Internationale Zuständigkeit nach Art. 13 EuGVÜ (Verbrauchergerichtsstand) für Klagen aus Gewinnmitteilungen i.S.v. § 661a BGB


EuGH, Urt. v. 11.7.2002 Rs. C-96/00 ("Gabriel")


Fundstelle:

NJW 2002, 2697


Zentrale Probleme:

s. die Anm. zu LG Braunschweig v. 10.1.2002 - 10 O 2753/00
Der Schlußantrag des Generalanwalts sowie das Originalurteil steht auf den Web-Seiten des EuGH zur Verfügung.
S. nunmehr auch BGH, Urt. v. 28.11.2002 - III ZR 102/02 sowie insbesondere
EuGH 20. Januar 2005 Rs. C-27/02  (Engler) und BGH v. 1.12.2005 - III ZR 191/03 sowie EuGH v. 14.5.2009 - C‑180/06 (Ilsinger)


Urteilstenor:

Nach den Zuständigkeitsvorschriften des Übereinkommens vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen in der Fassung des Übereinkommens vom 9. Oktober 1978 über den Beitritt des Königreichs Dänemark, Irlands und des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland, des Übereinkommens vom 25. Oktober 1982 über den Beitritt der Republik Griechenland, des Übereinkommens vom 26. Mai 1989 über den Beitritt des Königreichs Spanien und der Portugiesischen Republik und des Übereinkommens vom 29. November 1996 über den Beitritt der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden ist eine Klage, mit der ein Verbraucher in dem Vertragsstaat, in dessen Hoheitsgebiet er seinen Wohnsitz hat, nach dem Recht dieses Staates von einer in einem anderen Vertragsstaat niedergelassenen Versandhandelsgesellschaft die Herausgabe eines Gewinnes verlangt, wenn er von dieser Gesellschaft eine an ihn persönlich adressierte Zusendung erhalten hat, die den Eindruck erweckt hat, dass er einen Preis erhalten werde, sofern er für einen bestimmten Betrag Waren bestellt, und er tatsächlich eine solche Bestellung aufgegeben hat, ohne jedoch diesen Gewinn zu erhalten, als Klage aus Vertrag nach Artikel 13 Absatz 1 Nummer 3 des Übereinkommens zu qualifizieren.


Aus den Gründen:

1.  Der Oberste Gerichtshof hat mit Beschluss vom 15. Februar 2000, beim Gerichtshof eingegangen am 13. März 2000, gemäß dem Protokoll vom 3. Juni 1971 betreffend die Auslegung des Übereinkommens vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen durch den Gerichtshof eine Frage nach der Auslegung von Artikel 5 Nummern 1 und 3 und Artikel 13 Absatz 1 Nummer 3 dieses Übereinkommens (ABl. 1972, L 299, S. 32) in der Fassung des Übereinkommens vom 9. Oktober 1978 über den Beitritt des Königreichs Dänemark, Irlands und des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland (ABl. L 304, S. 1 und - geänderter Text - S. 77), des Übereinkommens vom 25. Oktober 1982 über den Beitritt der Republik Griechenland (ABl. L 388, S. 1), des Übereinkommens vom 26. Mai 1989 über den Beitritt des Königreichs Spanien und der Portugiesischen Republik (ABl. L 285, S. 1) und des Übereinkommens vom 29. November 1996 über den Beitritt der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden (ABl. 1997, C 15, S. 1, im Folgenden: Brüsseler Übereinkommen) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2.

Diese Frage stellt sich in einem Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof, das von Herrn Gabriel, einem österreichischen Staatsangehörigen mit Wohnsitz in Wien (Österreich), zur Bestimmung des Gerichts anhängig gemacht wurde, das in seinem Wohnsitzstaat für eine Klage gegen eine in Deutschland niedergelassene Versandhandelsgesellschaft örtlich zuständig ist.


Rechtlicher Rahmen

3.

Die Zuständigkeitsvorschriften des Brüsseler Übereinkommens sind in Titel II enthalten, der aus den Artikeln 2 bis 24 besteht.

4.

Artikel 2 Absatz 1 des Brüsseler Übereinkommens, der zum 1. Abschnitt - Allgemeine Vorschriften - des Titels II gehört, enthält folgenden Grundsatz:

Vorbehaltlich der Vorschriften dieses Übereinkommens sind Personen, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats haben, ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit vor den Gerichten dieses Staates zu verklagen.

