Begriff der
"Versteigerung" in § 474 I S. BGB; richtlinienkonforme Auslegung; Rücktritt
bei unbehebbarem Sachmangel
BGH, Urteil vom 9. November
2005 - VIII ZR 116/05
Fundstelle:
NJW 2006, 613
Amtl. Leitsatz:
Für den Begriff der
öffentlichen Versteigerung in § 474 Abs. 1 Satz 2 BGB gilt die
Legaldefinition des § 383 Abs. 3 Satz 1 BGB.
Zentrale Probleme:
Im Mittelpunkt
der Entscheidung steht die Frage des Anwendungsausschlusses des
Verbrauchsgüterkaufsrechts im Falle des Verkaufs gebrauchter Sachen im Wege
der "öffentlichen Versteigerung" (s. dazu jetzt auch die
Präzisierung in BGH v. 24.2.2010 - VIII ZR
71/09). Der Kl. erwarb (zu privaten Zwecken, also
als Verbraucher i.S.v. § 13 BGB) von dem bekl. Inhaber eines Auktionshauses
im Wege einer von diesem durchgeführten Versteigerung eine als antik
beschriebene Waffe. Im Versteigerungskatalog war die Gewährleistung für
offene und versteckte Mängel ausgeschlossen. Der Kl., der zwischenzeitlich
den Rücktritt erklärt hatte, machte zuletzt Rückzahlung des Kaufpreises
Zug-um-Zug gegen Rückgabe der Waffe geltend. Im Falle eines Sachmangels der
als echt verkauften Waffe stellte sich damit die entscheidende Frage nach
der Wirksamkeit des in den Auktionsbedingungen niedergelegten
Haftungsausschlusses. Unabhängig von AGB-rechtlichen Frage konnte dieser
nämlich bereits daran scheitern, daß nach § 475 I BGB im Falle eines
Verbrauchsgüterkaufs bereits ein individualvertraglicher Haftungsausschluß
unwirksam ist. Zwar war der persönliche und sachliche Anwendungsbereich der
§§ 474 ff BGB hier nach § 474 I S. 1 BGB (Verkauf einer beweglichen Sache
von einem Unternehmer an einen Verbraucher) unproblematisch eröffnet, jedoch
enthält § 474 I S. 2 BGB einen Anwendungsausschluß dieser Sonderregelungen
für den Fall des Verkaufs gebrauchter Sachen in "öffentlicher
Versteigerung". Mit der h.M. in der Literatur vertritt der Senat eine enge
Auffassung des Begriffs der "öffentlichen Versteigerung" in § 474 I S. 2
BGB, d.h. er orientiert sich ausschließlich an der Legaldefinition dieses
Begriffes in § 383 III BGB. Damit fallen nur Versteigerungen durch einen
bestellten Gerichtsvollzieher, Beamten oder einen öffentlich angestellten
bzw. bestellten Versteigerer unter den Anwendungsausschluß. In allen anderen
Versteigerungen bleibt das Verbrauchsgüterkaufrecht hingegen anwendbar (s.
bereits MünchKomm/Lorenz, BGB, 4. Aufl. 2004, § 474 Rn. 13 m.w.N.).
Vorsicht: In der zum 13.6.2014 in Kraft getretenen Neufassung ist
das anders! Nach § 474 II S. 2 BGB n.F. genügt jetzt eine "öffentliche
zugängliche Versteigerung".
Die
Begründung des BGH vermag in jeder Hinsicht zu überzeugen. Er erkennt wohl, daß die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie auch einen weiteren
Anwendungsausschluß des Verbrauchsgüterkaufrechts zugelassen hätte. Dieses
Argument ist aber angesichts des klaren Gesetzeswortlauts und des Willens
des historischen Gesetzgebers schon deshalb nicht durchschlagend, weil die
enge Auffassung zu einem erweiterten Anwendungsbereich des
Verbrauchsgüterkaufrechts und damit im Vergleich zur Richtlinie zu einem
Mehr an Verbraucherschutz führt. Dies läßt die Richtlinie in ihrem Art. 8 II
ausdrücklich zu (sog. Mindeststandardprinzip).Es bleibt festzuhalten, daß
Verbraucher also auch bei privaten Versteigerungen durch das
Verbrauchsgüterkaufrecht geschützt sind. Das gilt daher auch bei den sog.
