Anfechtung der
Vertragsübernahme
BGH, Urteil v. 3.12.1997
Amtl. Leitsatz:
Zu den Voraussetzungen, unter denen ein Vermieter die von ihm erteilte
Zustimmung zu einer zwischen dem bisherigen und einem neuen Mieter vereinbarten
Vertragsübernahme wegen arglistiger Täuschung anfechten kann
(Fortführung von BGHZ 96, 302 = NJW 1986, 918 = LM § 123 BGB
Nr. 65, und Abgrenzung zu BGHZ 31, 321 = NJW 1960, 621 = LM § 415
BGB Nr. 2).
Fundstellen:
NJW 1998, 531
WM 1998, 616
MDR 1998, 394
DB 1998, 813
ZIP 1998, 391
LM H. 4/1998 § 123 BGB Nr. 79 Kramer
Vorgesehen für die amtliche Sammlung (jetzt: BGHZ 137, 256)
Rezensionsaufsatz von Emmerich JuS 1998, 495.
Zentralprobleme des Falles:
Die Vertragsübernahme kann bekanntlich analog § 415 BGB durch
Vertrag zwischen der ausscheidenden Vertragspartei und der eintretenden
Vertragspartei mit Genehmigung der verbleibenden Partei oder aber durch
einen dreiseitigen Vertrag erfolgen (sog. Einheitstheorie). Bei
der Anfechtung einer solchen Genehmigung durch die verbleibende Partei
wegen arglistiger Täuschung nach § 123 BGB stellen sich zwei
Probleme, mit denen sich der BGH hier auseinandersetzt: (1) In wessen Person
muß der Anfechtungsgrund vorliegen? (2) Gegenüber wem ist die
Anfechtung zu erklären (§ 143 BGB)?
S. auch die Anm. zu BGH, Urteil vom 20. April
2005 - XII ZR 29/02.
Zum Sachverhalt:
Die Kl. ist Eigentümerin eines Geschäftslokals in Hamburg.
Dieses war durch Mietvertrag vom 30. 6. 1987 für den Betrieb eines
Speiserestaurants an einen Mieter S vermietet. In den Mietvertrag war im
Dezember 1990 anstelle von S die Bekl. zu 1 (im folgenden: Bekl.) als Mieterin
eingetreten. Durch Vereinbarung vom 1. 7. 1993 (Nachtrag III zum Mietvertrag)
zwischen der Kl., der Bekl. und einem neuen Mieter B (im folgenden B) schied
die Bekl. ihrerseits zum 30. 6. 1993 "mit allen Rechten und Pflichten aus
dem bestehenden Mietvertrag aus"; zugleich trat mit Wirkung vom 1. 7. 1993
B als neuer Mieter in das Mietverhältnis ein. Er verpflichtete sich
in der Vereinbarung zur Zahlung einer Kaution von 35 000 DM und trat der
Kl. auf deren Verlangen als weitere Sicherheit Ansprüche bis zur Höhe
von 13 800 DM aus einem Vertrag vom 6. 4. 1992 ab, durch den er seinerseits
Gewerberäume an eine Firma G vermietet hatte. B zahlte in der Folgezeit
weder die vereinbarte Kaution noch nach Behauptung der Kl. ab September
1993 den geschuldeten Mietzins. Wegen des Verzugs mit der Zahlung der Kaution
und eines seinerzeit bestehenden Rückstandes der Augustmiete sprach
die Kl. mit Schreiben vom 31. 8. 1993 gegenüber B die fristlose Kündigung
des Mietverhältnisses zum 3. 9. 1993 aus. Mit Vertrag vom 18./23.
11. 1993 vermietete sie durch Vermittlung der Bekl. das Mietobjekt mit
Wirkung ab 16. 12. 1993 an einen neuen Mieter N, der das der Bekl. gehörende
Inventar der Gaststätte von dieser erwarb und mit Rücksicht hierauf
erst ab Februar 1994 bereit war, Mietzins an die Kl. zu zahlen.
Der Kl. sind daher nach ihrer Behauptung die Mieten für die Zeit
von September 1993 bis einschließlich Januar 1994 in Höhe von
monatlich 13 577,13 DM entgangen. Als sie sich aus den ihr abgetretenen
Ansprüchen des B gegenüber der Firma G befriedigen wollte, erfuhr
sie nach ihrem Vortrag, daß der Mietvertrag zwischen B und der Firma
G wegen Untauglichkeit des Mietobjekts zum vertragsgemäßen Gebrauch
angeblich nicht in Vollzug gesetzt worden sei und die Firma G keine Mietzahlungen
an B geleistet habe. Mit der Behauptung, bei Kenntnis dieses Umstandes
und der ersichtlich fehlenden Bonität des B würde sie den Nachtrag
III nicht abgeschlossen haben, erklärte die Kl. mit Schreiben vom
28. 4. 1994 sowohl gegenüber der Bekl. als auch gegenüber B die
Anfechtung der Vereinbarung vom 1. 7. 1993 wegen arglistiger Täuschung.