5.

Im selben Abschnitt bestimmt Artikel 3 Absatz 1 des Brüsseler Übereinkommens:

Personen, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats haben, können vor den Gerichten eines anderen Vertragsstaats nur gemäß den Vorschriften des 2. bis 6. Abschnitts verklagt werden.

6.

Die Artikel 5 bis 18 des Brüsseler Übereinkommens, die den 2. bis 6. Abschnitt des Titels II bilden, enthalten Vorschriften über besondere, zwingende und ausschließliche Zuständigkeiten.

7.

So bestimmt Artikel 5 im 2. Abschnitt - Besondere Zuständigkeiten - des Titels II des Brüsseler Übereinkommens:

Eine Person, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats hat, kann in einem anderen Vertragsstaat verklagt werden:

1. wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre; ...

...

3. wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist;

...

8.

Die Artikel 13 und 14 gehören zum 4. Abschnitt - Zuständigkeit für Verbrauchersachen - des Titels II des Brüsseler Übereinkommens.

9.

Artikel 13 des Brüsseler Übereinkommens lautet:

Für Klagen aus einem Vertrag, den eine Person zu einem Zweck abgeschlossen hat, der nicht der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit dieser Person (Verbraucher) zugerechnet werden kann, bestimmt sich die Zuständigkeit, unbeschadet des Artikels 4 und des Artikels 5 Nummer 5, nach diesem Abschnitt,

1. wenn es sich um den Kauf beweglicher Sachen auf Teilzahlung handelt,

2. wenn es sich um ein in Raten zurückzuzahlendes Darlehen oder ein anderes Kreditgeschäft handelt, das zur Finanzierung eines Kaufs derartiger Sachen bestimmt ist, oder

3. für andere Verträge, wenn sie die Erbringung einer Dienstleistung oder die Lieferung beweglicher Sachen zum Gegenstand haben, sofern

a) dem Vertragsabschluss in dem Staat des Wohnsitzes des Verbrauchers ein ausdrückliches Angebot oder eine Werbung vorausgegangen ist und
b) der Verbraucher in diesem Staat die zum Abschluss des Vertrages erforderlichen Rechtshandlungen vorgenommen hat.

Hat der Vertragspartner des Verbrauchers in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats keinen Wohnsitz, besitzt er aber in einem Vertragsstaat eine Zweigniederlassung, Agentur oder sonstige Niederlassung, so wird er für Streitigkeiten aus ihrem Betrieb so behandelt, wie wenn er seinen Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet dieses Staates hätte.

Dieser Abschnitt ist nicht auf Beförderungsverträge anzuwenden.


10.

Artikel 14 Absatz 1 des Brüsseler Übereinkommens bestimmt:

Die Klage eines Verbrauchers gegen den anderen Vertragspartner kann entweder vor den Gerichten des Vertragsstaats erhoben werden, in dessen Hoheitsgebiet dieser Vertragspartner seinen Wohnsitz hat, oder vor den Gerichten des Vertragsstaats, in dessen Hoheitsgebiet der Verbraucher seinen Wohnsitz hat.

11.

Von dieser Zuständigkeitsregelung kann nur unter den Voraussetzungen des Artikels 15 des Brüsseler Übereinkommens abgewichen werden, der ebenfalls im 4. Abschnitt des Titels II steht.

12.

Nach § 28 Absatz 1 Ziffer 1 des österreichischen Gesetzes vom 1. August 1895 über die Ausübung der Gerichtsbarkeit und die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte in bürgerlichen Rechtssachen (Jurisdiktionsnorm) (RGBl. Nr. 111) hat der Oberste Gerichtshof für eine bürgerliche Rechtssache auf Antrag einer Partei aus den sachlich zuständigen Gerichten ein örtlich zuständiges Gericht zu bestimmen, wenn die Voraussetzungen für die örtliche Zuständigkeit eines inländischen Gerichts im Sinne dieses Gesetzes oder einer anderen Rechtsvorschrift nicht gegeben sind, Österreich aber aufgrund eines völkerrechtlichen Vertrages zur Ausübung von Gerichtsbarkeit verpflichtet ist.

13.

Das Brüsseler Übereinkommen ist ein völkerrechtlicher Vertrag im Sinne dieser Vorschrift.

14.

