Verbrauchergerichtsstand
bei Gewinnmitteilungen nach Art. 15 EuGVO
EuGH v. 14.5.2009 -
C‑180/06 (Ilsinger)
Fundstelle:
noch nicht bekannt
Tenor:
Wenn, wie im Ausgangsverfahren, ein
Verbraucher nach dem Recht des Mitgliedstaats, in dem er seinen Wohnsitz
hat, und bei dem Gericht des Ortes seines Wohnsitzes gegen eine in einem
anderen Mitgliedstaat ansässige Versandhandelsgesellschaft auf Auszahlung
eines von ihm scheinbar gewonnenen Preises klagt und
– diese Gesellschaft dem Verbraucher zu dem Zweck, ihn zum Vertragsabschluss
zu bewegen, ein persönlich adressiertes Schreiben zugesandt hat, mit dem bei
ihm der Eindruck erweckt wurde, er erhalte einen Preis, wenn er diesen durch
Rücksendung des dem Schreiben beigefügten „Gewinn-Anforderungs-Zertifikats“
beanspruche,
– ohne dass der Erhalt dieses Preises aber von einer Bestellung von Waren,
die diese Gesellschaft zum Kauf anbietet, oder von einer Testbestellung
abhängt,
sind die in der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000
über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung
von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen aufgestellten
Zuständigkeitsvorschriften wie folgt auszulegen:
– Eine solche von dem Verbraucher erhobene Klage unterliegt Art. 15 Abs. 1
Buchst. c dieser Verordnung unter der Voraussetzung, dass sich der
gewerbsmäßige Verkäufer rechtlich gebunden hat, dem Verbraucher den Preis
auszuzahlen;
– ist diese Voraussetzung nicht erfüllt, unterliegt eine solche Klage nur
dann der genannten Vorschrift der Verordnung Nr. 44/2001, wenn der
Verbraucher bei dem gewerbsmäßigen Verkäufer tatsächlich eine Bestellung
aufgegeben hat.
Zentrale Probleme:
S. die Anm. zu
EuGH
Urteil v. 11.7.2002 Rs. C-96/00 "Gabriel"
und EuGH 20. Januar
2005 Rs. C-27/02,
NJW 2005, 811 sowie zu
EuGH v. 6.9.2012 - Rs. C-190/11
(Mühlleitner)
©sl 2009
Urteil:
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 15 Abs. 1
Buchst. c der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000
über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung
von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1).
2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Frau
Ilsinger, einer österreichischen Staatsangehörigen mit Wohnsitz in St.
Pölten (Österreich), und Herrn Dreschers als Insolvenzverwalter der Schlank
& Schick GmbH (im Folgenden: Schlank & Schick), einer für insolvent
erklärten Versandhandelsgesellschaft deutschen Rechts mit Sitz in Aachen
(Deutschland), in dem Frau Ilsinger gegen Schlank & Schick auf Auszahlung
eines Gewinns an sie klagt.
Rechtlicher Rahmen
Die Verordnung Nr. 44/2001
3 Die mit der Verordnung Nr. 44/2001 aufgestellten
Zuständigkeitsvorschriften stehen in deren Kapitel II, das aus den Art. 2
bis 31 besteht.
4 In Art. 2 Abs. 1 der Verordnung Nr. 44/2001, der zu Kapitel II Abschnitt 1
(„Allgemeine Vorschriften“) gehört, heißt es:
„Vorbehaltlich der Vorschriften dieser Verordnung sind Personen, die ihren
Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben, ohne Rücksicht auf
ihre Staatsangehörigkeit vor den Gerichten dieses Mitgliedstaats zu
verklagen.“
5 Art. 3 Abs. 1 dieser Verordnung, der zum selben Abschnitt 1 gehört,
bestimmt:
„Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben,
können vor den Gerichten eines anderen Mitgliedstaats nur gemäß den
Vorschriften der Abschnitte 2 bis 7 dieses Kapitels verklagt werden.“
6 Die Art. 5 bis 22 der Verordnung Nr. 44/2001, die die Abschnitte 2 bis 6
ihres Kapitels II bilden, enthalten Vorschriften über besondere, zwingende
oder ausschließliche Zuständigkeiten.
7 So bestimmt Art. 5 in Abschnitt 2 („Besondere Zuständigkeiten“) des
Kapitels II der Verordnung Nr. 44/2001:
„Eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat,
kann in einem anderen Mitgliedstaat verklagt werden:
1. a) wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des
Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes, an dem die Verpflichtung
erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre;
b) im Sinne dieser Vorschrift – und sofern nichts anderes vereinbart worden
ist – ist der Erfüllungsort der Verpflichtung
– für den Verkauf beweglicher Sachen der Ort in einem Mitgliedstaat, an dem
sie nach dem Vertrag geliefert worden sind oder hätten geliefert werden
müssen;
– für die Erbringung von Dienstleistungen der Ort in einem Mitgliedstaat, an
dem sie nach dem Vertrag erbracht worden sind oder hätten erbracht werden
müssen;
c) ist Buchstabe b) nicht anwendbar, so gilt Buchstabe a);
…“
8 Der 13. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 44/2001 lautet:
„Bei … Verbraucher[sachen] sollte die schwächere Partei durch
Zuständigkeitsvorschriften geschützt werden, die für sie günstiger sind als
die allgemeine Regelung.“
9 Dementsprechend bilden in Kapitel II der Verordnung Nr. 44/2001 die Art.
15 bis 17 den Abschnitt 4 „Zuständigkeit bei Verbrauchersachen“.