Sie stellte sich dabei auf den Standpunkt, der Eintritt des B in das Mietverhältnis
und die Entlassung der Bekl. aus dem bisherigen Mietvertrag seien untrennbar
miteinander verbunden gewesen; daher führe die Anfechtung dazu, daß
die Bekl. weiterhin Mieterin sei und in Höhe des vorläufigen
Mietausfalls ihr - der Kl. - gegenüber zur Mietzahlung verpflichtet
bleibe. Die Bekl. wandte sich gegen den Vorwurf, eine Täuschung begangen
zu haben, und machte geltend, sie habe mit der Bonität des B und deren
Überprüfung nichts zu tun gehabt. Mit der Klage hat die Kl. die
Bekl. (und die am Revisionsverfahren nicht beteiligte Sparkasse H als Bürgin
für einen Teilbetrag von 25 000 DM), gestützt auf die Anfechtung
vom 28. 4. 1994, auf Zahlung von insgesamt 67 885,65 DM nebst Zinsen in
Anspruch genommen.
Das LG hat die Klage abgewiesen, da das Mietverhältnis mit B im
Zeitpunkt der Anfechtung infolge der zuvor erklärten fristlosen Kündigung
beendet und das Mietobjekt bereits weitervermietet gewesen sei. In der
Weitervermietung liege eine Bestätigung des eventuell anfechtbaren
Rechtsgeschäfts (Nachtrag III) i. S. von § 144 BGB, die zum Ausschluß
der Anfechtung führe. Auf die hiergegen von der Kl. eingelegte Berufung
hat das LG die Bekl. unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils
antragsgemäß zur Zahlung verurteilt. Hiergegen richtete sich
die Revision der Bekl., mit der diese die Wiederherstellung des erstinstanzlichen
Urteils erstrebte. Die Revision führte zur Aufhebung des angefochtenen
Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das BerGer.
Aus den Gründen:
1. Das OLG hat der Kl. einen Anspruch auf Mietzins in dem zuerkannten
Umfang gem. § 535 S. 2 BGB zugesprochen mit der Begründung: Der
Mietvertrag zwischen der Kl. und der Bekl. sei nicht durch die Nachtragsvereinbarung
vom 1. 7. 1993 aufgelöst worden. Da die Kl. diese Mietaufhebungs-
und Eintrittsvereinbarung wegen arglistiger Täuschung nach §
123 BGB wirksam angefochten habe, sei diese als von Anfang an nichtig anzusehen
(§ 142 BGB), so daß der Mietvertrag über den 30. 6. 1993
hinaus fortbestanden habe.
Ob die Bekl. selbst die Kl. über die Bonität des B getäuscht
habe, könne dahinstehen. Denn jedenfalls habe B die Kl. über
seine wirtschaftlichen Verhältnisse arglistig getäuscht. Er habe
ihr als Sicherheit für seine Verpflichtungen aus dem übertragenen
Mietvertrag Ansprüche abgetreten, die nicht bestanden hätten.
Der Mietvertrag mit der Firma G sei nämlich nicht zur Durchführung
gelangt, was B als Vermieter jenes Vertrags gewußt haben müsse.
Soweit die Bekl. dieses Vorbringen bestreite, sei dies unerheblich und
im einzelnen widersprüchlich. Es besteht kein Zweifel, daß die
Kl. sich wegen ihrer gegenüber B nicht durchsetzbaren Ansprüche
an die Firma G gehalten hätte, wenn die ihr insoweit von B abgetretenen
Ansprüche tatsächlich bestanden hätten. Auf eine Erhebung
der hierzu von der Kl. angebotenen Beweise komme es deshalb nicht an. Der
Kl. sei es, wie für die Bekl. und B erkennbar gewesen sei, auf die
Werthaltigkeit der abgetretenen Forderungen angekommen. Dies sei für
die Bereitschaft der Kl., B anstelle der Bekl. als Mieter zu akzeptieren,
nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme jedenfalls mitursächlich
gewesen.
