Auswirkung der Hemmung
der Verjährung nach § 203 BGB (Verhandlungen) einer Hauptforderung auf den
Anspruch gegen den Bürgen: Kein "Verzicht" i.S.v. § 768 II BGB; Begriff der
"Verhandlungen" i.S.v. § 203 BGB
BGH, Urteil vom 14. Juli
2009 - XI ZR 18/08
Fundstelle:
noch nicht bekannt
für BGHZ vorgesehen
Amtl. Leitsatz:
a) Eine durch ernsthafte
Verhandlungen des Hauptschuldners mit dem Gläubiger gemäß § 203 Satz 1 BGB
bewirkte Hemmung der Verjährung ist auch gegenüber dem Bürgen wirksam.
b) Eine gegen den Bürgen erhobene Klage hemmt auch bei einem späteren
Untergang des Hauptschuldners als Rechtsperson gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB
die Verjährung der Hauptschuld (Fortführung von BGHZ 153, 337, 342 f.).
Zentrale Probleme:
Eine interessant Entscheidung zum
Bürgschaftsrecht: Die Bürgschaft ist akzessorisch, d.h. sie "steht und
fällt" mit der gesicherten Hauptschuld. Das betrifft nicht nur das Entstehen
der Bürgschaftsschuld, die zwingend eine Hauptschuld voraussetzt (§ 765 BGB,
sog. Entstehungsakzessorietät), sondern auch deren Durchsetzbarkeit: Ist die
Hauptforderung rechtlich nicht durchsetzbar, ist es auch die Bürgschaft
nicht: Der Bürge kann nämlich gegen die ihn gerichtete Bürgschaftsforderung
die Einreden erheben, die der Schuldner gegen die Hauptforderung hat (§ 768
I S. 1BGB). Kann also der Hauptschuldner die Einrede der Verjährung erheben
(§ 214 BGB), kann das auch der Bürge, obwohl gegen ihn nicht die
Hauptforderung, sondern die davon unabhängig verjährende
Bürgschaftsforderung geltend gemacht wird. Nach § 768 II hat der Bürge
dieses Recht auch dann, wenn der Hauptschuldner darauf verzichtet. Hier
hatte der Hauptschuldner allerdings nicht verzichtet, sondern durch
Verhandlungen dazu beigetragen, daß die Verjährung der gegen ihn gerichteten
Hauptforderung nach § 203 S. 1 BGB gehemmt war. Das fällt, wie der BGH hier
überzeugen darlegt, aber nicht unter § 768 II (s. Tz. 22).
Da somit die Hauptforderung wegen der Hemmung nicht verjährt war, hatte der
Bürge diese Einrede nach § 768 I S. 1 BGB nicht. Zuvor stellt der Senat
klar, daß die Verjährung der Hauptforderung ist
grundsätzlich nicht bereits durch die Erhebung der Bürgschaftsklage gemäß §
204 Abs. 1 Nr. 1 BGB gehemmt wird.
Zum Begriff der "Verhandlungen" i.S.v. § 203 BGB s. bereits
BGH NJW 2007, 587.
©sl 2009
Tatbestand:
1 Die Klägerin nimmt die Beklagten im Wege der Teilklage aus Bürgschaften in
Anspruch.
2 Die Beklagten übernahmen am 15. Mai 2001 gegenüber der Rechtsvorgängerin
der Klägerin (nachfolgend: Klägerin) auf je 1 Mio. DM beschränkte
unbefristete selbstschuldnerische Bürgschaften zur Sicherung aller
Forderungen der Klägerin aus einem Bauträgerkredit über 6.040.000 DM und
einem Avalkredit über 8.330.000 DM. Beide Kredite, die auch
grundpfandrechtlich gesichert waren, hatte die Klägerin der B. GmbH
(nachfolgend: Hauptschuldnerin) zur Finanzierung eines Wohnungsbauvorhabens
gewährt. Der Beklagte zu 1) war Geschäftsführer der Hauptschuldnerin, die
Beklagte zu 2) deren Mehrheitsgesellschafterin.