Internetauktionen, wie sie insbesondere auf der Plattform "ebay" betrieben
werden. Bei diesen Auktionen handelt es sich von vorneherein nicht um
Versteigerungen i.S.v. § 156 BGB (s. dazu
BGH NJW 2005, 53 zum
Widerrufsrecht nach § 312d BGB), so daß sich die Frage des § 474 I S. 2 BGB
schon im Ansatzpunkt nicht stellt.
Offengelassen hat der BGH die Frage des Vorliegens eines Sachmangels und der
weiteren Rücktrittsvoraussetzungen, die vom Berufungsgericht noch zu prüfen
sind. Unproblematisch ist die Frage des Sachmangels i.S. des subjektiven
Fehlerbegriffs (§ 434 I Nr. 1 BGB), sofern die als Original verkaufte Waffe
tatsächlich eine Fälschung ist, was nach § 363 BGB ab dem Zeitpunkt der
Übergabe der Käufer zu beweisen hat (BGHZ 159,
215). Daran ändert im vorliegenden Fall auch § 476 BGB nichts. Beweist
der Kl., daß es sich um eine Fälschung handelt, kommt es für ein
Rücktrittsrechts weiter entscheidend darauf an, ob es sich um einen
behebbaren oder unbehebbaren Mangel handelt. Ist der Mangel nämlich durch
Nacherfüllung i.S.v. § 439 BGB behebbar, setzt ein Rücktrittsrecht gem. §§
437 Nr. 2, 323 BGB grundsätzlich den fruchtlosen Ablauf einer
Nacherfüllungsfrist voraus (zum Problem der Setzung einer solchen Frist im
Verhältnis Unternehmer/Verbraucher s. nur MünchKomm/Lorenz aaO Vor § 474 Rn.
20), während im Falle eines in diesem Sinne unbehebbaren Mangels ein
Rücktritt nach § 437 Nr. 2, 326 V, 323 BGB keine Fristsetzung erforderlich
ist. Da vorliegend die gelieferte Waffe, wenn sie denn eine Fälschung ist,
nicht zu einem Original gemacht werden kann, kommt Nacherfüllung jedenfalls
nicht im Wege der Mängelbeseitigung, sondern allenfalls im Wege der
Lieferung einer (anderen) mangelfreien Sache in Betracht. Ob diese im
vorliegenden Fall einer Stückschuld angesichts der Tatsache, daß sich das
Schuldverhältnis von Anfang auf eine bestimmte Sache konzentriert hat,
überhaupt in Frage kommt, ist eine der strittigsten Fragen des neuen
Kaufrechts, zu der sich der BGH bisher noch nicht geäußert hat. Die h.M.
steht auf dem Standpunkt, daß auf dem Hintergrund der
Verbrauchsgüterkaufrichtlinie ein Anspruch auf Lieferung einer anderen
mangelfreien Sache auch im Falle einer Stückschuld nicht a priori
ausgeschlossen ist, sofern es sich um einen "austauschbaren" Gegenstand
handelt. Nach der Rechtsprechung ist das dann der Fall, wenn es sich bei dem
geschuldeten Gegenstand um eine vertretbare Sache handelt (so
OLG Braunschweig NJW 2003, 1053). Die Literatur
vertritt weitgehend denselben Standpunkt, stellt jedoch maßgeblich nicht auf
das objektive und damit untaugliche Kriterium der Vertretbarkeit i.S.v. § 91
BGB, sondern auf die nach dem Parteiwillen zu bestimmende "Ersetzbarkeit"
der Sache im konkreten Fall ab, für welche die "Vertretbarkeit" allenfalls
Indizfunktion haben kann (s. etwa Canaris JZ 2003, 831 ff). Beide
Ansicht dürften im vorliegende Fall zur Verneinung eines
Nacherfüllungsanspruchs im Wege der Neulieferung kommen, so daß letztlich
ein unbehebbarer Sachmangel vorliegt, was nach § 326 V BGB dazu führt, daß
der Käufer vorgängige Fristsetzung zurücktreten kann.