§ 5j des österreichischen Konsumentenschutzgesetzes (KSchG) (BGBl. I Nr. 140/1979) lautet:

Unternehmer, die Gewinnzusagen oder andere vergleichbare Mitteilungen an bestimmte Verbraucher senden und durch die Gestaltung dieser Zusendungen den Eindruck erwecken, dass der Verbraucher einen bestimmten Preis gewonnen habe, haben dem Verbraucher diesen Preis zu leisten; er kann auch gerichtlich eingefordert werden.

15.

Diese Bestimmung wurde anlässlich der Umsetzung der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz (ABl. L 144, S. 19) durch Artikel IV des österreichischen Fernabsatz-Gesetzes (BGBl. I Nr. 185/1999) in das Konsumentenschutzgesetz eingefügt.

16.

Sie ist am 1. Oktober 1999 in Kraft getreten.

17.

Der Oberste Gerichtshof führt in seinem Vorlagebeschluss aus, dass ein Verbraucher, der dadurch in die Irre geführt worden sei, dass sich der Gewerbetreibende mit ihm persönlich in Verbindung gesetzt und bei ihm den Eindruck erweckt habe, dass er einen Preis gewonnen habe, während die Dinge erst im Kleingedruckten, an unauffälliger Stelle und schwer verständlich klargestellt würden, durch § 5j KSchG ein Klagerecht erhalten solle, um eine solche Gewinnzusage gerichtlich einzufordern.


Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

18.

Aus den Akten des Ausgangsverfahrens ergibt sich, dass die Schlank & Schick GmbH (im Folgenden: Schlank & Schick), eine Gesellschaft deutschen Rechts mit Sitz in Lindau (Deutschland), Versandhandelsgeschäfte insbesondere in Deutschland, Österreich, Frankreich, Belgien und der Schweiz betreibt.

19.

Im Oktober 1999 erhielt Herr Gabriel von Schlank & Schick mehrere an ihn persönlich adressierte Zuschriften in verschlossenem Umschlag, die nach seinem Vorbringen den Eindruck erweckt hätten, er habe in einem Gewinnspiel ein Bargeldguthaben von 49 700 ATS gewonnen, das er nur noch anzufordern brauche; die einzige Bedingung sei gewesen, dass er bei Schlank & Schick gleichzeitig Waren zu einem Mindestbestellwert von 200 ATS kaufe, die aus einem mit den Zuschriften übersandten Katalog auszuwählen und in einen ebenfalls beigefügten Bestellschein einzutragen gewesen seien.

20.

In den Anschreiben hieß es: Sehr geehrter Herr Rudolf Gabriel, Sie haben noch immer nicht Ihr Bargeldguthaben angefordert ... Wollen Sie Ihr Geld denn wirklich verfallen lassen? ... Noch haben Sie ein Anrecht auf Ihr Guthaben, aber jetzt müssen Sie wirklich schnell reagieren! In dem beiliegenden Brief von European Credit wird alles näher erklärt ... P.S.: Als Beweis für Sie, Herr Gabriel, habe ichdie Quittung über die Einzahlung beigelegt. Sie haben 100%ig Anrecht auf Ihr Bargeldguthaben, sofern Sie auch unverbindlich Ware anfordern.

21.

Diesen Anschreiben lagen ein Schreiben mit dem Briefkopf European Credit und der Überschrift Offizielle Einzahlungsbestätigung sowie die Kopie einer Quittung und das Faksimile eines Sparbuchs bei, die beide über 49 700 ATS auf den Namen von Herrn Gabriel ausgestellt waren. In diesem Schreiben hieß es: Sehr geehrter Herr Rudolf Gabriel, hiermit bestätigen wir Ihnen nochmals die Einzahlung des Bargeldguthabens in einer Gesamthöhe von S 49.700,- auf unser Konto. Eine Quittung haben wir extra für Sie in einer Zweitausfertigung beigefügt. Um nun Ihre Chance zu nutzen und die Auszahlung der Summe von S 49.700,- zu beschleunigen, brauchen Sie nur die Zweitausfertigung der Quittung zusammen mit Ihrer unverbindlichen Testanforderung an uns einsenden ... Nun steht der Auszahlung nichts mehr im Wege. Damit Sie Ihr Geld so schnell wie möglich erhalten, schicke ich Ihnen nach Eingang der Quittung einfach einen Scheck zu. Den können Sie dann ganz bequem bei einem Geldinstitut Ihrer Wahl einlösen.