10 Art. 15 Abs. 1 dieser Verordnung lautet:
„Bilden ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag, den eine Person, der
Verbraucher, zu einem Zweck geschlossen hat, der nicht der beruflichen oder
gewerblichen Tätigkeit dieser Person zugerechnet werden kann, den Gegenstand
des Verfahrens, so bestimmt sich die Zuständigkeit unbeschadet des Artikels
4 und des Artikels 5 Nummer 5 nach diesem Abschnitt,
a) wenn es sich um den Kauf beweglicher Sachen auf Teilzahlung handelt,
b) wenn es sich um ein in Raten zurückzuzahlendes Darlehen oder ein anderes
Kreditgeschäft handelt, das zur Finanzierung eines Kaufs derartiger Sachen
bestimmt ist, oder
c) in allen anderen Fällen, wenn der andere Vertragspartner in dem
Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet der Verbraucher seinen Wohnsitz hat,
eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausübt oder eine solche auf
irgendeinem Wege auf diesen Mitgliedstaat oder auf mehrere Staaten,
einschließlich dieses Mitgliedstaats, ausrichtet und der Vertrag in den
Bereich dieser Tätigkeit fällt.“
11 Nach Art. 15 Abs. 3 der Verordnung Nr. 44/2001 ist „[d]ieser Abschnitt …
nicht auf Beförderungsverträge mit Ausnahme von Reiseverträgen, die für
einen Pauschalpreis kombinierte Beförderungs- und Unterbringungsleistungen
vorsehen, anzuwenden“.
12 Nach Art. 16 Abs. 1 dieser Verordnung kann „[d]ie Klage eines
Verbrauchers gegen den anderen Vertragspartner … entweder vor den Gerichten
des Mitgliedstaats erhoben werden, in dessen Hoheitsgebiet dieser
Vertragspartner seinen Wohnsitz hat, oder vor dem Gericht des Ortes, an dem
der Verbraucher seinen Wohnsitz hat“.
13 Von dieser Zuständigkeitsvorschrift kann nur unter Beachtung der in Art.
17 der Verordnung Nr. 44/2001 aufgestellten Voraussetzungen abgewichen
werden.
14 Wie aus ihren Erwägungsgründen hervorgeht, folgt die Verordnung Nr.
44/2001 auf das Übereinkommen vom 27. September 1968 über die gerichtliche
Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil-
und Handelssachen (ABl. 1972, L 299, S. 32) in der durch die Übereinkommen
vom 9. Oktober 1978 über den Beitritt des Königreichs Dänemark, Irlands und
des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland (ABl. L 304, S. 1
und – geänderter Text – S. 77), vom 25. Oktober 1982 über den Beitritt der
Republik Griechenland (ABl. L 388, S. 1), vom 26. Mai 1989 über den Beitritt
des Königreichs Spanien und der Portugiesischen Republik (ABl. L 285, S. 1)
und vom 29. November 1996 über den Beitritt der Republik Österreich, der
Republik Finnland und des Königreichs Schweden (ABl. 1997, C 15, S. 1)
geänderten Fassung (im Folgenden: Brüsseler Übereinkommen). Mit ihrem
Inkrafttreten am 1. März 2002 ist diese Verordnung im Verhältnis zwischen
den Mitgliedstaaten mit Ausnahme des Königreichs Dänemark an die Stelle des
Brüsseler Übereinkommens getreten.
15 Im 19. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 44/2001 hat der Rat der
Europäischen Union die Notwendigkeit betont, die Kontinuität zwischen dem
Brüsseler Übereinkommen und dieser Verordnung zu wahren, und zwar auch
hinsichtlich der vom Gerichtshof bereits vorgenommenen Auslegung
entsprechender Vorschriften dieses Übereinkommens.
Das Brüsseler Übereinkommen
16 Die mit dem Brüsseler Übereinkommen aufgestellten
Zuständigkeitsvorschriften finden sich in dessen Titel II, der aus den Art.
2 bis 24 besteht.
17 In Art. 2 Abs. 1 des Brüsseler Übereinkommens, der zum 1. Abschnitt
(„Allgemeine Vorschriften“) des Titels II gehört, wird folgender Grundsatz
aufgestellt:
„Vorbehaltlich der Vorschriften dieses Übereinkommens sind Personen, die
ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats haben, ohne
Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit vor den Gerichten dieses Staates zu
verklagen.“
18 Im selben Abschnitt bestimmt Art. 3 Abs. 1 des Brüsseler Übereinkommens:
„Personen, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats
haben, können vor den Gerichten eines anderen Vertragsstaates nur gemäß den
Vorschriften des 2. bis 6. Abschnitts verklagt werden.“
19 Die Art. 5 bis 18 des Brüsseler Übereinkommens, die den 2. bis 6.
Abschnitt des Titels II bilden, enthalten Vorschriften über besondere,
zwingende und ausschließliche Zuständigkeiten.
