Vorleistungspflicht, Einrede des nichterfüllten Vertrags (§ 320 BGB) und Fälligkeit der Gegenleistung


BGH, Urt. v. 7. Dezember 2004 - X ZR 12/03


Fundstelle:

NJW-RR 2005, 388


Amtl. Leitsatz:

Eine von den Parteien eines Werkvertrages im Rahmen einer Zahlungsabrede vereinbarte Vorleistungspflicht des Bestellers, die diesen mit der Einrede des nicht erfüllten Vertrages ausschließt, erlischt, wenn die Werkleistung fällig wird.


Zentrales Problem:

Die Entscheidung behandelt ein wichtiges Detailproblem des allgemeinen Schuldrechts. Wer zur Vorleistung verpflichtet ist, hat gegen den ihn geltend gemachten Leistungsanspruch eigentlich nicht die Einrede des nichterfüllten Vertrags aus § 320 BGB. Diese lebt aber in dem Zeitpunkt wieder auf, in welchem die Gegenleistung, für welche die Vorleistung eigentlich hätte erbracht werden müssen, ihrerseits fällig ist. Dies gilt auch dann, wenn die Vorleistung vorher zu Unrecht verweigert wurde.

©sl 2005


Tatbestand:

Die Beklagte bestellte am 1. Dezember 2000 bei dem Kläger einen nach den Wünschen der Beklagten herzustellenden Absetzkipper mit einer Lieferzeit von "max. 10 Wochen ab Bestelldatum", wobei hinsichtlich der Zahlung vereinbart wurde, daß bei Anzeige der Lieferbereitschaft ein Scheck übergeben werden sollte, der nach Übergabe des Absetzkippers eingelöst werden sollte. Als der Absetzkipper schließlich nach mehrmaliger Mahnung durch die Beklagte am 9. April 2001 angeliefert wurde, übergab die Beklagte dem Kläger einen auf den 12. April 2001 vordatierten Scheck. Als der Kläger den Scheck am 18. April 2001 über seine Bank zur Zahlung vorlegte, wurde er nicht eingelöst, weil die Beklagte den Scheck mit Schreiben vom 11. April 2001 gegenüber der bezogenen Bank hatte sperren lassen.

Der Kläger hat ein Vorbehaltsurteil erwirkt, das mit dem Schlußurteil des Landgerichts für vorbehaltlos erklärt worden ist. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben.

Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter. Der Kläger tritt dem entgegen.



Aus den Gründen:

Die zulässige Revision hat Erfolg; sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung sowie zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, dem auch die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen wird.

1. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Parteien hätten bezüglich der Zahlung des Werklohns für den Absetzkipper eine Vorleistungspflicht der Beklagten und ein Aufrechnungsverbot vereinbart; deshalb sei auch ein Zurückbehaltungsrecht der Beklagten wegen Mängeln des gelieferten Werks ausgeschlossen. Die vereinbarte Klausel entspreche der im Handelsverkehr üblichen Klausel "cash on delivery", die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Vorleistungspflicht des Käufers und ein Aufrechnungsverbot enthalte. Die Vorleistungspflicht der Beklagten sei nicht dadurch entfallen, daß der Kläger mit der Lieferung des Absetzkippers in Verzug geraten sei. Zwar könne eine Vorleistungspflicht des Käufers entfallen, solange der Verkäufer sich in Verzug befinde, dies gelte aber nicht, sobald der Verkäufer als Vorleistungsberechtigter seine eigenen vertraglichen Leistungsverpflichtungen vorbehaltlos anerkenne. Spätestens ab dem Zeitpunkt, zu dem der Kläger lieferbereit gewesen sei, sei die Beklagte mit der durch Scheck zu bewirkenden Zahlung vorleistungspflichtig gewesen.

2. Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

a) Der Scheckschuldner, der dem Gläubiger im Grundgeschäft ein Zurückbehaltungsrecht oder die Einrede des nicht erfüllten Vertrags entgegenhalten kann, kann diesem regelmäßig auch bei einer Klage aus dem Scheck seine Einreden entgegenhalten, es sei denn, es ergibt sich aus den Umständen der Scheckbegebung etwas anderes. Da im Verhältnis zwischen den Vertragsparteien die Annahme eines Wechsels oder die Ausstellung eines Schecks letztlich nur die Wirkung einer Umkehr der Beweislast hat, kann die Einrede des nicht erfüllten Vertrags grundsätzlich auch dem Wechsel-oder Scheckanspruch des anderen Teils entgegengehalten werden, sofern nicht die Erhebung der Einrede nach den Umständen gegen Treu und Glauben verstößt, insbesondere deshalb, weil der Schuldner ausdrücklich oder konkludent auf die Einrede verzichtet hat (BGHZ 57, 292, 300 f.; BGHZ 85, 346, 348 f.).

