Voraussetzung eines Schenkungswiderrufs wegen
groben Undanks (§ 530 BGB); subjektive Voraussetzungen
BGH, Urteil vom 25. März 2014 - X ZR
94/12 - OLG Köln
Fundstelle:
NJW 2014, 3021
Amtl. Leitsatz:
a) Ein grob undankbares Verhalten kann sowohl
mangels Umständen, die objektiv die gebotene Rücksichtnahme auf die Belange
des Schenkers vermissen lassen, als auch deshalb zu verneinen sein, weil
sich das Verhalten des Beschenkten jedenfalls subjektiv nicht als Ausdruck
einer undankbaren Einstellung gegenüber dem Schenker darstellt. Die
Beurteilung der subjektiven Seite des Tatbestands kann jedoch in der Regel
erst dann erfolgen, wenn sich der Tatrichter darüber Rechenschaft abgelegt
hat, welche Sachverhaltselemente objektiv geeignet sind, einen den Widerruf
der Schenkung rechtfertigenden Mangel an von Dankbarkeit geprägter
Rücksichtnahme zum Ausdruck zu bringen.
b) Bei der objektiven Gesamtwürdigung der Umstände kann insbesondere zu
berücksichtigen sein, dass ein Schenker, der dem Beschenkten durch eine
umfassende Vollmacht die Möglichkeit gegeben hat, in seinem Namen in allen
ihn betreffenden Angelegenheiten tätig zu werden und erforderlichenfalls
auch tief in seine Lebensführung eingreifende Entscheidungen zu treffen, zu
denen er selbst nicht mehr in der Lage sein sollte, einen schonenden
Gebrauch von den sich hieraus ergebenden rechtlichen Befugnissen unter
bestmöglicher Wahrung seiner personellen Autonomie erwarten darf.
Zentrale Probleme:
Es geht um die Voraussetzungen des Widerrufs einer
Schenkung wegen groben Undanks nach § 530 BGB, s. dazu auch
BGH NJW 2002, 1046;
BGH NJW 2002, 2461;
BGH NJW 2006, 2330 sowie
BGH v. 13.11.2012 - X ZR 80/11.
©sl 2014
Tatbestand:
1 Die Kläger verlangen als Erben der
vormaligen Klägerin von deren Sohn die Rückübereignung eines
bebauten Grundstücks nach dem Widerruf der zugrunde liegenden Schenkung.
2 Die Mutter des Beklagten übertrug diesem das Grundstück im Jahr 2004 zum
Zweck der vorweggenommenen Erbfolge. Der Beklagte räumte seiner Mutter im
Gegenzug ein lebenslanges Wohnrecht an allen Räumen des Hauses ein. Nach
einer Vorsorgevollmacht im Jahr 2000 und einer Kontovollmacht im Jahr 2007
erteilte die Mutter dem Beklagten im Januar 2009 eine notariell beurkundete
General- und Betreuungsvollmacht.
3 Im August 2009 wurde die Mutter des Beklagten nach einem Sturz in ihrem
Haus, das sie bis zu diesem Zeitpunkt allein bewohnte, zur stationären
Behandlung in ein Krankenhaus eingeliefert. Am 15. September 2009 sollte die
Mutter nach dem Entlassungsbericht des Krankenhauses in eine Kurzzeitpflege
entlassen werden, da wegen fehlender familiärer Unterstützung eine
Versorgung im häuslichen Umfeld nicht sichergestellt werden konnte.
Stattdessen wurde die Mutter in eine vom Beklagten ausgesuchte
Pflegeeinrichtung aufgenommen. Mit dieser Einrichtung hatte der Beklagte
bereits am 1. September 2009 einen unbefristeten Heimvertrag für eine
vollstationäre Pflegeeinrichtung abgeschlossen und am darauf folgenden Tag
den Hausnotrufvertrag und den Telefonanschluss seiner Mutter gekündigt sowie
eine Kürzung der Abschlagszahlungen gegenüber den Stadtwerken veranlasst.
4 Am 25. September 2009 widerrief die Mutter des Beklagten die diesem
erteilte Vorsorge- und Betreuungsvollmacht. Zugleich kündigte sie den vom
Beklagten abgeschlossenen Langzeitpflegevertrag und beantragte eine
Kurzzeitpflege, bis die häusliche Pflege organisiert sei; die entsprechenden
Schreiben wurden von Nachbarn der Mutter auf ihre Bitte hin verfasst.