Allein schon die Anfechtung aufgrund der Täuschungshandlung des
B führe gem. § 139 BGB zur Nichtigkeit der gesamten Nachtragsvereinbarung
vom 1. 7. 1993 und somit auch der Entlassung der Bekl. aus dem im Dezember
1990 mit ihr geschlossenen Mietvertrag. Denn ohne den Eintritt des B in
das Mietverhältnis an Stelle der Bekl. wäre diese daraus nicht
entlassen worden. Die Anfechtung des Mietvertrags sei rechtzeitig innerhalb
der Jahresfrist des § 124 BGB nach Kenntniserlangung der Kl. von den
Täuschungshandlungen des B erklärt worden. Die Kl. habe ihr Anfechtungsrecht
auch nicht verwirkt. Ebensowenig habe sie, etwa durch die Kündigung
des Mietvertrags gegenüber B oder durch den Abschluß eines neuen
Mietvertrags mit N, die Nachtragsvereinbarung vom 1. 7. 1993 i. S. von
§ 144 BGB bestätigt.
2. Diese Ausführungen halten, wie die Revision zutreffend rügt,
der rechtlichen Nachprüfung in mehreren Punkten nicht stand. Es ist
rechtsfehlerhaft, daß das LG weder entschieden hat, ob die Bekl.
selbst eine arglistige Täuschung begangen noch geprüft hat, ob
sie zumindest eine von B verübte arglistige Täuschung gekannt
oder infolge Fahrlässigkeit nicht gekannt hat. Diese Frage konnte
entgegen der Auffassung des LG nicht - mit Blick auf ein Eingreifen des
§ 139 BGB - dahingestellt bleiben, sondern mußte für die
Beurteilung der Wirksamkeit der von der Kl. erklärten Anfechtung geklärt
werden.
a) Die Kl. hat mit Schreiben vom 28. 4. 1994 "den Nachtrag" vom 1.
7. 1993 wegen arglistiger Täuschung sowohl gegenüber der Bekl.
als auch gegenüber B angefochten. Anfechtbar sind nach §§
119 ff. BGB (nur) Willenserklärungen, die der Anfechtende abgegeben
hat. Die Willenserklärung der Kl., die in dem Nachtrag vom 1. 7. 1993
ihren Niederschlag gefunden hat, stellt sich nach der gewählten Vertragsgestaltung
und bei Abwägung der betroffenen Interessen als Zustimmung zu einer
zwischen der Bekl. und B vereinbarten Vertragsübernahme dar (vgl.
dazu BGHZ 95, 88 = NJW 1985, 2528 = LM § 765 BGB Nr. 40; BGHZ 96,
302 = NJW 1986, 918 = LM § 123 BGB Nr. 65; BGH, NJW 1978, 2504; Heile,
in: Bub/Treier, Hdb. d. Geschäfts- u. Wohnraummiete, 2. Aufl., II
Rdnrn. 807 bis 811).
Der beabsichtigte Wechsel der Vertragsparteien - etwa eines Mietvertrags
- kann in rechtlich unterschiedlicher Weise vollzogen werden: Das Mietverhältnis
zwischen den bisherigen Parteien kann durch Vertrag zwischen dem Vermieter
und dem bisherigen Mieter (den alten Parteien) beendet und ein neues Mietverhältnis
mit dem Inhalt des bisherigen durch einen weiteren Vertrag mit dem neuen
Mieter (der neuen Partei) geschlossen werden. Andererseits besteht die
Möglichkeit, daß der Parteiwechsel durch Vertrag zwischen dem
aus dem Mietverhältnis ausscheidenden (bisherigen Mieter) und dem
neu eintretenden Teil (neuer Mieter) mit Zustimmung der verbleibenden Partei
(Vermieter) vereinbart wird. Dabei kann die Auswechslung der Partei im
Wege eines einheitlichen Vertragswerks als sog. dreiseitiger Vertrag vollzogen
werden (vgl. BGHZ 96, 302 [308] = NJW 1986, 918 = LM § 123 BGB Nr.
65; Heile, in: Bub/Treier, II Rdnr. 808). Welcher Vertragstyp im Einzelfall
dem Willen der Beteiligten entspricht, ist ggf. durch Auslegung der getroffenen
Parteiabreden zu ermitteln (vgl. Heile, in: Bub/Treier, II Rdnr. 812 m.
Nachw.). Im vorliegenden Fall entspricht die Annahme getrennter Vereinbarungen
über die Aufhebung des alten Mietvertrags zwischen der Kl. und der
Bekl. und den Abschluß eines neuen Mietvertrags der Kl. mit B nicht
der von den Beteiligten gewollten Gestaltung:
Die Bekl. strebte aus dem Mietverhältnis hinaus und bemühte
sich um einen Nachfolger, der als Mieter an ihre Stelle treten sollte.