3 Am 25. Juli/4. August 2002 vereinbarten die Klägerin und die
Hauptschuldnerin mit Zustimmung der Beklagten eine Prolongation der Kredite
bis zum 30. Oktober 2002. Zugleich wurde vereinbart, dass die Darlehen zu
diesem Termin zurückzuzahlen waren, wenn nicht 40% der Wohnflächen,
Tiefgaragen-und Stellplätze des Vorhabens verkauft sein würden, was durch
Vorlage notarieller Verträge nebst Finanzierungsbestätigungen nachzuweisen
war. Bis zum 30. Oktober 2002 legte die Hauptschuldnerin zwar mehrere
Notarverträge, jedoch keine Finanzierungsbestätigungen vor. Am 13. und 15.
November 2002 lehnte die Klägerin unter Hinweis auf die fehlenden
Bestätigungen die Bitte der Hauptschuldnerin um weitere Prolongation ab.
Diese teilte am 29. November 2002 mit, sie habe eine Bank gefunden, die zur
Übernahme der Kredite bereit sei. Am 6. Dezember 2002 forderte die Klägerin
die Kreditrückzahlung bis zum 31. Dezember 2002 und bot für diesen Fall
einen Verzicht auf die Berechnung von Überziehungszinsen an. Nachdem die
Umschuldung auf eine andere Bank gescheitert war, forderte die Klägerin die
Hauptschuldnerin am 28. Januar 2003 erneut zur Rückzahlung bis zum 28.
Februar 2003 auf und kündigte an, ihre Forderung andernfalls zwangsweise
durchsetzen zu wollen. Am 12. August 2003 teilte sie der Hauptschuldnerin
mit, die Zwangsversteigerung aus den Grundpfandrechten in das finanzierte
Bauvorhaben betreiben zu wollen.
Zugleich bat sie darum, über Gespräche mit potentiellen Käufern unterrichtet
zu werden. Die Hauptschuldnerin informierte am 29. August 2003 darüber, dass
sie einen Interessenten gefunden habe, der seinerseits auf eine
Finanzierungsbestätigung warte. Am 3. Oktober 2003 teilte sie mit, dass sie
trotz der fast einjährigen Verhandlungen und Erörterungen verschiedener
Konzepte Insolvenz werde anmelden müssen, wenn nicht bis zum 15. Oktober
2003 eine Regelung über die Projektfertigstellung gefunden werde.
4 Die Hauptschuldnerin stellte am 21. Oktober 2003 Insolvenzantrag.
Daraufhin nahm die Klägerin am 2. Dezember 2003 die Beklagten aus den
Bürgschaften in Höhe von je 511.291,88 € in Anspruch. Da keine Zahlung
erfolgte, betrieb sie die Zwangsversteigerung und schrieb den
Versteigerungserlös der Hauptschuldnerin gut. Der Insolvenzantrag der
Hauptschuldnerin wurde am 22. März 2004 mangels Masse abgewiesen. Am 13.
April 2006 wurde sie wegen Vermögenslosigkeit im Handelsregister gelöscht.
5 Mit der seit dem 10. November 2005 rechtshängigen Klage begehrt die
Klägerin von den Beklagten als Bürgen gesamtschuldnerisch die Zahlung eines
Teilbetrages von 330.000 € nebst Zinsen. Die Beklagten haben geltend
gemacht, die Klägerin sei zu einer weiteren Prolongation der Darlehen
verpflichtet gewesen. Außerdem haben sie sich auf die Verjährung der
Hauptschuld berufen.
6 Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die
Berufung des Beklagten zu 1) zurückgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten
zu 2) hat es die Klage gegen diese abgewiesen und insoweit die Revision
zugelassen. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten zu 1) hat der Senat
zurückgewiesen. Mit ihrer Revision erstrebt die Klägerin in Bezug auf die
Beklagte zu 2) die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
7 Die Revision ist begründet.
I.