5 Noch vor der Entscheidung des Betreuungsgerichts über die Einrichtung
einer rechtlichen Betreuung für seine Mutter teilte der Beklagte dem
Pflegeheim mit Schreiben vom 16. Oktober 2009 mit, dass eine Kündigung des
Langzeitpflegevertrags nur von ihm erklärt werden dürfe und dass weder
andere Familienmitglieder noch Nachbarn zu seiner Mutter vorgelassen werden
sollten. Mit Schreiben vom 19. Oktober 2009 wies der Prozessbevollmächtigte
des Beklagten den von der Mutter bevollmächtigten Rechtsanwalt darauf hin,
dass dessen Bevollmächtigung im Hinblick auf deren kognitive Defizite
möglicherweise unwirksam sei, und forderte ihn auf, keine Korrespondenz mit
dem Pflegeheim hinter dem Rücken des Beklagten zu führen.
6 Die Mutter des Beklagten wurde während ihres Krankenhausaufenthalts und in
der Folge mehrfach in Bezug auf ihre geistigen Fähigkeiten und ihre
Pflegebedürftigkeit begutachtet. Das Gutachten zur Feststellung der
Pflegebedürftigkeit gemäß SGB XI des Medizinischen Dienstes der ... (im
Folgenden: MDK) vom 7. September 2009 stufte sie in Pflegestufe I ein und
stellte zu ihrer geistigen Leistungsfähigkeit fest, dass "eine
demenzbedingte Fähigkeitsstörung, eine geistige Behinderung oder psychische
Erkrankung" sowie "inhaltliche Denkstörungen" vorlägen. Sie sei zeitlich und
situativ desorientiert, überschätze ihre Fähigkeiten und sei in der
Alltagskompetenz erheblich eingeschränkt. Als pflegebegründende Diagnosen
wurden eine "nicht näher bezeichnete Demenz" und "Senilität" angegeben.
Mangels einer Pflegeperson wurde eine vollstationäre Pflege für notwendig
erachtet.
7 In dem Bericht der Betreuungsstelle der Stadt W. an das Betreuungsgericht
vom 5. Oktober 2009 wurden erhebliche Einschränkungen der Alltagskompetenz
wie bei einer beginnenden Demenz festgestellt, wobei der Gutachter empfahl,
den Umfang dieser Einschränkungen noch durch ein fachärztliches Gutachten
konkretisieren zu lassen.
8 Im Dezember 2009 bestellte das Betreuungsgericht den Ehemann einer Nichte
der Mutter als vorläufigen Betreuer, nachdem ein vom Gericht eingeholtes
psychiatrisches Gutachten vom 6. Dezember 2009 der Mutter einerseits zwar
die Fähigkeit zu einer freien Willensbildung, andererseits aber auch eine
beginnende dementielle Entwicklung und eine daraus resultierende
Hilfsbedürftigkeit in einigen Lebensbereichen bescheinigt hatte. Eine
Fortführung der Betreuung lehnte das Betreuungsgericht im März 2010 ab, da
die Mutter ihrem bis dahin vorläufigen Betreuer im Februar 2010 eine
notarielle Vollmacht über den Tod hinaus erteilt hatte und diese vom Gericht
aufgrund eines Sachverständigengutachtens für wirksam erachtet wurde.
9 Die Mutter des Beklagten erklärte mit Schreiben vom 28. Juni 2010 den
Widerruf der Schenkung wegen groben Undanks. Zur Begründung gab sie an dass
der Beklagte mit dem Abschluss eines Pflegevertrags auf unbestimmte Zeit
gegen ihren Willen die ihm erteilte Vollmacht missbraucht und zudem im
Betreuungsverfahren und gegenüber Dritten geäußert habe, sie sei nicht mehr
zu einer eigenen Willensbildung in der Lage.
10 Das Landgericht hat der von den Rechtsnachfolgern der während des
Rechtsstreits verstorbenen Mutter weiterverfolgten Klage stattgegeben. Das
Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen
Revision verfolgen die Kläger ihr Klagebegehren weiter. Der Beklagte tritt
dem Rechtsmittel entgegen.