Die Kl. hingegen hatte kein eigenes Interesse an einem Mieterwechsel, da
sich die Bekl. ihr gegenüber als zuverlässige Mieterin erwiesen
hatte. Die Kl. hatte daher keinen Anlaß, die Bekl. durch selbständige
Vereinbarung aus dem Mietverhältnis zu entlassen, ohne zugleich in
der Person des B einen neuen Mieter zu erhalten. Es ist deshalb nach der
Interessenlage davon auszugehen, daß die Beteiligten den Weg einer
Vereinbarung zwischen der Bekl. als ausscheidendem und B als eintretendem
Mieter mit Zustimmung der Kl. (§ 182 BGB; vgl. dazu Schramm, in: MünchKomm,
3. Aufl., Vorb. § 182 Rdnr. 4) gewählt haben. Nach § 182
I BGB kann die Zustimmung in Fällen, in denen die Wirksamkeit eines
Vertrags von ihr abhängig ist, sowohl dem einen als auch dem anderen
Vertragspartner gegenüber erklärt werden, wobei die Erklärung
der Zustimmung gegenüber einem der Erklärungsadressaten zur Wirksamkeit
des Vertrags führt. Die Beteiligten können allerdings von dieser
"Zustellungstechnik" absehen und den Zustimmungsberechtigten unmittelbar
an dem Vertragsschluß beteiligen (vgl. Schramm, in: MünchKomm,
§ 182 Rdnr. 3), wie es im vorliegenden Fall geschehen ist.
b) Die Zustimmung nach § 182 BGB als einseitige empfangsbedürftige
Willenserklärung unterliegt den allgemeinen Normen für Rechtsgeschäfte,
dabei auch der Anfechtung wegen Irrtum oder arglistiger Täuschung
(wobei sich der Irrtum oder die Täuschung auf die Zustimmungserklärung
und nicht auf das zu genehmigende Geschäft erstrecken müssen,
vgl. auch dazu Steffen, in: RGRK, 12. Aufl., § 182 Rdnr. 6; Soergel/Leptien,
BGB, 12. Aufl., Vorb. § 182 Rdnr. 6; Staudinger/Gursky, BGB, 12. Aufl.
[1996], Vorb. §§ 182 ff. Rdnr. 40). Die Frage, wem gegenüber
die Anfechtung zu erklären ist, ist umstritten (vgl. Staudinger/Gursky,
Vorb. §§ 182 ff. Rdnrn. 40, 41 m. w. Nachw.). Der BGH hat dazu
in BGHZ 96, 302 ff. = NJW 1986, 918 entschieden:
"Ist, wie bei einer Vertragsübernahme, der damit erstrebte Erfolg
einer Rechtsnachfolge in ein Schuldverhältnis überhaupt nur durch
das Zusammenwirken des verbleibenden, des ausscheidenden und des übernehmenden
Vertragspartners erreichbar, so muß die Anfechtung, die die Rechtsnachfolge
in das Schuldverhältnis mit rückwirkender Kraft beseitigen soll,
allen Beteiligten gegenüber erklärt werden, weil sie alle Beteiligten
berührt" (S. 310).
Dieser Entscheidung ist entgegen der dagegen geäußerten
Kritik (vgl. etwa Dörner, NJW 1986, 2916, der bei Anfechtung einer
Vertragsübernahme - nicht durch den zustimmenden Teil, sondern - durch
den Übernehmer allein den Vertragszedenten als Anfechtungsgegner ansieht)
jedenfalls für die hier gegebene Fallgestaltung zu folgen, bei der
der zustimmende (in dem Vertragsverhältnis verbleibende) Vertragspartner
seine Zustimmungserklärung anficht. Die Anfechtungserklärung
der Kl. vom 28. 4. 1994 trägt dem Rechnung. Sie ist sowohl der Bekl.
als auch B gegenüber abgegeben worden.
c) Was die Frage des Anfechtungsgrunds betrifft, ist nach den Feststellungen
des LG in dem angefochtenen Urteil für das Revisionsverfahren davon
auszugehen, daß B die Kl. arglistig über seine wirtschaftliche
Leistungsfähigkeit getäuscht hat. Dagegen hat das BerGer. offengelassen,
ob ein Anfechtungsgrund i. S. von § 123 BGB in der Person der Bekl.
gegeben ist. Das ist von einem Rechtsfehler beeinflußt.