20 So bestimmt Art. 5 im 2. Abschnitt („Besondere Zuständigkeiten“) des
Titels II des Brüsseler Übereinkommens:
„Eine Person, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats
hat, kann in einem anderen Vertragsstaat verklagt werden:
1. wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des
Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes, an dem die Verpflichtung
erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre; …“
21 Im selben Titel II des Brüsseler Übereinkommens bilden dessen Art. 13 bis
15 den 4. Abschnitt („Zuständigkeit für Verbrauchersachen“).
22 Art. 13 Abs. 1 des Brüsseler Übereinkommens lautet:
„Für Klagen aus einem Vertrag, den eine Person zu einem Zweck abgeschlossen
hat, der nicht der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit dieser Person
(Verbraucher) zugerechnet werden kann, bestimmt sich die Zuständigkeit,
unbeschadet des Artikels 4 und des Artikels 5 Nummer 5, nach diesem
Abschnitt,
1. wenn es sich um den Kauf beweglicher Sachen auf Teilzahlung handelt,
2. wenn es sich um ein in Raten zurückzuzahlendes Darlehen oder ein anderes
Kreditgeschäft handelt, das zur Finanzierung eines Kaufs derartiger Sachen
bestimmt ist, oder
3. für andere Verträge, wenn sie die Erbringung einer Dienstleistung oder
die Lieferung beweglicher Sachen zum Gegenstand haben, sofern
a) dem Vertragsabschluss in dem Staat des Wohnsitzes des Verbrauchers ein
ausdrückliches Angebot oder eine Werbung vorausgegangen ist und
b) der Verbraucher in diesem Staat die zum Abschluss des Vertrages
erforderlichen Rechtshandlungen vorgenommen hat.“
23 Art. 13 Abs. 3 des Brüsseler Übereinkommens sieht vor, dass „[d]ieser
Abschnitt … nicht auf Beförderungsverträge anzuwenden [ist]“.
24 Nach Art. 14 Abs. 1 des Brüsseler Übereinkommens kann „[d]ie Klage eines
Verbrauchers gegen den anderen Vertragspartner … entweder vor den Gerichten
des Vertragsstaats erhoben werden, in dessen Hoheitsgebiet dieser
Vertragspartner seinen Wohnsitz hat, oder vor den Gerichten des
Vertragsstaats, in dessen Hoheitsgebiet der Verbraucher seinen Wohnsitz
hat“.
25 Von dieser Zuständigkeitsvorschrift kann nur unter Beachtung der in Art.
15 des Brüsseler Übereinkommens aufgestellten Voraussetzungen abgewichen
werden.
Nationales Recht
26 § 5j des Konsumentenschutzgesetzes (im Folgenden: KSchG) in der Fassung
des Fernabsatz-Gesetzes (BGBl. I 185/1999), mit dem die Umsetzung der
Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai
1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz (ABl.
L 144, S. 19) in die österreichische Rechtsordnung bezweckt wurde und das am
1. Oktober 1999 in Kraft trat, bestimmt:
„Unternehmer, die Gewinnzusagen oder andere vergleichbare Mitteilungen an
bestimmte Verbraucher senden und durch die Gestaltung dieser Zusendungen den
Eindruck erwecken, dass der Verbraucher einen bestimmten Preis gewonnen
habe, haben dem Verbraucher diesen Preis zu leisten; er kann auch
gerichtlich eingefordert werden.“
27 Aus den dem Gerichtshof vom vorlegenden Gericht übermittelten Akten geht
hervor, dass der Zweck des § 5j KSchG darin besteht, dem Verbraucher ein
Klagerecht einzuräumen, damit er die Erfüllung einer „Gewinnzusage“
gerichtlich einklagen kann, wenn er dadurch irregeführt worden ist, dass ein
Gewerbetreibender persönlich Kontakt mit ihm aufgenommen und bei ihm den
Eindruck erweckt hat, dass er einen Preis gewonnen habe, während das
eigentliche Ziel des Vorgangs darin besteht, ihn zu einer Bestellung von
Waren oder Dienstleistungen dieses Gewerbetreibenden zu veranlassen. Im
Interesse eines wirksamen Schutzes gegen eine solche Praxis steht so dem
Verbraucher ein zivilrechtlicher Anspruch auf Erfüllung der entsprechenden
Zusage zu, als ob der Gewerbetreibende ihm den Preis in rechtsgeschäftlich
verbindlicher Weise zugesagt hätte. Zu diesem Zweck wird eine
rechtsgeschäftliche Beziehung zwischen dem Gewerbetreibenden und dem
Verbraucher fingiert.
Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen
28 Aus den Akten des Ausgangsverfahrens geht hervor, dass Frau Ilsinger am
19. August 2002 an ihre Privatadresse in einem geschlossenen Kuvert ein
persönliches Schreiben von Schlank & Schick erhielt. Das Kuvert mit den
Aufschriften „Wichtige Unterlagen!“, „Bitte sofort öffnen“ und „Persönlich“
enthielt u. a. eine an Frau Ilsinger persönlich adressierte
Benachrichtigung, die sie glauben lassen konnte, sie habe einen Preis von 20
000 Euro gewonnen.
29 Um die Auszahlung des zugesagten Gewinns zu erhalten, trennte Frau
Ilsinger am folgenden Tag einen auf einem mitgesandten Umschlag angehefteten
Kupon mit einer Identifikationsnummer ab, klebte ihn, wie im Schreiben
gefordert, auf ihr „Gewinn-Anforderungs-Zertifikat“ und schickte dieses an
Schlank & Schick.
30 Frau Ilsinger trägt vor, dass sie gleichzeitig eine Testbestellung
aufgegeben habe. Dieses Vorbringen wird von Schlank & Schick bestritten, die
demgegenüber geltend macht, dass die Betroffene keine Waren bestellt habe.
Unstreitig ist hingegen, dass die Auszahlung des von ihr angeblich
gewonnenen Preises von keiner Warenbestellung abhängig war.
31 Am 23. Dezember 2002 erhob Frau Ilsinger, die den eingeforderten Gewinn
immer noch nicht ausbezahlt erhalten hatte, zu diesem Zweck Klage beim
Landesgericht St. Pölten, in dessen Gerichtsbezirk sie ihren Wohnsitz hat.
Ihre Klage gegen Schlank & Schick war auf § 5j KSchG in Verbindung mit Art.
16 Abs. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 gestützt.
32 Schlank & Schick erhob die Einrede der Unzuständigkeit dieses Gerichts
und trug dafür im Wesentlichen vor, die Art. 15 und 16 der Verordnung Nr.
44/2001 seien in dem bei diesem Gericht anhängigen Rechtsstreit nicht
anwendbar, weil sie das Vorliegen eines entgeltlichen Vertrags
voraussetzten, an dem es hier jedoch fehle. Die Teilnahme am Gewinnspiel sei
von keiner Warenbestellung, auch nicht von einer unverbindlichen
Testbestellung mit Rückgaberecht, abhängig gewesen. Zudem habe Frau Ilsinger
keine Waren bestellt und könne damit keinen Schutz als Konsumentin
beanspruchen. Schlank & Schick fügte hinzu, dass selbst unter der Annahme
eines vertraglichen Anspruchs gemäß Art. 5 Nr. 1 der Verordnung Nr. 44/2001
die österreichischen Gerichte nicht zuständig seien, da der Erfüllungsort
der behaupteten Schuld Deutschland sei.
33 Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen von Schlank &
Schick machte Herr Dreschers als Insolvenzverwalter dieser Gesellschaft sich
diese Argumentation zu eigen und beantragte die Fortsetzung des Verfahrens.
34 Das Landesgericht St. Pölten wies mit Beschluss vom 15. Juni 2004 die von
Schlank & Schick erhobene Einrede der Unzuständigkeit und mit gleichzeitig
gefälltem Urteil in der Sache das Klagebegehren Frau Ilsingers ab und führte
dazu aus, dass der Abruf des Gewinns bzw. die Teilnahme an der Vergabe des
zugesagten Gewinns durch Schlank & Schick nicht von einer verbindlichen
Warenbestellung abhängig gemacht worden sei und dass daher die Frage, ob die
Betroffene eine Testbestellung getätigt habe oder nicht, nicht erheblich
sei.
35 Beide Parteien erhoben gegen diese Entscheidungen Rechtsmittel beim
vorlegenden Gericht.
36 Nachdem es festgestellt hat, dass die in Art. 68 Abs. 1 EG aufgestellte
Voraussetzung im vorliegenden Fall erfüllt ist, hält das Oberlandesgericht
Wien eine Auslegung von Art. 15 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 44/2001
für den Erlass seiner Entscheidung für erforderlich.
37 Zu klären sei, ob eine Klage wie die im Ausgangsverfahren erhobene
deshalb, weil die irreführende Gewinnzusage darauf abziele, zum Abschluss
eines Kaufvertrags über bewegliche Sachen zu verleiten und damit einen
Verbrauchervertrag vorzubereiten, auch dann unter diese Bestimmung falle,
wenn noch kein synallagmatischer Vertrag zwischen den Parteien existiere.
38 Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts bezieht sich Art. 15 der Verordnung
Nr. 44/2001 nicht ausdrücklich auf einen derartigen Vertrag, so dass es
möglich erscheine, eine Zuständigkeit aus einem Verbrauchervertrag im Sinne
dieses Artikels anzunehmen, selbst wenn der Verbraucher nur eine
Testbestellung – ohne dass ihn der Gewerbetreibende jedoch dazu verpflichtet
hätte –, oder überhaupt keine Bestellung aufgegeben habe, wie dies von
Schlank & Schick vorgetragen werde.