Entscheidungsgründe:
11 Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen
Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
12 I. Das Berufungsgericht hat seine die Klage abweisende Entscheidung im
Wesentlichen wie folgt begründet:
13 Eine zum Widerruf der Schenkung berechtigende schwere Verfehlung des
Beklagten, die objektiv ein schwerwiegendes Fehlverhalten und subjektiv eine
tadelnswerte Gesinnung voraussetze, könne weder in Bezug auf das Verhalten
des Beklagten im zeitlichen Zusammenhang mit der Einlieferung seiner Mutter
ins Krankenhaus noch hinsichtlich seines Verhaltens nach dem Widerruf der
General- und Betreuungsvollmacht durch seine Mutter am 25. September 2009
angenommen werden.
14 Der Beklagte habe davon ausgehen dürfen, dass seine Mutter nach der
Entlassung aus dem Krankenhaus nicht in der Lage sein würde, in ihr Haus
zurückzukehren und dort alleine zu leben. So sei nach dem Entlassungsbericht
eine weitere Versorgung der Patientin im häuslichen Bereich aufgrund
fehlender familiärer Unterstützung nicht möglich gewesen. Das Gutachten zur
Feststellung der Pflegebedürftigkeit gemäß SGB XI des MDK vom 7. September
2009 habe eine voll-stationäre Pflege aufgrund der demenzbedingten
Fähigkeitsstörung der Mutter für notwendig erachtet. Beziehe man vor diesem
Hintergrund ein, dass die Mutter ausweislich ihres Schreibens vom 25.
September 2009 offenbar selber davon ausgegangen sei, noch nicht unmittelbar
nach Hause zurückkehren zu können, sondern ihrerseits die Umwandlung des
Pflegeverhältnisses in ein Kurzzeit-Pflegeverhältnis angestrebt habe, könne
der Abschluss des Pflegevertrags nicht als Verfehlung des Beklagten
gegenüber seiner Mutter, sondern nur als eine in der damaligen Situation
gebotene Maßnahme angesehen werden. Im Übrigen hätten sowohl der
Pflegevertrag als auch die sonstigen Maßnahmen des Beklagten, wie die
Kündigung des Hausnotrufs, des Telefonanschlusses und die Anpassung des
Energiebezugsvertrags der Mutter, jederzeit wieder rückgängig oder einer
gegebenenfalls geänderten Situation angepasst werden können. Schließlich
habe der Beklagte durch die Unterbringung seiner Mutter im Pflegeheim auch
keine persönlichen oder finanziellen Vorteile gehabt. Er sei weder von -
bereits zuvor nicht erbrachten und aufgrund der räumlichen Entfernung auch
nicht ohne weiteres möglichen - persönlichen Pflegeleistungen befreit
worden, noch habe er Aufwendungen erspart. Er habe im Gegenteil damit
rechnen müssen, für die Kosten des Heimaufenthalts in Anspruch genommen zu
werden.
15 Was den Widerruf der General- und Betreuungsvollmacht angehe, habe der
Beklagte nach dem Gutachten des MKD vom September 2009 annehmen dürfen, dass
seine Mutter möglicherweise geschäftsunfähig und somit der Widerruf der
Vollmacht unwirksam gewesen sei. Inwieweit dem - medizinisch nicht
ausgebildeten - Beklagten ein Gespräch mit seiner Mutter bessere
Erkenntnisse hinsichtlich ihrer Geschäftsfähigkeit hätte verschaffen können,
sei nicht ersichtlich. Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung der
vom Beklagten plausibel geschilderten Motivation seien die vom Beklagten
ausgesprochenen Besuchsverbote nicht ausreichend, um mit der für eine
Verurteilung erforderlichen Sicherheit von einem undankbaren Verhalten des
Beklagten auszugehen. Zwar liege es in der Regel im Interesse eines älteren
Menschen, auch im Heim die gewohnten Kontakte zu Nachbarn und Angehörigen
aufrechtzuerhalten. Im Hinblick auf die erheblichen familiären Konflikte
könne dem Beklagten jedoch nicht widerlegt werden, dass er mit der
ersichtlich vorläufigen Anordnung an die Leitung des Pflegeheims den Zweck
verfolgt habe, seiner Mutter eine möglichst ungestörte Eingewöhnung zu
ermöglichen. Ebenso wenig könne davon ausgegangen werden, der Beklagte habe
versucht, eine anwaltliche Vertretung seiner Mutter zu verhindern. Der
damalige Bevollmächtigte des Beklagten habe in seinem Schreiben vom 19.
