Unzulässiger Gewährleistungsausschluß im Verbrauchsgüterkaufrecht und Beschaffenheitsvereinbarung nach § 434 I BGB ("Bastlerauto")
OLG Oldenburg, Beschluss v. 3.7.2003, 9 W 30/03

Fundstelle:

ZGS 2004, 75


Leitsatz:

Kein wirksamer Gewährleistungsausschluss beim Gebrauchtwagenkauf durch Verkauf eines fahrbereiten Autos als „Bastlerauto“.

Zentrales Problem:

In dem im Prozeßkostenhilfeverfahren ergangenen Beschluß geht es um die Frage, ob die Einschränkung eines vertraglichen Gewährleistungsausschlusses im Verhältnis Unternehmer/Verbraucher umgangen wird, wenn ein funktionsfähiges Kfz als "Bastlerfahrzeug" verkauft wird. Das OLG sieht hier einen Verstoß gegen das Umgehungsverbot des § 475 I 2 BGB (s. dazu bereits die Anm. zu AG Zeven ZGS 2003, 158).
Klar ist, daß § 475 I BGB die vom Parteiwillen abhängigen Tatbestandsvoraussetzungen der Verbraucherrechte. Weder § 475 noch die VerbrGK-RL wollen insoweit die Privatautonomie einschränken. Insbesondere steht die Vertragsmäßigkeit der Kaufsache uneingeschränkt zur Disposition der Parteien. Damit verbleibt auch im Bereich des Verbrauchsgüterkaufs die Möglichkeit einer Beschaffenheitsvereinbarung im Rahmen des subjektiven Fehlerbegriffs (§ 434 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 1) erhalten. Es ist somit ohne weiteres möglich (und mit Art. 7 VerbrGK-RL vereinbar), einen Gegenstand etwa als „nicht funktionsfähig“, „zum Ausschlachten“, zum „Basteln“ etc. zu verkaufen und auf diese Weise eine Haftung für die Funktionsfähigkeit auszuschließen. Dabei ist freilich primär nicht allein auf den Wortlaut der jeweiligen Vereinbarung, sondern auf den übereinstimmenden tatsächlichen Willen der Parteien abzustellen, so dass etwa die bloße Bezeichnung eines als funktionsfähig und zum Betrieb durch den Verkäufer verkauften Gebrauchtwagens als „Bastlerfahrzeug“ oder als „Metallschrott“ als bloße „falsa demonstratio“ nicht zu einem Ausschluss der Mängelhaftung des Verkäufers führt. Dieses Ergebnis ergibt sich bereits aus der Auslegung der Parteivereinbarung, so dass insoweit ein Rückgriff auf das Umgehungsverbot des § 475 I 2oder § 305 b (Vorrang der Individualabrede) gar nicht erforderlich ist. Ein wichtiges Auslegungskriterium für den von den Parteien wirklich gewollten Vertragsinhalt stellen dabei die vereinbarte Gegenleistung, Nebenvereinbarungen sowie Zustands- und Prüfberichte dar. Wird also etwa für ein nach dem Vertragswortlaut als „Bastlerfahrzeug“ verkauftes Kfz ein gängiger Marktpreis vereinbart, entspricht nur ein tatsächlich verkehrstaugliches Fahrzeug der tatsächlich vereinbarten Beschaffenheit. Kein Fall von § 475 I liegt auch dann, wenn der Verkäufer den Käufer vor Vertragsschluss über konkrete Mängel tatsächlich in Kenntnis setzt und damit einen gesetzlichen Haftungsausschluss nach § 442 Abs. 1 S. 1 herbeiführt. Die im Einzelfall sicher schwierige Abgrenzung zwischen (zulässiger) Beschaffenheitsvereinbarung und (unzulässiger) Beschränkung der Käuferrechte muss sich an der Frage orientieren, ob die jeweilige Vertragsgestaltung dazu führen soll, dass der Käufer das Risiko des Vorliegens eines verborgenen Mangels trägt. Dieses dem Käufer – auch gegen entsprechenden Preisnachlass – zu übertragen, schließt § 475 Abs. 1 in Bezug auf die ihm unabhängig vom Vertretenmüssen des Verkäufers zustehenden Rechtsbehelfe aus. Jede Vereinbarung, die unmittelbar oder mittelbar dieses bewirkt, ist unabhängig von ihrer Transparenz nach § 475 Abs. 1 unwirksam. Pauschale Vereinbarungen bzw. Hinweise wie zB „gekauft wie besichtigt“ stellen daher mangels Konkretisierung einer Beschaffenheit weder eine zulässige Beschaffenheitsvereinbarung etwa in Bezug auf den (unbekannten) „Ist-Zustand“ der Sache dar, noch erfüllen sie die Anforderungen eines gesetzlichen Haftungsausschlusses nach § 442 Abs. 1. Gleiches gilt für eine Vertragsklausel, der zufolge dem Verbraucher der Mangel der Sache zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bekannt war, ohne dass der Verbraucher tatsächlich über konkrete Mängel in Kenntnis gesetzt wurde. Es handelt sich hierbei vielmehr um nach § 475 I unzulässige (mittelbare) Haftungsbeschränkungen des Verkäufers, da keine Beschaffenheitsvereinbarung vorliegt, sondern der Verbraucher das Risiko eines verborgenen Mangels tragen soll. Gleiches gilt für eine pauschale Distanzierung des Verkäufers/Unternehmers von solchen Herstellerangaben, die im Rahmen des objektiven Fehlerbegriffs nach § 434 Abs. 1 S. 3 die Verkehrserwartung prägen oder etwa für „in’s Blaue hinein“ formulierte Globalbeschreibungen, die ohne tatsächlichen Anhaltspunkt litaneiartig denkbare Mängel der Kaufsache aufzählen, ohne die Kaufsache selbst wirklich in ihrem konkreten Zustand zu beschreiben. 

