Objektive Reichweite der materiellen Rechtskraft;
Unzulässigkeit einer Klage über denselben Streitgegenstand;
Streitgegenstandsbegriff (§ 253 II Nr. 2 ZPO)
BGH, Urteil vom 22. Oktober 2013 - XI
ZR 42/12 - OLG Karlsruhe
Fundstelle:
noch nicht bekannt
Amtl. Leitsatz:
Die Rechtskraft einer
Entscheidung über einen Schadensersatzanspruch gegen eine Bank wegen eines
Fehlers bei der Kapitalanlageberatung steht einer Klage auf Ersatz desselben
Schadens wegen eines anderen Beratungsfehlers in demselben Beratungsgespräch
entgegen.
Zentrale Probleme:
Eine sehr lehrreiche Entscheidung zu Grundfragen des
Prozessrechts. Im Mittelpunkt stehen die materielle Rechtskraft und ihre
Reichweite: Eine erneute Klage über einen bereits entschiedenen
Streitgegenstand ist unzulässig. Im vorliegenden Fall hatte ein Anleger
gegen seinen Berater auf Schadensersatz geklagt und den Prozess
letztinstanzlich verloren. Nunmehr klagt er erneut unter Hinweis auf weitere
Beratungsfehler, die im ersten Prozess nicht vorgetragen waren. Die Klage
ist unzulässig, wenn sie denselben Streitgegenstand betrifft.
Streitgegenstand ist der sog. „prozessuale Anspruch“ i.S.v. § 253 II Nr. 2
ZPO. Dieser geht wesentlich weiter als die materielle Anspruchsgrundlage. Er
wird durch den Klageantrag, d.h. durch die vom Kläger begehrte Rechtsfolge,
sowie den Lebenssachverhalt bestimmt, aus dem der Kläger seinen Anspruch
herleitet. Die vorliegende Entscheidung liegt dies bei Tz. 15
ff. lehrbuchmäßig dar.
©sl 2013
Tatbestand:
1 Die Klägerin nimmt die beklagte
Genossenschaftsbank (im Folgenden: Beklagte) aus abgetretenem Recht auf
Rückabwicklung einer Beteiligung an der N1 (im Folgenden: N1) in Anspruch.
2 Aufgrund der Beratung durch einen Mitarbeiter der Beklagten zeichnete der
Ehemann der Klägerin (im Folgenden: Zedent) am 21. November 2003 eine
Beteiligung an N1 im Nennwert von 240.000 € zuzüglich Agio in Höhe von
12.000 €.
3 Nachdem sich der Fonds nicht den Erwartungen des Zedenten entsprechend
entwickelt hatte, nahm der Zedent die Beklagte unter Berufung auf eine nicht
anleger- und objektgerechte Beratung auf Schadensersatz in Höhe von 252.000
€ nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übertragung der Beteiligung in Anspruch. Die
Klage wurde vom Landgericht Mannheim durch rechtskräftiges Urteil vom 23.
Januar 2008 - 3 O 40/07 - abgewiesen.
4 Im vorliegenden Rechtsstreit hat die Klägerin aus abgetretenem
Recht des Zedenten wegen mehrerer Aufklärungs- und Beratungsfehler, u.a.
erstmals wegen pflichtwidrigen Verschweigens erhaltener Rückvergütungen, von
der Beklagten - sowie der nicht mehr am Rechtsstreit beteiligten
Zweitbeklagten -Schadensersatz in Höhe des vom Zedenten investierten
Kapitals von 252.000 € zuzüglich entgangener Eigenkapitalverzinsung in Höhe
von rund 48.000 € und abzüglich erlangter Fondsausschüttungen in Höhe von
33.939 € Zug um Zug gegen Übertragung der Rechte aus der Beteiligung sowie
Ersatz der für den Vorprozess entstandenen Kosten, jeweils nebst Zinsen,
verlangt. Des Weiteren hat sie die Feststellung, dass die Beklagte
verpflichtet ist, der Klägerin Zug um Zug gegen Übertragung der Rechte aus
der Beteiligung alle zukünftigen finanziellen Nachteile zu ersetzen, die der
Zedent oder die Klägerin infolge der Zeichnung der Beteiligung noch erleiden
werden, sowie die Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten begehrt.
