Voraussetzungen der Geschäftsunfähigkeit,
Beweislast; Sittenwidrigkeit einer Schenkung wegen der Motivation des
Beschenkten, Ausnutzung einer Situation der Willensschwäche
BGH, Urteil vom 26. April 2022 - X ZR 3/20 - OLG Köln
Fundstelle:
noch nicht bekannt
Amtl. Leitsatz:
a) Zur substantiierten Darlegung von
Geschäftsunfähigkeit nach § 104 Nr. 2, § 105 Abs. 2 BGB genügt der Vortrag
konkreter Anhaltspunkte, aufgrund derer die Möglichkeit der
Geschäftsunfähigkeit nicht von der Hand zu weisen ist. b) Die
Sittenwidrigkeit eines unentgeltlichen Geschäfts gemäß § 138 Abs. 1 BGB kann
sich nicht nur aus Motiven des Zuwendenden ergeben, sondern auch und sogar
in erster Linie aus den Motiven des Zuwendungsempfängers.
Zentrale Probleme:
Grundlagenprobleme des AT zur Geschäftsunfähigkeit sowie
zur Sittenwidrigkeit nach § 138 I BGB in der Fallgruppe der Ausnutzung einer
Situation des Willensschwäche. Offenbar sollte hier ein alter Mensch in
einer Notlage "abgezockt" werden. Man fragt sich, welcher Notar in einer
solchen Situation offenbar im Krankenhaus eine Beurkundung vornimmt ...
S. dazu auch BGH, Urteil vom 15. November 2022 - X ZR
40/20.
©sl 2022
Tatbestand:
1 Der Kläger begehrt von der Beklagten die
Rückabwicklung eines Grundstücksübertragungsvertrags.
2
Der 1928 geborene Kläger lernte die rund 53 Jahre jüngere Beklagte
im Jahr 2015 kennen. In der Folgezeit kümmerte sich die Beklagte um
die Verwaltung der dem Kläger gehörenden Mietshäuser. Sie wohnte kostenfrei
in einer dem Kläger gehörenden Immobilie.
3 Ab dem 7. August 2018
wurde der Kläger wegen einer Lungenentzündung stationär in einem Krankenhaus
behandelt. Am 9. August erteilte er der Beklagten eine Vorsorgevollmacht. Am
22. August wurde er auf eine Intensivstation verlegt. Am 26. August
widerrief er die Vorsorgevollmacht durch Unterzeichnung eines Formulars, das
eine seiner Töchter zur Verfügung stellte. Am 27. August 2018 gab er
eine notarielle Erklärung ab, in der er die Annahme der Beklagten als Kind
beantragte und der Beklagten umfassende Vollmachten erteilte.
Am 28. August wurde er wieder auf eine normale Krankenstation verlegt.
In einem notariellen Vertrag vom 30. August 2018 übertrug er der
Beklagten im Wege der vorweggenommenen Erbfolge unter Anrechnung auf etwaige
Pflichtteilsansprüche zwei Grundstücke. Die Beklagte wurde am 19.
Oktober als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen. Mit Schreiben vom
6. November 2018 widerrief der Kläger alle zugunsten der Beklagten
abgegebenen Willenserklärungen.
4 Der Kläger hat geltend
gemacht, er sei zum Zeitpunkt der Übertragung der Grundstücke nicht
geschäftsfähig gewesen und zudem in sittenwidriger Weise zum
Abschluss des Übertragungsvertrags gedrängt worden.
5 Das Landgericht
hat die auf Berichtigung des Grundbuchs gerichtete Klage abgewiesen. Die
Berufung des Klägers ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Senat
zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Die Beklagte
tritt dem Rechtsmittel entgegen.
Entscheidungsgründe:
6 Die zulässige Revision hat Erfolg und führt zur Zurückverweisung
der Sache an das Berufungsgericht.
7 I. Das Berufungsgericht hat
seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
8
Hinsichtlich einer Nichtigkeit des Übertragungsvertrags vom 30. August 2018
wegen Geschäftsunfähigkeit lägen keine Anhaltspunkte vor. Soweit der Kläger
hierfür auf einzelne Untersuchungen im Krankenhaus abstelle, verfange dies
nicht. Aus den weiteren medizinischen Unterlagen ergebe sich, dass sich der
Zustand des Klägers schon am 28. August wieder gebessert habe. Ausweislich
einer Stellungnahme des Chefarztes gegenüber der Polizei vom 26. November
2018 sei im Rahmen der ab 21. August erfolgten neuropsychologischen
Behandlung keine massive kognitive Beeinträchtigung beschrieben worden.
