Voraussetzungen der
leistungsbefreienden Unmöglichkeit nach § 275 I BGB im Falle subjektiver
Unmöglichkeit; Maßstab der Leistungsbefreiung nach § 275 II:
Gläubigeraufwand und Schuldnerinteresse
BAG, Beschluß vom
29.6.2004, 1 ABR 32/99
Fundstelle:
BB 2005, 440
NZA 2005, 118
EuZW 2005, 124
Amtl. Leitsatz:
Der fingierten zentralen
Leitung einer gemeinschaftsweit tätigen Unternehmensgruppe gemäß § 2 Abs 2
Satz 3, Satz 4 EBRG ist die Erfüllung eines Auskunftsanspruchs nach § 5 Abs
1 EBRG nicht bereits deswegen subjektiv unmöglich iSv. § 275 Abs 1 BGB, weil
sie selbst die erforderlichen Kenntnisse nicht besitzt, sondern sich diese
erst von anderen Unternehmen der Gruppe beschaffen muss. Es steht
insbesondere angesichts des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 13.
Januar 2004 (- C-440/00 -) keineswegs fest, dass ihr eigener
Auskunftsanspruch gegen die Gruppenunternehmen in den übrigen
Mitgliedstaaten der Europäischen Union dort nicht durchgesetzt werden kann.
Zentrale Probleme:
Der Fall spielt im Kollektivarbeitsrecht, die zentrale
Frage ist aber eine rein schuldrechtliche (s. die fett
markierten Passagen). Es geht um die Frage, unter welchen
Voraussetzungen der Schuldner eines Auskunftsanspruchs nach § 275 I BGB
wegen subjektiver Unmöglichkeit von der Leistung befreit, weil er selbst
auch nicht über die Information verfügt oder aber ein
Leistungsverweigerungsrecht nach § 275 II BGB geltend machen kann, weil der
Aufwand für die Beschaffung der Information groß ist. Das BAG legt zu recht
dar, daß noch keine subjektive Unmöglichkeit besteht, wenn der Schuldner
aktuell nicht über die Information verfügt, sie sich aber beschaffen kann.
Die Beweislast für die Frage der Beschaffbarkeit der Information trägt dabei
der Schuldner, der sich auf die Leistungsbefreiung beruft (zur Indizwirkung
fehlender Verfügungsbefugnis bei Eigentumsverschaffungspflichten s. die Anm.
zu
BGH v. 29.6.2007 - V ZR 1/06). Daß sich dies (dh
das Fehlen einer Möglichkeit, sich die Information zu beschaffen) hier
aufgrund ausländischen Rechts ergeben kann, bedeutet keine
Ermittlungspflicht des Gerichts nach § 293 ZPO, weil es hier um
ausländisches Recht als Faktum geht, d.h. die Beweislast liegt auch insoweit
beim Schuldner.
Zutreffend sind auch die Ausführungen zu § 275 II BGB. Ein
Leistungsverweigerungsrecht nach dieser Norm setzt voraus, daß der Aufwand
des Schuldners im dort beschriebenen Mißverhältnis zum Nutzen des Gläubigers
steht. Ob sich die Leistung für den Schuldner "lohnt", ist insoweit
vollkommen irrelevant (s. dazu
Köhler/Lorenz, PdW SchuldR I, Fall 18).
©sl 2005
(Herzlichen Dank an Patrick Mückl/Köln für den Hinweis auf
die Entscheidung!)
Aus den Gründen:
A. Die Beteiligten streiten über Auskunftspflichten im Zusammenhang
mit der Errichtung eines Europäischen Betriebsrats.
Die Arbeitgeberin ist das in Deutschland ansässige Unternehmen einer
gemeinschaftsweit tätigen Unternehmensgruppe. Das herrschende Unternehmen
der Gruppe hat seinen Sitz in der Schweiz. Die Arbeitgeberin beschäftigt
etwa 4.500 Mitarbeiter. Sie ist damit das größte der in den Mitgliedstaaten
der Europäischen Union ansässigen Gruppenunternehmen.
Im November 1996 forderte ihr Konzernbetriebsrat zusammen mit
Arbeitnehmervertretern aus den Niederlanden die Arbeitgeberin auf, ihm zum
Zweck der Bildung des besonderen Verhandlungsgremiums nach § 8 EBRG Namen
und Anschriften der in den übrigen Gruppenunternehmen gebildeten
Arbeitnehmervertretungen mitzuteilen. Im Dezember 1997 wiederholte der
Gesamtbetriebsrat das Ersuchen zusammen mit Arbeitnehmervertretern aus
Luxemburg; diese zogen ihre Unterstützung im Januar 1998 zurück. Die
Arbeitgeberin lehnte ab und erklärte, sie besitze die entsprechenden
Kenntnisse nicht.
Mit dem am 27. Januar 1998 eingeleiteten Beschlussverfahren hat der
Gesamtbetriebsrat sein Auskunftsverlangen gerichtlich geltend gemacht und um
den Wunsch nach Auskünften gemäß § 5 Abs. 1 EBRG erweitert. Er hat die
Auffassung vertreten, die Arbeitgeberin sei verpflichtet, ihm die begehrten
Informationen zu erteilen und sie sich, falls nötig, vom herrschenden oder
von den übrigen Unternehmen der Unternehmensgruppe zu beschaffen. Die
Auskünfte seien für die Errichtung eines Europäischen Betriebsrats
unerlässlich. Dies gelte auch für Namen und Anschriften der in den Betrieben
und Unternehmen gebildeten Arbeitnehmervertretungen. Er wisse weder, in
welchem Land solche Vertretungen vorhanden seien, noch habe er sichere
Kenntnisse darüber, wie er diese erreichen könne.