©sl 2006
Tatbestand:
Der Kläger erwarb am 9. Februar 2002 bei einer von dem beklagten Inhaber
eines Auktionshauses durchgeführten, frei zugänglichen Versteigerung einen
Hirschfänger (Blankwaffe) zum Preis von 1.606,86 €. Im Auktionskatalog war
die Waffe wie folgt beschrieben:
"PREUSSEN GARDE
HIRSCHFÄNGER f. Kapitulanten d. Gardejäger u. Garde- 1.000,-€ schützen,
qualitätv. Eigentumstk., Bayonettklinge m. beids. Hohlkehle, einseitige
Zierätzung: 2 Gardesterne, dazw. Devise: "Vive le Roy et ses Chasseurs",
massiver Messinggriff, kurze Parierstange, Knauf als vollplastischer
Adlerkopf ausgebildet, glatte Griffläche m. aufgelegtem verslb. Gardestern,
Lederscheide m. Messingbeschlägen, Tragehaken als Eichel ausgebildet, L.: 60
cm, extrem seltene Seitenwaffe, ..."
In Nr. 3 der Allgemeinen Versteigerungsbedingungen des Beklagten heißt es:
"Die Katalogbeschreibungen werden nach bestem Gewissen vorgenommen. Sie
beinhalten keine Eigenschaftszusicherungen im Sinne des § 459 BGB. Alle
Versteigerungsgegenstände können vor der Auktion ... in unseren
Geschäftsräumen besichtigt werden. ... Die Versteigerung der Lose erfolgt in
dem Zustand, in dem sie sich befinden, ohne Gewähr und Haftung für offene
oder versteckte Mängel. Nach dem Zuschlag können Beanstandungen nicht mehr
berücksichtigt werden. ..."
Der Kläger hat behauptet, bei dem Hirschfänger handele es sich um eine
Fälschung. Er hat zunächst Klage auf Zahlung von 100 € erhoben, die durch
Versäumnisurteil vom 24. September 2002 abgewiesen worden ist. Mit seinem
dagegen gerichteten Einspruch hat er den Rücktritt vom Vertrag erklärt und
Rückzahlung des gesamten an den Beklagten entrichteten Entgelts nebst
Zinsen, Zug um Zug gegen Rückgabe des Hirschfängers, verlangt. Das
Amtsgericht hat das Versäumnisurteil aufgehoben und den Beklagten
antragsgemäß verurteilt. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landgericht
unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts das Versäumnisurteil
aufrechterhalten und die weitergehende Klage abgewiesen. Mit seiner vom
Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein
Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
Der Kläger habe keinen Anspruch aus § 346 BGB in Verbindung mit §§ 434, 437
Ziffer 2, § 440 BGB auf Rückzahlung des Kaufpreises für die ersteigerte
Blankwaffe. Dabei könne die Frage, ob die Waffe einen Sachmangel aufweise,
mithin kein Originalstück aus der Kaiserzeit (Wilhelm II.) darstelle, offen
bleiben. Denn der Beklagte habe sich von einer Haftung durch Ziffer 3 seiner
Allgemeinen Versteigerungsbedingungen, deren Einbeziehung in den Vertrag der
Kläger nicht entgegengetreten sei, freigezeichnet. Die Klausel sei nicht
deshalb unwirksam, weil sie eine zum Nachteil des Verbrauchers, des Klägers,
abweichende Regelung im Sinne von § 474 Abs. 1 Satz 1, § 475 BGB enthalte.
Die Vorschriften über den Verbrauchsgüterkauf fänden keine Anwendung, denn
es habe sich um eine öffentliche Versteigerung gehandelt, an der der
Verbraucher persönlich habe teilnehmen können (§ 474 Abs. 1 Satz 2 BGB).
