Haftung aus Gewinnmitteilungen (§ 661a BGB): Internationale Zuständigkeit
und inhaltliche Anforderungen an die Gewinnmitteilung
OLG Frankfurt/M., Urt. v. 19.2.2002, 8 U 228/01
Fundstelle:
nicht bekannt
Zentrale Probleme:
S. die Anm. zu LG Braunschweig v.
10.1.2002 - 10 O 2753/00 sowie OLG Dresden v. 19.12.2001, Az: 8 U 2256/01.
Zur internationalen Zuständigkeit s. insbesondere EuGH Urteil v. 11.7.2002 Rs. C-96/00
"Gabriel". Zu den wettbewerbsrechtlichen Aspekten s.
BGH NJW-RR 2001, 1574.
Tatbestand:
Es handelt sich um die Einforderung eines gemachten Gewinnversprechens.
Im August 2000 übersandte die Beklagte der Klägerin sowie einer Vielzahl
anderer Empfänger eine Gewinnbestätigung, die wie folgt lautet: „Im Rahmen
einer Vorabziehung wurde für diese Gewinnsumme in Höhe von 30.000,00 DM die
Nummer 1... gezogen und eindeutig als Gewinnnummer festgelegt“. Es heißt
dann weiter: „Es wird festgestellt, dass die Gewinnnummer 1... auch für Frau
G. – die Klägerin – gezogen wurde. Damit ist Frau G. eindeutig als
Gewinner ermittelt.“ Darunter befinden sich drei Unterschriften, davon
die eines Rechtsanwaltes, der als Hauptjuror der Gewinnabteilung bezeichnet
ist (Bl. 13 d.A.). Beigefügt war eine Karte, auf der die Empfänger ankreuzen
konnte, ob sie eine echte Bernsteinkette 30 Tage zur Ansicht (für 39,95 DM)
oder die Bargeldauszahlung wünschten. Am linken Rand der Gewinnbestätigung
wird recht klein gedruckt darauf hingewiesen, dass Gewinnnummern auch
mehrfach vergeben und bei mehreren Gewinnanforderungen der Betrag unter den
Einsendern aufgeteilt werden könne; Gewinne unter 5,00 DM würden nicht
ausgezahlt, sondern als Jackpot für die nächste Veranstaltung zur Verfügung
gestellt. Wegen des Wortlauts des genannten sowie eines mehrfach mit dem
Begriff Gewinnvergabe versehenen Schreibens wird auf Blatt 13 und 14 d.A.
verwiesen. Genannt werden zusätzlich die Namen von zwei Frauen, die
15.000,00 DM und 20.000,00 DM gewonnen hätten (Bl. 15 d.A.). Auf dem Blatt
„Test- und Bargeld-Gewinn-Anforderung“ findet sich rechts unten der Hinweis,
die Gewinnbedingungen gelesen und anerkannt zu haben (Bl. 17 d.A.).
Eine Gewinnauszahlung erfolgte nicht. Die Beklagte teilte mit, es seien so
viele gültige Gewinnanforderungen bei ihr eingegangen, dass der auf die
Klägerin entfallende Anteil unter 5,00 DM liege.
Die Beklagte, ein Schweizer, offenbar aus einem Inhaber bestehende, AG hat
die internationale und die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts gerügt
und dargelegt, den Schreiben lasse sich nicht entnehmen, dass die Klägerin
30.000,00 DM gewonnen habe.
Das Landgericht hat seine internationale Zuständigkeit nach §§ 13 Nr. 3, 14
EuGVÜ (Übereinkommen der EG über die gerichtliche Zuständigkeit und die
Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen) in
Verbindung mit dem im wesentlichen gleichlautenden und für die Schweiz
verbindlichen Luganer-Abkommen vom 16.09.1988 (BGBl. 94 II 2658 – siehe auch
BLAH unter „Anerk. Vollstr. Abk.“) für den geltend gemachten Anspruch aus §
661 a BGB bejaht. Zumindest sei aber bei Annahme eines (quasi) deliktischen
Anspruchs die internationale und örtliche Zuständigkeit aus Art. 5 Nr. 3
EuGVÜ gegeben.
Die Klage sei begründet, weil sich der Klägerin der Eindruck habe aufdrängen
müssen, sie sei als Gewinnerin von 30.000,00 DM ermittelt worden. Es falle
zwar auf, dass der Gewinnanteil für die Nummer 1... „auch“ für die Klägerin
gezogen worden sei und die 30.000,00 DM nur zu dieser Gewinnnummer in Bezug
gesetzt werden. Der Empfänger habe aber nicht damit rechnen müssen, dass am
Ende nur noch eine anteilige Summe von weniger als 5,00 DM übrig bleibe. Die
Erwartung größeren Gewinnes werde dadurch gefördert, dass hohe Gewinnsummen
ausdrücklich genannt worden seien.
Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer zulässigen Berufung.