22.

Aus relativ klein gedruckten, zum Teil auf der Rückseite der Herrn Gabriel zugesandten Schriftstücke enthaltenen Hinweisen ergibt sich jedoch, dass die 49 700 ATS keine verbindliche Gewinnzusage von Schlank & Schick darstellten.

23.

So wurde auf der Rückseite des Schreibens der European Credit unter der Überschrift Vergabebedingungen u. a. ausgeführt, dass die Teilnahme an dem deutschem Recht unterliegenden Gewinnspiel von einer unverbindlichen Testbestellung abhängig sei, dass der Einsendeschluss für diese Aktion der 30. November 1999 sei und dass der Rechtsweg ausgeschlossen sei. Außerdem hieß es darin, dass die Ziehung von dem Versandhaus durchgeführt worden sei, dass Bargeldpreise als unterschiedliche Teilwerte zur mehrfach aufgeteilten Auszahlung kämen, bestimmt durch die Zahl der mit ordnungsgemäß ausgefüllten Bestellschein an den Veranstalter zurückgesandten Quittungsbelege, und dass Guthaben unter einem Wert von 35 ATS aus Kostengründen nicht ausgeschüttet würden, sondern in einen Jackpot kämen, der bei einer späteren Ziehung zum Einsatz komme.

24.

Herr Gabriel sandte die betreffenden Dokumente ordnungsgemäß ausgefüllt an Schlank & Schick zurück, um den versprochenen Gewinn anzufordern, und bestellte Artikel aus deren Katalog im Wert von mehr als den verlangten 200 ATS.

25.

Schlank & Schick lieferte Herrn Gabriel daraufhin die bestellten Waren, ohne ihm jedoch die 49 700 ATS auszuzahlen, die er seiner Meinung nach gewonnen hatte.

26.

Herr Gabriel beschloss daher, Schlank & Schick nach § 5j KSchG auf Zahlung dieses Betrages samt Anhang zu verklagen.

27.

Da Herr Gabriel diese Klage nach Artikel 14 Absatz 1 des Brüsseler Übereinkommens in Österreich - dem Staat, in dessen Hoheitsgebiet er seinen Wohnsitz hat - erheben wollte, die österreichischen Zuständigkeitsvorschriften seiner Meinung nach aber für eine solche Klage keine örtliche Zuständigkeit vorsehen, beantragte er vor Einreichung seiner Klage nach § 28 Absatz 1 Ziffer 1 des österreichischen Gesetzes vom 1. August 1895 beim Obersten Gerichtshof die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit.

28.

Der Oberste Gerichtshof ist der Auffassung, die von Herrn Gabriel beabsichtigte Klage falle zwar offenbar unter § 5j KSchG, doch hänge die Frage, ob seinem Ordinationsantrag stattzugeben sei, von der Qualifizierung der Klage ab, die er gegen Schlank & Schick erheben wolle.

29.

Sollte sich diese Klage nämlich auf einen Verbrauchervertrag im Sinne von Artikel 13 Absatz 1 Nummer 3 des Brüsseler Übereinkommens beziehen, wäre ein örtlich zuständiges Gericht zu bestimmen, da das Brüsseler Übereinkommen dem Verbraucher nur ermögliche, vor den Gerichten des Vertragsstaats, in dessen Hoheitsgebiet er seinen Wohnsitz habe, Klage zu erheben, nicht aber unmittelbar bestimme, welches Gericht dieses Staates für die Klage zuständig sei.

30.

Dagegen wäre der Ordinationsantrag gegenstandslos, falls der Anspruch von Herrn Gabriel als Anspruch aus einem Vertrag nach Artikel 5 Nummer 1 des Brüsseler Übereinkommens oder als Anspruch aus unerlaubter Handlung oder einer Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt sei, nach Artikel 5 Nummer 3 zu qualifizieren wäre, weil diese Vorschriften das örtlich zuständige Gericht in der Weise genau bestimmten, dass das Gericht des Erfüllungsortes der relevanten vertraglichen Verpflichtung bzw. das Gericht an dem Ort zuständig sei, an dem das schädigende Ereignis eingetreten sei.

31.