Zwar definiere § 383 Abs. 3 BGB die öffentliche Versteigerung dahingehend,
dass diese durch einen für den Versteigerungsort bestellten
Gerichtsvollzieher oder zu Versteigerungen befugten anderen Beamten oder
öffentlich angestellten Versteigerer zu erfolgen habe, und verfüge der
Beklagte über keine allgemeine öffentliche Bestellung im Sinne von § 34b
Abs. 5 GewO. Die Legaldefinition des § 383 Abs. 3 BGB sei jedoch auf § 474
Abs. 1 Satz 2 BGB nicht anwendbar. Die Norm orientiere sich allein an Art.
III (gemeint ist Art. 1 Abs. 3) der EU-Verbrauchsgüterkaufrichtlinie, nach
dem die Mitgliedstaaten festlegen könnten, dass unter Verbrauchsgütern keine
Güter zu verstehen seien, die in einer öffentlichen Versteigerung verkauft
würden, bei der die Verbraucher die Möglichkeit hätten, dem Verkauf
persönlich beizuwohnen. Die Richtlinie, die den Begriff der öffentlichen
Versteigerung nicht näher definiere, meine damit auch nichtamtliche, aber
der Öffentlichkeit zugängliche Versteigerungen ohne Rücksicht auf die Person
des Versteigerers. Dass der deutsche Gesetzgeber über diesen
Verbraucherschutz hinausgehende Anforderungen habe aufstellen wollen, sei
nicht ersichtlich.
II. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung nicht stand. Nach
dem revisionsrechtlich zugrunde zu legenden Sachvortrag des Klägers steht
diesem gemäß § 346 Abs. 1 BGB ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises
von 1.606,86 € Zug um Zug gegen Rückgabe des Hirschfängers zu.
Zutreffend und von der Revision unbeanstandet hat das Berufungsgericht das
am 9. Februar 2002 gemäß § 156 BGB durch Zuschlag zustande gekommene
Vertragsverhältnis der Parteien als Kaufvertrag qualifiziert, auf den die
Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches in der seit dem 1. Januar 2002
geltenden Fassung des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts Anwendung
finden. Ein wirksamer Rücktritt des Klägers vom Vertrag gemäß § 437 Nr. 2, §
323 BGB wegen eines Sachmangels des ersteigerten Hirschfängers im Sinne von
§ 434 BGB scheitert, anders als das Berufungsgericht meint, nicht daran,
dass der Beklagte durch Nr. 3 seiner Allgemeinen Versteigerungsbedingungen
Rechte des Käufers wegen eines Mangels ausgeschlossen hat. Auf diese
Vereinbarung kann sich der Beklagte gemäß § 475 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht
berufen, weil ein Verbrauchsgüterkauf vorliegt (§ 474 Abs. 1 BGB).
Dass der Beklagte bei der Versteigerung als Unternehmer (§ 14 Abs. 1 BGB)
gehandelt hat und der Kläger die Waffe als Verbraucher (§ 13 BGB) erworben
hat, ist zwischen den Parteien nicht im Streit. Es gelten deshalb gemäß §
474 Abs. 1 Satz 1 BGB grundsätzlich die Vorschriften über den
Verbrauchsgüterkauf (§§ 475 ff. BGB). Eine Ausnahme sieht § 474 Abs. 1 Satz
2 BGB nur für den Fall vor, dass gebrauchte Sachen in einer öffentlichen
Versteigerung verkauft werden, an der der Verbraucher persönlich teilnehmen
kann. Eine öffentliche Versteigerung in diesem Sinne hat der Beklagte nicht
durchgeführt.