Zudem sei davon auszugehen, dass der Kläger bei auch nur zeitlich
bestehender Geschäftsunfähigkeit nicht ohne weiteres am 13. September 2018
nach Hause entlassen worden wäre. Nach alledem lägen objektive Anhaltspunkte
nicht vor, so dass eine Beweisaufnahme zu Recht unterblieben sei.
9
Das Landgericht habe ferner zu Recht angenommen, dass keine Umstände
vorlägen, die die Annahme einer Sittenwidrigkeit rechtfertigten.
10 Ein Anspruch gemäß § 812 BGB scheide aus, weil die Schenkung nicht an
eine Gegenleistung geknüpft gewesen sei und nicht unter einer
Bedingung gestanden habe. Eine Rückübertragungsklausel sei ausdrücklich
nicht gewünscht gewesen.
11 II. Dies hält der rechtlichen Nachprüfung
nicht stand.
12 1. Das Berufungsgericht durfte die
Geschäftsfähigkeit des Klägers nicht ohne Beweisaufnahme bejahen.
13 a) Der Kläger hat hinreichende Anhaltspunkte vorgetragen, die auf
eine Geschäftsunfähigkeit am 30. August 2018 hindeuten.
14 aa)
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs trifft die
Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der Frage, ob eine Person bei Abgabe
einer Willenserklärung (vorübergehend) geschäftsunfähig im Sinne von § 104
Nr. 2, § 105 Abs. 2 BGB war, diejenige Partei, die sich auf die
Geschäftsunfähigkeit beruft.
15 Substantiiert
dargelegt ist dieser Umstand, wenn das Gericht auf der Grundlage des
Parteivorbringens zu dem Ergebnis gelangen muss, die Voraussetzungen der §
104 Nr. 2, § 105 Abs. 2 BGB lägen vor. Auf die Wahrscheinlichkeit des
Vortrags kommt es nicht an (BGH, Urteil vom 5. Dezember 1995 - XI
ZR 70/95, NJW 1996, 918, juris Rn. 12; Beschluss vom 14. März 2017 - VI ZR
225/16, MDR 2017, 783 Rn. 13; Beschluss vom 18. September 2018 - XI ZR
74/17, MDR 2019, 692 Rn. 28). Ebenso wie im Zusammenhang mit der Frage der
Prozessunfähigkeit (dazu BGH, Urteil vom 24. September 1955 - IV ZR 162/54,
BGHZ 18, 184, juris Rn. 23; Urteil vom 8. Juli 2021 - III ZR 344/20, NJW
2022, 73 Rn. 13) genügt jedenfalls der Vortrag
konkreter Anhaltspunkte, aufgrund derer die Möglichkeit der
Geschäftsunfähigkeit nicht von der Hand zu weisen ist.
16
bb) Diesen Anforderungen wird das Vorbringen des Klägers im Streitfall
gerecht.
17 Wie die Revision zu Recht geltend macht, hat der Kläger
vorgetragen, aus einem am 29. August 2018 durchgeführten Uhrentest, aus
seiner damaligen Situation im Krankenhaus, aus dem Krankheitsverlauf und aus
den erhobenen Befunden ergebe sich, dass er am 30. August 2018 seine
Entscheidungen nicht mehr von vernünftigen Erwägungen habe abhängig machen
können. Er hat hierzu ein Attest seines behandelnden Arztes vom 12. Dezember
2018 vorgelegt, nach dessen Einschätzung eine deutliche kognitive
Beeinträchtigung und erhebliche Einschränkungen der Geschäftsfähigkeit
vorgelegen haben, und ergänzend die Einholung eines
Sachverständigengutachtens sowie die Vernehmung der ihn behandelnden Ärzte
als sachverständige Zeugen beantragt.
18 Damit sind, wie auch das
Berufungsgericht im Ansatz nicht verkannt hat, konkrete Anhaltspunkte
vorgetragen, die eine Geschäftsunfähigkeit zumindest während des Aufenthalts
auf der Intensivstation, also vom 22. bis 28. August 2018 als naheliegend
erscheinen lassen.
19 b) Entgegen der Auffassung des
Berufungsgerichts war bei dieser Ausgangslage eine Beweisaufnahme zur Frage
der Geschäftsunfähigkeit am 30. August 2018 erforderlich.