Da der Oberste Gerichtshof der Ansicht ist, dass die Entscheidung über den bei ihm gestellten Antrag von Herrn Gabriel unter diesen Umständen von der Auslegung des Brüsseler Übereinkommens abhängt, hat er das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Ist der in § 5j des österreichischen Konsumentenschutzgesetzes ... in der Fassung des Artikels I Z 2 des österreichischen Fernabsatz-Gesetzes ... den Verbrauchern eingeräumte Anspruch, von Unternehmern den scheinbar gewonnenen Preis gerichtlich einfordern zu können, wenn letztere Gewinnzusagen oder andere vergleichbare Mitteilungen an bestimmte Verbraucher senden (gesendet haben) und durch die Gestaltung dieser Zusendungen den Eindruck erwecken (erweckt haben), dass der Verbraucher einen bestimmten Preis gewonnen habe, im Sinne des Brüsseler Übereinkommens ...

1.) ein vertraglicher Anspruch nach Artikel 13 Nummer 3

oder

2.) ein vertraglicher Anspruch nach Artikel 5 Nummer 1

oder

3.) ein Anspruch aus unerlaubter Handlung nach Artikel 5 Nummer 3?

Zur Vorlagefrage

32.

Vor dem Hintergrund des Sachverhalts des Ausgangsverfahrens ist die Vorlagefrage so zu verstehen, dass mit ihr im Wesentlichen geklärt werden soll, ob nach den Zuständigkeitsvorschriften des Brüsseler Übereinkommens eine Klage, mit der ein Verbraucher in dem Vertragsstaat, in dessen Hoheitsgebiet er seinen Wohnsitz hat, nach dem Recht dieses Staates von einer in einem anderen Vertragsstaat niedergelassenen Versandhandelsgesellschaft die Herausgabe eines Gewinnes verlangt, wenn er von dieser Gesellschaft eine an ihn persönlich adressierte Zusendung erhalten hat, die den Eindruck erweckt hat, dass er einen Preis erhalten werde, sofern er für einen bestimmten Betrag Waren bestellt, und er in seinem Wohnsitzstaat tatsächlich eine solche Bestellung aufgegeben hat, ohne jedoch diesen Gewinn zu erhalten, als Klage aus Vertrag nach Artikel 5 Nummer 1 des Übereinkommens oder Artikel 13 Absatz 1 Nummer 3 des Übereinkommens oder aber als Klage aus unerlaubter Handlung oder einer Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, nach Artikel 5 Nummer 3 des Übereinkommens zu qualifizieren ist.

33.

Zur Beantwortung der so umformulierten Frage ist vorab darauf hinzuweisen, dass sich der Begriff der unerlaubten Handlung oder einer Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, im Sinne von Artikel 5 Nummer 3 des Brüsseler Übereinkommens nach ständiger Rechtsprechung auf alle nicht an einen Vertrag im Sinne von Artikel 5 Nummer 1 des Brüsseler Übereinkommens anknüpfenden Klagen bezieht, mit denen eine Schadenshaftung des Beklagten geltend gemacht wird (vgl. insbesondere Urteile vom 27. September 1988 in der Rechtssache 189/87, Kalfelis, Slg. 1988, 5565, Randnr. 17, vom 26. März 1992 in der Rechtssache C-261/90, Reichert und Kockler, Slg. 1992, I-2149, Randnr. 16, und vom 27. Oktober 1998 in der Rechtssache C-51/97, Réunion européenne u. a., Slg. 1998, I-6511, Randnr. 22).

34.

Daher ist zunächst zu prüfen, ob eine Klage wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende als Klage aus einem Vertrag zu qualifizieren ist.

35.

Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass sich Artikel 5 Nummer 1 des Brüsseler Übereinkommens allgemein auf Klagen aus Vertrag bezieht, während Artikel 13 des Übereinkommens bestimmte Arten von Verträgen erfasst, die ein Verbraucher geschlossen hat.

36.

Da Artikel 13 des Brüsseler Übereinkommens somit lex specialis gegenüber Artikel 5 Nummer 1 des Übereinkommens ist, ist zunächst festzustellen, ob eine Klage mit den in der umformulierten Vorlagefrage genannten charakteristischen Merkmalen unter Artikel 13 des Übereinkommens fällt.

37.