Mit Schreiben vom 9. Juni 1998 verlangte der Gesamtbetriebsrat ein weiteres
Mal die Bildung des besonderen Verhandlungsgremiums nach § 8 EBRG. Die
Arbeitgeberin reagierte auch darauf nicht.
Der Gesamtbetriebsrat hat beantragt, die Arbeitgeberin zu verpflichten, ihm
Auskünfte zu erteilen über
1. die durchschnittliche Gesamtzahl der Arbeitnehmer und ihre Verteilung auf
die Mitgliedstaaten gem. § 2 Abs. 3 EBRG, die Unternehmen und Betriebe sowie
über die Struktur der Unternehmensgruppe;
2. die Namen und Anschriften der in Betrieben und Unternehmen in den
Mitgliedstaaten gem. § 2 Abs. 3 EBRG vorhandenen Arbeitnehmervertretungen.
Die Arbeitgeberin hat beantragt, die Anträge abzuweisen. Sie hat die
Auffassung vertreten, das Auskunftsverlangen des Gesamtbetriebsrats nach § 5
Abs. 1 EBRG sei zwar dem Grunde nach berechtigt, sei aber auf eine
unmögliche Leistung gerichtet. Sie behauptet, sie selbst habe die
erforderlichen Kenntnisse nicht und das in der Schweiz ansässige herrschende
Unternehmen habe sich ebenso wie die übrigen Unternehmen der Gruppe
geweigert, ihr die entsprechenden Auskünfte zu erteilen. Selbst wenn die
Richtlinie 94/45/EG des Rates über die Einsetzung eines Europäischen
Betriebsrats oder die Schaffung eines Verfahrens zur Unterrichtung und
Anhörung der Arbeitnehmer in gemeinschaftsweit operierenden Unternehmen und
Unternehmensgruppen vom 22. September 1994 (EBR-RL) dahin auszulegen sein
sollte, dass die übrigen Gruppenunternehmen ihr gegenüber zur Auskunft
verpflichtet seien, sei doch die Richtlinie nicht von allen Mitgliedstaaten
in einem solchen Sinne umgesetzt worden. Sie könne ein Auskunftsverlangen
aus diesem Grund nicht durchsetzen.
Zur Mitteilung von Namen und Anschriften der Arbeitnehmervertretungen sei
sie schon deshalb nicht verpflichtet, weil diese Informationen für die
Errichtung eines Europäischen Betriebsrats nicht erforderlich seien. Im
Übrigen seien sie dem Gesamtbetriebsrat bereits bekannt.
Die Vorinstanzen haben den Anträgen des Gesamtbetriebsrats entsprochen. Mit
der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die
Arbeitgeberin ihr Begehren auf Antragsabweisung weiter.
Der Senat hat mit Beschluss vom 27. Juni 2000 (- 1 ABR 32/99 (A) - BAGE 95,
150) das Verfahren ausgesetzt und den Europäischen Gerichtshof zur
Vorabentscheidung darüber angerufen, ob die EBR-RL in Fällen wie dem
vorliegenden eine Verpflichtung der in der Gemeinschaft tätigen Unternehmen
verlangt, dem als zentrale Leitung geltenden Unternehmen die Auskünfte mit
dem Inhalt von § 5 Abs. 1 EBRG zu erteilen, und ob diese Pflicht ggf. auch
die Bezeichnungen und Anschriften der bei der Bildung des besonderen
Verhandlungsgremiums oder der Errichtung des Europäischen Betriebsrats zu
beteiligenden Arbeitnehmervertretungen umfasst. Mit Urteil vom 13. Januar
2004 hat der Europäische Gerichtshof die Fragen dahin beantwortet, dass die
Richtlinie im Sinne des Bestehens einer horizontalen Auskunftsverpflichtung
der betreffenden Unternehmen auszulegen sei und die Auskunftspflicht sich
auf die vom Gesamtbetriebsrat gewünschten Informationen dann erstrecke, wenn
diese für die Aufnahme der Verhandlungen zur Einrichtung eines Europäischen
Betriebsrats unerlässlich seien (EuGH 13. Januar 2004 - C-440/00 [Kühne &
Nagel] - AP EWG-Richtlinie Nr. 94/45 Nr. 3 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie
94/45 Nr. 3).
B. Die zulässige Rechtsbeschwerde ist nicht begründet. Das
Landesarbeitsgericht hat die Arbeitgeberin zu Recht verpflichtet, dem
Gesamtbetriebsrat die von ihm gewünschten Auskünfte zu erteilen. Der
Informationsanspruch folgt aus § 5 Abs. 1 EBRG in Verb. mit § 2 Abs. 2 Satz
3, Satz 4 EBRG. Seine Erfüllung ist für die Arbeitgeberin nicht
unmöglich.
I. Die Anträge des Gesamtbetriebsrats bedürfen der Klarstellung.
1. Der Antrag zu 1. entspricht weitgehend dem Wortlaut von § 5 Abs. 1 EBRG.
Aus der Formulierung “Verteilung auf die Mitgliedstaaten gem. § 2 Abs. 3
EBRG” geht hervor, dass sich das Auskunftsbegehren auf die Unternehmen und
Betriebe beschränkt, die ihren Sitz in der Gemeinschaft haben. Der Antrag
umfasst also nicht die Beschäftigten des in der Schweiz belegenen
herrschenden Unternehmens.