Oktober 2009 den späteren Prozessbevollmächtigten seiner Mutter lediglich
untersagt, "hinter dem Rücken" seines Mandanten und damit ohne Absprache mit
dem Beklagten Korrespondenz mit dem Pflegeheim zu führen. Da der Beklagte
sich als für seine Mutter nach wie vor bevollmächtigten Betreuer habe
ansehen dürfen, könne auch diese Anordnung nicht als sicheres Anzeichen für
eine Haltung der Undankbarkeit gegenüber seiner Mutter angesehen werden.
Dies gelte umso mehr, als der Beklagte sich insoweit auch aufgrund des
anwaltlichen Rates seines damaligen Bevollmächtigten zu einer solchen
Anordnung habe berechtigt sehen können. Das Schreiben des Beklagten an das
Heim verhalte sich nicht zu einer Beratung der Mutter durch einen
Rechtsanwalt und beschränke das Kontaktverbot auf bestimmte
Familienmitglieder und Nachbarn. Schließlich könne dem Beklagten nicht
angelastet werden, dass er seine Mutter in einem Schreiben an die Klägerin
zu 1 als dement bezeichnet habe. Bei richtigem Verständnis handle es sich
hierbei nicht um eine herabsetzende Äußerung gegenüber der Mutter. Vielmehr
sei die Mutter gegenüber der Adressatin des Schreibens - wie sich aus dem
Gesamtzusammenhang ergebe - damit lediglich als hilfsbedürftige Person
beschrieben worden.
16 II. Dies hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
17 Nach § 530 Abs. 1 BGB kann der Schenker die Schenkung widerrufen,
wenn sich der Beschenkte durch eine schwere Verfehlung gegen den Schenker
oder einen nahen Angehörigen des Schenkers groben Undanks schuldig macht.
Dieses die grundsätzliche Unwiderruflichkeit eines Schenkungsversprechens
durchbrechende Recht knüpft an die Verletzung der Verpflichtung zu einer von
Dankbarkeit geprägten Rücksichtnahme auf die Belange des Schenkers an, die
dieser vom Beschenkten erwarten kann (BGH, Urteil vom 24. März 1983
- IX ZR 62/82, BGHZ 87, 145, 148). Entscheidend für die Annahme
groben Undanks gegenüber dem Schenker ist mithin, ob der Beschenkte diesen
Erwartungen in nicht mehr hinnehmbarer Weise nicht genügt hat (BGH,
Urteil vom 19. Januar 1999 - X ZR 60/97, NJW 1999, 1623).
18 1. Das Berufungsgericht ist zwar rechtlich zutreffend und
insoweit von der Revision unbeanstandet davon ausgegangen, dass der Widerruf
einer Schenkung nicht nur objektiv eine Verfehlung des Beschenkten von
gewisser Schwere voraussetzt, sondern es ferner erforderlich ist, dass die
Verfehlung auch in subjektiver Hinsicht Ausdruck einer Gesinnung des
Beschenkten ist, die in erheblichem Maße die Dankbarkeit vermissen lässt,
die der Schenker erwarten kann (BGH, Urteil vom 11. Juli 2000 - X
ZR 89/98, BGHZ 145, 35, 38; Urteil vom 11. Oktober 2005 - X ZR 270/02, FamRZ
2006, 196). Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist aufgrund einer
Gesamtwürdigung aller relevanten Umstände des Einzelfalles zu beurteilen
(BGHZ 87, 145, 149; BGH, Urteil vom 23. Mai 1984 - IVa ZR 229/82, BGHZ 91,
273, 278; Urteil vom 13. November 2012 - X ZR 80/11, NJW-RR 2013, 618 Rn.
