Begriff der
"Privatwohnung" i.S.v. § 1 I Nr. 1 HWiG (= § 312 I Nr. 1 BGB n.F.)
BGH, Urteil vom 13. Juni
2006 - XI ZR 432/04
Fundstelle:
noch nicht bekannt
zum Begriff des "Arbeitsplatzes" s. BGH
v. 27.2.2007 - XI ZR 195/05
Amtl. Leitsatz:
Privatwohnung i.S.d. § 1
Abs. 1 Nr. 1 HWiG ist auch die Privatwohnung des Vertragspartners des Kunden
oder eines vom Vertragspartner eingeschalteten Vermittlers, die der Kunde
nicht bewusst zu Zwecken eines geschäftlichen Kontakts aufgesucht hat.
Tatbestand:
Die Parteien streiten um die Rückabwicklung eines Darlehens, das die
klagende Volksbank dem Beklagten zur Finanzierung der Beteiligung an einem
Immobilienfonds gewährt hat.
Der Beklagte, ein damals 23-jähriger Handwerksmeister, wurde am 6. Dezember
1992 von einem Cousin seiner Mutter bei einem privaten Besuch in dessen
Wohnung geworben, sich zur Alterssicherung und Steuerersparnis ohne
Eigenkapital an dem in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts
betriebenen geschlossenen Immobilienfonds "G." (nachfolgend: GbR) zu
beteiligen. Am 9. Dezember 1992 unterzeichnete er einen Antrag auf Eintritt
in die GbR mit einer Beteiligung von 61.300 DM und eine Kreditanfrage nebst
Selbstauskunft. Außerdem erteilte er zwei Mitarbeiterinnen der von der
Fondsinitiatorin, der W. GmbH, beauftragten Fondsvertreiberin eine
notarielle Vollmacht, ihn beim Fondsbeitritt zu vertreten.
Zur Finanzierung des Beitritts schloss der Beklagte mit der Klägerin am 9.
Dezember 1992/11. Februar 1993 einen Darlehensvertrag über 70.476 DM mit
einem bis 31. Dezember 2002 festgeschriebenen effektiven Jahreszins von
9,95%. Der Vertrag enthielt eine Widerrufsbelehrung mit dem Zusatz, dass der
Widerruf als nicht erfolgt gelte, wenn der Darlehensnehmer das Darlehen
empfangen habe und es nicht binnen zwei Wochen entweder nach Erklärung des
Widerrufs oder nach Darlehensauszahlung zurückzahle. Als Sicherheit für das
Darlehen verpfändete er seine Fondsbeteiligung und trat der Klägerin seine
Ansprüche aus einer Kapitallebensversicherung ab, die vereinbarungsgemäß
auch zur Tilgung des Darlehens dienen sollte.
Nachdem eine der vom Beklagten Bevollmächtigten mit notarieller Urkunde vom
21. Dezember 1992 seinen Fondsbeitritt erklärt hatte, wurde die
Darlehensvaluta vertragsgemäß auf ein Konto der Fondstreuhänderin
ausgezahlt. In der Folgezeit erhielt die Klägerin Zinszahlungen in Höhe von
23.666,71 €, in denen Ausschüttungen der Fondsgesellschaft in Höhe von
9.140,04 € enthalten waren. Im November 2000 stellte der Beklagte seine
Zahlungen auf das Darlehen ein. Mit Schreiben vom 15. Dezember 2001
widerrief er die Darlehensvertragserklärung nach dem Haustürwiderrufsgesetz.
Die Klägerin kündigte nach erfolgloser Mahnung der rückständigen
Darlehensraten den Darlehensvertrag mit Wirkung zum 30. November 2002.
Die Klägerin macht im Wege der Teilklage die Rückzahlung eines Betrages von
6.000 € der Darlehensvaluta nebst Zinsen geltend. Der Beklagte nimmt die
Klägerin widerklagend auf Zahlung von 23.661,71 € nebst Zinsen und auf
Rückübertragung der Ansprüche aus der Lebensversicherung Zug um Zug gegen
Abtretung seiner Ansprüche gegen die GbR in Anspruch. Außerdem begehrt er
die Feststellung, dass der Klägerin aus dem Darlehensvertrag keine Ansprüche
mehr gegen ihn zustehen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben.