Der Antrag bezieht sich auf die Unternehmen und Betriebe in allen
derzeitigen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft. Zwar ist die Europäische Union
zwischen der ursprünglichen Antragstellung und dem Zeitpunkt der mündlichen
Anhörung vor dem Senat um zehn Staaten erweitert worden. Der Antrag ist
dennoch nicht auf die Hoheitsgebiete der ursprünglichen Mitgliedstaaten
beschränkt. Mit dem Antragswortlaut ist eine solche Einschränkung nicht
vereinbar. Sie widerspräche auch dem sachlichen Begehren des
Gesamtbetriebsrats. Dieses geht letztlich dahin, einen Europäischen
Betriebsrat zu bilden. Ein von Gesetzes wegen zu errichtender Europäischer
Betriebsrat hat seit dem 1. Mai 2004 gemäß § 22 Abs. 2, § 2 Abs. 3 EBRG auch
mögliche Arbeitnehmervertretungen in den neuen Mitgliedstaaten zu
berücksichtigen, soweit sich dort zur Unternehmensgruppe gehörende
Unternehmen oder Betriebe befinden. Ziel des Gesamtbetriebsrats muss es
deshalb sein, auch über Unternehmen und Betriebe in den neuen
Mitgliedstaaten unterrichtet zu werden. Der Gesamtbetriebsrat hat im Übrigen
in der Senatsanhörung ausdrücklich erklärt, dass er seinen Antrag mit diesem
Inhalt verstanden wissen wolle.
Der Gesamtbetriebsrat begehrt Auskunft uA über die “Struktur der
Unternehmensgruppe”. Mit diesem gesetzlichen Begriff sind einmal die
internen gesellschaftsrechtlichen Umstände und Zusammenhänge gemeint, aus
denen sich ein Beherrschungsverhältnis oder die Vermutung für das Bestehen
eines Beherrschungsverhältnisses iSv. § 6 Abs. 1, Abs. 2 EBRG ergibt (BAG
30. März 2004 - 1 ABR 61/01 - zur Veröffentlichung vorgesehen <zVv.>, zu B
IV 1 a der Gründe; Joost BB 2001, 2214, 2216; Thüsing/Leder Anm. zu EuGH 29.
März 2001 - C-62/99 [bofrost*] - SAE 2002, 171, 172). Mit seinem Antrag
begehrt der Gesamtbetriebsrat damit Auskunft über das Bestehen eines
Beherrschungsverhältnisses zwischen dem herrschenden Unternehmen der Gruppe
in der Schweiz und den anderen in den Mitgliedstaaten belegenen
Gruppenunternehmen. Zur Struktur einer Unternehmensgruppe gehört außerdem
die Zugehörigkeit der vorhandenen Betriebe zu bestimmten Unternehmen. Auch
über diesen Aspekt will der Gesamtbetriebsrat informiert werden.
2. Der Antrag zu 2. richtet sich auf die Mitteilung von Namen und
Anschriften der in den Betrieben und Unternehmen vorhandenen
Arbeitnehmervertretungen. Dabei geht es dem Gesamtbetriebsrat erkennbar
nicht um die Namen und die privaten Anschriften der einzelnen
Arbeitnehmervertreter, wie dies die Arbeitgeberin anzunehmen scheint. Der
Antrag meint vielmehr die Dienstanschriften der jeweiligen Vertretungen und
die genauen Bezeichnungen der betreffenden Gremien. Auch dies hat der
Gesamtbetriebsrat vor dem Senat klargestellt.
3. Die gestellten Anträge stehen nicht im Verhältnis von Haupt- und
(unechtem) Hilfsantrag. Sie sind inhaltlich unabhängig voneinander und vom
Gesamtbetriebsrat offensichtlich auch als je selbständige gewollt. Der
Antrag zu 2. gibt Sinn auch ohne positive Bescheidung des Antrags zu 1.
II. Der Antrag zu 1. ist zulässig.
1. In der Erstreckung auf die zehn neuen Mitgliedstaaten der Europäischen
Union liegt keine in der Rechtsbeschwerdeinstanz nicht mehr mögliche
Antragsänderung iSv. § 263 ZPO. Nach dem Wortlaut richtet sich der Antrag
auf “die Mitgliedstaaten gem. § 2 Abs. 3 EBRG”. Unter diese Vorschrift
fallen alle Staaten, die den betreffenden Status besitzen, unabhängig davon,
wann sie Mitglied der Europäischen Union geworden sind. Auf diese Weise
waren mögliche Veränderungen der Zusammensetzung der Gemeinschaft in der
Zeit nach der ersten Antragstellung von Beginn an vom Antrag erfasst. In
einer tatsächlich eingetretenen Veränderung der Zusammensetzung liegt keine
Antragsänderung.
Im Übrigen wäre eine darin liegende Änderung gemäß § 264 Nr. 2 ZPO
jedenfalls zulässig. Weil auch der neue Sachantrag sich auf den in der
Beschwerdeinstanz festgestellten Sachverhalt und das unstreitige Vorbringen
der Beteiligten stützen könnte, wäre die entsprechende Antragsänderung
ausnahmsweise noch in der Rechtsbeschwerdeinstanz möglich (für das
Urteilsverfahren vgl. BAG 17. Oktober 1972 - 1 AZR 86/72 - AP BGB § 630 Nr.
8 = EzA BGB § 630 Nr. 4, zu I 1 der Gründe mwN).
2. Der Gesamtbetriebsrat besitzt das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis.
Dem steht nicht entgegen, dass er möglicherweise einige der Unternehmen und
Betriebe, die zur Unternehmensgruppe gehören und ihren Sitz in einem
Mitgliedstaat haben, bereits kennt. Für einen Leistungsantrag besteht ein
Rechtsschutzbedürfnis grundsätzlich auch dann, wenn er (teilweise) schon
erfüllt sein sollte. Der Einwand der Erfüllung betrifft nicht die
Zulässigkeit, sondern die Begründetheit des Antrags (BAG 30. März 2004 - 1
ABR 61/01 - zVv., zu B II 2 der Gründe). Etwas anderes gilt allenfalls dann,
wenn der Antragsteller selbst vorträgt, der streitgegenständliche Anspruch
sei bereits erfüllt (vgl. Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann
ZPO Grundz. § 253 Rn. 48). Das ist hier nicht der Fall.