5 Das Landgericht hat durch Teilurteil vom 24. November 2010 die
Zahlungsanträge hinsichtlich des investierten Kapitals und der im Vorprozess
entstandenen Kosten als unzulässig und hinsichtlich der
entgangenen Anlagezinsen als unbegründet abgewiesen. Durch Schlussurteil vom
8. Juni 2011 hat das Landgericht dem Feststellungsantrag hinsichtlich der
zukünftigen Schäden stattgegeben. Auf die Berufungen der Klägerin, mit denen
sich diese gegen das Teil- und das Schlussurteil des Landgerichts gewandt
hat, hat das Berufungsgericht, unter Zurückweisung der Rechtsmittel im
Übrigen, die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 218.061 € zuzüglich Zinsen
Zug um Zug gegen Übertragung der Rechte aus der Beteiligung zu zahlen.
6 Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte
die Abweisung des - in Höhe einer weiteren Fondsausschüttung von 2.011,52 €
von der Klägerin in der Hauptsache für erledigt erklärten - Zahlungsantrags.
Die Revision und die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin hat der Senat
durch Beschluss vom 23. April 2013 verworfen bzw. zurückgewiesen.
Entscheidungsgründe:
7 Die Revision der Beklagten ist begründet und führt hinsichtlich des
Zahlungsantrages zur Zurückweisung der Berufung der Klägerin gegen das
Teilurteil des Landgerichts.
I.
8 Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner in WM 2012, 1026
veröffentlichten Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren noch von
Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
9 Entgegen der Rechtsauffassung des Landgerichts stehe der Zulässigkeit der
Zahlungsklage nicht die Rechtskraft des im Vorprozess ergangenen Urteils
entgegen. Bei dem zu beurteilenden Beratungsgespräch handele es sich zwar um
einen einheitlichen Vorgang. Dieser Umstand führe jedoch nicht zwangsläufig
zur Annahme eines einheitlichen Streitgegenstandes. So habe etwa der III.
Zivilsenat des Bundesgerichtshofs bei Vorliegen von verschiedenen
Aufklärungs- oder Beratungsfehlern entschieden, dass jede Pflichtverletzung
verfahrensrechtlich gesondert zu behandeln sei (Urteil vom 22. Juli 2010 -
III ZR 203/09). In gleicher Weise habe der IX. Zivilsenat des
Bundesgerichtshofs mehrfache Pflichtverletzungen eines anwaltlichen Beraters
im Zusammenhang mit der Führung eines Prozesses für den Anspruchsteller als
selbständige Streitgegenstände eingestuft (Urteil vom 13. März 2008 - IX ZR
136/07).
10 Auch im Streitfall sei nach Maßgabe dieser Rechtsprechungsgrundsätze
jenseits des Verjährungsrechts jede einzelne Pflichtverletzung als
gesonderter Streitgegenstand zu betrachten, denn der zur Substantiierung des
Klagebegehrens erforderliche Sachverhalt sei jeweils ein anderer. Daher
gehörten zum Streitgegenstand des Vorprozesses alle Tatsachen im
Zusammenhang mit der behaupteten fehlerhaften Aufklärung über konkrete
Anlagerisiken des empfohlenen Filmfonds. Demgegenüber betreffe die
vorliegende Klage mit dem Vorwurf, die Beklagte habe erhaltene
Rückvergütungen pflichtwidrig verschwiegen, einen anderen Klagegrund.
11 Der Klägerin stünden die geltend gemachten Zahlungsansprüche im
Wesentlichen auch zu. Die Beklagte habe es pflichtwidrig unterlassen, den
Zedenten auf die ihr zufließende Umsatzprovision aus dem Investitionsbetrag
hinzuweisen. Die Beklagte sei daher verpflichtet, dem Zedenten das
Beteiligungskapital einschließlich Agio in Höhe von 252.000 € abzüglich der
empfangenen Fondsausschüttungen von 33.939 € zu ersetzen. Die geltend
gemachten Ansprüche auf entgangene Anlagezinsen und Ersatz der im Vorprozess
entstandenen Kosten sei dagegen unbegründet.
II.
12 Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Prüfung nicht
stand. Der auf Ersatz des investierten Kapitals abzüglich erlangter
Fondsausschüttungen gerichtete Zahlungsantrag der Klägerin ist unzulässig.