Die Feststellungen des Berufungsgerichts genügen nicht für seine Annahme, es liege ein Verstoß gegen Treu und Glauben vor.

b) Das Berufungsgericht hat sich bei der Auslegung der Zahlungsvereinbarung der Parteien auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 19. September 1984 (NJW 1985, 550) zu der im Handelsverkehr üblichen Klausel "cash on delivery" bezogen, nach der diese Klausel eine Vorleistungspflicht des Käufers und ein Aufrechnungsverbot enthalte. Dabei hat das Berufungsgericht jedoch eine andere Formulierung der Auftragsbestätigung zugrunde gelegt, als das Landgericht sie festgestellt hat und als sie sich aus der Urkunde ergibt. Dort heißt es, daß der Scheck nach -und nicht wie vom Berufungsgericht bei seiner Auslegung zugrunde gelegt bei -Lieferung eingelöst wird.

Danach kann bereits zweifelhaft sein, ob sich die zitierte Rechtsprechung zu der Klausel "cash on delivery" auf den vorliegenden Fall übertragen läßt. Wie der Bundesgerichtshof in der genannten Entscheidung (aaO) ausgeführt hat, stellt die Klausel "cash on delivery" eine Barzahlungsabrede des Inhalts dar, daß die Geldleistungspflicht nur durch Barzahlung bzw. Überweisung oder eine diesen Zahlungsformen gleichgestellte Hingabe eines gedeckten Schecks erfüllt werden kann; er hat auf eine der Lieferung per Nachnahme vergleichbare Situation abgestellt (NJW 1985, 550 rechte Spalte). Wenn hier in der Auftragsbestätigung eine Einlösung des Schecks nach Lieferung vorgesehen war, so ist bereits zweifelhaft, ob dies einer solchen Barzahlung bei Lieferung gleichgestellt werden kann.

Das Berufungsgericht hat aber jedenfalls bei seiner Vertragsauslegung den Sachverhalt nicht vollständig ausgeschöpft. Es hat nämlich nicht berücksichtigt, daß die Parteien von dieser in der Auftragsbestätigung vorgesehenen Handhabung abgewichen sind, indem die Beklagte nicht bereits bei Anzeige der Lieferbereitschaft, sondern, erst als der Absetzkipper am 9. April 2001 angeliefert wurde, einen zudem auf den 12. April 2001 vordatierten Scheck übergeben hat, den der Kläger am 18. April 2001 seiner Bank vorgelegt hat. Sind die Parteien danach einvernehmlich von der zuvor vereinbarten Klausel abgewichen, so kommt es auf die Auslegung dieser Klausel nicht an, sondern dar-auf, welche Zahlungsmodalitäten die Parteien statt dessen in beiderseitigem Einvernehmen zugrunde gelegt haben. Dies hat das Berufungsgericht bei seiner Auslegung nicht in Betracht gezogen. Jedenfalls dieser Gesichtspunkt könnte einer Vorleistungspflicht der Beklagten entgegenstehen.

c) Das Berufungsgericht hat angenommen, die Vorleistungspflicht der Beklagten sei auch nicht dadurch entfallen, daß der Kläger mit der Lieferung des Absetzkippers in Verzug geraten sei. Verzug des Klägers ergebe sich allerdings nicht nur aus der Vereinbarung der 10-wöchigen Lieferzeit, sondern auch aus den Mahnungen der Beklagten. Der Kläger habe aber seine Leistungsverpflichtung nie in Abrede gestellt, so daß spätestens ab dem Zeitpunkt, zu dem er lieferbereit gewesen sei, die Beklagte wieder mit der durch Scheck zu bewirkenden Zahlung vorleistungspflichtig gewesen sei.

Das Berufungsgericht ist damit von einer sogenannten beständigen Vorleistungspflicht der Beklagten ausgegangen. Es hat jedoch nicht festgestellt, daß die Lieferpflicht von der Erfüllung der Verpflichtung der Beklagten abhängen sollte, was Voraussetzung für die Annahme einer beständigen Vorleistungspflicht ist (BGH, Urt. v. 20.12.1985 -V ZR 200/84, NJW 1986, 1164; Urt. v. 11.07.1989 -XI ZR 61/88, NJW-RR 1989, 1356, 1357). Vielmehr ist das Berufungsgericht von der Fälligkeit der Lieferverpflichtung ausgegangen und hat sogar den Verzug des Klägers festgestellt. Eine einfache, nicht beständige Vorleistungspflicht der einen Partei im Rahmen eines gegenseitigen Vertrags entfällt aber nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in dem Zeitpunkt, in dem die Gegenleistung fällig wird. Diese Rechtsfolge tritt unabhängig davon ein, ob der (früher) Vorleistungspflichtige die ihm obliegende Leistung schuldhaft nicht rechtzeitig erbracht hat (BGH, Urt. v. 20.12.1985, aaO).

3. Das Berufungsgericht wird daher zunächst zu klären haben, ob nach Auslegung der Vereinbarung der Parteien eine Vorleistungspflicht und gegebenenfalls eine beständige Vorleistungspflicht der Beklagten begründet werden sollte. Ist dies nicht der Fall, so wird das Berufungsgericht nunmehr zu klären haben, ob die Beklagte Mängel rechtzeitig gerügt hat und gegebenenfalls, ob diese Mängel vorliegen.