III. Der Antrag zu 1. ist begründet.
1. Nach § 5 Abs. 1 EBRG hat die zentrale Leitung des herrschenden
Unternehmens einer gemeinschaftsweit tätigen Unternehmensgruppe einer
Arbeitnehmervertretung auf Verlangen Auskünfte über die durchschnittliche
Gesamtzahl der Arbeitnehmer und ihre Verteilung auf die Mitgliedstaaten, die
Unternehmen und Betriebe sowie über die Struktur der Unternehmensgruppe zu
erteilen.
Hier ist die Arbeitgeberin zwar nicht das herrschende Unternehmen der
Gruppe, gleichwohl gilt die Auskunftspflicht auch für sie. Das tatsächlich
herrschende Unternehmen der Gruppe hat seinen Sitz in der Schweiz und damit
im EU-Ausland. Weil weder eine nachgeordnete Leitung für die in den
Mitgliedstaaten ansässigen Betriebe oder Unternehmen besteht, noch von der
zentralen Leitung ein Vertreter benannt worden ist, gilt gem. § 2 Abs. 2
Satz 3, Satz 4 EBRG als zentrale Leitung die Arbeitgeberin; die dafür
nötigen tatsächlichen Voraussetzungen liegen unstreitig vor.
2. Die Arbeitgeberin ist damit dem Grunde nach zur Erteilung der erbetenen
Auskünfte verpflichtet. Dies stellt sie selbst nicht in Abrede.
Gleichermaßen ist der Gesamtbetriebsrat auskunftsberechtigt. Dazu bedarf es
keines Rückgriffs auf § 50 Abs. 1 BetrVG. Nach § 5 Abs. 1 EBRG kann jede
Arbeitnehmervertretung den Auskunftsanspruch geltend machen. Der Begriff
“Arbeitnehmervertretung” umfasst örtliche, Gesamt- und Konzernbetriebsräte
und darüber hinaus - aus diesem Grund wird er im Gesetz verwendet - auch
ausländische Belegschaftsvertretungen. Das Auskunftsrecht steht parallel
sowohl den örtlichen als auch möglichen überörtlichen Betriebsräten zu. Dies
wird zudem aus der Regelung in § 5 Abs. 2 EBRG deutlich. Danach kann “ein
Betriebsrat oder ein Gesamtbetriebsrat” den Anspruch gegenüber der örtlichen
Betriebs- oder Unternehmensleitung erheben.
3. Der Auskunftsanspruch scheitert entgegen der Ansicht
der Arbeitgeberin nicht daran, dass er auf eine unmögliche Leistung
gerichtet wäre. Zwar ist nach § 275 Abs. 1 BGB nF der Anspruch auf Leistung
ausgeschlossen, soweit die Leistung für den Schuldner oder für jedermann
unmöglich ist. Die Vorschrift gilt nicht nur für ein vertragliches, sondern
auch für ein gesetzliches Schuldverhältnis, wie es hier zwischen
Gesamtbetriebsrat und Arbeitgeberin vorliegt (vgl. Palandt/Heinrichs BGB
§ 275 Rn. 3; Erman/Westermann BGB 11. Aufl. § 275 Rn. 2). Unmöglichkeit
im Sinne dieser Vorschrift besteht jedoch nicht. Die Arbeitgeberin ist zur
Leistung imstande.
a) Dies folgt nicht schon daraus, dass sie von Gesetzes wegen mit dem
Einwand der Unmöglichkeit ausgeschlossen wäre. Anders als etwa § 17 Abs. 3a
KSchG sieht das EBRG nicht ausdrücklich vor, dass die fingierte zentrale
Leitung sich auf fehlende Informationen durch die tatsächliche zentrale
Leitung oder andere Unternehmen der Unternehmensgruppe nicht berufen kann.
Auch die dem EBRG zugrunde liegende EBR-RL enthält eine solche Bestimmung -
anders als etwa Art. 2 Abs. 4 der Richtlinie 98/59/EG des Rates vom 20. Juli
1998 (Massenentlassungs-RL) und Art. 7 Abs. 4 der Richtlinie 2001/23/EG des
Rates vom 12. März 2001 (Betriebsübergangs-RL) - nicht.
b) Ebenso wenig ist davon auszugehen, dass die Vertretungsorgane oder
sonstige Mitarbeiter der Arbeitgeberin die für die Auskunftserteilung
erforderlichen Informationen tatsächlich doch besäßen. Die Arbeitgeberin hat
schon in der Antragserwiderung aus dem März 1998 vorgetragen, ihr fehlten
die betreffenden Kenntnisse. Der Gesamtbetriebsrat ist dem zu keiner Zeit
entgegengetreten.
c) Die Arbeitgeberin ist zur Auskunftserteilung in der Lage, weil sie
sich der Mitwirkung Dritter bedienen kann, die die nötigen Kenntnisse
besitzen.
Allerdings hat die Arbeitgeberin behauptet, sie habe sich durch
entsprechende Anfragen im März 1999 vergeblich darum bemüht, von der
zentralen Leitung in der Schweiz und von den Leitungen der in den
Mitgliedstaaten ansässigen Unternehmen der Gruppe die entsprechenden
Informationen zu bekommen. Der Gesamtbetriebsrat hat dies nicht bestritten.