Sie meint, laut internationaler Zuständigkeit könne sie nur in der Schweiz
verklagt werden. Nach den Maßstäben des Europäischen Rechts müsse von einem
aufgeklärten, misstrauischen Verbraucher ausgegangen werden, der erkannt
habe, dass er nur als einer von vielen an einer Gewinnsumme von 30.000,00 DM
beteiligt sei. Die Situation sei nicht anders zu bewerten als beim Lotto.
Die Beklagte beantragt, das am 30.08.2001 verkündete Urteil des Landgerichts
Frankfurt am Main abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie behauptet, die Beklagte müsse mehrere zehntausendmal Gewinnbestätigungen
mit der Nummer 1... versandt haben, sonst wären nicht mehr als 6.000
Gewinnanforderungen zurückgeschickt worden. Im übrigen verteidigt sie das
angefochtene Urteil und vertieft ihren bisherigen Vortrag.
Entscheidungsgründe:
Das Rechtsmittel bleibt in der Sache ohne Erfolg.
Zur Frage der Zuständigkeit folgt der Senat dem Landgericht. Es erscheint
nicht fernliegend, vorliegend zumindest von einem angestrebten
Vertragsabschluss betreffend die Lieferung einer beweglichen Sache gemäß
Art. 13 I Nr. 3 EuGVÜ auszugehen, bei dem nach Art. 14 I auch vor den
Gerichten des Vertragsstaates geklagt werden kann, in dessen Hoheitsgebiet
der Verbraucher seinen Wohnsitz hat. Ob das auch für ein Verhalten gilt, das
erst zu einem Vertragsschluss über eine zu liefernde Sache führen soll, mag
bezweifelt werden können, zumal die Klägerin ja aus einem anderen
Rechtsgrund, nämlich einer – allerdings im Zusammenhang mit einem
Kaufangebot gemachten – Gewinnzusage (§ 661 a BGB) vorgeht.
Es handelt sich aber um eine unerlaubte oder zumindest um eine einer solchen
gleichzusetzende Handlung nach Art. 5 Nr. 3 des EuGVÜ, wonach der Verletzer
auch am forum delicti commissi verklagt werden kann.
Im Rahmen des Deliktsbegriffs gemäß Art. 5 Nr. 3 sind alle Klagen erfasst,
mit denen eine Schadenshaftung des Gegners geltend gemacht wird, die nicht
an einen Vertrag im Sinne des Art. 5 Nr. 1 des genannten Abkommens anknüpfen
(EuGH NJW 88, 3088).
Für Klagen aus § 661 a BGB ist damit das Gericht des Ortes zuständig, in dem
der Empfänger einer Gewinnbenachrichtigung wohnt (Lorenz NJW 2000, 3305,
3309).
Vorliegend ist davon auszugehen, dass es sich um einen Wettbewerbsverstoß
handelt, der bei gebotener EuGVÜ-autonomer Auslegung (EuGH NJW 88,3088)
unter Ziffer 3 des Art. 5 fällt (BGH NJW 88,1466, OLG München NJW-RR
94,190). Der Adressat soll aufgrund mit EDV leicht herstellbaren
pseudo-individuellen Schreiben den Eindruck gewinnen, er sei persönlich aus
einer größeren Anzahl von Interessenten als Gewinner einer großen Geldsumme
ausgewählt worden. Selbstverständlich geschieht dies in der Absicht, er
werde unter dem Eindruck dieser Mitteilung problemlos die gleichzeitig mit
angebotene Ware bestellen. Mit einem solchen Vorgehen verschafft sich ein
Unternehmer im Kampf um Kunden gegenüber jedem Mitbewerber eine bessere
Position, auch wenn vorliegend die Zusage des Gewinns nicht von einer
Bestellung abhängig gemacht wird.
Indem der Gesetzgeber § 661 a BGB mit einem „Gesetz über Fernabsatzverträge
und andere Fragen des Verbraucherrechts sowie zur Umsetzung von Vorschriften
auf Euro“ am 27.06.2000 in Kraft treten ließ, womit er die Richtlinie 97/7
EG umgesetzt hat, wollte er zweifellos den Verbraucher vor unseriösen
Angeboten schützen. Gleichzeitig hat der Gesetzgeber – wenn auch ohne
Umsetzungsbedarf - einer verbreiteten wettbewerbsrechtlich unzulässigen
Praxis entgegenwirken wollen, Verbraucher durch die Mitteilung von angeblich
gemachten Gewinnen zu Bestellungen zu veranlassen.
Einen Anspruch nach § 661 a BGB hat das Landgericht in noch vertretbarer
Weise bejaht.
Fehl geht bei der gebotenen rechtlichen Betrachtung der Hinweis der
Beklagten auf die Entscheidung des OLG Düsseldorf (NJW 97.2122), wonach es
für Klagen auf Erfüllung von Gewinnversprechen keine gesetzliche
Anspruchsgrundlage gebe. Dies ist nach der Schaffung des § 661 a BGB anders.