Nach ständiger Rechtsprechung sind die in Artikel 13 des Brüsseler Übereinkommens verwendeten Begriffe autonom auszulegen, wobei in erster Linie die Systematik und die Zielsetzung des Übereinkommens zu berücksichtigen sind, um dessen volle Wirksamkeit zu sichern (vgl. insbesondere Urteile vom 21. Juni 1978 in der Rechtssache 150/77, Bertrand, Slg. 1978, 1431, Randnrn. 14 bis 16, vom 19. Januar 1993 in der Rechtssache C-89/91, Shearson Lehman Hutton, Slg. 1993, I-139, Randnr. 13, vom 3. Juli 1997 in der Rechtssache C-269/95, Benincasa, Slg. 1997, I-3767, Randnr. 12, und vom 27. April 1999 in der Rechtssache C-99/96, Mietz, Slg. 1999, I-2277, Randnr. 26).

38.

Schon aus dem Wortlaut dieser Vorschrift ergibt sich, dass sie nur Anwendung findet, sofern sich die Klage allgemein auf einen Vertrag bezieht, den ein Verbraucher zu einem Zweck abgeschlossen hat, der nicht seine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit betrifft.

39.

Aus dieser Formulierung sowie aus der Funktion der durch den 4. Abschnitt des Titels II des Brüsseler Übereinkommens geschaffenen Sonderregelung, die darin besteht, dem Verbraucher als dem gegenüber seinem beruflich oder gewerblich handelnden Kontrahenten wirtschaftlich schwächeren und rechtlich weniger erfahrenen Vertragspartner einen angemessenen Schutz zu sichern, folgt, dass sich die Vorschriften dieses Abschnitts nur auf den nicht berufs- oder gewerbebezogen handelnden privaten Endverbraucher beziehen, der eine der drei in Artikel 13 des Brüsseler Übereinkommens aufgeführten Arten von Verträgen geschlossen hat und nach Artikel 14 des Übereinkommens außerdem persönlich Partei in einem Rechtsstreit ist (vgl. Urteil Shearson Lehman Hutton, Randnrn. 19, 20, 22 und 24).

40.

In Bezug auf Verträge, die die Erbringung einer Dienstleistung oder die Lieferung beweglicher Sachen zum Gegenstand haben - und keine Beförderungsverträge sind, die nach Artikel 13 Absatz 3 des Brüsseler Übereinkommens vom Anwendungsbereich des 4. Abschnitts des Titels II ausgeschlossen sind -, sieht Artikel 13 Absatz 1 Nummer 3 des Brüsseler Übereinkommens die beiden zusätzlichen Anwendungsvoraussetzungen vor, dass dem Vertragsschluss im Wohnsitzstaat des Verbrauchers ein ausdrückliches Angebot oder eine Werbung vorausgegangen ist und dass der Verbraucher in diesem Staat die zum Abschluss des Vertrages erforderlichen Rechtshandlungen vorgenommen hat.

41.

Wie sich aus dem Bericht von P. Schlosser zu dem Übereinkommen des Königreichs Dänemark, Irlands und des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland über den Beitritt zum Brüsseler Übereinkommen (ABl. 1979, C 59, S. 71, 118) ergibt, sollen diese beiden kumulativen Voraussetzungen gewährleisten,dass eine enge Verbindung zwischen dem fraglichen Vertrag und dem Staat besteht, in dessen Hoheitsgebiet der Verbraucher seinen Wohnsitz hat.

42.

Zur Bedeutung der zur Formulierung dieser Voraussetzungen verwendeten Begriffe verweist Schlosser auf Seite 119 seines Berichts auf den Bericht von M. Giuliano und P. Lagarde über das Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (ABl. 1980, C 282, S. 1), das am 19. Juni 1980 in Rom zur Unterzeichnung aufgelegt wurde (ABl. L 266, S. 1, im Folgenden: Römisches Übereinkommen), da dessen Artikel 5 zu Verbraucherverträgen in Absatz 2 erster Gedankenstrich zwei Voraussetzungen enthält, zu deren Formulierung dieselben Begriffe verwendet werden wie in Artikel 13 Absatz 1 Nummer 3 Buchstaben a und b des Brüsseler Übereinkommens.

43.

Aus dem Bericht von M. Giuliano und P. Lagarde ergibt sich, dass diese Vorschrift des Römischen Übereinkommens die Fälle, in denen der Kaufmann Schritte unternommen hat, um seine beweglichen Sachen oder Dienstleistungen in dem Land zum Verkauf anzubieten, in dem sich der Verbraucher aufhält, sowie insbesondere Versandgeschäfte und den Detailreisehandel erfassen soll (vgl. den genannten Bericht, S. 24).

44.