Es mag daher unterstellt werden, dass eine Mitwirkung der
Unternehmensleitungen auf freiwilliger Grundlage nicht zu erreichen ist. Die
Möglichkeiten, diese zur Auskunft anzuhalten, sind damit jedoch nicht
erschöpft. Der Arbeitgeberin stehen dazu rechtliche Wege offen. Sie kann die
in einem Mitgliedstaat ansässigen Unternehmen der Gruppe erforderlichenfalls
gerichtlich auf Auskunftserteilung in Anspruch nehmen.
aa) Ein solcher Auskunftsanspruch der deutschen Arbeitgeberin gegenüber
nicht im Inland ansässigen Unternehmen folgt nicht schon aus dem EBRG.
Dessen räumlicher Geltungsbereich erstreckt sich nur auf in Deutschland
belegene Unternehmen. Aus diesem Grund lässt sich auch ein Anspruch der
Arbeitgeberin gegen die tatsächliche zentrale Leitung in der Schweiz aus dem
EBRG nicht herleiten.
bb) Ein Auskunftsanspruch der Arbeitgeberin gegenüber anderen in der
Europäischen Union ansässigen Unternehmen kann sich indessen aus dem
jeweiligen nationalen Recht ergeben, das zur Umsetzung der EBR-RL geschaffen
worden ist.
(1) Der EuGH hat auf die Anfrage des Senats vom 27. Juni 2000 Art. 4 Abs. 1
und Art. 11 Abs. 1 EBR-RL dahin ausgelegt, dass die Leitungen der in der
Gemeinschaft ansässigen Unternehmen, die zu einer Unternehmensgruppe mit
einem außerhalb der Gemeinschaft ansässigen herrschenden Unternehmen
gehören, der fingierten zentralen Leitung zur Auskunft verpflichtet sind.
Sie haben ihr die Informationen zur Verfügung zu stellen, die zur Aufnahme
der Verhandlungen zur Errichtung eines Europäischen Betriebsrats
unerlässlich sind, soweit sie über sie verfügen oder sie sich beschaffen
können. Die fingierte zentrale Leitung hat einen Anspruch darauf, diese
Auskünfte von den zur Gruppe gehörenden Unternehmen zu erhalten. Die
betroffenen Mitgliedstaaten haben sicherzustellen, dass die
Unternehmensleitungen der fingierten zentralen Leitung diese Informationen
zur Verfügung stellen (EuGH 13. Januar 2004 - C-440/00 [Kühne & Nagel] - AP
EWG-Richtlinie Nr. 94/45 Nr. 3 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 94/45 Nr.
3). Diese Auslegung der Richtlinie ist für den Senat verbindlich (vgl. BAG
8. August 1996 - 6 AZR 771/93 (A) - BAGE 84, 11, 16, zu I 2 c der Gründe).
(2) Allein dadurch, dass die EBR-RL eine Auskunftsverpflichtung der in den
Mitgliedstaaten ansässigen Unternehmen gegenüber der fingierten zentralen
Leitung statuiert hat, ist allerdings noch kein auf die Beziehungen zwischen
den betreffenden Unternehmen unmittelbar anwendbares Recht entstanden. Dazu
bedarf es nach Art. 249 Abs. 3 EG der Umsetzung der Richtlinie in nationales
Recht. Jedenfalls zwischen Privatrechtssubjekten vermag eine Richtlinie
keine unmittelbare Anspruchsbeziehung zu begründen (EuGH
14. Juli 1994 - C-91/92 [Faccini Dori] - Slg. 1994 I-3325, 3347, zu Nr.
20, 24 der Gründe).
Zumindest diejenigen Mitgliedstaaten, die der Gemeinschaft schon vor dem 1.
Mai 2004 angehörten, haben indessen sämtlich nationale Vorschriften mit dem
Ziel einer Umsetzung der EBR-RL erlassen. Dabei ist keineswegs
ausgeschlossen, dass diese Vorschriften, erforderlichenfalls in der
gebotenen richtlinienkonformen Auslegung, horizontale Auskunftspflichten
gegenüber der fingierten zentralen Leitung enthalten.
cc) Eine danach verbleibende Unsicherheit darüber, ob die Durchsetzung
des von der EBR-RL vorgegebenen Auskunftsanspruchs tatsächlich gegenüber
allen in anderen Mitgliedstaaten ansässigen Unternehmen gelingt oder im
Einzelfall scheitert, weil das innerstaatliche Gericht das betreffende
nationale Recht als unzulängliche Umsetzung der Richtlinie ansieht, führt
nicht zur Annahme von Unmöglichkeit iSd. § 275 Abs. 1 BGB. Dazu müsste
umgekehrt mit Gewissheit anzunehmen sein, dass eine Inanspruchnahme der in
den Mitgliedstaaten ansässigen Unternehmen auch auf dem Rechtswege erfolglos
bliebe. Das ist nicht der Fall.
(1) Anders als die Arbeitgeberin meint, ist zur Herbeiführung der nötigen
Gewissheit eine abstrakte gutachterliche Beurteilung der Rechtslage in den
einzelnen Mitgliedstaaten, die von Amts wegen einzuholen oder von deutschen
Gerichten selbst vorzunehmen wäre, nicht geeignet. Zumindest angesichts der
Entscheidung des EuGH vom 13. Januar 2004 lässt sich ohne den tatsächlichen
Versuch der gerichtlichen Durchsetzung eines auf horizontale
Auskunftserteilung gerichteten Anspruchs nicht mit der erforderlichen
Sicherheit klären, ob dem Auskunftsverlangen Erfolg beschieden sein wird
oder nicht. Selbst ein bisher vom Fehlen solcher Ansprüche ausgehendes
Verständnis des nationalen Rechts in einem Mitgliedstaat würde von den
dortigen Gerichten unter dem Eindruck der EuGH-Entscheidung erneut überprüft
werden. Ein für die Arbeitgeberin negativer Ausgang von auf
Auskunftserteilung gerichteten Prozessen gegen Unternehmen der Gruppe in den
Mitgliedstaaten lässt sich deshalb jedenfalls zur Zeit keineswegs mit
hinreichender Sicherheit annehmen.