Das Berufungsgericht (ZIP 2004, 891) hat der Klage stattgegeben und die
Widerklage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision
verfolgt der Beklagte sein Begehren weiter, den Zahlungsantrag allerdings
nur noch in Höhe von 14.526,67 €.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen
Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt:
Der Beklagte könne dem Zahlungsantrag der Klägerin keine Einwendungen aus
dem finanzierten Geschäft gemäß § 9 Abs. 3 VerbrKrG entgegenhalten. Ihm
stehe kein Schadensersatzanspruch gegen die GbR als Vertragspartnerin des
finanzierten Fondsbeitritts zu. Er habe auch keinen Grund für eine fristlose
Kündigung gemäß § 723 Abs. 1 BGB vorgetragen. Einem Widerruf des Beitritts
nach dem Haustürwiderrufsgesetz stehe gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 3 HWiG die
notarielle Beurkundung der Beitrittserklärung entgegen.
Allerdings habe der Beklagte den Darlehensvertrag nach § 1 HWiG wirksam
widerrufen. Die tatsächlichen Voraussetzungen einer Haustürsituation lägen
vor. Die Privatwohnung des Vermittlers falle hier nach der Intention des
Gesetzgebers unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 HWiG, da der Beklagte sie zunächst rein
privat und nicht zum Zwecke von Vertragsverhandlungen aufgesucht habe. Die
Haustürsituation sei der Klägerin bei einem verbundenen Geschäft auch gemäß
§ 123 Abs. 1 BGB zuzurechnen.
Der Beklagte könne aber aus dem Widerruf des Darlehensvertrages keine
Ansprüche gegen die Klägerin herleiten. Der Klägerin stehe nämlich im Rahmen
der Vertragsrückabwicklung im Ergebnis noch ein die Klageforderung
übersteigender Zahlungsanspruch gegen den Beklagten zu. Auch wenn hier von
einem verbundenen Geschäft auszugehen sei, sei der Beklagte nach den
Grundsätzen der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 21. Juli 2003 (BGHZ
156, 46 ff.) gemäß § 3 HWiG zur Rückzahlung der Darlehensvaluta verpflichtet
und könne gegenüber der Klägerin nur sein gesellschaftsrechtliches
Abfindungsguthaben in Anrechnung bringen. Seine Pflicht zur
Valutarückzahlung entfalle auch nicht aus den in den so genannten "Securenta-Entscheidungen"
(BGHZ 133, 254 ff. und Urteil vom 17. September 1996 - XI ZR 197/95, WM
1996, 2103 ff.) genannten Gründen, weil dieser - zudem auf einer
Sondersituation beruhenden - Rechtsprechung hier die anerkannten Grundsätze
der Behandlung von Gesellschaften auf fehlerhafter Vertragsgrundlage
entgegenstünden. Die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft könnten nicht
mit dem Argument beiseite geschoben werden, der effektive Schutz des
Verbrauchers sei vorrangig. Da bei Verrechnung der wechselseitigen Ansprüche
aus § 3 HWiG selbst im für den Beklagten günstigsten Falle immer noch ein
Überschuss der Klägerin von ca. 23.000 DM verbleibe, sei die Teilklage über
6.000 € in jedem Fall begründet.
II. Dies hält nicht in allen Punkten rechtlicher Überprüfung stand.
1. Die Auffassung des Berufungsgerichts, der Beklagte sei auf Grund einer
Haustürsituation im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 HWiG zum Abschluss des
Darlehensvertrages bestimmt worden, ist allerdings entgegen der Ansicht der
Revisionserwiderung rechtsfehlerfrei.
a) Zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, dass der Beklagte durch
mündliche Verhandlungen im Bereich einer Privatwohnung (§ 1 Abs. 1 Nr. 1
HWiG) zum Abschluss des Darlehensvertrages bestimmt wurde. Zwar ist eine
Haustürsituation nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nicht
gegeben, wenn der Kunde die Privatwohnung seines Vertragspartners zu
Vertragsverhandlungen aufsucht. Denn dann befindet er sich grundsätzlich in
keiner anderen Situation als beim Besuch eines Geschäftslokals (BGHZ 144,
133, 136). Der vorliegende Fall ist aber entgegen der Ansicht der
Revisionserwiderung anders gelagert.
Nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts war der
Beklagte zu einem privaten Besuch bei dem Vermittler eingeladen und wurde
erst im Laufe des Besuches auf die Möglichkeiten einer steuersparenden
Beteiligung an der GbR angesprochen. Ein Verbraucher ist auch dann durch
mündliche Verhandlungen im Bereich einer Privatwohnung im Sinne des § 1 Abs.
1 Nr. 1 HWiG zum Vertragsschluss bestimmt worden, wenn er - wie hier - die
Privatwohnung des Unternehmers bzw. Vermittlers nicht zu
Vertragsverhandlungen, sondern aus privatem Anlass aufgesucht hat (Artz, in:
Bülow/Artz, Handbuch Verbraucherprivatrecht, Kapitel 5 Rdn. 9;
Palandt/Heinrichs, BGB 65. Aufl. § 312 Rdn. 15; MünchKommBGB/Ulmer, 4. Aufl.
§ 312 Rdn. 36, Erman/ Saenger, BGB 11. Aufl. § 312 Rdn. 41; Ring, in:
Anwaltkommentar BGB § 312 Rdn. 49; Werner, in: Staudinger, BGB Neubearb.
2001 § 1 HWiG Rdn. 83, 84; a.A. Schulte-Nölke, in: Handkommentar BGB § 312
Rdn. 8; Teske ZIP 1986, 624, 628).
aa) Der Gesetzgeber wollte mit dem Haustürwiderrufsgesetz den Verbraucher
vor übereilten Vertragsschlüssen unter typischen Bedingungen schützen, die
die Gefahr in sich bergen, dass er unter Ausnutzung des
Überraschungsmomentes oder einer besonderen psychologischen Situation
überrumpelt und zu einem von ihm nicht gewünschten Ver-tragsschluss
überredet wird (siehe BT-Drucks. 10/2876, S. 6). Er hat in Verfolgung dieses
Gesetzeszwecks bestimmte Tatbestände geschaffen, denen gemein ist, dass der
Kunde sich in einer Lage befindet, in der es ihm schwer fällt, die meist
psychologisch geschulten Verhandlungspartner abzuweisen.
Eine derartige psychologische Zwangslage besteht auch, wenn der Kunde den
Unternehmer bzw. die für ihn handelnden Personen aus privatem Anlass in
ihrer Privatwohnung aufsucht, selbst wenn dort auch regelmäßig Geschäfte
abgeschlossen werden. Insoweit befindet er sich in einer grundsätzlich
anderen Situation als bei einem Besuch zum Zwecke von Vertragsverhandlungen.
Der Verbraucher ist bei einem zunächst privaten Besuch nicht auf ein
werbemäßiges Ansprechen eingestellt. Er hat aus Gründen der Höflichkeit
gegenüber seinem Gastgeber auch nicht die Möglichkeit, ohne weiteres die
Wohnung zu verlassen und sich jederzeit aus freiem Entschluss der Einwirkung
durch den Vermittler zu entziehen. Dies engt ihn in seiner
Entscheidungsfreiheit ein und birgt in besonderem Maße die Gefahr der
Überrumpelung in sich.
bb) Anders als die Revisionserwiderung meint, ergibt sich aus der
Gesetzesbegründung nicht, dass § 1 Abs. 1 Nr. 1 HWiG bei Vertragsabschlüssen
in der Privatwohnung des Unternehmers generell unanwendbar sein soll. Zwar
heißt es in der Begründung des Bundesrates zu seinem Entwurf des Gesetzes
(BT-Drucks. 10/2876, S. 11), dem sich der Rechtsausschuss angeschlossen hat
(BT-Drucks. 10/4210, S. 9), dass Verträge, zu deren Abschluss der Kunde
seinen geschäftsmäßig handelnden Vertragspartner in dessen Privatwohnung
aufsucht, nicht vom Anwendungsbereich des Haustürwiderrufsgesetzes erfasst
werden sollen, weil die Lage des Kunden hier nicht anders sei, als wenn er
seinen Vertragspartner in ausschließlich zu gewerblichen Zwecken genutzten
Räumen aufgesucht hätte. Daraus folgt jedoch kein genereller Aus-schluss der
Privatwohnung des Unternehmers vom Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 Nr. 1
HWiG, sondern lediglich, dass nach der Intention des Gesetzgebers keine
Haustürsituation vorliegen soll, wenn sich der Kunde darüber im Klaren ist,
dass er die Privatwohnung des Vertragspartners zu geschäftlichen Zwecken
aufsucht. Dies ist jedoch gerade nicht der Fall, wenn es sich um einen
privaten Besuch handelt.
