführen kann, auch aus zwingenden Vorgaben
der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ergibt, nach der eine
kollisionsrechtlich bedingte Namensspaltung (zur Anknüpfung des Personal-und
Namensstatuts bei Doppelstaatlern im bulgarischen internationalen
Privatrecht vgl. Zidarova/Stanceva-Minceva RabelsZ 71 [2007], S. 398, 413,
415) bei EU-Bürgern - je nach Sachverhaltsgestaltung - einen Verstoß gegen
das Diskriminierungsverbot nach Art. 18 AEUV (EuGH Urteil vom 2. Oktober
2003 - Rs. C-148/02 - Slg. I 2003, 11613 = FamRZ 2004, 273 - Garcia Avello)
und/oder eine unzulässige Beschränkung der Freizügigkeit nach Art. 21 AEUV (EuGH
Urteil vom 14. Oktober 2008 - Rs. C-353/06 - Slg. I 2008, 7639 = FamRZ 2008,
2089 - Grunkin-Paul II) darstellen kann.
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