13 1. Das Berufungsgericht ist allerdings zutreffend davon
ausgegangen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die
materielle Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung - als negative
Prozessvoraussetzung - einer neuen Verhandlung und Entscheidung über
denselben Streitgegenstand entgegensteht (ne bis in idem). Unzulässig ist
deshalb eine erneute Klage, deren Streitgegenstand mit dem eines bereits
rechtskräftig entschiedenen Rechtsstreits identisch ist (st. Rspr.,
vgl. nur BGH, Urteile vom 18. Januar 1985 - V ZR 233/83, BGHZ 93, 287, 288
f.; vom 19. November 2003 - VIII ZR 60/03, BGHZ 157, 47, 50 und vom 13.
Januar 2009 - XI ZR 66/08, WM 2009, 402 Rn. 16, jeweils mwN).
14 2. Rechtsfehlerhaft ist hingegen die Auffassung des Berufungsgerichts,
der Streitgegenstand des auf Ersatz des investierten Kapitals gerichteten
Zahlungsantrags sei nicht mit dem Streitgegenstand des rechtskräftigen
Urteils des Landgerichts Mannheim vom 23. Januar 2008, das gemäß § 325 Abs.
1 ZPO für und gegen die Klägerin wirkt (vgl. BGH, Urteil vom 29. Mai 1991 -
VIII ZR 214/90, BGHZ 114, 360, 364), identisch.
15 a) Der von
der Rechtskraft erfasste Streitgegenstand wird durch den Klageantrag, in dem
sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den
Lebenssachverhalt (Anspruchsgrund), aus dem der Kläger die begehrte
Rechtsfolge herleitet, bestimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).
Zum Anspruchsgrund sind alle Tatsachen zu rechnen, die bei einer
natürlichen, vom Standpunkt der Parteien ausgehenden und den Sachverhalt
seinem Wesen nach erfassenden Betrachtung zu dem zur Entscheidung gestellten
Tatsachenkomplex gehören, den der Kläger zur Stützung seines
Rechtsschutzbegehrens dem Gericht vorträgt (st. Rspr., vgl. nur
BGH, Urteile vom 13. Januar 2009 - XI ZR 66/08, WM 2009, 402 Rn. 17 und vom
25. Oktober 2012 - IX ZR
207/11, WM 2012, 2242 Rn. 14, jeweils mwN). Vom
Streitgegenstand werden damit alle materiell-rechtlichen Ansprüche erfasst,
die sich im Rahmen des gestellten Antrags aus dem zur Entscheidung
unterbreiteten Lebenssachverhalt herleiten lassen. Das gilt unabhängig
davon, ob die einzelnen Tatsachen des Lebenssachverhalts von den Parteien
vorgetragen worden sind oder nicht, und auch unabhängig davon, ob die
Parteien die im Vorprozess nicht vorgetragenen Tatsachen des Lebensvorgangs
damals bereits kannten und hätten vortragen können (st. Rspr., vgl.
nur BGH, Urteile vom 19. November 2003 - VIII ZR 60/03, BGHZ 157, 47, 51;
vom 13. September 2012 - I ZR 230/11, BGHZ 194, 314 Rn. 19 und vom
25. Oktober 2012 - IX ZR 207/11,
WM 2012, 2242 Rn. 14, jeweils mwN).
16 Nach diesen Grundsätzen ist vorliegend nicht nur das auf Ersatz
des investierten Kapitals des Zedenten gerichtete Rechtsschutzbegehren, das
im Vergleich zum Vorprozess lediglich um erlangte Fondsausschüttungen
gemindert wurde, sondern auch der von der Klägerin vorgetragene
Anspruchsgrund, aus dem sie die begehrte Rechtsfolge herleitet, mit dem
Vorprozess identisch. Die Klägerin stützt ihr Rechtsschutzbegehren wie
bereits der Zedent im Vorprozess auf die vermeintlich unzureichende Beratung
und Aufklärung des Zedenten durch den Mitarbeiter S. der Beklagten in den
der Anlageentscheidung bezüglich N1 vorausgegangenen Beratungsgesprächen.