Die Begriffe Werbung und ausdrückliches Angebot in der Formulierung der ersten dieser Voraussetzungen, die dem Brüsseler und dem Römischen Übereinkommen gemeinsam sind, umfassen alle Formen der Werbung in dem Vertragsstaat, in dem der Verbraucher seinen Wohnsitz hat, unabhängig davon, ob sie allgemein - über Presse, Radio, Fernsehen, Kino oder in anderer Weise - verbreitet oder unmittelbar, z. B. mit speziell in diesen Staat geschickten Katalogen, an den Empfänger gerichtet wird, und Angebote, die dem Verbraucher persönlich, insbesondere durch einen Vertreter oder Hausierer, unterbreitet werden.

45.

Bei der zweiten dieser Voraussetzungen bezieht sich der Ausdruck zum Abschluss des Vertrages erforderlichen Rechtshandlungen auf jede schriftliche Rechtshandlung und jeden anderen Schritt des Verbrauchers in seinem Wohnsitzstaat, in denen sein Wille, der Aufforderung des Gewerbetreibenden Folge zu leisten, zum Ausdruck kommt.

46.

Es ist festzustellen, dass in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens alle diese Voraussetzungen erfüllt sind.

47.

Erstens hat Herr Gabriel im vorliegenden Fall unstreitig die Eigenschaft eines von Artikel 13 Absatz 1 des Brüsseler Übereinkommens erfassten privaten Endverbrauchers, da sich aus den Akten ergibt, dass er von Schlank & Schick angebotene Waren für seinen persönlichen Gebrauch bestellt hat, ohne dass dieses Geschäft irgendeine Verbindung zu seiner beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit aufweist.

48.

Zweitens besteht in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens zwischen dem Verbraucher und dem gewerbsmäßigen Verkäufer unbestreitbar eine Vertragsbeziehung, da Herr Gabriel Waren, die von Schlank & Schick angeboten wurden, bestellt hat, womit er die Annahme des Angebots - einschließlich aller damit verbundenen Bedingungen - erklärt hat, das Schlank & Schick an ihn persönlich gerichtet hatte.

49.

Überdies sind durch diese Willenseinigung der beiden Parteien gegenseitige, von einander abhängende Pflichten im Rahmen eines Vertrages entstanden, der sich auf einen der in Artikel 13 Absatz 1 Nummer 3 des Brüsseler Übereinkommens genannten Gegenstände bezieht.

50.

Dieser Vertrag betrifft nämlich in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens die im Wege des Versandhandels erfolgende Lieferung beweglicher Sachen, die der Verbraucher aufgrund eines Angebots des Verkäufers zu einem von diesem bestimmten Preis bestellt hat.

51.

Drittens sind auch die beiden spezifischen Voraussetzungen des Artikels 13 Absatz 1 Nummer 3 Buchstaben a und b des Brüsseler Übereinkommens erfüllt.

52.

Der Verkäufer hat sich nämlich in dem Vertragsstaat, in dem der Verbraucher seinen Wohnsitz hat, an diesen gewandt, indem er ihm mehrere an ihn persönlich adressierte Schreiben zusammen mit einem Verkaufskatalog und einem Bestellschein zugesandt hat, um ihn dazu zu bringen, auf der Grundlage dieser Angebote und der mit ihnen verbundenen Bedingungen einen Vertrag zu schließen, und der Verbraucher hat auf diese Zusendungen hin in diesem Staat die zum Abschluss des Vertrages erforderlichen Schritte unternommen, indem er die Bestellung über den vom Verkäufer verlangten Betrag vorgenommen und ihm den Bestellschein mit der Zweitausfertigung der Quittung übersandt hat.

53.

Hat daher ein Verbraucher an seinem Wohnsitz eine oder mehrere Zusendungen eines gewerbsmäßigen Verkäufers erhalten, die zu einer Bestellung der von diesem zu bestimmten Bedingungen angebotenen Waren führen sollen, und hat er in dem Vertragsstaat, in dem er seinen Wohnsitz hat, tatsächlich eine solche Bestellung aufgegeben, so stellt die Klage, mit der er von diesem Verkäufer die Herausgabe eines scheinbar gewonnenen Preises verlangt, eine Klage aus einem Verbrauchervertrag im Sinne von Artikel 13 Absatz 1 Nummer 3 des Brüsseler Übereinkommens dar.

54.