(2) Die deutschen Gerichte sind auch nicht gehalten, nach § 293 ZPO
vorzugehen und sich - mit Hilfe der Beteiligten - aller verfügbaren
Erkenntnisquellen zu bedienen, um den Inhalt ausländischen Rechts
festzustellen. § 293 ZPO setzt voraus, dass das ausländische Recht auf
den zur Entscheidung stehenden Fall im Wege der Subsumtion anzuwenden ist
(vgl. Reichold in Thomas/Putzo ZPO § 293 Rn. 9; Zöller/Geimer ZPO § 293
Rn. 24). Hier geht es dagegen nicht darum, auf den Streitfall das Recht
der Mitgliedstaaten anzuwenden. Dieser beurteilt sich vielmehr allein nach
deutschem Recht. Es geht - bei Anwendung des deutschen Rechts - lediglich um
die Frage, inwieweit ein von der Arbeitgeberin nach ausländischem Recht zu
führender Prozess für sie Erfolg verspricht.
(3) Von einer Unmöglichkeit nach § 275 Abs. 1 BGB kann danach nicht
ausgegangen werden. Sollte sich allerdings im Anschluss an das vorliegende
Erkenntnisverfahren herausstellen, dass die Arbeitgeberin trotz Beschreitens
des Rechtswegs in den Mitgliedstaaten nicht in der Lage ist, ihre
Auskunftspflicht gegenüber dem Gesamtbetriebsrat (vollständig) zu erfüllen,
etwa weil sie ihren nach der EBR-RL bestehenden eigenen horizontalen
Auskunftsanspruch gerichtlich nicht durchzusetzen vermochte, so wäre dies im
Rahmen eines möglichen Vollstreckungsverfahrens zu ihren Gunsten zu
berücksichtigen.
4. Der Arbeitgeberin steht auch ein Leistungsverweigerungsrecht nicht zur
Seite. Nach § 275 Abs. 2 BGB kann der Schuldner die Leistung - auch ohne
dass diese unmöglich wäre - verweigern, wenn die Leistungserbringung mit
einem Aufwand verbunden ist, der unter Beachtung des Inhalts des
Schuldverhältnisses und der Gebote von Treu und Glauben in einem groben
Missverhältnis zum Leistungsinteresse des Gläubigers steht. Die Vorschrift
gewährt dem Schuldner eine Einrede, auf die er sich im Prozess berufen muss
(Palandt/Heinrichs BGB § 275 Rn. 32).
Hier kann dahinstehen, ob dem Vorbringen der Arbeitgeberin die Erhebung
einer solchen Einrede zumindest konkludent zu entnehmen ist. Es liegen schon
die Voraussetzungen des Befreiungstatbestands nicht vor. Bezugspunkt für
die Feststellung eines groben Missverhältnisses ist ausschließlich das
Gläubigerinteresse und nicht das wirtschaftliche oder sonstige Interesse des
Schuldners daran, für die Erfüllung der Leistungsschuld keinen
“unerschwinglichen” Aufwand betreiben zu müssen (vgl. Canaris JZ 2001,
499, 501, 502). Für die Arbeitgeberin könnte im Streitfall nur der
(finanzielle) Aufwand zu Buche schlagen, der mit der Erhebung diverser
Auskunftsklagen in den in Frage kommenden Mitgliedstaaten verbunden ist.
Gegenüber dem der Errichtung eines Europäischen Betriebsrats dienenden
Auskunftsinteresse des Gesamtbetriebsrats überwiegt das Interesse der
Arbeitgeberin an der Vermeidung dieses Aufwands nicht. Es lässt sich schon
angesichts der Überschaubarkeit des Aufwands und der möglichen Kosten nicht
davon sprechen, die Erfüllung des Auskunftsbegehrens des Gesamtbetriebsrats
führe zu einem groben, dh. ein untragbares Ausmaß annehmenden (Canaris aaO,
502) Missverhältnis zwischen Anspruch und Erfüllungsaufwand.
5. Der Antrag zu 1. ist auch seinem konkreten Inhalt nach begründet. Der
Gesamtbetriebsrat begehrt ausschließlich solche Auskünfte, auf die § 5 Abs.
1 EBRG einer Arbeitnehmervertretung gegenüber der (fingierten) zentralen
Leitung Anspruch gewährt.
a) Allerdings hat der EuGH die Vorschrift des Art. 11 Abs. 2 EBR-RL, deren
Umsetzung § 5 Abs. 1 EBRG dient, dahingehend ausgelegt, dass die Daten über
die Struktur oder die Organisation einer Unternehmensgruppe der
Arbeitnehmervertretung nur dann zur Verfügung zu stellen sind, wenn sie zu
den Informationen gehören, die zur Aufnahme von Verhandlungen zur Errichtung
eines Europäischen Betriebsrats unerlässlich sind (EuGH 20. März 2001 -
C-62/99 [bofrost*] - Slg. 2001-I, 2579 = AP EWG-Richtlinie Nr. 94/45 Nr. 2 =
EzA EG. Vertrag 1999 Richtlinie 94/45/EG Nr. 2; EuGH 13. Januar 2004 -
C-440/00 [Kühne & Nagel] - AP EWG-Richtlinie Nr. 94/45 Nr. 3 = EzA
EG-Vertrag 1999 Richtlinie 94/45 Nr. 3). Damit sind auch nach § 5 Abs. 1
EBRG Auskünfte über die interne Struktur der Unternehmensgruppe im Sinne von
Informationen über die jeweiligen Beteiligungsverhältnisse nur dann zu
erteilen, wenn auch sie zur Aufnahme von Verhandlungen über die Errichtung
des Europäischen Betriebsrats oder zu seiner Errichtung kraft Gesetzes
unerlässlich sind. Der Auskunftsanspruch hat eine “dienende” Funktion. Sein
Ziel ist nicht, der Arbeitnehmervertretung unabhängig von der Frage, ob die
Informationen für die Errichtung eines Europäischen Betriebsrats von
Bedeutung sind, detaillierte Kenntnisse über sämtliche Verästelungen der
Struktur einer Unternehmensgruppe zu verschaffen (BAG 30. März 2004 - 1 ABR
61/01 - zVv., zu B IV 1 b der Gründe mwN).