Allein die Ergänzung dieses aus dem Vorprozess bekannten Tatsachenvortrags
durch den Umstand, dass - auch - die Rückvergütung nicht oder nur
unzureichend offenbart wurde, ändert den bereits im Vorprozess zur
Entscheidung gestellten Sachverhalt nicht in seinem Kerngehalt und begründet
deshalb keinen neuen Streitgegenstand.
17 Die einer Anlageentscheidung vorausgegangene Beratung stellt, wie
auch das Berufungsgericht im Ausgangspunkt zutreffend angenommen hat, bei
natürlicher Betrachtungsweise einen einheitlichen Lebensvorgang dar, der
nicht in einzelne Aufklärungs- und Beratungspflichtverletzungen, die der
Anleger der Bank vorwirft, aufgespalten werden kann (so auch OLG
München, Urteil vom 22. April 2013 - 19 U 4963/12, nicht veröffentlicht,
Umdruck S. 5 ff.; Wolff, WuB I G 1. Anlageberatung 9.12; vgl. auch OLG
Frankfurt, Urteil vom 30. Juni 2010 - 23 U 243/08, Umdruck S. 12 f.; a.A.
wohl noch OLG München, WM 2008, 581, 588).
18 Der vom Anleger im Schadensersatzprozess wegen unzureichender Aufklärung
und Beratung zur Entscheidung gestellte Lebensvorgang wird, unabhängig von
den konkret vorgeworfenen Aufklärungs- oder Beratungsmängeln, vielmehr durch
die Gesamtumstände der Beratungssituation gekennzeichnet (vgl. auch BGH,
Urteile vom 17. März 1995 - V ZR 178/93, WM 1995, 1204, 1206 und vom 25.
Oktober 2012 - IX ZR 207/11, WM 2012, 2242 Rn. 15; vgl. auch Urteil vom 11.
November 1994 - V ZR 46/93, WM 1995, 266, 267). Die vom Berater erteilten -
oder gar unterlassenen - Informationen stellen keine selbständigen
Geschehensabläufe, sondern Bestandteile der einheitlich zu betrachtenden
Beratung dar. Ob dem Anleger ein zutreffendes Bild von der Kapitalanlage
vermittelt worden ist oder nicht, kann auch nur aufgrund einer Zusammenschau
der verschiedenen Informationen des Beraters während der gesamten Beratung
beurteilt werden (vgl. zu Prospektangaben Senatsurteil vom 18. September
2012 - XI ZR 344/11, BGHZ 195, 1 Rn. 23 mwN). Der Berater kann insbesondere
im Verlauf der Beratung unzutreffende Angaben berichtigen oder unzureichende
Informationen präzisieren. Schließlich hängen die aufklärungspflichtigen
Umstände und eine anlegergerechte Empfehlung auch von den Angaben des
Anlegers während des - gesamten - Verlaufs der Beratung ab.
19 Die Annahme verschiedener Streitgegenstände je nachdem, welchen Vorwurf
der Anleger erhebt, führte daher nicht nur zu einer unnatürlichen
Aufspaltung eines einheitlichen Lebenssachverhalts, sondern wäre
auch mit den mit dem Institut der Rechtskraft verfolgten Zielen der
Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Juni
1993 - I ZB 14/91, BGHZ 123, 30, 34) nicht zu vereinbaren.
Der Anleger könnte die vermeintlich unzureichende Aufklärung und Beratung
durch den Anlageberater durch die bloße Ergänzung einzelner Tatsachen oder
vermeintlich aufklärungspflichtiger Risiken bei ansonsten unverändertem
Geschehensablauf wiederholt zum Gegenstand gerichtlicher Verfahren machen.
Gegenstand jedes neuen Prozesses und etwaiger Beweisaufnahmen wäre
wiederholt der Inhalt der (gesamten) Beratung.
20 b) Dass sich der erforderliche Klagevortrag je nach geltend gemachter
Pflichtverletzung in Einzelheiten unterscheidet, rechtfertigt, entgegen der
Annahme des Berufungsgerichts, nicht die Annahme gesonderter
Streitgegenstände.