11). Sie sind daraufhin zu untersuchen, ob und inwieweit erkennbar
wird, dass der Beschenkte dem Schenker nicht die durch Rücksichtnahme
geprägte Dankbarkeit entgegenbringt, die der Schenker erwarten darf.
Anhaltspunkte dafür, was der Schenker an Dankbarkeit erwarten darf, können
sich dabei nicht nur aus dem Gegenstand und der Bedeutung der Schenkung
sowie dem Motiv hierfür ergeben, sondern auch aus der persönlichen Beziehung
zwischen Schenker und Beschenktem. Dies gilt vor allem dann, wenn diese von
einer besonderen Verantwortlichkeit des Beschenkten gegenüber dem Schenker
geprägt ist.
19 2. Dem hieraus resultierenden Erfordernis, auch das persönliche
Verhältnis in die erforderliche Gesamtwürdigung aller Umstände des
Einzelfalls einzubeziehen, wird das Berufungsurteil nicht gerecht. Die
Würdigung des festgestellten Sachverhalts ist zwar grundsätzlich Sache des
Tatrichters, an dessen Feststellungen das Revisionsgericht gemäß § 559 Abs.
2 ZPO gebunden ist. Das Revisionsgericht kann lediglich nachprüfen, ob sich
der Tatrichter entsprechend dem Gebot des § 286 ZPO mit dem Prozessstoff und
den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat
(st. Rspr., vgl. BGHZ 145, 35, 38; BGH, Urteil vom 14. Dezember 2004 - X ZR
3/03, FamRZ 2005, 511; NJW-RR 2013, 618 Rn. 12). Dieser Prüfung hält die
Würdigung des Berufungsgerichts aber nicht stand.
20 Denn das Berufungsgericht hat das Verhalten des Beklagten, das seine
Mutter als Ausdruck groben Undanks angesehen hat, nicht in seiner Gesamtheit
erfasst und gewürdigt. Vielmehr hat es lediglich aus dem Blickwinkel
des Beklagten geprüft, ob die von ihm in Bezug auf seine Mutter getroffenen
Maßnahmen sachlich geboten und rechtlich zulässig waren oder vom Beklagten
für zulässig gehalten werden durften, und ihnen das einen Widerruf der
Schenkung rechtfertigende Gewicht abgesprochen.
21 So hat das Berufungsgericht die Frage, ob nicht bereits der Abschluss des
Heimvertrags und die Kündigung des häuslichen Telefonanschlusses und des
Notrufs der Mutter, eine schwere Verfehlung des Beklagten darstellen können,
mit dem bloßen Hinweis auf die im Gutachten des MDK festgestellte
Erforderlichkeit einer vollstationären Pflege und auf den späteren Antrag
der Mutter auf Kurzzeitpflege verneint und im Übrigen darauf verwiesen, dass
diese Maßnahmen nicht endgültiger Natur, sondern jederzeit wieder rückgängig
zu machen waren.
22 Ebenso hat das Berufungsgericht das Verhalten und die Anordnungen des
Beklagten nach dem Widerruf der General- und Betreuungsvollmacht durch die
Mutter nicht als schwere Verfehlung seitens des Beklagten angesehen, da der
Beklagte - gestützt auf die Feststellungen des MDK im Gutachten vom
September 2009 - von einer möglichen Geschäftsunfähigkeit der Mutter und
damit von der Unwirksamkeit des Widerrufs der Vollmacht habe ausgehen
dürfen, und nicht ersichtlich sei, inwieweit dem medizinisch nicht
vorgebildeten Beklagten ein - nach Auffassung des Landgerichts gebotenes -
Gespräch mit seiner Mutter bessere Erkenntnisse hinsichtlich deren
Geschäftsfähigkeit hätte verschaffen können.
23 Diese Erwägungen zeigen, dass das Berufungsgericht den Klagevortrag der
Mutter nicht in seinem Kern erfasst und gewürdigt hat. Entscheidend
ist, ob der Beklagte nach dem Vortrag der Mutter durch sein Verhalten die
gebotene Rücksichtnahme auf die Belange der Schenkerin hat vermissen lassen.