Unabhängig von diesem einschränkenden Verständnis des § 5 Abs. 1 EBRG kommt
im Streitfall hinzu, dass die in Anspruch genommene Arbeitgeberin als nur
fingierte zentrale Leitung eigene Kenntnisse nicht besitzt und sie sich von
den übrigen in den Mitgliedstaaten ansässigen Unternehmen der Gruppe erst
beschaffen muss. Auch der auf die EBR-RL gestützte horizontale
Auskunftsanspruch ist, wie der EuGH erkannt hat, auf “unerlässliche”
Informationen beschränkt. Es ist Sache der nationalen Gerichte zu
beurteilen, ob solcherart Informationen begehrt werden.
b) Die vom Gesamtbetriebsrat begehrten Auskünfte sind für die Aufnahme von
Verhandlungen über die Errichtung eines Europäischen Betriebsrats
unerlässlich. Sie sind für den genannten Zweck objektiv erforderlich und der
Gesamtbetriebsrat besitzt sie auch nicht schon zuverlässig (vgl. dazu Joost
ZIP 2004, 1034, 1037).
aa) Der Gesamtbetriebsrat benötigt Auskunft über die durchschnittliche
Gesamtzahl der Arbeitnehmer und deren Verteilung auf die Mitgliedstaaten,
Unternehmen und Betriebe. Zwar ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass
die Unternehmensgruppe, der die Arbeitgeberin angehört, gemeinschaftsweit
iSd. § 1 Abs. 1, § 3 Abs. 2 EBRG tätig ist und deshalb die Voraussetzungen
für die Bildung eines Europäischen Betriebsrats und die Anwendung des EBRG
vorliegen. Die Kenntnis der durchschnittlichen Gesamtzahl der Beschäftigten
und deren Verteilung ist aber nötig, um die korrekte Zusammensetzung des
kraft Gesetzes zu errichtenden Europäischen Betriebsrats nach § 22 Abs. 3,
Abs. 4 EBRG beurteilen zu können.
Der Gesamtbetriebsrat besitzt die betreffenden Informationen nicht,
zumindest nicht zuverlässig. Zwar sind ihm bestimmte Schreiben der
Arbeitgeberin an zur Gruppe gehörende Unternehmen und deren jeweilige
Antwortschreiben bekannt. Sämtliche Schreiben stammen jedoch aus dem Jahr
1999. Seitdem können sich Änderungen ergeben haben. Es kommt hinzu, dass
weder feststeht, ob sämtliche Gruppenunternehmen von der Arbeitgeberin
angeschrieben worden sind, noch feststeht, ob nicht, etwa durch die
Erweiterung der Europäischen Union, neue Unternehmen oder Betriebe
hinzugekommen sind.
bb) Der Gesamtbetriebsrat benötigt ferner diejenigen Auskünfte über die
Struktur der Unternehmensgruppe, die es ihm erlauben festzustellen, welche
Unternehmen vom herrschenden Unternehmen der Gruppe tatsächlich beherrscht
werden; nur auf diese erstreckt sich die Zuständigkeit des Europäischen
Betriebsrats. Wie detailliert diese Auskünfte zu erfolgen haben, hängt von
den Umständen des Einzelfalls ab. Die Arbeitgeberin würde ihrer
Auskunftspflicht beispielsweise dann genügen, wenn sie dem Gesamtbetriebsrat
mitteilte, welche Unternehmen insgesamt der Gruppe angehören, und zugleich
erklärte, diese stünden sämtlich in einem Beherrschungsverhältnis zum
herrschenden Unternehmen. Auf die Einzelheiten der jeweiligen
Beteiligungsverhältnisse käme es dann nicht an (so auch Schmidt RdA 2001
Sonderbeilage Heft 5 S. 12, 16). Würde die Arbeitgeberin dem
Gesamtbetriebsrat dagegen zwar die zur Gruppe gehörenden Unternehmen
mitteilen, aber zugleich erklären, dass eines oder mehrere von ihnen nicht
unmittelbar oder mittelbar vom Schweizer Unternehmen beherrscht würden,
müsste sie dies durch Offenlegung der Beteiligungsverhältnisse präzisieren.
IV. Der Antrag zu 2. ist gleichfalls zulässig und begründet.
1. Der Zulässigkeit des Antrags steht nicht entgegen, dass es für den
Gesamtbetriebsrat einen einfacheren als den gerichtlichen Weg gäbe, Kenntnis
von den Anschriften und Bezeichnungen der betreffenden
Arbeitnehmervertretungen zu erhalten. Zwar waren ihm jedenfalls im Jahr 1999
die Bezeichnungen einiger Arbeitnehmervertretungen und deren Anschriften
bekannt. Dies belegt ein Schreiben, welches er am 25. August 1999 an die
Arbeitgeberin mit der Bitte richtete, die darin genannten
Arbeitnehmervertreter aus anderen Mitgliedstaaten zu einer konstituierenden
Sitzung eines Europäischen Betriebsrats einzuladen. Zum einen ist jedoch
nicht ersichtlich, wie der Gesamtbetriebsrat sich die Anschriften der dort
nicht genannten Arbeitnehmervertretungen aus weiteren Mitgliedstaaten ohne
Hilfe der Arbeitgeberin sollte besorgen können. Zum anderen können auch
bezüglich der ihm bekannten Daten mittlerweile Veränderungen eingetreten
sein.