21 Der zur Bestimmung des Streitgegenstands maßgebliche
Anspruchsgrund geht über die Tatsachen, die die Tatbestandsmerkmale einer
Anspruchsgrundlage ausfüllen, hinaus. Die Parteien bestimmen zwar über den
zur Entscheidung gestellten Sachverhalt (Beibringungsgrundsatz). Es können
deshalb nicht alle Tatsachen zum Klagegrund gerechnet werden, die das
konkrete Rechtschutzbegehren objektiv zu stützen geeignet, im Vortrag des
Klägers aber nicht einmal angedeutet sind und von seinem Standpunkt aus auch
nicht vorgetragen werden mussten (BGH, Urteile vom 19. Dezember
1991 - IX ZR 96/91, BGHZ 117, 1, 6 und vom 25. Oktober 2012 - IX ZR 207/11,
WM 2012, 2242 Rn. 21). Die Parteien können den Streitgegenstand
durch Gestaltung ihres Vortrags jedoch nicht - bewusst oder unbewusst -
willkürlich begrenzen (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteile vom 19.
Dezember 1991 - IX ZR 96/91, BGHZ 117, 1, 6 und vom 27. September 2011 - II
ZR 221/09, WM 2011, 2223 Rn. 21). Von der Rechtskraft werden daher
sämtliche materiell-rechtlichen Ansprüche erfasst, die sich im Rahmen des
Antrags aus dem zur Entscheidung gestellten Lebenssachverhalt herleiten
lassen (BGH, Urteile vom 27. September 2011 - II ZR 221/09, WM
2011, 2223 Rn. 21 und vom 25. Oktober 2012 - IX ZR 207/11, WM 2012, 2242 Rn.
15), unabhängig davon, ob sämtliche rechtserheblichen Tatsachen des
Lebensvorgangs vorgetragen werden (BGH, Urteile vom 19. Dezember 1991 - IX
ZR 96/91, BGHZ 117, 1, 6 f.; vom 17. März 1995 - V ZR 178/93, WM 1995, 1204,
1205 f. und vom 27. September 2011 - II ZR 221/09, WM 2011, 2223 Rn. 21).
22 Sofern das materielle Recht zusammentreffende Ansprüche durch eine
Verselbständigung der einzelnen Lebensvorgänge erkennbar unterschiedlich
ausgestaltet, kann das zwar im Einzelfall bei der Bestimmung des
Streitgegenstandes berücksichtigt werden (vgl. BGH, Urteile vom 27. Mai 1993
- III ZR 59/92, NJW 1993, 2173, insoweit nicht in BGHZ 122, 363 abgedruckt;
vom 11. Juli 1996 - III ZR 133/95, NJW 1996, 3151, 3152 und vom 24. Januar
2013 - I ZR 60/11, GRUR 2013, 397 Rn. 13). Ob die Bank Aufklärungs- oder
Beratungspflichten verletzt hat, lässt sich jedoch, wie ausgeführt, nur
aufgrund einer Betrachtung der Gesamtumstände der Beratung beurteilen, ohne
dass sich diese in selbständige Geschehensabläufe aufspalten ließe.
Verschiedene Aufklärungs- und Beratungsdefizite sind deshalb zwar
gegebenenfalls einer eigenständigen materiell-rechtlichen Bewertung
zugänglich (vgl. BGH, Urteil vom 13. September 2012 - I ZR 230/11, BGHZ 194,
314 Rn. 19) und können jeweils für sich den Schadensersatzanspruch begründen
(vgl. BGH, Urteil vom 22. September 2011 - III ZR 186/10, NJW-RR 2012, 111
Rn. 9 aE), bleiben aber dennoch Bestandteil eines - in tatsächlicher
Hinsicht - einheitlichen Lebensvorgangs.