20 Wie auch
das Berufungsgericht im Ansatz nicht verkannt hat, bedarf es zur Beurteilung
der Frage, ob die vom Kläger vorgetragenen Anhaltspunkte
die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er während des Aufenthalts auf der
Intensivstation geschäftsunfähig war, besonderer Sachkunde.
21
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts gilt für die Frage, ob dieser
Zustand in der Folgezeit angedauert hat, angesichts des kurzen Zeitraums, um
den es im Streitfall insoweit geht, nichts anderes.
22 Das
Berufungsgericht hat dies der Sache nach erkannt und sich mit der Frage
befasst, welche Schlussfolgerungen aus den vom Kläger vorgetragenen Indizien
gezogen werden können. Diese Frage durfte es jedoch allenfalls dann ohne
Einholung eines Sachverständigengutachtens beurteilen, wenn es selbst über
die erforderliche Sachkunde verfügt und die Parteien darauf
hingewiesen hätte. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
23 c)
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts können aus dem Verhalten der
behandelnden Ärzte keine Schlussfolgerungen gezogen werden, die die
Einholung eines Sachverständigengutachtens entbehrlich machen.
24 Aus
den Feststellungen des Berufungsgerichts ergeben sich keine Anhaltspunkte
dafür, dass die Frage der Geschäftsunfähigkeit des Klägers im Fokus der
Behandlung stand. Es gibt auch keinen Erfahrungssatz des Inhalts, dass
ein Krankenhaus von der zeitnahen Entlassung eines geschäftsunfähigen
Patienten absieht.
25 d) Wie die Revision ebenfalls zu Recht geltend
macht, durfte das Berufungsgericht seine Beurteilung zudem nicht auf eine
schriftliche Äußerung des behandelnden Chefarztes stützen, ohne diesen als
Zeugen zu vernehmen.
26 Die Verwertung der Niederschrift einer
Zeugenaussage aus einem anderen Verfahren im Wege des Urkundenbeweises ist
zwar grundsätzlich zulässig. Sie vermag die Vernehmung dieser Person als
Zeugen aber nicht zu ersetzen, wenn eine Partei diese gegenbeweislich
beantragt (BGH, Urteil vom 12. Juli 2013 - V ZR 85/12, MDR 2013, 1184 Rn. 8;
Beschluss vom 25. September 2018 - VI ZR 443/16, NJW-RR 2018, 1534 Rn. 13).
27 Im Streitfall hat der Kläger den behandelnden Chefarzt als
sachverständigen Zeugen dafür benannt, dass er am 30. August 2018
geschäftsunfähig war. Wenn das Berufungsgericht die Wahrnehmungen dieses
Zeugen als erheblich ansah, durfte es dessen schriftliche Äußerungen nicht
zum Nachteil des Klägers verwerten, ohne den Zeugen vernommen zu haben.
28 2. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung lässt
sich auch die Sittenwidrigkeit des Übertragungsvertrags nicht verneinen.
29 a) Zutreffend hat das Berufungsgericht den Vertrag als
Schenkung der beiden Grundstücke angesehen.
30 b) Entgegen
der Auffassung des Landgerichts, der das Berufungsgericht beigetreten ist,
ist die Sittenwidrigkeit des Vertrags nicht allein deshalb zu verneinen,
weil der Kläger die Beklagte als Kind annehmen und finanziell absichern
wollte und weil Zuwendungen an Partner einer Liebesbeziehung für
sich gesehen nicht sittenwidrig sind.
31 aa) Ein
Rechtsgeschäft ist sittenwidrig im Sinne von § 138 Abs. 1 BGB, wenn es nach
seinem Inhalt oder Gesamtcharakter gegen das Anstandsgefühl aller billig und
gerecht Denkenden verstößt.
32 Verstößt das
Rechtsgeschäft nicht bereits seinem Inhalt nach gegen die grundlegenden
Wertungen der Rechts- oder Sittenordnung, muss ein persönliches Verhalten
des Handelnden hinzukommen, das diesem zum Vorwurf gemacht werden kann
(BGH, Urteil vom 16. Juli 2019 - II ZR 426/17, NJW 2019, 3636 Rn.