Mit dieser Vorschrift hat der Gesetzgeber eine Tendenz der umgesetzten
Richtlinie aufgegriffen, Wettbewerbsverstöße zivilrechtlich im Sinne eines
zu bejahenden Anspruchs auf die verheißene Summe zu sanktionieren.
Dies ist mit der Formulierung geschehen, man habe den Preis zu zahlen, wenn
man als Unternehmer eine Gewinnzusage o.ä. an einen Verbraucher schicke und
dabei den Eindruck erwecke, dieser habe gewonnen.
Mit dem Landgericht ist davon auszugehen, dass aufgrund der an die Klägerin
ergangenen Mitteilung dieser sich der Eindruck aufdrängen sollte, sie habe
30.000,00 DM gewonnen; das sollte bei ihr die Bereitschaft wecken, eine
Bernsteinkette für 39,95 DM zu bestellen. Mit den mehrfach hervorgehobenen
30.000,00 DM und den wichtig erscheinenden Unterschriften unter der
„Gewinnbestätigung“ sollte ihr vorgespiegelt werde, es handele sich
tatsächlich um eine solche Summe.
Nach der Auffassung des Senats sind die zweifellos vorhandenen gegenteiligen
Hinweise nicht so gestaltet, dass sie der normale Adressat erkennen kann.
Dabei kann es nicht auf den besonders misstrauischen, aufgeklärten
Verbraucher ankommen, sondern nur darauf, wie ein durchschnittlich
informierter, aufmerksamer und verständiger Verbraucher das Schreiben
auffassen muss. Dieser Maßstab ist – entgegen der Auffassung der Klägerin –
auch nach deutschem Recht, über dessen Anwendung die Parteien einig sind,
heranzuziehen. Sicher muss man im heutigen Geschäftsleben, das von
reißerischen Anpreisungen geprägt ist, als angesprochener Kunde
Versprechungen kritisch betrachten, so wird man sicher nicht auf einen
Gewinn vertrauen, wenn eine Mitteilung dahingehend eingeschränkt wird, man
habe vielleicht oder auch mit großer Wahrscheinlichkeit gewonnen. Vorliegend
wird versucht, den Angesprochenen von der Erkenntnis abzuhalten, dass man
ihm nur als einem von vielen bestätigt, die für ihn „auch“ gezogene Nummer
1... habe gewonnen. Selbstverständlich soll das Kleingedruckte den Leser
nicht gerade auffordern, dort genauer nachzulesen, zumal man einen sehr
kleinen Schrifttyp verwendet hat. Wer auch das Kleingedruckte liest und
darüber hinaus zur Kenntnis nimmt, dass auf die – offenbar sehr vielen
zugeteilte - Gewinnnummer auf ihn nur ein Anteil aus 30.000,00 DM entfällt,
kann eigentlich kaum ernsthaft annehmen, er habe den ganzen Betrag gewonnen.
Der für die Bestellung der Bernsteinkette indessen abträglichen Erkenntnis
wird allerdings damit entgegengewirkt, dass man zwei Frauen mit Namen nennt,
die 15.000,00 DM und 20.000,00 DM gewonnen hätten. Dies ist ein
entscheidender Punkt und soll das Nachdenken des Angeschriebenen darüber
verhindern, wie hoch eigentlich ein Gewinnanteil von 30.000,00 DM sein
könnte, wenn immerhin eine so große Zahl von Gewinnern auf der Nummer 1...
im Raum steht, dass auf den einzelnen weniger als 5,00 DM entfallen könnte.
Es spricht sicher auch vieles für die Annahme der Klägerin, man habe nur die
Nummer 1... zugeteilt und an eine so große Zahl von Adressaten eine
Gewinnmitteilung gerichtet, dass die Zahl der Rücksendungen im Verhältnis zu
den 30.000,00 DM einen Gewinn von nicht einmal je 5,00 DM zuließ.
Lässt man als mäßig kritischer Empfänger den Inhalt der Versprechungen der
Beklagten auf sich wirken, müsste man eigentlich bemerken, dass es dem
Anbietenden nur darum geht, etwas zu verkaufen. Das weitere soll dazu
dienen, das Interesse des Angeschriebenen zu wecken und ihn davon
abzuhalten, die Sendung in den Papierkorb zu werfen. Geht man aber von dem
durchschnittlich informierten Verbraucher aus, dessen mögliche Bedenken
durch die Benennung von zwei Gewinnern mit Summen von 15.000,00 DM und
20.000,00 DM gezielt zerstreut werden, erscheint es angemessen, die
Messlatte für einen zu schützenden Verbraucher so niedrig anzulegen, dass
der für solche Fälle gewährte Erfüllungsanspruch zugesprochen werden kann.
Die Beklagte hat die Kosten der Berufung zu tragen, weil sie unterliegt (§
97 I ZPO).
Die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Ziff. 10, 713 ZPO.
Es bestand keine Veranlassung, die Revision zuzulassen. |