b) Auch im Übrigen wendet sich die Revisionserwiderung im Ergebnis ohne
Erfolg gegen die Feststellung des Berufungsgerichts, der Beklagte sei durch
eine Haustürsituation im Sinne des § 1 Abs. 1 HWiG zum Abschluss des
Darlehensvertrages bestimmt worden. Nach der neuesten Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofes bedarf es einer gesonderten Zurechnung der
Haustürsituation nach § 123 BGB nicht (BGH, Urteil vom 12. Dezember 2005 -
II ZR 327/04, WM 2006, 220, 221 f. und Senat, Urteile vom 14. Februar 2006 -
XI ZR 255/04, WM 2006, 674, 675 und vom 25. April 2006 - XI ZR 193/04, WM
2006, 1003, 1008).
c) Der Anwendbarkeit des § 1 HWiG steht hier auch - wie das Berufungsgericht
im Ergebnis zutreffend und von der Revisionserwiderung nicht angegriffen
angenommen hat - nicht entgegen, dass der Beklagte durch einen Verwandten
zum Darlehensvertragsschluss bestimmt wurde. Der Senat hat zwar ein
Widerrufsrecht nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 HWiG verneint, wenn ein Ehepartner vom
anderen oder eine Mutter von ihrem Sohn bestimmt wird, einer Bank
Sicherheiten für Kreditschulden des Bestimmenden zu gewähren (Senat, Urteile
vom 9. März 1993 - XI ZR 179/92, WM 1993, 683, 684 und vom 4. Oktober 1995 -
XI ZR 215/94, WM 1995, 2133, 2134, insoweit in BGHZ 131, 55 nicht
abgedruckt). Der Schutz des Haustürwiderrufsgesetzes kann einem nahen
Angehörigen aber nicht versagt werden, wenn sein Verwandter - wie im
vorliegenden Fall - ihm gegenüber wie gegenüber Dritten werbend tätig wird,
um sein Interesse an einer finanzierten Kapitalanlage zu wecken (Senat BGHZ
133, 254, 258). Zudem besteht zwischen dem Beklagten und dem Cousin seiner
Mutter nur ein entferntes Verwandtschaftsverhältnis.
d) Das Widerrufsrecht des Beklagten ist nicht durch Fristablauf erloschen.
Die einwöchige Widerrufsfrist des § 1 Abs. 1 HWiG hat mangels
ordnungsgemäßer Belehrung nach § 2 Abs. 1 Satz 2 und 3 HWiG nicht begonnen.
Die erteilte Belehrung enthielt mit dem Hinweis, dass ein Widerruf unter
bestimmten Voraussetzungen als nicht erfolgt gelte, eine andere - unrichtige
- Erklärung (Senat, Urteil vom 12. November 2002 - XI ZR 3/01, WM 2003, 61,
63; BGHZ 159, 280, 286 f.).
2. Das Berufungsgericht hat aber zu Unrecht angenommen, der Beklagte sei
auch im Fall eines wirksamen Widerrufs gemäß § 3 HWiG gegenüber der Klägerin
zur Rückzahlung der Darlehensvaluta gegen Verrechnung seines
Abfindungsguthabens und nicht nur - wie von ihm angeboten - zur Übertragung
seiner Ansprüche aus der Fondsbeteiligung verpflichtet.