39 Unter diesen Umständen hat das Oberlandesgericht Wien beschlossen, das
Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur
Vorabentscheidung vorzulegen:
1. Ist der in § 5j KSchG den Verbrauchern eingeräumte Anspruch, von
Unternehmern den scheinbar gewonnenen Preis gerichtlich einfordern zu
können, wenn Letztere Gewinnzusagen oder andere vergleichbare Mitteilungen
an bestimmte Verbraucher senden (gesendet haben) und durch die Gestaltung
dieser Zusendungen den Eindruck erwecken (erweckt haben), dass der
Verbraucher einen bestimmten Preis gewonnen habe, ohne dass der Gewinnabruf
von einer Warenbestellung oder auch nur einer Testbestellung abhängig
gemacht wurde und auch keine Warenbestellung erfolgte, jedoch der Gewinn vom
Mitteilungsempfänger abgerufen wird, im Sinne der Verordnung Nr. 44/2001 ein
vertraglicher, oder diesem gleichgestellter, Anspruch nach Art. 15 Abs. 1
Buchst. c dieser Verordnung?
2. Für den Fall der Verneinung der Frage 1:
Liegt ein Anspruch im Sinne des Art. 15 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr.
44/2001 vor, wenn der Gewinnauszahlungsanspruch wohl nicht von einer
Warenbestellung abhängig gemacht wurde, der Mitteilungsempfänger jedoch
Waren bestellt hat?
Zu den Vorlagefragen
40 Mit seinen beiden Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das
vorlegende Gericht wissen, ob die in der Verordnung Nr. 44/2001
aufgestellten Zuständigkeitsvorschriften dahin auszulegen sind, dass die
Klage eines Verbrauchers gegen eine Versandhandelsgesellschaft auf
Auszahlung eines von ihm anscheinend gewonnenen Preises – ohne dass die
Auszahlung des Preises davon abhängt, dass von dieser Gesellschaft zum Kauf
angebotene Waren bestellt werden – vertraglicher Natur im Sinne von Art. 15
Abs. 1 Buchst. c dieser Verordnung ist, gegebenenfalls unter der
Voraussetzung, dass der Verbraucher nichtsdestoweniger eine entsprechende
Bestellung aufgegeben hat.
41 Im Hinblick auf die Entscheidung über diese Fragen ist zunächst darauf
hinzuweisen, dass, da die Verordnung Nr. 44/2001 nunmehr im Verhältnis
zwischen den Mitgliedstaaten mit Ausnahme des Königreichs Dänemark an die
Stelle des Brüsseler Übereinkommens getreten ist, die vom Gerichtshof
vorgenommene Auslegung dieses Übereinkommens auch für diese Verordnung gilt,
soweit deren Vorschriften und die des Brüsseler Übereinkommens als
gleichbedeutend angesehen werden können. Zu ergänzen ist, dass Art. 15 Abs.
1 Buchst. c der Verordnung Nr. 44/2001 im mit dieser Verordnung errichteten
System, wie sich aus ihrem 13. Erwägungsgrund ergibt, denselben Platz
einnimmt und dieselbe Funktion des Schutzes der schwächeren Partei hat wie
Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 des Brüsseler Übereinkommens.
42 In Bezug auf das Brüsseler Übereinkommen hat der Gerichtshof bereits
entschieden, dass Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 auf eine Klage Anwendung findet, mit
der ein Verbraucher, der an seinem Wohnsitz eine Zusendung eines
gewerbsmäßigen Verkäufers erhalten hat, die zu einer Bestellung der von
diesem zu bestimmten Bedingungen angebotenen Waren führen soll, und der in
dem Vertragsstaat, in dem er seinen Wohnsitz hat, tatsächlich eine solche
Bestellung aufgegeben hat, von diesem Verkäufer die Herausgabe eines
scheinbar gewonnenen Preises verlangt (Urteil vom
11. Juli 2002, Gabriel, C‑96/00, Slg. 2002, I‑6367, Randnrn. 53, 55, 59 und
60).
43 Zum einen hat der Gerichtshof nämlich in den Randnrn. 48 bis 52 des
Urteils Gabriel
ausgeführt, dass die für die Anwendung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 des
Brüsseler Übereinkommens geltende Voraussetzung, dass ein Verbraucher einen
„Vertrag“ im Sinne dieser Vorschrift mit einem gewerbsmäßigen Verkäufer
„abgeschlossen hat“, in dem entsprechenden Fall erfüllt war, wobei er sich
auf den Umstand gestützt hat, dass die Willenseinigung der beiden Parteien,
die mit dem Angebot von Waren durch das Versandhandelsunternehmen und der
Annahme dieses Angebots durch den Verbraucher bei seiner anschließenden
Bestellung entsprechender Waren zustande gekommen war, zu einem zwischen
diesen Parteien abgeschlossenen Vertrag geführt hatte, der durch
gegenseitige und voneinander abhängende Pflichten der Parteien
gekennzeichnet war und einen der in dieser Vorschrift beschriebenen
Gegenstände, im konkreten Fall die Lieferung beweglicher Sachen, betraf.
