Prof. Dr. Stephan Lorenz
Prof. Dr. Jörg Neuner
Tutorium Sachenrecht
Gutgläubiger Erwerb
von Anwartschaftsrechten
an beweglichen Sachen
AnwartschaftsR: Die
Rechtsstellung des Erwerbers, wenn bei einem mehraktigen Erwerbsvorgang
bereits so viele Teilakte vollzogen sind, daß der endgültige
Erwerb nicht mehr durch eine andere Person als den Erwerber vereitelt werden
kann.
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Bsp.: Vorbehaltskäufer hat aufsch.
bed. Eigentum erworben (§§ 929, 455 I, 158 I), kann durch Zahlung
des Kaufpreises Bedingungseintritt und damit Eigentumserwerb herbeiführen.
Vor Zwischenverfügungen des Verkäufers/Eigentümers ist er
nach § 161 geschützt. |
Charakter:
Vorstufe zum Vollrecht bzw. "wesensgleiches minus"
(BGHZ 28, 16, 21), wird daher wie das Vollrecht
übertragen, d.h. analog §§ 929 ff (nicht §§
413, 398).
Beispiele:
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Anwartschaftsrecht des Vorbehaltskäufers (aufschiebend
bedingte Übereignung, § 455 I)
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Anwartschaftsrecht des Sicherungsgebers bei Sicherungsübereignung
(auflösend bedingte Übereignung) *
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Anwartschaftsrecht des Auflassungsempfängers
bei bindender Auflassung und vom Erwerber beantragter Eintragung (§§
925, 873 II) ** bzw. bei eingetragener Vormerkung
***.
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Anwartschaftsrecht des Hypothekars vor Entstehung
der gesicherten Forderung
-
Gesetzlich geregelte Anwartschaftsrechte: z.B. Das
Anwartschaftsrecht des Nacherben (§§ 2100 ff.)
Gutgl. Erwerb:
Zu unterscheiden sind gutgl. Ersterwerb und gutgl.
Zweiterwerb
(1) Gutgl. Ersterwerb:
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Bsp.: S übereignet eine Sache zur
Sicherheit an G, anschließend übereignet er sie unter EV an
K und übergibt sie ihm. |
S ist Nichtberechtigter, auf die (aufschiebend
bedingte) Übereignung an K sind die §§ 929, 455, 158 I,
932 BGB direkt anwendbar. Der gute Glaube muß nur z.Zt. des Erwerbsakts
(Übergabe), nicht z.Zt. des Bedingungseintritts bestehen. K erwirbt
gutgl. aufschiebend bedingtes Eigentum (AnwartschaftsR), mit Zahlung der
letzten Rate an S (Bedingungseintritt) Volleigentum. Str. ist, ob K ggü.
G vor Bedingungseintritt die Herausgabe verweigern darf: G ist noch Eigentümer,
K hat nur gegenüber S ein obligatorisches BesitzR i.S.v. § 986
BGB. BGH gibt hier die dolo-petit-Einrede aus § 242 BGB, nach a.A.
begründet das AnwR ein BesitzR i.S.v. § 986 BGB. |
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(2) Gutgl. Zweiterbwerb
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Bsp.: E veräußert Sache an K (1) unter
EV, K (1) verleiht die Sache an NB, dieser behauptet gegenüber K(2),
er habe von E unter EV gekauft und veräußert das AnwR an K (2). |
Unterschied zu (1): NB verfügt nicht über
Eigentum, sondern über ein existentes, aber nicht ihm zustehendes
AnwR. Dieses wird als "minus" zum Vollrecht wie dieses übertragen
(§§ 929 ff analog). Hier also gutgl. Erwerb vom NB analog §§
929, 932. Folge: K (2) erwirbt das AnwR so, wie es besteht, er erwirbt
Eigentum, wenn die Bedingung (Kaufpreiszahlung an E) eintritt. |
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Merke: Kein Gutglaubensschutz
hinsichtlich der Bedingung selbst, daher kann K (2) das AnwR nur so erwerben,
wie es tatsächlich besteht. Daher kein gutgl. Erwerb
eines gar nicht existenten AnwR (arg.: Bedingung existiert gar nicht und
kann daher nicht eintreten) und kein Gutglaubensschutz bzgl. der
Höhe der Forderung E/K(1). Wenn NB also ggü. K(2) wahrheitswidrig
gesagt hat, es stehe nur noch eine Rate aus, so wird diesbezüglich
kein Gutglaubensschutz gewährt.
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Sofern nicht lediglich ein schuldrechtlicher Rückübertragungsanspruch
vereinbart ist.
** Auch
über dieses AnwR kann analog §§ 873, 925 durch bloße
Einigung verfügt werden. Mangels GB-Eintragung ist aber ein gutgl.
Erwerb nicht möglich.
*** Das
AnwR des Vormerkungsberechtigten wird durch Abtretung des gesicherten Übereignungsanspruchs
übertragen (§ 398). Die Vormerkung läuft als akzessorisches
Recht nach § 401 mit. Besteht der Anspruch in der Person des Veräußerers
nicht, ist ein gutgl. Erwerb nicht möglich, weil es keinen gutgl.
Erwerb von Forderungen gibt. Möglich ist aber ein gutgl. Ersterwerb
vom Bucheigentümer, wenn gegen diesen ein Übereignungsanspruch
besteht (vgl. BGHZ 57, 341: Scheinerbe verkauft
Nachlaßgrundstück und bewilligt Vormerkung). Str. ist die Möglichkeit
des gutgl. Zweiter-werbs bei bestehender Forderung (Bsp.: Bucheigentümer
V verkauft Grundstück an den bösgl. K1, zu dessen Gunsten eine
Vormerkung eingetragen wird, dieser tritt seinen Übereignungsanspruch
an K2 ab). Die hM verneint dies, weil ein gesetzlicher Erwerb (§ 401)
vorliegt, nach a.A. ist ein solcher Erwerb möglich. |