a) Zwar hat ein Darlehensnehmer die Valuta im Fall des Widerrufs nach dem
Haustürwiderrufsgesetz grundsätzlich zurückzuzahlen. Das Widerrufsrecht soll
seine rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit gewährleisten, nicht jedoch
das wirtschaftliche Risiko der Darlehensverwendung auf den Darlehensgeber
abwälzen. Eine andere Beurteilung ist aber dann geboten, wenn der
Darlehensnehmer den Kredit nicht empfangen hat oder der Darlehensvertrag und
das finanzierte Geschäft ein verbundenes Geschäft bilden mit der Folge, dass
der Widerruf des Darlehensvertrages zugleich auch der Wirksamkeit des
finanzierten Geschäfts entgegensteht. In diesem Fall erfordert der Zweck der
gesetzlichen Widerrufsregelung, dem Kunden innerhalb einer angemessenen
Überlegungsfrist frei und ohne Furcht vor finanziellen Nachteilen die
Entscheidung zu ermöglichen, ob er an seinen Verpflichtungserklärungen
festhalten will oder nicht, eine Auslegung des § 3 HWiG, dahin, dass dem
Darlehensgeber nach dem Widerruf kein Zahlungsanspruch gegen den
Darlehensnehmer in Höhe des Darlehenskapitals zusteht. Die Rückabwicklung
hat in diesem Falle vielmehr unmittelbar zwischen dem Kreditgeber und dem
Partner des finanzierten Geschäfts zu erfolgen (st.Rspr.: Senat BGHZ 133,
254, 259 ff.; 152, 331, 337; Urteile vom 26. November 2002 - XI ZR 10/00, WM
2003, 64, 66 und vom 25. April 2006 - XI ZR 193/04, WM 2006, 1003, 1005).
Dabei spielt es entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts keine Rolle, ob
die Beklagte als deutlich von der Anlagegesellschaft getrenntes
Rechtssubjekt mit nicht deckungsgleichen wirtschaftlichen Interessen
aufgetreten ist. Die auf dem Schutzzweck des Widerrufsrechts beruhende
Freistellung des Darlehensnehmers von der Verpflichtung zur Rückzahlung der
Darlehensvaluta stellt allein darauf ab, dass es sich hierbei um verbundene
Geschäfte handelt.
aa) Mit der danach entscheidungserheblichen Frage, ob der vom Kläger
geschlossene Darlehensvertrag mit dem Fondsbeitritt ein verbundenes Geschäft
bildet, hat sich das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft nicht näher befasst,
sondern ist unter Zugrundelegung der Entscheidungen des II. Zivilsenats des
Bundesgerichtshofs vom 21. Juli 2003 (BGHZ 156, 46 ff.) und des erkennenden
Senats vom 23. September 2003 (XI ZR 135/02, WM 2003, 2232 ff.) - zudem im
Rahmen der Prüfung des Durchgriffs von Einwendungen aus dem finanzierten
Geschäft sowie der Frage der Zurechnung der Haustürsituation - von einem
verbundenen Geschäft im Sinne des § 9 VerbrKrG ausgegangen, ohne dazu
Feststellungen zu treffen.
Nach dieser Rechtsprechung, an der festgehalten wird, wird eine
wirtschaftliche Einheit im Sinne von § 9 Abs. 1 Satz 2 VerbrKrG
unwiderleglich vermutet, wenn der Kreditvertrag nicht auf Grund eigener
Initiative des Kreditnehmers zustande kommt, der von sich aus die Bank um
Finanzierung seines Anlagegeschäfts ersucht, sondern deshalb, weil der
Vertriebsbeauftragte des Anlagevertreibers dem Interessenten zugleich mit
den Anlageunterlagen einen Kreditantrag des Finanzierungsinstituts vorgelegt
hat, das sich zuvor dem Anlagevertreiber gegenüber zur Finanzierung bereit
erklärt hatte (BGHZ 156, 46, 51; Senat, Urteile vom 23. September 2003 - XI
ZR 135/02, WM 2003, 2232, 2234 und vom 25. April 2006 - XI ZR 193/04, WM
2006, 1003, 1005).
Das war nach dem Tatsachenvortrag des Beklagten hier der Fall. Danach habe
die Klägerin im Vorfeld gemeinsam mit anderen Volksbanken mit der W. GmbH
vereinbart, dass diese mit der von ihr eingeschalteten Vertriebsorganisation
für die Klägerin, die ihr zu diesem Zwecke Darlehensvertragsmuster
überlassen habe, die Darlehensverträge anbahnt und unterschriftsreif
vorbereitet. Es seien insoweit für die beteiligten Volksbanken Tranchen
festgelegt worden. Die Abgrenzung der Finanzierungstranchen unter den
Volksbanken habe intern zwischen dem W. -Vertrieb und den Volksbanken
stattgefunden, ohne dass die Darlehensnehmer hierauf Einfluss gehabt hätten.