44 Zum anderen hat der Gerichtshof in den Randnrn. 38 und 54 bis 58 des
Urteils Gabriel
dargelegt, dass die Gewinnzusage untrennbar mit der Warenbestellung und
folglich mit dem Abschluss eines entgeltlichen Vertrags verbunden war, so
dass die Klage des Verbrauchers gegen den gewerbsmäßigen Verkäufer auf
Herausgabe eines scheinbar gewonnenen Preises bei dem Gericht muss erhoben
werden können, das für eine Entscheidung über den von diesem Verbraucher
abgeschlossenen Vertrag zuständig ist, um so weit wie möglich eine Häufung
der Gerichtsstände zu vermeiden.
45 Dagegen hat der Gerichtshof in den Randnrn. 37, 38 und 44 des
Urteils vom 20. Januar 2005, Engler (C‑27/02, Slg.
2005, I‑481), die Anwendung von Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 des Brüsseler
Übereinkommens in einem Fall ausgeschlossen, in dem der Verbraucher die
Auszahlung des zugesagten Gewinns eingefordert hatte, der Erhalt des
angeblich gewonnenen Preises aber nicht von der Voraussetzung abhing, dass
der Verbraucher bei der Versandhandelsgesellschaft Waren bestellt, und der
Verbraucher tatsächlich keine Bestellung aufgegeben hatte.
46 Der Gerichtshof hat sich dabei auf den Umstand gestützt, dass der Versand
eines Schreibens mit einer irreführenden Gewinnzusage in diesem Fall nicht
zu einem Vertragsabschluss zwischen dem Verbraucher und der
Versandhandelsgesellschaft geführt hatte, da keine Bestellung über von
dieser Gesellschaft angebotene Waren aufgegeben worden war, die Anwendung
von Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 des Brüsseler Übereinkommens aber, wie bereits aus
seinem Wortlaut hervorgeht, von verschiedenen Voraussetzungen abhängt, zu
denen gerade der Abschluss eines entsprechenden Vertrags durch den
Verbraucher gehört (Urteil Engler, Randnrn. 36 bis
38 und 40).
47 Entsprechend den Ausführungen des Gerichtshofs wird dieser Ansatz durch
die Stellung der in den Art. 13 bis 15 des Brüsseler Übereinkommens
aufgestellten besonderen Zuständigkeitsvorschriften für Verbraucherverträge
innerhalb der Systematik des Übereinkommens bestätigt, die eine enge
Auslegung erfahren müssen, die nicht über die vom Übereinkommen ausdrücklich
in Betracht gezogenen Fälle hinausgehen darf. Das diesen Vorschriften
zugrunde liegende Ziel, dem Verbraucher als der schwächeren Partei einen
angemessenen Schutz zu gewährleisten, ermöglicht es daher nicht, zu einem
anderen Ergebnis zu gelangen (Urteil Engler,
Randnrn. 39 und 41 bis 43).
48 Allerdings ist festzustellen, dass der Wortlaut des Art. 15 Abs. 1 der
Verordnung Nr. 44/2001, um dessen Auslegung das vorlegende Gericht im Rahmen
des gegenständlichen Vorabentscheidungsersuchens bittet, nicht in jeder
Hinsicht mit dem des Art. 13 Abs. 1 des Brüsseler Übereinkommens identisch
ist.
49 Während insbesondere in Art. 13 Abs. 1 des Brüsseler Übereinkommens der
Anwendungsbereich der Nr. 3 dieser Vorschrift auf Verträge beschränkt war,
die „die Erbringung einer Dienstleistung oder die Lieferung beweglicher
Sachen zum Gegenstand haben“, ist Art. 15 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung
Nr. 44/2001 allgemeiner und weiter gefasst.
50 Mit Ausnahme bestimmter Beförderungsverträge, die nach Art. 15 Abs. 3 der
genannten Verordnung vom Anwendungsbereich der Zuständigkeitsvorschriften
über Verbraucherverträge ausgeschlossen sind, erfasst Art. 15 Abs. 1 Buchst.
c unabhängig von ihrem Gegenstand alle Verträge, die ein Verbraucher mit
einem Berufstätigen oder Gewerbetreibenden abschließt und die dessen
beruflicher oder gewerblicher Tätigkeit zugerechnet werden können. Im
Übrigen werden die speziellen Anwendungsvoraussetzungen, die diese Verträge
erfüllen müssen und die detailliert in Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a und b
des Brüsseler Übereinkommens genannt waren, nunmehr in allgemeinerer Form in
Art. 15 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 44/2001 aufgeführt, damit
angesichts der neuen Kommunikationsmittel und der Entwicklung des
elektronischen Geschäftsverkehrs ein besserer Schutz des Verbrauchers
gewährleistet ist.