23 c) Das vom Berufungsgericht angeführte Urteil des Bundesgerichtshofs vom
13. März 2008 (IX ZR 136/07, WM 2008, 1560 Rn. 24) steht der Annahme eines
einheitlichen Streitgegenstands nicht entgegen. Der Bundesgerichtshof hat
dort zwar das Fehlverhalten des Rechtsanwalts bei der Empfehlung der
Klageerhebung als gesonderten Streitgegenstand beurteilt, der weder das
Fehlverhalten bei der inhaltlichen Abfassung der Klage noch die
(unterlassene) Empfehlung zur Einlegung von Rechtsmitteln umfasse. Anders
als vorliegend betrafen diese Pflichtverletzungen jedoch verschiedene
Verfahrensstadien und damit selbständige Geschehensabläufe. Entsprechendes
gilt für das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 24. Januar 2008 (VII ZR
46/07, VersR 2008, 942 Rn. 16 und 19). Danach steht die Rechtskraft einer
Entscheidung über Schadensersatzansprüche gegen einen Architekten wegen
Nichtausführung einer Ausführungsplanung einer Klage auf Ersatz desselben
Schadens wegen Fehlern bei der gesondert zu beurteilenden Entwurfsplanung,
Bauüberwachung und Abnahme des Bauwerks dann nicht entgegen, wenn aus dem
Vortrag im ersten Prozess eindeutig hervorgeht, dass ausschließlich die
fehlende Ausführungsplanung Gegenstand des Rechtsstreits war. Davon
unterscheidet der vorliegende Fall sich grundlegend. Hier fehlt es an einer
ausdrücklichen Beschränkung des ersten Rechtsstreits auf eine bestimmte
Pflichtverletzung. Außerdem betreffen die im Urteil vom 24. Januar 2008 (VII
ZR 46/07, VersR 2008, 942 Rn. 16 und 19) behandelten Pflichtverletzungen in
zeitlicher Hinsicht unterschiedliche Stadien der Tätigkeit des Architekten,
während im vorliegenden Fall sämtliche der beklagten Bank vorgeworfene
Pflichtverletzungen in einem Beratungsgespräch, das einen einheitlichen
Lebensvorgang darstellt, erfolgt sein sollen.
24 d) Auch aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum gesonderten
Verjährungsbeginn von Schadensersatzansprüchen, die auf mehrere abgrenzbare
Aufklärungs- oder Beratungsfehler gestützt werden (vgl. BGH, Urteile vom 9.
November 2007 - V ZR 25/07, WM 2008, 89 Rn. 16 f.; vom 23. Juni 2009 - XI ZR
171/08, BKR 2009, 372 Rn. 14; vom 22. Juli 2010 - III ZR 203/09, WM 2010,
1690 Rn. 13 und vom 1. März 2011 - II ZR 16/10, WM 2011, 792 Rn. 13), folgt,
entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts, nichts anderes.
25 Der Verjährung gemäß §§ 194 ff. BGB unterliegt der materiell-rechtliche
Anspruch im Sinne des § 194 Abs. 1 BGB (MünchKomm/Grothe, BGB, 6. Aufl., §
194 Rn. 2; Palandt/Ellenberger, BGB, 72. Aufl., § 194 Rn. 2;
Erman/Schmidt-Räntsch, BGB, 13. Aufl., § 194 Rn. 8). Der von der
Rechtskraft erfasste Streitgegenstand ist dagegen nicht ein bestimmter
materiell-rechtlicher Anspruch, sondern der als Rechtsschutzbegehren oder
Rechtsfolgebehauptung aufgefasste eigenständige prozessuale Anspruch
(st. Rspr., vgl. BGH, Urteile vom 13. Januar 2009 - XI ZR 66/08, WM
2009, 402 Rn. 17 und vom 25. Oktober 2012 - IX ZR 207/11, WM 2012, 2242 Rn.
14 mwN). Der Streitgegenstand kann daher mehrere materiell-rechtliche
Ansprüche umfassen (Erman/Schmidt-Räntsch, BGB, 13. Aufl., § 194 Rn. 8), die
grundsätzlich jeweils eigenständiger Verjährung unterliegen (st. Rspr., vgl.
BGH, Urteile vom 12. Dezember 1991 - I ZR 212/89, BGHZ 116, 297, 300 und vom
24. Juni 1992 - VIII ZR 203/91, BGHZ 119, 35, 41 sowie MünchKomm/Grothe,
BGB, 6. Aufl., § 195 Rn. 46 ff. mwN). Aus dem materiell-rechtlichen Institut
der Anspruchsverjährung können deshalb keine Rückschlüsse auf den
prozessualen Streitgegenstand gezogen werden.
26 e) Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur beschränkten
Revisionszulassung rechtfertigt ebenfalls keine andere Betrachtungsweise.