1. Was nach § 474 Abs. 1 Satz 2 BGB unter einer öffentlichen
Versteigerung, an der der Verbraucher persönlich teilnehmen kann, zu
verstehen ist, ist umstritten. Die herrschende Auffassung (Faust in
Bamberger/Roth, BGB, § 474 Rdnr. 16; Münch Komm/Lorenz, BGB, 4. Aufl., § 474
Rdnr. 13; Palandt/ Heinrichs, BGB, 64. Aufl., § 383 Rdnr. 4; Staudinger/Matusche-Beckmann,
BGB, 2004, § 474 Rdnr. 46) hält anders als das Berufungsgericht die
Legaldefinition der öffentlichen Versteigerung in § 383 Abs. 3 BGB für
maßgeblich, nach der die Versteigerung durch einen für den Versteigerungsort
bestellten Gerichtsvollzieher, durch einen zu Versteigerungen befugten
anderen Beamten oder durch einen öffentlich angestellten Versteigerer, auch
durch einen gemäß § 34b Abs. 5 GewO allgemein öffentlich bestellten
Versteigerer (BGH, Urteil vom 5. Oktober 1989 - IX ZR 265/88, NJW 1990, 899,
unter II 3), öffentlich zu erfolgen hat. Nach anderer Ansicht (Wertenbruch,
NJW 2004, 1977, 1981, wohl auch Palandt/Putzo, aaO, § 474 Rdnr. 2) erfasst §
474 Abs. 1 Satz 2 BGB jede für den Verbraucher allgemein zugängliche
Versteigerung unabhängig von der Person des Versteigerers. Das folge daraus,
dass § 474 Abs. 1 Satz 2 BGB auf Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 1999/44/EG des
Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten
Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter (Amtsbl.
Nr. L 171 vom 7. Juli 1999, S. 12, im folgenden:
EG-Verbrauchsgüterkaufrichtlinie) beruhe, nach der die Mitgliedstaaten
festlegen können, dass unter "Verbrauchsgütern" keine gebrauchten Güter zu
verstehen sind, die in einer öffentlichen Versteigerung verkauft werden, bei
der die Verbraucher die Möglichkeit haben, dem Verkauf persönlich
beizuwohnen. Diese Regelung privilegiere eine bestimmte Vertriebsmethode (Staudenmayer
in Europäisches Kaufgewährleistungsrecht, S. 27, 33; AnwKom-BGB-Pfeiffer,
Art. 1 Kauf-RL Rdnr. 11).
2. Der Senat hält die erstgenannte Auffassung für richtig. § 383 Abs.
3 Satz 1 BGB bezeichnet nur eine Versteigerung, die durch einen für den
Versteigerungsort bestellten Gerichtsvollzieher oder zu Versteigerungen
befugten anderen Beamten oder öffentlich angestellten Versteigerer
öffentlich erfolgt, als "öffentliche Versteigerung". Eine derartige
Legaldefinition eines Rechtsbegriffes beansprucht grundsätzlich für den
gesamten Anwendungsbereich des Gesetzes, in dem sie erfolgt, Geltung, wenn
nicht der Gesetzgeber für einen Einzelfall erkennbar davon abgewichen ist.
Dafür gibt es hier keine Anhaltspunkte.
a) Der Gegenansicht ist allerdings zuzugeben, dass der auf Art. 1 Abs. 3 der
EG-Verbrauchsgüterkaufrichtlinie zurückgehende Zusatz in § 474 Abs. 1 Satz 2
BGB "an der der Verbraucher persönlich teilnehmen kann" bei einem Rückgriff
auf die Legaldefinition des § 383 Abs. 3 Satz 1 BGB im Grunde überflüssig
ist, weil öffentliche Versteigerungen im Sinne dieser Regelung immer
allgemein zugänglich sind. Der ersichtlich Art. 1 Abs. 3 der
EG-Verbrauchsgüterkaufrichtlinie entlehnte Wortlaut des § 474 Abs. 1 Satz 2
BGB rechtfertigt jedoch nicht den Schluss, dass der Gesetzgeber damit einen
gegenüber § 383 Abs. 3 Satz 1 BGB erweiterten Anwendungsbereich der
Ausnahmevorschrift habe zum Ausdruck bringen wollen.