2. Der mit dem Antrag zu 2. verfolgte Anspruch ist begründet. Er folgt aus
einer richtlinienkonformen Auslegung des § 5 Abs. 1 EBRG.
a) Weder das EBRG noch die EBR-RL gewähren einer Arbeitnehmervertretung
ausdrücklich einen Anspruch auf Mitteilung der Anschriften und Bezeichnungen
der Arbeitnehmervertretungen in den anderen Mitgliedstaaten. Deren Kenntnis
ist zunächst auch nicht zwingend erforderlich, um feststellen zu können, ob
ein Europäischer Betriebsrat gebildet werden kann und um in einem solchen
Fall den vorrangigen Weg zur Bildung eines besonderen Verhandlungsgremiums
nach § 9 EBRG beschreiten zu können. Es bedarf dazu keiner Kontaktaufnahme
zu den übrigen Arbeitnehmervertretungen in den Betrieben und Unternehmen der
Gruppe (so auch Joost ZIP 2004, 1034, 1037).
b) Wird allerdings die (fingierte) zentrale Leitung entgegen einem Antrag
nach § 9 Abs. 1, Abs. 2 EBRG nicht tätig, um die Bildung eines besonderen
Verhandlungsgremiums iSv. § 9 Abs. 3, § 10 EBRG voranzutreiben, so steht
dies der Verweigerung der Aufnahme von Verhandlungen nach § 21 Abs. 1 EBRG
gleich. Die Untätigkeit der zentralen Leitung löst sechs Monate nach der
Antragstellung die Möglichkeit der Errichtung eines Europäischen
Betriebsrats kraft Gesetzes aus. Die Initiative hierzu liegt nunmehr bei den
Arbeitnehmervertretungen. Um die Initiative zu ergreifen, müssen die
Vertretungen kooperieren können. Dazu wiederum muss das initiierende
Vertretungsgremium wissen, in welchen Unternehmen und Betrieben in den
anderen Mitgliedstaaten Arbeitnehmervertretungen gebildet worden sind und
unter welchen Anschriften und Bezeichnungen es diese erreichen kann. Diese
Informationen sind deshalb zur Aufnahme von Verhandlungen zur Errichtung
eines Europäischen Betriebsrats nach Scheitern der Bildung eines besonderen
Verhandlungsgremiums unerlässlich. Unter dieser Voraussetzung werden sie von
der Auskunftspflicht der zentralen Leitung nach Art. 4 Abs. 1, Art. 11 Abs.
1 EBR-RL erfasst (EuGH 13. Januar 2004 - C-440/00 [Kühne & Nagel] - AP
EWG-Richtlinie Nr. 94/45 Nr. 3 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 94/45 Nr.
3).
c) Damit ist eine Auslegung der Vorschriften des EBRG geboten, die innerhalb
der verfassungsrechtlichen und methodischen Grenzen der Auslegung zu einer
Umsetzung des Inhalts der EBR-RL führt. Eine solche richtlinienkonforme
Auslegung des § 5 Abs. 1 EBRG ist ohne Überschreitung von
Auslegungsschranken möglich.
Die (fingierte) zentrale Leitung ist nach § 5 Abs. 1 EBRG zur Auskunft uA
über “die Struktur der Unternehmensgruppe” verpflichtet. Zu einer solchen
Auskunft gehören zwar vor der vergeblichen Antragstellung nach § 9 Abs. 1,
Abs. 2 EBRG nicht notwendig die Anschriften der bei den Unternehmen und
Betrieben errichteten Arbeitnehmervertretungen und deren Bezeichnungen. Bei
vergeblicher Antragstellung, dh. im Zusammenhang mit der Errichtung eines
Europäischen Betriebsrats kraft Gesetzes lässt sich § 5 Abs. 1 EBRG aber
ohne Verstoß gegen den Wortsinn oder den Willen des Gesetzgebers dahin
auslegen, dass zur geschuldeten Auskunft auch Angaben über die
Arbeitnehmervertretungen in den jeweiligen Unternehmen und Betrieben zählen.
Die Arbeitnehmervertretungen sind Teil des Unternehmens bzw. Betriebs. Die
Angabe ihrer Anschriften und Bezeichnungen gehört damit zu einer
vollständigen Auskunft über die betreffenden Verhältnisse.
d) Im Streitfall sind die Voraussetzungen für einen auf die
richtlinienkonforme Auslegung des auf § 5 Abs. 1 EBRG gestützten Anspruchs
auf Auskunft über die Anschriften und Bezeichnungen der vorhandenen
Arbeitnehmervertretungen erfüllt. Schon im Dezember 1996 hatte der - damals
noch bestehende - Konzernbetriebsrat der Arbeitgeberin zusammen mit
Arbeitnehmervertretern aus den Niederlanden beschlossen, “gem. § 9 EBRG die
Einrichtung eines Europäischen Betriebsrats zu initiieren”. Er hatte die
Arbeitgeberin entsprechend informiert. Darin liegt ein wirksamer Antrag nach
§ 9 Abs. 1, Abs. 2 EBRG. Der Konzernbetriebsrat handelte innerhalb seiner
Befugnisse nach dem EBRG. Die Arbeitgeberin hat darauf und auf die vom
Gesamtbetriebsrat in der Folgezeit wiederholten Anträge nicht reagiert.
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