Der BGH hat in dem erwähnten Urteil BGHZ 96, 302 = NJW 1986, 918
= LM § 123 BGB Nr. 65 in einem Fall, in dem der Übernehmer den
Übernahmevertrag nur gegenüber dem verbleibenden und nicht auch
gegenüber dem ausscheidenden Teil angefochten hatte, dahinstehen lassen,
ob die "lediglich von einem Beteiligten begangene arglistige Täuschung
zu Lasten der selbst nicht täuschenden Partei ohne weiteres materiell
zur Anfechtung berechtigt, oder ob das nur dann der Fall ist, wenn ihr
die Täuschung bekannt war oder hätte bekannt sein müssen"
(S. 310, 311; zu vergleichen auch BGHZ 31, 321 = NJW 1960, 621 = LM §
415 BGB Nr. 2 für den Fall, daß der Schuldner den Übernehmer
bei Abschluß des Grundgeschäfts/ der Vertragsübernahme
arglistig getäuscht hat; vgl. dazu Staudinger/Dilcher, BGB, 12. Aufl.,
§ 123 Rdnr. 39 m. w. Nachw.; auch Soergel/Hefermehl, § 123 Rdnr.
38; Dörner, NJW 1986 2916 m. Hinw. auf Fußn. 8). Für die
hier zu beurteilende Fallgestaltung, daß der zustimmende Teil die
von ihm erklärte Zustimmung zu der Übernahmevereinbarung zwischen
dem ausscheidenden (bisherigen Mieter) und dem übernehmenden (neuen
Mieter) Teil anficht, ist die in BGHZ 96, 302 = NJW 1986, 918 = LM §
123 BGB Nr. 65 offengelassene Frage dahin zu beantworten, daß in
der Person beider Empfänger der Zustimmungserklärung ein Anfechtungsgrund
i. S. von § 123 BGB vorliegen muß, damit die Anfechtung durchgreifen
und zur - rückwirkenden - Vernichtung der vereinbarten Vertragsübernahme
führen kann.
Die der Anfechtung unterliegende Zustimmung des in dem Vertragsverhältnis
verbleibenden Teils zu der zwischen dem ausscheidenden und dem übernehmenden
Partner vereinbarten Vertragsübernahme bezieht sich auf ein Rechtsgeschäft,
das zweierlei Wirkung hat, nämlich zum einen das Ausscheiden bzw.
aus der Sicht der Zustimmenden die Entlassung des bisherigen Mieters aus
dem Mietverhältnis und zum anderen den Eintritt des übernehmenden
Teils als neuer Mieter in das Vertragsverhältnis (vgl. Steffen, in:
RGRK § 182 Rdnr. 9 a. E.). Auch wenn es im Einzelfall, wie hier, nicht
der von den Beteiligten gewollten Vertragsgestaltung entspricht, die erteilte
Zustimmung des Vermieters in eine solche zum Ausscheiden des bisherigen
Mieters und eine solche zum Eintritt des neuen Mieters aufzuspalten, ist
doch für die Beurteilung der Wirksamkeit einer Anfechtung der Zustimmungserklärung
zu beachten, daß die Vertragsübernahme auch auf diese Weise
durch zwei jeweils mit dem Vermieter geschlossene Rechtsgeschäfte
hätte vollzogen werden können. In diesem Fall wäre eine
Vernichtung des gesamten Vertragsgefüges, d. h. beider Rechtsgeschäfte,
durch Anfechtung von Seiten des Vermieters nur möglich, wenn in der
Person beider Vertragspartner, sowohl des ausscheidenden als auch des übernehmenden
Teils, ein Anfechtungsgrund gegeben wäre. Insoweit kann es indessen
von der Interessenlage der Beteiligten her und unter Berücksichtigung
des mit § 123 BGB verfolgten gesetzlichen Zwecks keinen grundlegenden
Unterschied bedeuten, wenn die Beteiligten für die Vertragsübernahme
den Weg des dreiseitigen Vertrags unter Zustimmung des Vermieters gewählt
haben. Da die Anfechtung nach § 123 BGB voraussetzt, daß der
Anfechtende durch arglistige Täuschung zur Abgabe seiner Willenserklärung
veranlaßt wurde, durch eine erfolgreiche Anfechtung der Zustimmungserklärung
zu einer Vertragsübernahme aber der "genehmigte" Vertrag insgesamt
- als Rechtsgeschäft mit zweierlei Wirkungen - rückwirkend beseitigt
werden soll, zeigt sich die Notwendigkeit, daß die Anfechtungsvoraussetzungen
im Hinblick auf beide Wirkungen des Rechtsgeschäfts - sowohl die Entlassung
des bisherigen als auch die Aufnahme des neuen Mieters, jeweils durch die
Zustimmung des verbleibenden Vermieters wirksam geworden - erfüllt
sein müssen.