Die Frage, welche Rücksichtnahme die Mutter erwarten durfte, hat sich das
Berufungsgericht nicht erkennbar gestellt. Es hat vielmehr hauptsächlich auf
die subjektive Seite abgestellt und geprüft, wie die Motive des Beklagten
für sein Handeln zu bewerten sind, ohne die insoweit vorgelagerte Frage zu
klären, was die Mutter als Schenkerin an Dankbarkeit hätte erwarten dürfen.
Zwar kann der Tatrichter ein grob undankbares Verhalten gegenüber dem
Schenker sowohl mangels objektiv die gebotene Rücksichtnahme auf die Belange
des Schenkers vermissen lassender Umstände als auch deshalb verneinen, weil
sich das Verhalten des Beschenkten jedenfalls subjektiv nicht als Ausdruck
einer undankbaren Einstellung gegenüber dem Schenker darstellt. Die
Beurteilung der subjektiven Seite des Tatbestands kann aber in der Regel
erst dann erfolgen, wenn sich der Tatrichter darüber Rechenschaft abgelegt
hat, welche Sachverhaltselemente objektiv geeignet sind, einen den Widerruf
der Schenkung rechtfertigenden Mangel an von Dankbarkeit geprägter
Rücksichtnahme zum Ausdruck zu bringen. Ausgangspunkt für
die danach zunächst vorzunehmende objektive Gesamtwürdigung der Umstände ist
hier vor allem das Vertrauen der Mutter, das sie dem Beklagten
entgegenbrachte, indem sie ihm die General- und Betreuungsvollmacht erteilte
und ihm damit die Möglichkeit gab, in ihrem Namen in allen sie betreffenden
Angelegenheiten tätig zu werden und erforderlichenfalls auch tief in ihre
Lebensführung eingreifende Entscheidungen zu treffen, sofern sie zu diesen
Entscheidungen selbst nicht mehr in der Lage sein sollte.
24 Diesen Ausgangspunkt nimmt das Berufungsurteil nicht hinreichend in den
Blick. Das Berufungsgericht hat insbesondere nicht berücksichtigt, dass den
Beklagten aufgrund der General- und Betreuungsvollmacht und der damit gerade
bei einem Verlust der Geschäftsfähigkeit verbundenen weitreichenden
Befugnisse gegenüber seiner Mutter eine besondere persönliche Verantwortung
traf, die über die generelle im Eltern-Kind-Verhältnis geltende
Pflicht zu Beistand und gegenseitiger Rücksicht (§ 1618a BGB) hinausging und
es gebot, dass der Beklagte die personelle Autonomie seiner Mutter
respektierte und ihren Willen so weit wie möglich beachtete.
25 Hinsichtlich des Heimvertrags und der Kündigung des häuslichen Notrufs
sowie des Telefonanschlusses kommt es weniger darauf an, ob diese Maßnahmen
ohne nennenswerten Aufwand rückgängig zu machen waren, als vielmehr
darauf, ob die bis dahin allein lebende Mutter nicht hätte erwarten dürfen,
dass der Beklagte das persönliche Gespräch mit ihr suche, bevor er derartige
erheblich in ihre bisherige Lebensführung eingreifende Maßnahmen traf, zumal
zu dem Zeitpunkt, als der Beklagte die beanstandeten Rechtsgeschäfte auf der
Grundlage seiner General- und Betreuungsvollmacht vorgenommen hat, weder
abschließende medizinische noch psychiatrische Befunde über den
gesundheitlichen und geistigen Zustand der Mutter vorlagen. So sind
sowohl das Gutachten des MDK als auch das Schreiben der Mutter mit dem
Antrag auf Kurzzeitpflege, auf die das Berufungsgericht seine Bewertung
gestützt hat, erst erstellt worden, nachdem der Beklagte die beanstandeten
Rechtsgeschäfte im vermeintlichen Interesse seiner Mutter bereits
abgeschlossen hatte.