Wie sich nämlich aus den dem Gerichtshof zur Verfügung stehenden Akten ergibt, ist das Klagerecht des Verbrauchers eng mit dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag verbunden, da in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens die Schreiben, die der Gewerbetreibende an diesen Verbraucher gesandt hat, eine untrennbare Verbindung zwischen der Gewinnzusage und der Warenbestellung herstellen, die der Verkäufer - gerade um den Verbraucher zum Vertragsschluss zu bewegen - als Vorbedingung für denErhalt des versprochenen Gewinnes dargestellt hat. Außerdem hat der Verbraucher den Kaufvertrag über Waren im Wesentlichen, wenn nicht ausschließlich, aufgrund des Angebots des Verkäufers geschlossen, das die Zusage eines Gewinnes von weit höherem Wert als des für die Bestellung erforderlichen Mindestbetrags enthielt, und der Verbraucher hat zudem alle von dem Gewerbetreibenden aufgestellten Bedingungen erfüllt, womit er dessen Angebot in seiner Gesamtheit angenommen hat.

55.

Daher muss die Klage, mit der der Verbraucher in dem Vertragsstaat, in dessen Hoheitsgebiet er seinen Wohnsitz hat, von einer in einem anderen Vertragsstaat niedergelassenen Versandhandelsgesellschaft die Herausgabe eines scheinbar gewonnenen Preises verlangt, bei demselben Gericht erhoben werden können, das für eine Entscheidung über den von diesem Verbraucher geschlossenen Vertrag zuständig ist.

56.

Artikel 13 Absatz 1 des Brüsseler Übereinkommens kann nämlich nicht dahin ausgelegt werden, dass nur bestimmte Ansprüche aus einem Verbrauchervertrag unter die Zuständigkeitsvorschriften der Artikel 13 bis 15 des Übereinkommens fallen, während andere Klagen, die zu diesem Vertrag eine so enge Verbindung aufweisen, dass sie von ihm nicht getrennt werden können, unter andere Vorschriften fielen.

57.

Der Gerichtshof hat vor kurzem auf die Notwendigkeit hingewiesen, eine Häufung der Gerichtsstände zu vermeiden (vgl. sinngemäß zu Artikel 5 Nummer 1 des Brüsseler Übereinkommens Urteil vom 19. Februar 2002 in der Rechtssache C-256/00, Besix, Slg. 2002, I-1699, Randnr. 27).

58.

Diese Notwendigkeit besteht aber erst recht, wenn es sich um einen Vertrag wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden handelt. Angesichts der Tatsache, dass es bei einer Häufung der Gerichtsstände dazu kommen kann, dass insbesondere eine als schwach angesehene Partei wie der Verbraucher benachteiligt ist, muss dieser Verbraucher im Interesse einer geordneten Rechtspflege ein und dasselbe Gericht - im vorliegenden Fall das Gericht seines Wohnsitzes - mit allen Streitfragen befassen können, zu denen ein Vertrag führen kann, zu dessen Abschluss er dadurch veranlasst wurde, dass der Gewerbetreibende Formulierungen verwendet hat, die den Vertragspartner in die Irre führen können.

59.

Eine Klage, wie sie Herr Gabriel bei dem zuständigen nationalen Gericht zu erheben beabsichtigt, fällt somit unter Artikel 13 Absatz 1 Nummer 3 des Brüsseler Übereinkommens; daher braucht nicht geprüft zu werden, ob sie unter Artikel 5 Nummer 1 des Brüsseler Übereinkommens fällt.

60.

Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass nach den Zuständigkeitsvorschriften des Brüsseler Übereinkommens eine Klage, mit der ein Verbraucher in dem Vertragsstaat, in dessen Hoheitsgebiet er seinen Wohnsitz hat,nach dem Recht dieses Staates von einer in einem anderen Vertragsstaat niedergelassenen Versandhandelsgesellschaft die Herausgabe eines Gewinnes verlangt, wenn er von dieser Gesellschaft eine an ihn persönlich adressierte Zusendung erhalten hat, die den Eindruck erweckt hat, dass er einen Preis erhalten werde, sofern er für einen bestimmten Betrag Waren bestellt, und er tatsächlich eine solche Bestellung aufgegeben hat, ohne jedoch diesen Gewinn zu erhalten, als Klage aus Vertrag nach Artikel 13 Absatz 1 Nummer 3 des Übereinkommens zu qualifizieren ist.