©sl 2004


Gründe:

1. Der Antragsteller verlangt von der Antragsgegnerin nach Rücktritt vom Kaufvertrag den Preis, den er für einen Gebrauchtwagen gezahlt hat, zurück und begehrt im übrigen Ersatz von Aufwendungen, die ihm in diesem Zusammenhang entstanden sein sollen.
Die Beklagte bestreitet die Mangelhaftigkeit des verkauften Gebrauchtwagens und beruft sich im übrigen darauf, dass der Wagen ausweislich des Vertragsformulars als „Bastlerfahrzeug, ohne Garantie“ –so der handschriftliche Eintrag in der Spalte Sondervereinbarungen verkauft worden sei.
Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss Prozesskostenhilfe verweigert. Gewährleistungsansprüche stünden dem Kläger nicht zu, weil er das Auto als Bastlerfahrzeug gekauft habe.

Die zulässige Beschwerde ist begründet.

Die Antragsgegnerin kann sich gemäß § 475 I 1 BGB nicht darauf berufen, das Fahrzeug ohne Garantie als „Bastlerfahrzeug“ verkauft zu haben. Der zwischen den Parteien geschlossene Kaufvertrag ist –weil der Antragsteller Verbraucher und die Antragsgegnerin Unternehmerin ist als Verbrauchsgüterkauf im Sinne der §§ 474 ff BGB zu qualifizieren. Dies bedeutet, dass die Antragsgegnerin die Gewährleistung für etwaige Mängel grundsätzlich nicht ausschließen kann und dass Umgehungen dieses Verbotes unwirksam sind (§ 475 I 2 BGB). Die Bezeichnung des Autos als Bastlerfahrzeug stellt im konkreten Fall eine solche Umgehung des § 475 I 1 BGB dar. Die Beklagte selbst räumt in ihren Schriftsätzen ein, dass die Formulierung „Bastlerauto“ von ihr gewählt wurde, weil sie sich außerstande sah, eine Gewähr für die Mangelfreiheit des Autos zu übernehmen, und nicht etwa deshalb, weil man meinte, dass das Auto nach seiner Beschaffenheit nicht mehr dazu imstande sein sollte, im Straßenverkehr genutzt zu werden. So ging es dem Antragsteller, der nicht etwa Kraftfahrzeugmechaniker sondern Matrose ist, auch nur darum, ein Auto zum Fahren und nicht zum Basteln zu erwerben. Dies dürfte im übrigen der Verkehrserwartung entsprechen, wenn sich ein potentieller Kunde, wie hier geschehen, an einen professionellen Autovertragshändler und nicht an einen Schrotthändler wendet. Diese Erwägung wird im übrigen bestätigt durch den Preis, den die Beklagte für das Fahrzeug verlangte, nämlich 4.900 €. Dies entspricht, wie durch eine kurze Internetrecherche in einschlägigen Portalen zu belegen ist, dem gängigen Preis für Gebrauchtwagen des verkauften Typs mit entsprechender Laufleistung. Die Beklagte hat mit anderen Worten den gängigen Marktpreis für einen entsprechenden Gebrauchtwagen verlangt. Sonstige Gründe, die dafür sprechen könnten, dass die Parteien tatsächlich nur ein Auto zum Basteln und nicht zum Fahren gemeint haben könnten, hat die Beklagte, die insoweit darlegungspflichtig ist, nicht genannt.

Den o.g. Erwägungen, die zu einer Haftung der Beklagten führen, kann auch nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, dass der Antragsteller sich freiwillig auf die Vereinbarung eingelassen hat, denn aus dem Sinn des § 475 I BGB ergibt sich, dass die Abbedingung der gesetzlichen Gewährleistungsansprüche beim Verbrauchsgüterkauf insoweit privatautonomer Regelung entzogen ist, so dass der in diesem Zusammenhang streitigen Frage, ob der Antragsteller die Bedeutung der Eintragung überhaupt erfasst hat, nicht weiter nachzugehen ist.

Das Gericht verkennt schließlich nicht, dass die vorgenannte Rechtsanwendung im Vergleich zur alten Rechtslage vor Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes eine verschärfte Haftung der Gebrauchtwagenhändler bewirkt. Diese können der Sache nach ihre Haftung nur in der Weise einschränken, dass etwaige Mangel dem Verkäufer positiv bei Abschluss bekannt gegeben werden (§ 442 I 1 BGB) oder dass in Zahlung genommene Wagen nur vertretungsweise, aber nicht mehr im eigenen Namen des gewerblichen Unternehmers verkauft werden. Indessen bezweckt die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie den Verbraucherschutz. Er liefe leer, gestattete man Autohändlern durch die formelhafte Beschaffenheitsvereinbarung „Bastlerauto“ dem Verbraucher die Gewährleistungsrechte abzuschneiden, auch wenn – wie hier es den Parteien erkennbar, um den Handel eines Autos geht, das zum Fahren verwendet werden soll.

Auch die restlichen Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs sind schlüssig vorgetragen, so dass die Rechtsverfolgung Aussicht auf Erfolg hat.

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