26 Auch in Bezug auf das Verhalten des Beklagten nach dem Widerruf der
General- und Betreuungsvollmacht durch die Mutter stellt sich unabhängig
davon, ob der Beklagte - wie das Berufungsgericht angenommen hat - aufgrund
der Feststellungen des MDK in seinem Gutachten vom September 2009 von einer
möglichen Geschäftsunfähigkeit der Mutter und damit von der Unwirksamkeit
des Widerrufs der Vollmacht hätte ausgehen dürfen, im Hinblick auf die
besondere Verantwortung, die dem Beklagten aufgrund der General- und
Betreuungsvollmacht gegenüber seiner Mutter zukam, die Frage, ob ein
von Dankbarkeit geprägtes Verhalten nicht ein persönliches Gespräch mit der
Mutter verlangt hätte, um mit ihr ihre Vorstellungen über die weitere Pflege
und Betreuung zu erörtern und gegebenenfalls eine einverständliche Lösung zu
finden.
27 Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen dazu getroffen, warum ein
solches Gespräch nicht stattgefunden hat oder ob es hierfür etwa berechtigte
Gründe gegeben hat. Damit hat es einen für die vorzunehmende Gesamtwürdigung
wesentlichen Gesichtspunkt außer Acht gelassen. Jedenfalls kann das
Unterbleiben eines solchen Gesprächs nicht allein damit gerechtfertigt
werden, dass nicht ersichtlich sei, inwieweit ein solches Gespräch dem
medizinisch nicht ausgebildeten Beklagten bessere Erkenntnisse hinsichtlich
der Geschäftsfähigkeit seiner Mutter hätte verschaffen können. Die besondere
Verantwortung, die der Beklagte für seine Mutter hatte, erlaubt es nicht,
dass das Verhalten des Beklagten ausschließlich nach dem formalen Aspekt
beurteilt wird, ob er von der Geschäftsunfähigkeit seiner Mutter und damit
von der Unwirksamkeit des Widerrufs der Vollmacht ausgehen durfte.
Spätestens nachdem die Mutter am 25. September 2009 die Generalvollmacht des
Beklagten widerrufen, den Langzeitpflegevertrag gekündigt und eine
Kurzzeitpflege bis zur Organisation der häuslichen Pflege beantragt hatte,
musste dem Beklagten deutlich werden, dass seine Mutter einerseits eine
dauerhafte Unterbringung in dem von ihm ausgesuchten Pflegeheim ablehnte,
sie sich andererseits aber auch durchaus bewusst war, dass sie in gewissem
Umfang Pflege und Betreuung benötigte. Dennoch und obwohl eine fachärztliche
Beurteilung der Fähigkeiten oder Einschränkungen der Mutter zu diesem
Zeitpunkt noch ausstand, hat der Beklagte auf dem Fortbestehen der Vollmacht
und damit seiner ausschließlichen Bevollmächtigung bestanden und auf deren
Grundlage Anweisungen gegenüber der Heimleitung und dem Bevollmächtigten der
Mutter getroffen, die erkennbar dem Willen der Mutter zuwiderliefen.
Unabhängig von der Frage ihrer Geschäftsfähigkeit durfte die Mutter als
Schenkerin erwarten, dass der von ihr umfassend bevollmächtigte Beklagte
ihre personelle Autonomie respektierte, indem er sie zunächst nach ihrem
Willen hinsichtlich ihrer weiteren Pflege befragte, dieser Wille, soweit es
die Umstände zuließen, berücksichtigt wurde und, falls sich dies als nicht
möglich erwies, mit ihr zumindest die Gründe hierfür besprochen wurden.
28 Bei einer Gesamtwürdigung dieser Umstände widersprach es nach den
bisher vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen objektiv einer von
Dankbarkeit geprägten Rücksichtnahme auf die Belange der Mutter des
Beklagten, wenn der Beklagte trotz der Unsicherheiten in Bezug auf die
geistigen Fähigkeiten und die Pflegebedürftigkeit seiner Mutter weiterhin
auf der Grundlage einer in ihrem Bestand unsicheren Generalvollmacht
Maßnahmen traf, die in erheblichem Maße in die Lebensführung seiner Mutter
eingriffen.
29 Es ist daher nicht ausgeschlossen, diese Verfehlung auch
subjektiv als Ausdruck einer Gesinnung des Beklagten zu werten, die in
erheblichem Maße die Dankbarkeit vermissen lässt, die die Schenkerin
erwarten konnte.
30 III. Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben und die Sache ist an das
Berufungsgericht zurückzuverweisen, das die Frage, ob die Mutter des
Beklagten die Schenkung wirksam widerrufen hat, erneut zu prüfen haben wird.
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