b) § 474 Abs. 1 Satz 2 BGB ist auf Anregung des Bundesrates in das Gesetz
zur Modernisierung des Schuldrechts eingefügt worden, der dabei insbesondere
die Fälle der öffentlichen Versteigerung von Fundsachen gemäß § 979 BGB oder
der Versteigerung hinterlegungsunfähiger Sachen gemäß § 383 BGB im Blick
hatte. Es sollten beispielsweise bei den jährlich stattfindenden Koffer- und
Fundsachenversteigerungen der Verkehrsbetriebe Gewährleistungsansprüche
ausgeschlossen werden können (Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf der
Bundesregierung für ein Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts,
BT-Drucks. 14/6857, S. 30 f.). Im Verlaufe des weiteren
Gesetzgebungsverfahrens haben sich die Bundesregierung (in ihrer
Gegenäußerung zur Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drucks. 14/6857, S. 62
f.) und ihr folgend der Bundestag (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des
Rechtsausschusses, BT-Drucks. 14/7052, S. 198) der Einschätzung
angeschlossen, dass Verkäufe gebrauchter Sachen in einer öffentlichen
Versteigerung aus dem Anwendungsbereich der Sondervorschriften über den
Verbrauchsgüterkauf herausgenommen und so unter anderem die Fortsetzung der
bisher allgemein üblichen öffentlichen Fundsachenverwertung mit
Haftungsausschluss erlaubt werden sollte. Der nationale Gesetzgeber wollte
also nicht allgemein die Vertriebsform Versteigerung gegenüber anderen
Formen des Verbrauchsgüterkaufs begünstigen, sondern vielmehr im Hinblick
auf bestimmte öffentliche Versteigerungen im Sinne von § 383 Abs. 3 Satz 1
BGB die nach altem Recht bestehenden Möglichkeiten eines
Gewährleistungsausschlusses erhalten. Es deutet deshalb nichts darauf hin,
dass er die Absicht hatte, dem Begriff der öffentlichen Versteigerung in §
474 Abs. 1 Satz 2 BGB einen weitergehenden Inhalt beizumessen, als er durch
§ 383 Abs. 3 Satz 1 BGB vorgegeben ist.
c) Das Gebot richtlinienkonformer Auslegung und Anwendung der deutschen
Vorschriften über den Verbrauchsgüterkauf (§§ 474 ff. BGB), die in Umsetzung
der EG-Verbrauchsgüterkaufrichtlinie in das Bürgerliche Gesetzbuch eingefügt
worden sind, erfordert keine andere Beurteilung. Art. 1 Abs. 3 der
EG-Verbrauchsgüterkaufrichtlinie, auf der § 474 Abs. 1 Satz 2 BGB beruht,
war in dem ursprünglichen Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie des
Europäischen Parlaments und des Rates über den Verbrauchsgüterkauf und
-garantien (KOM/95/0520 ENDG, Amtsbl. Nr. C 307 vom 16. Oktober 1996, S. 8)
nicht enthalten. Die Regelung ist - als fakultative Ausschlussbestimmung -
erst im Laufe des Rechtssetzungsverfahrens eingefügt worden, um der
speziellen Situation in einigen Mitgliedstaaten Rechnung zu tragen
(Begründung zum Gemeinsamen Standpunkt (EG) Nr. 51/98, vom Rat festgelegt am
24. September 1988, im Hinblick auf den Erlass der Richtlinie des
Europäischen Parlaments und des Rates zu bestimmten Aspekten des
Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter, Amtsbl. Nr. C
333 vom 30. Oktober 1998, S. 46, 53). Ihr liegen damit im Kern weder
Verbraucherschutzgesichtspunkte noch Erwägungen zu einer gebotenen oder
zumindest gerechtfertigten Beschränkung des Verbraucherschutzes bei
bestimmten Vertriebsmethoden zugrunde. Sie sollte vielmehr lediglich
Ausnahmen von den allgemeinen Regelungen über den Verbrauchsgüterkauf
ermöglichen, soweit dies in den Mitgliedstaaten bei öffentlichen
Versteigerungen als erforderlich angesehen wurde. Dabei mag den
Mitgliedstaaten eine Abweichung von den Vorschriften über den
Verbrauchsgüterkauf auch für solche allgemein zugänglichen Versteigerungen
erlaubt sein, die nicht von dazu öffentlich-rechtlich besonders
legitimierten Personen durchgeführt werden. Das kann jedoch offen bleiben.