8 Das Berufungsgericht hat seine in Juris (= BeckRS 2008, 00482)
veröffentlichte Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
9 Die Hauptschuld sei mit Ende der Prolongation am 30. Oktober 2002 fällig
geworden. Die dreijährige Verjährungsfrist habe am 1. Januar 2003 begonnen,
jedoch nicht am 31. Dezember 2005 geendet, da die Verjährung gemäß § 203 BGB
mindestens 13 Monate gehemmt worden sei. Durch ihren bis Ende Oktober 2003
geführten Schriftwechsel hätten die Hauptschuldnerin und die Klägerin
Verhandlungen im Sinne von § 203 Satz 1 BGB geführt. Die Verjährung der
Hauptschuld sei deshalb bei Löschung der Hauptschuldnerin im Handelsregister
am 13. April 2006 noch nicht eingetreten gewesen. Die Beklagte zu 2) könne
sich jedoch im Gegensatz zu dem Beklagten zu 1) erfolgreich auf die
Verjährung der Hauptforderung berufen. Als Bürgin müsse sie nach Sinn und
Zweck des § 768 Abs. 2 BGB vor einer nachträglichen Haftungsverschärfung in
Form einer Verlängerung der Verjährungsfrist geschützt werden. Dies müsse
auch gelten, wenn die Hauptschuldnerin durch Verhandlungen die Verjährung
hemme, denn hierdurch werde die Bürgin ähnlich stark wie bei einem Verzicht
der Hauptschuldnerin auf die Einrede der Verjährung belastet. Die
Rechtshängigkeit der Bürgschaftsverbindlichkeit am 10. November 2005 habe
der Beklagten zu 2) gegenüber keine Verjährungshemmung hinsichtlich der
Hauptschuld bewirkt, da eine solche zu diesem Zeitpunkt gegen die noch
parteifähige Hauptschuldnerin zu erreichen gewesen wäre. Da die Beklagte zu
2) lediglich Gesellschafterin der Hauptschuldnerin gewesen sei und für diese
keine Verhandlungen mit der Klägerin geführt habe, könne ihr nicht wie dem
Beklagten zu 1) vorgehalten werden, selbst für eine Verjährungshemmung
gesorgt zu haben.
II.
10 Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung in einem entscheidenden
Punkt nicht stand. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht den von der Klägerin
gegen die Beklagte zu 2) aus deren Bürgschaft vom 15. Mai 2001 gemäß § 765
Abs. 1 BGB geltend gemachten Zahlungsanspruch in der nicht mehr streitigen
Höhe von 330.000 € verneint, weil sich die Beklagte zu 2) erfolgreich auf
die Verjährung der Hauptschuld berufen könne.
11 1. Soweit die Revision allerdings geltend macht, die Beklagten hätten
sich im Berufungsrechtszug nicht mehr auf die Einrede der Verjährung
berufen, vermag sie damit nicht durchzudringen. Das Berufungsgericht hat das
Gegenteil im Tatbestand des Berufungsurteils ausdrücklich festgestellt. Eine
etwaige Unrichtigkeit dieser tatbestandlichen Feststellung hätte nur im
Berichtigungsverfahren nach § 320 ZPO behoben werden können. Verfahrensrügen
nach § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO kommen insofern nicht in Betracht (BGH,
Urteile vom 7. Dezember 1993 - VI ZR 74/93, WM 1994, 462, 465 und vom 8.
Januar 2007 - II ZR 334/04, NJW-RR 2007, 1434, Tz. 11). Einen
Berichtigungsantrag hat die Klägerin jedoch nicht gestellt. Der erkennende
Senat ist damit an die tatbestandliche Feststellung des Berufungsgerichts
gebunden (§ 559 ZPO).
12 2. Was die Berechtigung der Verjährungseinrede anbetrifft, ist das
Berufungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass die Hauptschuld mit
Ablauf der Prolongation am 30. Oktober 2002 fällig geworden ist. Ohne Erfolg
beruft sich die Revisionserwiderung darauf, die Klägerin sei zu einer
Fortsetzung der Darlehensverträge verpflichtet gewesen. Wie sich bereits aus
dem vom Berufungsgericht gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO in Bezug
genommenen Tatbestand des landgerichtlichen Urteils ergibt, hat die
Hauptschuldnerin die Voraussetzungen für eine erneute Prolongation nicht
erfüllt, da sie entgegen der Vereinbarung vom 25. Juli/4. August 2002 zwar
bis zum 30. Oktober 2002 weitere notarielle Kaufverträge, jedoch keine
Finanzierungsbestätigungen vorgelegt hat.
13 3. Weiter hat das Berufungsgericht zutreffend festgestellt, dass die
dreijährige Verjährungsfrist gemäß § 195 BGB für die Hauptforderung am 1.
Januar 2003 begonnen hat (§ 199 Abs. 1 BGB), und dass diese am 31. Dezember
2005 abgelaufen wäre, wenn sie nicht vorher gehemmt worden wäre.