Hierbei kann nicht unberücksichtigt bleiben, daß §
123 BGB an sich nur einseitige Rechtsgeschäfte und bilaterale Verträge
betrifft (vgl. § 143 II bis IV BGB). Eine Anwendung der Vorschrift
auf die Abgabe einer Zustimmungserklärung in einem dreiseitigen Vertrag
ist dort nicht geregelt. Aus der gesetzlichen Wertung des § 123 I,
II BGB ist jedoch zu entnehmen, daß eine Anfechtung generell nur
dann stattfinden soll, wenn derjenige, dem gegenüber die Anfechtung
Wirkungen entfalten soll, entweder selbst arglistig getäuscht oder
die von einem anderen begangene arglistige Täuschung gekannt hat oder
jedenfalls kennen mußte. Dabei ist - neben der Täuschung durch
einen Dritten nach § 123 II 1 BGB - in § 123 II 2 BGB auch der
Fall geregelt, daß ein anderer als derjenige, dem gegenüber
die Erklärung abzugeben war, aus dieser unmittelbar ein Recht erworben
hat; ihm gegenüber ist die Erklärung nur anfechtbar, wenn er
die Täuschung, die zur Abgabe der Willenserklärung geführt
hat, kannte oder kennen mußte (vgl. dazu näher Soergel/Hefermehl,
§ 123 Rdnr. 36; Staudinger/Dilcher, § 123 Rdnr. 37). Wird der
dieser Regelung, ähnlich wie dem § 123 II 1 BGB, zugrundeliegende
Rechtsgedanke auf den Fall der (zwischen drei Personen vollzogenen)
Vertragsübernahme mit Zustimmung des verbleibenden Teils übertragen,
so kann daraus als rechtliche Wertung entnommen werden: Wenn, wie hier,
die Zustimmungserklärung des Vermieters durch die Täuschungshandlung
des neuen Mieters beeinflußt wird, kann der bisherige Mieter, der
infolge der Zustimmung einen Vorteil, nämlich die Entlassung aus dem
Vertragsverhältnis verlangt, einer Anfechtung nach § 123 BGB
nur ausgesetzt sein, wenn er die Täuschung kannte oder kennen mußte.
Die nach den vorstehenden Ausführungen aus der gesetzlichen Regelung
des § 123 BGB zu entnehmende Wertung des Anfechtungsrechts im Verhältnis
zwischen dem Anfechtenden und den übrigen Beteiligten kann nicht auf
dem Weg über § 139 BGB außer Kraft gesetzt werden (vgl.
etwa die Beispielsfälle bei Krüger-Nieland/Zöller, in: RGRK,
§ 139 Rdnr. 79).
3. Soweit der BGH in dem Urteil BGHZ 96, 302 (310) = NJW 1986, 918
= LM § 123 BGB Nr. 65 für den dort entschiedenen Fall einer Vertragsübernahme
offengelassen hat, ob die lediglich von einem Beteiligten begangene arglistige
Täuschung zu Lasten der selbst nicht täuschenden Partei "ohne
weiteres materiell zur Anfechtung berechtigt", ist dies nach alledem für
den hier vorliegenden Fall zu verneinen. Eine derartige Zurechnung der
von B begangenen arglistigen Täuschung als Anfechtungsgrund auch in
der Person der Bekl. hieße, den B zum Stellvertreter der Bekl. zu
machen (§ 166 I BGB; vgl. Soergel/Leptien, § 166 Rdrn. 10 ff.;
Soergel/Hefermehl, § 123 Rdnr. 35). Das scheidet nach der gewählten
Vertragsgestaltung aus, da die Bekl. und B mit dem Abschluß des Nachtrags
III vom 1. 7. 1993 nicht gleichgerichtete, sondern gegenläufige Interessen
verfolgten. Die Bekl. wollte aus dem Mietvertrag ausscheiden, während
B als neuer Mieter in das Vertragsverhältnis eintreten wollte. Im
übrigen kann die Bekl. ihrerseits - ebenso wie die Kl. - sogar selbst
von B über seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit getäuscht
worden sein. Auch dies steht einer Anwendung des § 166 BGB im
Rahmen von § 123 BGB unter den hier gegebenen Umständen entgegen.
Als Ergebnis ist nach alledem festzuhalten, daß die von der Kl.
erklärte Zustimmung zu der Vertragsübernahme nur wirksam gem.