27 Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann die Zulassung der
Revision zwar auf eine von mehreren zur Begründung eines
Schadensersatzanspruchs wegen fehlerhafter Anlageberatung vorgetragenen
Pflichtverletzungen beschränkt werden (BGH, Urteil vom 16. Oktober 2012 - XI
ZR 368/11, juris Rn. 18 f. sowie Beschlüsse vom 16. Dezember 2010 - III ZR
127/10, WM 2011, 526 Rn. 5 f. und vom 16. April 2013 - XI ZR 332/12, juris
Rn. 6). Daraus folgt jedoch, entgegen der Auffassung der
Revisionserwiderung, nicht, dass jede einzelne Pflichtverletzung einen
gesonderten Streitgegenstand begründet. Der Bundesgerichtshof hat die
wirksame Beschränkung der Revisionszulassung ausdrücklich nicht davon
abhängig gemacht, dass verschiedene Streitgegenstände vorliegen (BGH,
Beschlüsse vom 16. Dezember 2010 - III ZR 127/10, WM 2011, 526 Rn. 5 aE und
vom 7. Juni 2011 - VI ZR 225/10, ZUM 2012, 35 Rn. 4 aE). Darüber hinaus
hatte der Bundesgerichtshof bereits für die Revisionszulassung nach § 546
Abs. 1 ZPO a.F. die Beschränkung auf Teile eines einheitlichen prozessualen
Anspruchs gebilligt (BGH, Urteile vom 12. Januar 1970 - VII ZR 48/68, BGHZ
53, 152, 154 f. und vom 7. Juli 1983 - III ZR 119/82, NJW 1984, 615 sowie
Beschluss vom 10. Januar 1979 - IV ZR 76/78, NJW 1979, 767). Ähnlich wie
beim Teilurteil, dessen Voraussetzungen freilich nicht vorliegen müssen
(BGH, Beschlüsse vom 16. Dezember 2010 - III ZR 127/10, WM 2011, 526 Rn. 5
aE und vom 7. Juni 2011 - VI ZR 225/10, ZUM 2012, 35 Rn. 4 aE), ist
Voraussetzung der beschränkten Revisionszulassung lediglich die
Selbständigkeit eines Teils des Streitstoffs in dem Sinne, dass dieser in
tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unabhängig von dem übrigen
Prozessstoff beurteilt werden und auch im Falle einer Zurückverweisung kein
Widerspruch zum nicht anfechtbaren Teil des Streitstoffs auftreten kann
(BGH, Urteil vom 16. Oktober 2012 - XI ZR 368/11, juris Rn. 18 sowie
Beschlüsse vom 16. Dezember 2010 - III ZR 127/10, WM 2011, 526 Rn. 5 und vom
7. Juni 2011 - VI ZR 225/10, ZUM 2012, 35 Rn. 4). Wie sich aus § 301 Abs. 1
Satz 1 Fall 2 ZPO ergibt, hängt selbst der Erlass eines Teilurteils nicht
von der Mehrheit der prozessualen Ansprüche ab (vgl. MünchKomm/Musielak,
ZPO, 4. Aufl., § 301 Rn. 6 mwN). Die Voraussetzungen einer beschränkten
Revisionszulassung gehen darüber nicht hinaus.
III.
28 Das Berufungsurteil ist demnach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache
ist zur Endentscheidung durch den Senat reif (§ 563 Abs. 3 ZPO).
29 Zutreffend hat das Landgericht den hier noch rechtshängigen
Zahlungsantrag als unzulässig abgewiesen. Ob im Zeitpunkt der
landgerichtlichen Entscheidung die Voraussetzungen für den Erlass eines
Teilurteils vorlagen (vgl. BGH, Urteil vom 11. Mai 2011 - VIII ZR 42/10,
BGHZ 189, 356 Rn. 13 f. mwN), kann, wenngleich in der Revisionsinstanz von
Amts wegen zu prüfen (BGH, aaO Rn. 19 ff.), dahinstehen. Nunmehr ist nur
noch der Zahlungsantrag in Höhe von 218.061 € rechtshängig, ein etwaiger
Verfahrensfehler wäre somit jedenfalls prozessual überholt (vgl. auch BGH,
Urteile vom 10. Juli 1991 - XII ZR 109/90, NJW 1991, 3036 und vom 28.
November 2002 - VII ZR 270/01, WM 2003, 1428, 1429). Die Berufung der
Klägerin gegen das landgerichtliche Teilurteil vom 24. November 2010 ist
daher zurückzuweisen.
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