14 a) Die Verjährung der Hauptforderung ist nicht bereits durch die
Erhebung der vorliegenden Bürgschaftsklage am 10. November 2005 gemäß § 204
Abs. 1 Nr. 1 BGB gehemmt worden. Zwar kann die Bürgschaftsklage die
Verjährung der Hauptforderung ausnahmsweise hemmen, wenn der Hauptschuldner
vorher - etwa wegen Löschung im Handelsregister infolge Vermögenslosigkeit -
als Rechtsperson untergegangen ist und der Gläubiger deswegen keine
Möglichkeit mehr hat, die Verjährung der Hauptforderung durch Erhebung der
Klage gegen den Hauptschuldner selbst zu verhindern (Senat, BGHZ 153, 337,
342 f.). Das ist hier jedoch erst am 13. April 2006 geschehen. Bis dahin
hätte die Klägerin noch eine die Verjährung der Hauptforderung hemmende
Klage gegen die Hauptschuldnerin erheben können.
15 b) Die Verjährung ist jedoch über den 31. Dezember 2005 hinaus durch
Verhandlungen im Sinne von § 203 Satz 1 BGB zwischen der Hauptschuldnerin
und der Klägerin gehemmt worden.
16 aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist der Begriff
"Verhandlungen" im Sinne von § 203 Satz 1 BGB weit auszulegen. Der Gläubiger
muss dafür lediglich klarstellen, dass er einen Anspruch geltend machen und
worauf er ihn stützen will. Anschließend genügt jeder ernsthafte
Meinungsaustausch über den Anspruch oder seine tatsächlichen Grundlagen,
sofern der Schuldner dies nicht sofort und erkennbar ablehnt. Verhandlungen
schweben schon dann, wenn eine der Parteien Erklärungen abgibt, die der
jeweils anderen die Annahme gestatten, der Erklärende lasse sich auf
Erörterungen über die Berechtigung des Anspruches oder dessen Umfang ein.
Nicht erforderlich ist, dass dabei Vergleichsbereitschaft oder Bereitschaft
zum Entgegenkommen signalisiert wird oder dass Erfolgsaussicht besteht
(vgl. BGH, Urteile vom 17. Februar 2004 - VI ZR 429/02, NJW 2004, 1654,
vom 26. Oktober 2006 - VII ZR 194/05, NJW 2007,
587, Tz. 10 und vom 1. Februar 2007 - IX ZR 180/04, NJW-RR 2007, 1358,
Tz. 32).
17 bb) Dass die Klägerin mit der Hauptschuldnerin im Zeitraum vom 1. Januar
bis Ende Oktober 2003 Verhandlungen im vorstehenden Sinne geführt hat, hat
das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei dem von den Parteien vorgelegten
Schriftwechsel entnommen. So weist die Hauptschuldnerin in ihrem Schreiben
vom 3. Oktober 2003 darauf hin, dass man seit fast einem Jahr verhandelt und
verschiedene Konzepte für eine Fertigstellung des finanzierten Vorhabens
diskutiert habe. In Übereinstimmung damit nimmt die Klägerin in ihrem
Schreiben vom 12. August 2003 Bezug darauf, dass die Hauptschuldnerin ihr
wenige Wochen zuvor Mitteilung von Gesprächen mit potentiellen
Kaufinteressenten gemacht habe und bittet darum, über den aktuellen Stand
dieser Gespräche unterrichtet zu werden sowie vorliegende Kaufangebote
übermittelt zu bekommen. Die Hauptschuldnerin durfte angesichts dessen die
Überzeugung gewinnen, die Klägerin werde die Kredite zwar ohne Erfüllung der
vereinbarten Voraussetzungen nicht weiter prolongieren, jedoch mit deren
Übernahme durch eine andere Bank einverstanden sein, zumindest aber auf die
angedrohte Zwangsvollstreckung verzichten, um der Hauptschuldnerin eine
wirtschaftlich sinnvolle Verwertung zu ermöglichen. Dies erfüllt den
Tatbestand des § 203 Satz 1 BGB.
18 cc) Die von der Hauptschuldnerin mit der Klägerin geführten Verhandlungen
haben die Verjährung der Hauptschuld deshalb im Zeitraum von 1. Januar bis
zum 31. Oktober 2003, mithin für mindestens zehn Monate gehemmt (§ 209 BGB),
so dass Verjährung gemäß § 203 Satz 2 BGB frühestens am 31. Januar 2007
eintreten konnte.