§ 123 BGB angefochten werden kann, wenn entweder sowohl die Bekl.
als auch B die Kl. arglistig getäuscht haben oder wenn die Bekl. die
von B begangene arglistige Täuschung zumindest gekannt oder infolge
Fahrlässigkeit nicht gekannt hat. Das bedeutet zugleich, daß
eine Anfechtung nicht in Betracht kommt, wenn lediglich B eine arglistige
Täuschung gegenüber der Kl. begangen und die Bekl. diese weder
gekannt hat noch kennen mußte. Diese Rechtsfolge entspricht der Interessenlage
und dem Schutzbedürfnis der an dem Vertrag vom 1. 7. 1993 beteiligten
Parteien. Hat etwa die Bekl. weder selbst eine arglistige Täuschung
begangen noch Kenntnis von der von B verübten Täuschung gehabt
und diese nach den Umständen auch nicht kennen müssen, dann wäre
es unvertretbar, sie möglicherweise noch nach Jahren einer rückwirkenden
Vernichtung der Vertragsübernahmevereinbarung vom 1. 7. 1993 auszusetzen
(§ 142 I BGB) mit der Folge, daß sie unverändert ab 1.
7. 1993 weiterhin als Mieterin zu gelten hätte. Andererseits ist auch
die Kl. rechtlich nicht schutzlos, wenn sie trotz (nur) von B begangener
arglistiger Täuschung die Entlassung der Bekl. aus dem Mietverhältnis
nicht durch Anfechtung nach § 123 BGB rückwirkend beseitigen
kann. Da die arglistige Täuschung des B seine Zahlungsfähigkeit
betraf, konnte die Kl. nach eingetretenem Zahlungsverzug (wie geschehen)
das mit ihm bestehende Mietverhältnis für die Zukunft kündigen.
Außerdem kommt nach den Grundsätzen des Verschuldens bei Vertragsverhandlungen
bzw. aus deliktischer Haftung ein Schadensersatzanspruch in Betracht (vgl.
Staudinger/Dilcher, § 123 Rdnrn. 47 ff.), mit dem die Kl. nicht nur
den ihr in der Zeit vom September 1993 bis Januar 1994 entstandenen Mietausfallschaden
geltend machen, mit dem sie vielmehr auch Befreiung von allen Verbindlichkeiten
aus dem Vertragsverhältnis verlangen könnte. Im übrigen
dürfte der Kl. im Verhältnis zu B - je nach den Umständen
- die Einrede der Arglist (§ 242 BGB) zur Seite stehen.
Abgesehen hiervon hat es ein Vermieter, der sich mit einem Mieterwechsel
durch Vertragsübernahme einverstanden erklärt, grundsätzlich
in der Hand, auf einer Mithaftung des bisherigen Mieters neben dem neuen
Mieter für die Verbindlichkeiten aus dem Mietverhältnis zumindest
für einen bestimmten Zeitraum zu bestehen, bevor er seine Zustimmung
zu der Vertragsübernahme erteilt. Der Vermieter kann sich auch in
sonstiger Weise, etwa durch Aufnahme einer Bedingung oder eines Vorbehalts
in den Vertrag, gegen mögliche Schäden als Folge des Mieterwechsels
rechtlich absichern. Da das OLG nicht geprüft hat, ob in der Person
der Bekl. die Voraussetzungen des § 123 BGB erfüllt waren, kann
das angefochtene Urteil hiernach nicht bestehen bleiben. Die Sache ist
vielmehr zur weiteren Prüfung unter Nachholung der erforderlichen
Feststellungen und zur neuen Entscheidung an das OLG zurückzuverweisen.
4. Für die neue Verhandlung weist der Senat auf folgendes hin:
a) Die Kl. hat in bezug auf die Bekl. zu § 123 BGB behauptet,
diese habe sie über die Werthaltigkeit der ihr - der Kl. - von B zur
Sicherheit abgetretenen Mietzinsforderungen getäuscht und sich ihr
gegenüber den Anschein gegeben, die Bonität des B aufgrund eigener
Prüfung positiv eingeschätzt zu haben. Nach diesem Vortrag ist
Voraussetzung für die behauptete arglistige Täuschung durch die
Bekl., daß die "Werthaltigkeit" der Ansprüche des B aus seinem
Mietvertrag mit der Firma G - als Grundlage der hierauf gestützen
Bonität des B - tatsächlich nicht gegeben war. Danach hängt
die Entscheidung über die Berechtigung des geltend gemachten Anspruchs
zunächst davon ab, ob die Behauptung der Kl. zutrifft, daß die
ihr zur Sicherheit abgetretenen Ansprüche des B aus dem Mietvertrag
mit der Firma G bei Abschluß der Nachtragsvereinbarung vom 1. 7.
1993 nicht (mehr) bestanden haben. Die Bekl. hat diese Behauptung rechtswirksam
mit Nichtwissen bestritten, § 138 IV ZPO.
Soweit das BerGer. ihr Bestreiten für widersprüchlich und
deshalb für unerheblich hält, zumal die Bekl. trotz Vorlage des
Mietvertrags mit der Firma G auch dessen Zustandekommen bestritten habe,
kann dem nicht gefolgt werden. Nachdem der Mietvertrag zwischen B und der
Firma G nach dem zu den Akten gereichten Vertragsexemplar bereits am 6.