Der nationale Gesetzgeber hat - wie oben dargelegt - von dem
Ausnahmetatbestand nur für öffentliche Versteigerungen im Sinne von § 383
Abs. 3 Satz 1 BGB und damit möglicherweise in eingeschränktem Umfang
Gebrauch gemacht. Art. 8 Abs. 2 der EU-Verbrauchsgüterkaufrichtlinie lässt
es zu, dass Mitgliedsstaaten strengere Bestimmungen erlassen oder
aufrechterhalten, als sie die Richtlinie vorsieht, um ein höheres
Schutzniveau für die Verbraucher sicherzustellen. Einer Vorlage der Sache an
den Europäischen Gerichtshof zur Auslegung von Art. 1 Abs. 3 der
EU-Verbrauchsgüterkaufrichtlinie bedarf es deshalb nicht.
d) Für eine Begrenzung des Anwendungsbereichs von § 474 Abs. 1 Satz 2 BGB
auf öffentliche Versteigerungen nach § 383 Abs. 3 Satz 1 BGB sprechen
schließlich auch Sinn und Zweck der Vorschriften über den
Verbrauchsgüterkauf. Der Verkäufer soll dem Verbraucher gegenüber
grundsätzlich für die Vertragsmäßigkeit der Kaufsache haften (vgl.
Erwägungsgrund 9 der EG-Verbrauchsgüterkaufrichtlinie). Eine Abweichung von
diesem Grundsatz ist in solchen Fällen hinnehmbar, in denen sie entweder -
wie z. B. im Fall der Versteigerung von Fundsachen - im Interesse der
versteigernden öffentlichen Hand geboten ist oder in denen - bei einer
Versteigerung im privaten Interesse -der Versteigerer aufgrund seiner Person
eine gesteigerte Gewähr für die ordnungsgemäße Durchführung der
Versteigerung einschließlich einer zutreffenden Beschreibung der angebotenen
Gegenstände bietet. Das ist bei dem im Hinblick auf besondere Sachkunde
gemäß § 34b Abs. 5 GewO allgemein öffentlich bestellten Versteigerer
anzunehmen; das Gewerberecht sieht die öffentliche Bestellung eines
Versteigerers vor, um dem Publikum die Möglichkeit zu geben, sich solcher
Personen zu bedienen, denen bei Ausübung ihres Gewerbes gesetzlich eine
besondere Glaubwürdigkeit beigelegt ist oder die vermöge der öffentlichen
Anstellung besondere Gewähr für Zuverlässigkeit und Tüchtigkeit bieten (BGH,
Urteil vom 5. Oktober 1989, aaO). Darüber hinaus besteht für eine Ausnahme
von den Vorschriften über den Verbrauchsgüterkauf (§§ 475 ff. BGB) weder ein
Bedürfnis noch eine Rechtfertigung. Es ist kein Grund ersichtlich, warum
allgemein der Verkäufer, der gebrauchte Sachen im Wege der Versteigerung
veräußert, anderen Haftungsregeln unterliegen sollte als derjenige, der
dafür die Form des Vertragsschlusses nach den §§ 145 ff. BGB wählt.
III. Das Berufungsurteil ist deshalb aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO), und die
Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht
zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die Sache ist nicht zur
Endentscheidung reif, weil das Berufungsgericht bisher - aus seiner Sicht
folgerichtig -keine Feststellungen zu der Behauptung des Klägers getroffen
hat, es handele sich bei der versteigerten Waffe um eine Fälschung. Sollte
sich diese Behauptung als richtig erweisen, bedarf es darüber hinaus
weiterer Feststellungen dazu, ob eine Nacherfüllung des Vertrages durch
Lieferung einer entsprechenden echten Waffe (§ 439 Abs. 1 BGB) in Betracht
kommt. Der Rücktritt vom Vertrag setzt gemäß § 437 Nr. 2, § 323 BGB
grundsätzlich voraus, dass der Käufer dem Verkäufer erfolglos eine
angemessene Frist zur Nacherfüllung bestimmt hat (§ 323 Abs. 1 BGB). Das ist
hier nicht geschehen. Die Fristsetzung ist nach § 326 Abs. 5 BGB allerdings
entbehrlich, wenn dem Beklagten die Nacherfüllung unmöglich und deshalb der
Nacherfüllungsanspruch gemäß § 275 Abs. 1 BGB ausgeschlossen ist. |