24). Hierbei ist der aus der Zusammenfassung von Inhalt, Zweck
und Beweggrund zu entnehmende Gesamtcharakter des Verhaltens maßgeblich (BGH,
Urteil vom 4. Juni 2013 - VI ZR 288/12, NJW-RR 2013, 1448 Rn. 14).
Je nach Einzelfall kann sich die Sittenwidrigkeit bereits aus einem dieser
Elemente oder aus einer Kombination mehrerer Elemente und deren
Summenwirkung ergeben (BGH, Urteil vom 2. Februar 2012 - III ZR
60/11, MDR 2012, 333 Rn. 20).
33 Die Sittenwidrigkeit eines
unentgeltlichen Geschäfts gemäß § 138 Abs. 1 BGB kann sich nicht nur aus
Motiven des Zuwendenden ergeben, sondern auch und sogar in erster Linie aus
den Motiven des Zuwendungsempfängers. So kann es sich um einen Fall handeln,
in dem aus fremder Bedrängnis in sittenwidriger Weise Vorteile gezogen
werden. Hierfür kann von Bedeutung sein, ob der Schenker sich den Wünschen
des Beschenkten aufgrund seiner Persönlichkeitsstruktur nicht oder kaum
hätte entziehen können, ob der Beschenkte dies wusste oder sich einer
derartigen Erkenntnis leichtfertig verschloss und ob er die fehlende oder
geschwächte Widerstandskraft des Schenkers eigensüchtig ausgenutzt oder es
sogar darauf angelegt hat (BGH, Urteil vom 4. Juli 1990 - IV ZR
121/89, FamRZ 1990, 1343, juris Rn. 14). In diesem Zusammenhang
können die in § 138 Abs. 2 BGB besonders hervorgehobenen Gesichtspunkte auch
im Rahmen des § 138 Abs. 1 BGB von Bedeutung sein (BGH, Urteil vom
22. Januar 1991 - VI ZR 107/90, NJW 1991, 1046, juris Rn. 15).
34 bb)
Das Landgericht und das Berufungsgericht haben sich lediglich mit der
Motivation des Klägers und dessen Vortrag zum Verhalten der Beklagten nach
Vertragsschluss befasst. Dies hält einer Überprüfung anhand des aufgezeigten
Maßstabs nicht stand, weil sich die Sittenwidrigkeit auch aus dem Verhalten
der Beklagten im Vorfeld des Vertragsschlusses ergeben kann.
35 Wie
die Revision zutreffend geltend macht, können die Umstände, aus denen der
Kläger seine Geschäftsunfähigkeit ableiten will, auch im Zusammenhang mit §
138 Abs. 1 BGB von Bedeutung sein.
36 Wenn die
gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers oder sonstige Umstände des
Krankenhausaufenthalts zu einem Zustand der Willensschwäche oder der
leichten Beeinflussbarkeit geführt haben, kann dies entgegen der Auffassung
des Berufungsgerichts auch dann die Nichtigkeit des Vertrags begründen, wenn
die freie Willensbildung nicht vollständig ausgeschlossen war.
Das Berufungsgericht hätte sich deshalb mit der Frage auseinandersetzen
müssen, ob die Beklagte den Zustand des Klägers bewusst und gezielt
ausgenutzt hat, um diesen noch während des Krankenhausaufenthalts zum
Abschluss eines Vertrags zu veranlassen, den er außerhalb dieser besonderen
Situation nicht abgeschlossen hätte.
37 III. Die Sache ist
nicht zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO). Sie ist deshalb an das
Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
38 1.
Im wieder eröffneten Berufungsverfahren wird das Berufungsgericht zu klären
haben, ob der Kläger seine Willenserklärung im Zustand einer Störung seiner
Geistestätigkeit gemäß § 104 Nr. 2, § 105 Abs. 2 BGB abgegeben hat.
39 a) Wie bereits oben dargelegt wurde, wird das Berufungsgericht bei der
Beurteilung dieser Frage die Unterstützung durch einen Sachverständigen
in Anspruch nehmen müssen.
40 b) Falls das Berufungsgericht den
Vortrag der Beklagten zu einem Telefonat mit dem Steuerberater des Klägers
als relevant ansehen sollte, wird es dieses Vorbringen nicht als
unbestritten ansehen dürfen.
41 Die Beklagte hat vorgetragen, der
Kläger habe sofort zugesagt, die Schenkungsteuer zu übernehmen, und die
Beklagte gebeten, seinen Steuerberater anzurufen, um diesen Punkt
professionell abzuklären.