Die finanzierte Kapitalanlage sei - was die Klägerin gewusst habe - vom
Vertrieb im Paket angeboten worden. Dies sei auch im Falle des Beklagten
geschehen. Da dieser Vortrag von der Klägerin in wesentlichen Punkten,
insbesondere was den gemeinsamen Vertrieb von Kapitalanlage und Darlehen und
das Überlassen von Darlehensvertragsformularen angeht, bestritten worden ist
und das Berufungsgericht dem unter Beweis gestellten Vorbringen des
Beklagten nicht nachgegangen ist, ist das Berufungsurteil insoweit
rechtsfehlerhaft.
bb) Dass der notariell beurkundete Fondsbeitritt des Beklagten entgegen der
Auffassung der Revision nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 HWiG isoliert nicht
widerrufbar wäre (vgl. BGHZ 144, 223, 226 ff.; Senat, Urteile vom 2. Mai
2000 - XI ZR 108/99, WM 2000, 1247, 1249, vom 18. März 2003 - XI ZR 188/02,
WM 2003, 918, 921, vom 29. April 2003 - XI ZR 201/02, WM 2004, 21, 23, vom
14. Oktober 2003 - XI ZR 134/02, WM 2003, 2328, 2330 f. und vom 2. Dezember
2003 - XI ZR 53/02, WM 2004, 417, 420 f.), führt zu keiner anderen
Beurteilung. Auch bei notarieller Beurkundung des finanzierten Geschäfts
kann auf Grund der Verbundenheit der beiden Verträge eine Befreiung des
Kreditnehmers von der Pflicht zur Darlehensrückzahlung nach § 3 HWiG geboten
sein (vgl. Senat, Beschlüsse vom 16. September 2003 - XI ZR 447/02, WM 2003,
2184, 2186 und vom 23. September 2003 - XI ZR 325/02, WM 2003, 2186, 2187
für die Kreditfinanzierung einer Eigentumswohnung). Der dem Ausschluss des
Widerrufsrechts nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 HWiG zugrunde liegende Gedanke, dass
bei notarieller Beurkundung ein Übereilungsschutz durch eine
Widerrufsmöglichkeit nicht erforderlich ist (BT-Drucks. 10/2876 S. 12), gilt
nicht zwangsläufig auch für den nicht beurkundeten Darlehensvertrag. Liegen
für diesen die Voraussetzungen eines Widerrufs vor, bedarf es weiterhin des
Schutzes vor dem übereilten Vertragsabschluss, der auf Grund der
Verbundenheit der beiden Geschäfte auch auf das beurkundete Geschäft zu
erstrecken ist (vgl. Althammer BKR 2003, 280, 283 f.; kritisch Westermann
ZIP 2002, 189, 195).
b) Die Grundsätze der Rechtsprechung des II. Zivilsenats des
Bundesgerichtshofs zur fehlerhaften Gesellschaft stehen der Freistellung des
Beklagten von der Darlehensrückzahlung, anders als das Berufungsgericht
gemeint hat, nicht entgegen. Nach diesen Grundsätzen ist ein fehlerhafter
Gesellschaftsbeitritt, wenn er in Vollzug gesetzt worden ist, grundsätzlich
zunächst wirksam. Der Gesellschafter hat aber das Recht, sich im Wege der
außerordentlichen Kündigung von seiner Beteiligung für die Zukunft zu lösen.
An Stelle des ihm nach allgemeinen Grundsätzen zustehenden Anspruchs auf
Rückzahlung der geleisteten Einlage tritt alsdann das ihm nach den
Grundsätzen gesellschaftsrechtlicher Abwicklung zustehende
Abfindungsguthaben (BGHZ 156, 46, 52 f.). Die Beschränkung auf das
Abfindungsguthaben hat nicht zur Folge, dass er auch dem Kreditgeber im
Falle des Widerrufs des Darlehensvertrages nur seinen Abfindungsanspruch
entgegensetzen kann und eine eventuelle Differenz gegenüber der noch offenen
Darlehensvaluta zu zahlen hat.
aa) Zweck der Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft ist es, im Interesse
des Rechtsverkehrs an der Erhaltung einer Haftungsgrundlage und der
Gesellschafter an der Bewahrung der geschaffenen Werte der Gesellschaft für
die Vergangenheit Bestandsschutz zu gewähren (vgl. BGHZ 55, 5, 8;
MünchKommBGB/Ulmer, 4. Aufl. § 705 Rdn. 347). Dieser Zweck wird nicht
tangiert, wenn der Gesellschafter nicht den Gesellschaftsbeitritt, sondern
den zu seiner Finanzierung geschlossenen Darlehensvertrag widerruft. Der II.
Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat dementsprechend entschieden, dass in
einem solchen Fall die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft im Verhältnis
des Gesellschafters zu der kreditgebenden Bank keine Anwendung findet und
der kreditnehmende Gesellschafter der Bank lediglich zur Übertragung des
finanzierten Gesellschaftsanteils bzw. seiner Rechte aus dem fehlerhaften
Beitritt verpflichtet ist, nicht aber die Darlehensvaluta zurückzahlen muss
(BGHZ 159, 280, 287 f. und BGH, Urteil vom 14. Juni 2004 - II ZR 385/02, WM
2004, 1527, 1529; so auch OLG Stuttgart WM 2005, 972, 980 und WM 2005, 981,
985; MünchKommBGB/Habersack, 4. Aufl. § 358 Rdn. 87, 92; Staudinger/Kessal-Wulf,
BGB Neubearb. 2004 § 358 Rdn. 67; anders bei Widerruf nur des
Fondsbeitritts: BGH, Urteil vom 31. Januar 2005 - II ZR 200/03, WM 2005,
547, 549).
bb) Das steht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des erkennenden
Senats, nach der der Kreditnehmer zum Schutz seiner Entscheidungsfreiheit,
ob er den Kreditvertrag widerrufen will oder nicht, bei einem verbundenen
Geschäft von Belastungen durch das finanzierte Geschäft freizustellen ist (BGHZ
133, 254, 259 ff. sowie Senat, Urteil vom 25. April 2006 - XI ZR 193/04, WM
2006, 1003, 1006 m.w.Nachw.). Dieser gesetzliche Schutzzweck würde, was von
einem Teil der Literatur verkannt wird (Westermann ZIP 2002, 240, 244 f.;
Edelmann BKR 2002, 801, 803; Wallner BKR 2003, 92, 96 ff.; Althammer BKR
2004, 280, 284 f.), gefährdet, wenn der Darlehensnehmer das wirtschaftliche
Risiko des Fondsbeitritts zu tragen hätte.
cc) Bei Vorliegen eines verbundenen Geschäfts steht die bisherige
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Einklang mit den Urteilen des
Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 25. Oktober 2005 (Rs
C-350/03, WM 2005, 2079 ff. - Schulte und Rs C-229/04, WM 2005, 2086 ff. -
Crailsheimer Volksbank), nach denen der Anleger bei einem in der
Haustürsituation abgeschlossenen Darlehen im Fall der Nichtbelehrung über
sein Widerrufsrecht von den Risiken der finanzierten Anlage freizustellen
ist, die er bei ordnungsgemäßer Belehrung hätte vermeiden können. Es bedarf
daher keiner Entscheidung der Frage, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang
diese Urteile auf der Grundlage des geltenden Rechts bei Nichtvorliegen
eines verbundenen Geschäfts umgesetzt werden können (vgl. dazu Senat, Urteil
vom 16. Mai 2006 - XI ZR 6/04, Umdruck S. 12 ff., für BGHZ vorgesehen,
m.w.Nachw.).
3. Darüber hinaus trägt die - rechtsfehlerhafte - Begründung des
Berufungsgerichts nicht die Abweisung der negativen Feststellungswiderklage.
Selbst wenn die Klägerin, wie das Berufungsgericht gemeint hat, nach § 3
HWiG noch einen Rückzahlungsanspruch gegen den Beklagten hätte, stünden ihr
nach dem Widerruf aus den Darlehensverträgen keine Ansprüche mehr zu. Der
Anspruch aus § 3 HWiG ist nach der Konzeption des Gesetzes kein
vertraglicher Anspruch, sondern ein davon zu unterscheidender besonders
ausgestalteter Bereicherungsanspruch (Senat BGHZ 131, 82, 87; 152, 331, 339;
Urteil vom 25. April 2006 - XI ZR 193/04, WM 2006, 1003, 1006).
III. Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die
Sache, da sie nicht zur Entscheidung reif ist, zur weiteren Sachaufklärung
an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Dieses
wird Feststellungen zum Vorliegen eines verbundenen Geschäfts nach § 9 Abs.
1 VerbrKrG zu treffen haben.
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