19 4. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht hingegen angenommen, die Beklagte
zu 2) könne sich auf die Verjährung der Hauptforderung berufen, obwohl die
Verjährung durch die Verhandlungen zwischen der Klägerin und der
Hauptschuldnerin gehemmt worden sei, weil die Beklagte zu 2) durch die
Hemmung der Verjährung ähnlich stark belastet werde wie durch einen Verzicht
der Hauptschuldnerin auf die Einrede der Verjährung, durch den sie diese
Einrede nach § 768 Abs. 2 BGB nicht verliere.
20 a) Richtig ist, dass der Bürge nach § 768 Abs. 2 BGB eine Einrede
nicht dadurch verliert, dass der Hauptschuldner auf sie verzichtet, und dass
dies auch für die Einrede der Verjährung gilt, und zwar unabhängig davon, ob
die Verjährung im Zeitpunkt des Verzichts bereits eingetreten war oder nicht
(Senat, Urteil vom 18. September 2007 - XI ZR 447/06, WM 2007, 2230, Tz.
18 m.w.N.).
21 b) Anders liegen die Dinge jedoch, soweit der Hauptschuldner mit dem
Gläubiger ernsthaft über den Bestand der Hauptschuld verhandelt und
hierdurch eine Hemmung der Verjährung gemäß § 203 Satz 1 BGB herbeiführt.
Diese Hemmung wirkt auch gegenüber dem Bürgen, da dies vom Gesetzgeber
erkennbar so gewollt und dem Verjährungsverzicht durch den Hauptschuldner
nicht vergleichbar ist.
22 aa) Die Vorschrift des § 768 Abs. 2 BGB bezweckt den
Schutz des Bürgen in Fällen, in denen der Hauptschuldner durch sein
rechtsgeschäftliches Handeln ohne Mitwirkung des Bürgen eine neue
Verjährungsfrist schafft oder die bestehende Verjährungsfrist verlängert
(Senat, Urteil vom 18. September 2007 - XI ZR 447/06, WM 2007, 2230, Tz. 18;
Grothe, WuB IV A § 202 BGB 1.08). Ein Verhandeln im Sinne von § 203 Satz
1 BGB erfüllt diesen Tatbestand nur scheinbar. Dabei handelt es sich -
anders als beim Verzicht auf die Einrede der Verjährung - nicht um eine
Verfügung des Hauptschuldners über die Einrede. Vielmehr tritt die Hemmung
der Verjährung bei Verhandlungen von Gesetzes wegen ein. Die den früheren
Rechtsgedanken der § 639 Abs. 2, § 651g Abs. 2 Satz 3 und § 852 Abs. 2 BGB
aF verallgemeinernde Regelung in § 203 BGB (Palandt/Heinrichs, BGB, 68.
Aufl., § 203 Rn. 1) verfolgt den Zweck, Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden.
Verhandlungen zwischen Gläubiger und Hauptschuldner sollen deshalb nicht
unter den Druck einer ablaufenden Verjährungsfrist gestellt werden. Zugleich
soll dem verhandlungsbereiten Hauptschuldner die Einrede der Verjährung
vorbehalten bleiben, während der Gläubiger von der Verwirklichung anderer
verjährungshemmender Tatbestände, insbesondere von der Einleitung
gerichtlicher Verfahren, abgehalten werden soll (BT-Drucks
14/6040, S. 111; Staudinger/Peters, BGB (2004), § 203 Rn. 1). Dieses
Ziel würde verfehlt, würde der Gläubiger durch die Anwendung von § 768 Abs.
2 BGB auch auf den Hemmungstatbestand des § 203 Satz 1 BGB gezwungen, die
Verjährung gegenüber dem Hauptschuldner anderweitig zu hemmen, um eine
spätere Berufung des Bürgen auf die Verjährung der Hauptforderung zu
verhindern (Dingler, BauR 2008, 1379, 1381).
23 bb) In diesem Sinne hat der erkennende Senat bereits für das bis zum 31.