51 Wenn somit der Gerichtshof entschieden hat, dass die Anwendung von Art.
13 Abs. 1 des Brüsseler Übereinkommens auf Verträge begrenzt ist, die
gegenseitige und voneinander abhängende Pflichten der Parteien begründet
haben, wobei er sich im Übrigen ausdrücklich auf den Wortlaut dieser
Vorschrift gestützt hat, der auf „die Erbringung einer Dienstleistung oder
die Lieferung beweglicher Sachen“ abstellt (vgl. Urteile
Gabriel, Randnrn. 48 bis 50, und
Engler, Randnrn. 34 und 36), ist der
Anwendungsbereich des Art. 15 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 44/2001
dagegen nunmehr offensichtlich nicht mehr auf Fallgestaltungen begrenzt, in
denen die Parteien synallagmatische Pflichten vereinbart haben.
52 Allerdings ist festzustellen, dass der genannte Art. 15 nur insoweit
Anwendung findet, als die fragliche Klage in Verbindung mit einem Vertrag
steht, der zwischen einem Verbraucher und einem Berufstätigen oder
Gewerbetreibenden abgeschlossen wurde.
53 Art. 15 der Verordnung Nr. 44/2001 setzt nämlich nach dem Wortlaut des
einleitenden Teils von Abs. 1 und des Abs. 1 Buchst. c voraus, dass der
Verbraucher einen „Vertrag“ mit einer Person „geschlossen“ bzw. bei einem
„Vertrag“ als „Vertragspartner“ eine Person hat, die eine berufliche oder
gewerbliche Tätigkeit ausübt. Diese Feststellung wird zudem durch den Titel
des Abschnitts 4 („Zuständigkeit bei Verbrauchersachen“), zu dem Art. 15
gehört, in Kapitel II dieser Verordnung bestätigt, der etwa nach seiner
französischen Sprachfassung die „Compétence en matière de contrats conclus
par les consommateurs“ (Zuständigkeit bei von Verbrauchern geschlossenen
Verträgen) betrifft. Hervorzuheben ist auch, dass Art. 15 der Verordnung Nr.
44/2001 hinsichtlich der Voraussetzung des Abschlusses eines Vertrags im
Wesentlichen genauso formuliert ist wie Art. 13 des Brüsseler
Übereinkommens.
54 In Bezug auf diese Voraussetzung ist im Rahmen von Art. 15 Abs. 1 Buchst.
c der Verordnung Nr. 44/2001 zwar denkbar, dass eine der Parteien nur ihre
Annahme zum Ausdruck bringt, ohne selbst eine wie auch immer geartete
rechtliche Verpflichtung gegenüber der anderen Vertragspartei einzugehen
(vgl. Randnr. 51 des vorliegenden Urteils). Damit ein Vertrag im Sinne
dieser Vorschrift vorliegt, ist allerdings unerlässlich, dass die
letztgenannte Partei eine solche rechtliche Verpflichtung eingeht, indem sie
ein verbindliches Angebot macht, das hinsichtlich seines Gegenstands und
seines Umfangs so klar und präzise ist, dass eine Vertragsbeziehung, wie sie
diese Vorschrift voraussetzt, entstehen kann.
55 Diese letztgenannte Voraussetzung kann nur dann als erfüllt angesehen
werden, wenn die Versandhandelsgesellschaft im Rahmen einer Gewinnzusage wie
der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden eine rechtliche Verbindlichkeit
eingegangen ist. Sie muss mit anderen Worten klar ihren Willen zum Ausdruck
gebracht haben, im Fall einer Annahme durch die andere Partei an ihre
Verbindlichkeit gebunden zu sein, indem sie sich bedingungslos bereit
erklärt hat, den fraglichen Preis an Verbraucher auszuzahlen, die darum
ersuchen. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu beurteilen, ob diese
Voraussetzung in dem bei ihm anhängigen Rechtsstreit erfüllt ist.
56 Sollte es sich im vorliegenden Fall nicht so verhalten, dann könnte ein
Vorgehen im Geschäftsverkehr der Art, wie es dem genannten Rechtsstreit
zugrunde liegt, nicht als Vorgehen angesehen werden, das als solches
vertraglicher Natur ist oder in Verbindung mit einem Vertrag im Sinne von
Art. 15 der Verordnung Nr. 44/2001 in seiner gegenwärtigen Fassung steht.
57 In diesem letztgenannten Fall könnte eine solche Situation höchstens als
vorvertraglich oder quasivertraglich qualifiziert werden und somit nur –
gegebenenfalls – Art. 5 Nr. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 unterliegen, einer
Vorschrift, der aufgrund ihres Wortlauts und ihrer Stellung im System dieser
Verordnung ein weiterer Anwendungsbereich beizumessen ist als deren Art. 15
(vgl. entsprechend zum Brüsseler Übereinkommen Urteil
Engler, Randnrn. 44 und 49).
58 Angesichts dieser Umstände und der in Bezug auf das Erfordernis des
Abschlusses eines Vertrags zwischen den Parteien im Wesentlichen gleichen
Fassung von Art. 15 der Verordnung Nr. 44/2001 und Art. 13 des Brüsseler
Übereinkommens ist damit der Schluss zu ziehen, dass die in den Urteilen
Gabriel
und Engler begründete Rechtsprechung zu Art. 13
des Brüsseler Übereinkommens für die Beurteilung einer Fallgestaltung wie
der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden auf Art. 15 der Verordnung Nr.