4. 1992 zustande gekommen war, bietet die Vorlage des Mietvertrags als
solche keinen zwingenden Anhaltspunkt für einen Fortbestand des Vertrags
im Zeitpunkt des Abschlusses der Nachtragsvereinbarung im Juni/Juli 1993.
Die Erwägung des OLG, es habe keinen Zweifel, daß sich die Kl.
bei Bestehen der Ansprüche des B gegenüber der Firma G an diese
gehalten haben würde, wird von der Revision zu Recht als unzulässige
vorweggenommene Beweiswürdigung gerügt.
Die Behauptung der Kl. über die fehlende Werthaltigkeit der ihr
am 1. 7. 1993 von B zur Sicherheit abgetretenen Ansprüche aus dem
Mietvertrag zwischen B und der Firma G war nach alledem entgegen der Auffassung
des BerGer. sowohl beweiserheblich als auch beweisbedürftig. Die Revision
rügt insoweit zu Recht, daß das BerGer. den von der Kl. für
ihre Behauptungen angebotenen Beweis hätte erheben müssen. Das
wird im weiteren Verlauf des Verfahrens nachzuholen sein. Je nach dem Ergebnis
der Beweisaufnahme wird sodann ggf. auch dem weiteren Vortrag der Kl. zu
der behaupteten Täuschung durch die Bekl. nachzugehen sein. Falls
sich dabei herausstellt, daß der Bekl. keine arglistige Täuschung
gegenüber der Kl. zur Last fällt, wird auf die weitere Frage
einzugehen sein, ob die Bekl. eine von B verübte arglistige Täuschung
gekannt oder infolge Fahrlässigkeit nicht gekannt hat. Die Zurückverweisung
der Sache an das LG bietet Gelegenheit, hierzu noch vorzutragen und näher
Stellung zu nehmen.
b) Die Ausführungen, mit denen das BerGer. eine Verwirkung des
angenommenen Anfechtungsrechts der Kl. und eine Bestätigung der Nachtragsvereinbarung
vom 1. 7. 1993 durch die fristlose Kündigung gegenüber B und/oder
durch den Abschluß des neuen Mietvertrags mit N vereint, sind entgegen
der Auffassung der Revision aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
Ebenso unterliegt die Auffassung des OLG, daß die fristlose Kündigung
des Mietvertrags gegenüber B der späteren Anfechtung der Nachtragsvereinbarung
nicht entgegengestanden habe, keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Die weitgehend streitige Frage, ob die Anfechtung eines Mietvertrags nach
Überlassung der Mietsache neben der Kündigung zulässig ist,
ggf. mit Rückwirkung (vgl. etwa Gelhaar, in: RGRK, 12. Aufl., Vorb.
§ 535 Rdnr. 123; Krüger-Nieland/Zöller, in: RGRK, §
142 Rdnr. 14 ff.; Bub, in: Bub/Treier, II Rdnrn. 660 ff., 673 ff.; Emmerich/Sonnenschein,
Miete, 6. Aufl., § 564 Rdnr. 46; Palandt/Putzo, BGB, 56. Aufl., §
564 Rdnr. 4; Schmidt-Futtterer/Blank, WohnraumschutzG, 6. Aufl., B Rdnr.
88; Sternel, MietR, 3. Aufl. [1988], I Rdnrn. 243 ff.; Prior, Lösungsmöglichkeiten
der Mietvertragsparteien vor Überlassung der Mietsache, 1992, S. 34
ff. m. w. Nachw.; RGZ 157, 173; OLG Hamburg, MDR 1966, 39), stellt sich
im vorliegenden Fall in dieser Form nicht. Die mit Schreiben der Kl. vom
31. 8. 1993 gegenüber B ausgesprochene fristlose Kündigung des
Mietvertrags führte, sofern sie wirksam war, jedenfalls zur Beendigung
des Mietverhältnisses zwischen der Kl. und B mit Wirkung ab 3. 9.
1993. Für den zurückliegenden Zeitraum seit dem 1. 7. 1993 kann
das Mietverhältnis zwischen B und der Kl. hingegen nur durch rechtswirksame
Anfechtung des Nachtrags III beseitigt werden, verbunden mit der von der
Kl. in erster Linie erstrebten Rechtsfolge, daß die Bekl. ihrerseits
nicht aus dem Mietverhältnis ausgeschieden, sondern über den
1. 7. 1993 hinaus "mit allen Rechten und Pflichten" weiterhin Mieterin
des Speiserestaurants geblieben ist.
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