Dezember 2000 geltende Verjährungsrecht ausgeführt, dass ein Bürge nur
insoweit schutzwürdig ist, als er die Bürgschaft für eine bestimmte
Forderung übernimmt und ein Interesse daran hat, dass sich seine Haftung
nicht in einer Weise erweitert, mit der er nicht zu rechnen braucht. Ein
Bürge muss sich jedoch, wenn er die Haftung für eine in kurzer Frist
verjährende Forderung übernimmt, von vornherein darauf einrichten, dass die
Forderung nur dann bereits innerhalb dieses Zeitraums gegenüber dem
Hauptschuldner geltend gemacht werden muss, wenn keine Hemmungs-, oder
Unterbrechungstatbestände vorliegen (vgl. Senat, BGHZ 153, 337, 342). Anders
als ein Einredeverzicht des Hauptschuldners bedroht dessen Verhandeln mit
dem Gläubiger den Bürgen nicht mit einem vollständigen Einredeverlust. Es
führt lediglich dazu, dass der Bürge die Einrede der Verjährung der
Hauptschuld erst später geltend machen kann, und ist daher - anders als das
Berufungsgericht meint - für den Bürgen weit weniger nachteilig.
24 cc) Zudem sind Verhandlungen zwischen Hauptschuldner und Gläubiger -
anders als ein Verzicht des Hauptschuldners auf die Verjährungseinrede - für
den Bürgen nicht per se nachteilig. Sie können zu einer erheblichen
Reduzierung der Hauptschuld führen, die im Falle seiner späteren
Inanspruchnahme auch dem Bürgen zugute kommt. Zu seinem Nachteil geführte
Scheinverhandlungen muss er sich nicht entgegenhalten lassen.
III.
25 Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als
richtig dar (§ 561 ZPO). Insbesondere ist die Verjährung der Hauptforderung
unter Berücksichtigung der Hemmung durch die Verhandlungen zwischen der
Klägerin und der Hauptschuldnerin nicht mit Ablauf des 31. Januar 2007
eingetreten.
26 Die von der Klägerin erhobene Bürgschaftsklage hat zwar im Zeitpunkt
ihrer Erhebung am 10. November 2005 die Verjährung der Hauptforderung nicht
gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB hemmen können, da seinerzeit noch die Erhebung
einer die Verjährung der Hauptforderung hemmenden Klage gegen die erst
später untergegangene Hauptschuldnerin möglich war (vgl. oben unter II. 3.
a). Sie hat aber eine Hemmung der Verjährung der Hauptforderung im Sinne von
§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB bewirkt, als die Hauptschuldnerin am 13. April 2006
im Handelsregister gelöscht worden ist, da von diesem Zeitpunkt an eine die
Verjährung der Hauptforderung hemmende Klage gegen die Hauptschuldnerin
nicht mehr möglich war. Dazu bedurfte es nicht der Erhebung einer neuen
Bürgschaftsklage. Zu Recht weist die Revision darauf hin, dass andernfalls
ein Gläubiger bei Löschung der Hauptschuldnerin im Handelsregister eine
bereits erhobene Bürgschaftsklage zurücknehmen müsste, um sie - nunmehr
verjährungshemmend - sogleich erneut zu erheben. Abgesehen davon, dass er
dazu gemäß § 269 Abs. 1 ZPO nach durchgeführter mündlicher Verhandlung im
Bürgschaftsprozess auf die Einwilligung des Bürgen angewiesen wäre, der
daran kein Interesse haben kann, würde eine solche Verfahrensweise auch
unnötige Kosten verursachen und im Hinblick auf den Schutzzweck von § 204
Abs. 1 Nr. 1 BGB reine Förmelei sein. Voraussetzung dafür, dass eine bereits
erhobene Bürgschaftsklage die Verjährung der Hauptforderung im Zeitpunkt des
späteren Untergangs des Hauptschuldners hemmt, ist allerdings, dass der
Prozess gegen den Bürgen bis zu diesem Zeitpunkt durch die Vornahme der zur
Förderung des Verfahrens notwendigen Handlungen betrieben worden, also nicht
ohne triftigen Grund zum Stillstand gekommen ist (Palandt/Heinrichs, BGB,
68. Aufl., § 204 Rn. 47; Erman/Schmidt-Räntsch, BGB, 12. Aufl., § 204 Rn. 54
f.). Geschieht dies nicht und gerät der Bürgschaftsprozess dadurch in
Stillstand, führt dies zum Ende der Hemmung der Verjährung der Hauptschuld
gemäß § 204 Abs. 2 BGB. Dies ist hier indessen nicht der Fall.
IV.
27 Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da weitere
Feststellungen nicht zu treffen sind und die Sache folglich zur
Endentscheidung reif ist, kann der Senat selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3
ZPO) und die Berufung der Beklagten zu 2) gegen das landgerichtliche Urteil
zurückweisen. |