44/2001 zu übertragen ist. Bei einer derart ähnlichen Abfassung einer
Vorschrift des Brüsseler Übereinkommens und einer Vorschrift der Verordnung
Nr. 44/2001 ist nämlich entsprechend dem 19. Erwägungsgrund dieser
Verordnung die Kontinuität der Auslegung zwischen diesen beiden Rechtsakten
zu wahren, wobei eine solche Kontinuität auch das Mittel dazu ist, die
Beachtung des Grundsatzes der Rechtssicherheit zu gewährleisten, der eine
der Grundlagen dieser Rechtsakte ist.
59 Bei der gegenwärtigen Fassung von Art. 15 der Verordnung Nr. 44/2001 kann
demnach Abs. 1 Buchst. c dieser Vorschrift auf eine Klage wie die im
Ausgangsverfahren erhobene keine Anwendung finden, wenn sich der
Berufstätige oder Gewerbetreibende nicht vertraglich verpflichtet hat, den
zugesagten Preis an den Verbraucher auszuzahlen, der dies beansprucht. In
dieser Fallgestaltung ist die genannte Vorschrift auf eine solche Klage nur
unter der Voraussetzung anwendbar, dass auf die irreführende Gewinnzusage
der Abschluss eines Vertrags zwischen dem Verbraucher und der
Versandhandelsgesellschaft folgt, und zwar durch eine bei dieser
Gesellschaft aufgegebene Bestellung.
60 Somit ist auf die vorgelegten Fragen zu antworten, dass die in der
Verordnung Nr. 44/2001 aufgestellten Zuständigkeitsvorschriften dann, wenn,
wie im Ausgangsverfahren, ein Verbraucher nach dem Recht des Mitgliedstaats,
in dem er seinen Wohnsitz hat, und bei dem Gericht des Ortes seines
Wohnsitzes gegen eine in einem anderen Mitgliedstaat ansässige
Versandhandelsgesellschaft auf Auszahlung eines von ihm scheinbar gewonnenen
Preises klagt und
– diese Gesellschaft dem Verbraucher zu dem Zweck, ihn zum Vertragsabschluss
zu bewegen, ein persönlich adressiertes Schreiben zugesandt hat, mit dem bei
ihm der Eindruck erweckt wurde, er erhalte einen Preis, wenn er diesen durch
Rücksendung des dem Schreiben beigefügten „Gewinn-Anforderungs-Zertifikats“
beanspruche,
– ohne dass der Erhalt dieses Preises aber von einer Bestellung von Waren,
die diese Gesellschaft zum Kauf anbietet, oder von einer Testbestellung
abhängt,
wie folgt auszulegen sind:
– Eine solche von dem Verbraucher erhobene Klage unterliegt Art. 15 Abs. 1
Buchst. c der Verordnung Nr. 44/2001 unter der Voraussetzung, dass sich der
gewerbsmäßige Verkäufer rechtlich gebunden hat, dem Verbraucher den Preis
auszuzahlen;
– ist diese Voraussetzung nicht erfüllt, unterliegt eine solche Klage nur
dann der genannten Vorschrift der Verordnung Nr. 44/2001, wenn der
Verbraucher bei dem gewerbsmäßigen Verkäufer tatsächlich eine Bestellung
aufgegeben hat.
Kosten
61 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein
Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit;
die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer
Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht
erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt:
Wenn, wie im Ausgangsverfahren, ein Verbraucher nach dem Recht des
Mitgliedstaats, in dem er seinen Wohnsitz hat, und bei dem Gericht des Ortes
seines Wohnsitzes gegen eine in einem anderen Mitgliedstaat ansässige
Versandhandelsgesellschaft auf Auszahlung eines von ihm scheinbar gewonnenen
Preises klagt und
– diese Gesellschaft dem Verbraucher zu dem Zweck, ihn zum Vertragsabschluss
zu bewegen, ein persönlich adressiertes Schreiben zugesandt hat, mit dem bei
ihm der Eindruck erweckt wurde, er erhalte einen Preis, wenn er diesen durch
Rücksendung des dem Schreiben beigefügten „Gewinn-Anforderungs-Zertifikats“
beanspruche,
– ohne dass der Erhalt dieses Preises aber von einer Bestellung von Waren,
die diese Gesellschaft zum Kauf anbietet, oder von einer Testbestellung
abhängt,
sind die in der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000
über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung
von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen aufgestellten
Zuständigkeitsvorschriften wie folgt auszulegen:
– Eine solche von dem Verbraucher erhobene Klage unterliegt Art. 15 Abs. 1
Buchst. c dieser Verordnung unter der Voraussetzung, dass sich der
gewerbsmäßige Verkäufer rechtlich gebunden hat, dem Verbraucher den Preis
auszuzahlen;
– ist diese Voraussetzung nicht erfüllt, unterliegt eine solche Klage nur
dann der genannten Vorschrift der Verordnung Nr. 44/2001, wenn der
Verbraucher bei dem gewerbsmäßigen Verkäufer tatsächlich eine Bestellung
aufgegeben hat.
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