42 Wie die Revision zu Recht geltend macht,
hat der Kläger diesen Vortrag bereits in erster Instanz bestritten.
43 Der Kläger hat sich zum behaupteten Telefonat mit dem Steuerberater zwar
nicht ausdrücklich geäußert. Aus seinem Vorbringen, er sei völlig
überrascht gewesen, dass er Schenkungsteuer für die Beklagte zu zahlen habe,
und habe dies auch so bei Abfassung des Vertrags nicht verstanden, ergibt
sich aber implizit, dass er der Schilderung der Beklagten auch in Bezug auf
das Telefongespräch entgegentritt. Wenn der Kläger die Schenkungsteuer nicht
tragen wollte und aus seiner Sicht kein Anhaltspunkt dafür bestand, dass er
sie nach dem Vertrag zu tragen hat, bestand für ihn auch kein erkennbarer
Anlass, Kontakt zu seinem Steuerberater aufzunehmen.
44 2. Sollte
das Berufungsgericht erneut nicht zu der Überzeugung gelangen, dass beim
Kläger eine Störung der Geistestätigkeit im Sinne von § 104 Nr. 2, § 105
Abs. 2 BGB vorlag, wird es sich mit der Frage zu befassen haben, ob
der Vertrag aus den oben dargelegten Gründen als sittenwidrig anzusehen ist.
45 Im Rahmen der hierbei anzustellenden Gesamtwürdigung wird sich
das Berufungsgericht gegebenenfalls auch mit der Frage befassen müssen,
ob die Behauptung des Klägers, die Beklagte habe gedroht, ihn zu
verlassen und aus der Immobilie auszuziehen, falls er den Vertrag nicht
unterzeichne, aufgrund aller für die Beweiswürdigung relevanten Umstände (§
286 ZPO) trotz fehlenden Beweisangebots als bewiesen anzusehen ist.
46 Das Berufungsgericht wird in diesem Zusammenhang
ferner zu beachten haben, dass die Sittenwidrigkeit des
Verpflichtungsgeschäfts nicht ohne weiteres die Sittenwidrigkeit der
Übereignung zur Folge hat (BGH, Urteil vom 9. Mai 2014 - V ZR
305/12, NJW 2014, 2790 Rn. 20), und dem Kläger
gegebenenfalls Gelegenheit zur Stellung sachdienlicher Anträge geben müssen,
die diesem Umstand Rechnung tragen.
47 3. Ein Anspruch auf
Rückübertragung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage kommt auf der
Grundlage des bisherigen Sach- und Streitstands demgegenüber nicht in
Betracht.
48 Die im Vertrag enthaltene Angabe, die Übertragung
erfolge im Wege der vorweggenommenen Erbfolge unter Anrechnung auf etwaige
Pflichtteilsansprüche, spricht zwar dafür, dass beide Parteien davon
ausgingen, die Beklagte werde den Kläger beerben oder zumindest
Pflichtteilsansprüche erwerben. Weder hieraus noch aus dem sonstigen
Vorbringen der Parteien ergeben sich aber hinreichende Anhaltspunkte dafür,
dass die vereinbarte Übertragung mit dem Eintritt dieser Erwartung stehen
und fallen sollte. Der Umstand, dass der Vertrag unabhängig von dem
Adoptionsantrag beurkundet worden ist, spricht eher gegen eine solche
Verknüpfung.
49 4. Sofern das Berufungsgericht den Vertrag nicht als
sittenwidrig ansieht, wird es sich ferner mit der Frage befassen müssen, ob
das Rückforderungsbegehren schon in den Vorinstanzen darauf gestützt war,
die Beklagte habe sich des groben Undanks im Sinne von § 530 BGB schuldig
gemacht.
50 Wie die Revisionserwiderung im Ansatz zu Recht geltend
macht, kann die Widerrufserklärung vom 6. November 2018 allerdings schon
deshalb nicht auf die von der Revision insoweit als relevant angeführten
Barabhebungen gestützt sein, weil diese erst einen Tag später stattgefunden
haben.
51 Zu prüfen bleibt aber, ob der Klageschrift vom 12. November
2018 hinreichend deutlich zu entnehmen ist, dass der Kläger die
Rückabwicklung der Schenkung auch wegen der Barabhebungen vom 7. November
2018 begehrt, der Klagevortrag also als Widerrufserklärung im Sinne von §
531 Abs. 1 BGB anzusehen ist.
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