1. Besteht ein krasses Mißverhältnis
zwischen dem Umfang der Haftung und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit
des bürgenden Ehegatten oder Lebenspartners und läßt sich
der Verpflichtungsumfang weder im Hinblick auf den Schutz des Gläubigers
vor Vermögensverlagerung vom Hauptschuldner auf den Bürgen noch
wegen des Werts einer Erbschaft, die er zu erwarten hat, rechtfertigen,
ist der Bürgschaftsvertrag in der Regel wegen Verstoßes gegen
die guten Sitten nichtig (Ergänzung zu Senat, BGHZ 136,347 = NJW 1997,
3372 LM H. 5/1998 § 765 BGB Nr. 120 = WM 1997, 2117).
2. Das Interesse des Gläubigers, sich
gegen Vermögensverlagerungen zu schützen oder auf vom Bürgen
später erworbenes Vermögen zugreifen zu können, schließt
die Sittenwidrigkeit von Bürgschaften, die finanziell kraß überforderte
Lebenspartner ab 1.1.1999 erteilen, nur dann aus, wenn dieser beschränkte
Haftungszweck vertraglich geregelt ist.
Vorwegabdruck auf S. XIV ff (NJW-aktuell) Heft
51/1998 der NJW
NJW 1999, 58 ff
Die Entscheidung setzt einen (vorläufigen)
Schlußpunkt im Bereich der Nichtigkeit von Bürgschaften naher
Angehöriger wegen "Überforderung". Bisher hatte der IX. Senat
den Schutz vor Vermögensverschiebungen als legitimes Interesse der
Bank an der Bürgschaft eines vermögenslosen Angehörigen
erachtet und damit insoweit Sittenwidrigkeit (§ 138 I BGB) auch dann
verneint, wenn dieser (begrenzte und damit zulässige) Sicherungszweck
in der Bürgschaft nicht zum Ausdruck kam. Bereits der XI. Senat des
BGH hatte dies als unzulässige geltungserhaltende Reduktion der an
sich nach § 138 I BGB vorliegenden Sittenwidrigkeit verneint. Er steht
zwar auch auf dem Standpunkt, daß der Schutz vor Vermögensverschiebungen
ein legitimes Interesse des Hauptschuldners an der Bürgschaft auch
eines sonst vermögenslosen Angehörigen darstellt. Der begrenzte
Sicherungszweck müsse aber ausdrücklich vereinbart werden (BGH
NJW 1993, 322 [324]; NJW 1997, 257 [259]).
Der IX. Senat stellt nunmehr klar, daß seine
bisherige Rechtsprechung als eine Art "Übergangsrechtsprechung" zu
verstehen ist, die aus Vertrauensschutzgründen für Altfälle
galt. Er kündigt an, daß er diese für Bürgschaften,
die ab dem 1.1.1999 erteilt werden, nicht mehr aufrechterhalten wird (daher
der eilige Vorwegabdruck auf den Informationsseiten der NJW). Damit "schwenkt"
der IX. Senat (unausgesprochen) auf die bisherige Linie des XI. Senats
"ein".
Im übrigen wiederholt und präzisiert
die Entscheidung die bisherigen Grundsätze der Nichtigkeit von Angehörigenbürgschaften
in der Folge von BVerfG NJW 1994, 36 = BVerfGE 89,
214 ff (Bürgschaftsbeschluß).
Zum Sachverhalt:
Mit formularmäßiger Erklärung vom 6.12.1991 übernahm die damals 44 Jahre alte Bekl. die selbstschuldnerische Bürgschaft bis zum Betrag von 1 Mio. DM für alle Verbindlichkeiten ihres Ehemanns aus der Geschäftsverbindung mit der klagenden Sparkasse. Diese hatte dem Hauptschuldner im April/Mai 1991 ein Tilgungsdarlehen in Höhe von 650 000 DM sowie einen Kredit in laufender Rechnung über 250 000 DM gewährt. Als Sicherheit waren ihr eine Grundschuld im Nennbetrag von 1 Mio. DM auf dem Hausgrundstück des Kreditnehmers bestellt sowie vier Fahrzeuge im Wert von zusammen ca. 250 000 DM übereignet worden. Am 6.12.1991 wurde der Kontokorrentkredit über 250 000 DM durch einen neuen Vertrag in Höhe von 400 000 DM ersetzt. Außerdem gewährte die Kl. dem Hauptschuldner ein weiteres Tilgungsdarlehen von 350 000 DM. Am 28.4.1993 wurde der Kontokorrentkredit auf 1 250 000 DM erhöht. Die Bekl. verfügte bei Erteilung der Bürgschaft über kein eigenes Einkommen oder Vermögen. Wie die Kl. jedoch wußte, war die Mutter der Bekl. Eigentümerin eines Hausgrundstücks in Pforzheim. Im Jahre 1993 übertrug die Mutter der Bekl. im Wege vorweggenommener Erbfolge zwei aus diesem Grundstück gebildete Eigentumswohnungen je zur Hälfte an ihre beiden Töchter. Die eine Wohnung wurde veräußert, woraus der Bekl. ein Erlös von 168 000 DM zufloß. Davon hat sie 150 000 DM auf das Kontokorrentkonto des Ehemanns bei der Kl. überwiesen. Die andere Wohnung ist mit einem lebenslänglichen dinglichen Wohnrecht zugunsten der Mutter belastet. Im November 1994 kündigte die Kl. die Geschäftsverbindung zum Hauptschuldner. Sie hat die Bekl. aus der Bürgschaft in Höhe von 1 Mio. DM in Anspruch genommen. Das LG hat der Klage in vollem Umfang, das BerGer. in Höhe von 850 000 DM stattgegeben. Die Revision der Bekl. führte zur Klageabweisung.
Aus den Gründen:
II. Bereits aus dem unstreitigen Vorbringen der
Parteien folgt, daß der Bürgschaftsvertrag wegen Verstoßes
gegen die guten Sitten gem. § 138 1 BGB nichtig ist.
1. Die Bekl. hat eine Bürgschaftsverpflichtung
übernommen, deren Umfang bei Vertragsschluß in krassem Mißverhältnis
zu ihrer voraussichtlichen finanziellen Leistungsfähigkeit stand.
Die Parteien konnten nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen,
die wirtschaftliche Situation der damals einkommens- und vermögenslosen
Bekl. werde sich bei Eintritt des Bürgschaftsfalls nachhaltig verbessert
haben. Die Aussicht, einmal Erbin nach ihrer Mutter zu werden, richtete
sich auf ein ungewisses zukünftiges Ereignis, das bei Erteilung der
Bürgschaft keine Rechtsposition, sondern lediglich eine tatsächliche
Hoffnung begründete, deren Erfüllung zeitlich nicht bestimmbar
war. Zwar ist das Bestreben des Kreditgebers, auf eventuelles zukünftiges
Vermögen des Bürgen zugreifen zu können, im Ansatz rechtlich
nicht zu beanstanden (BGHZ 132, 328 [333] = NJW 1996, 2088 = LM H. 9/1996
§ 765 BGB Nr. 108). Jedoch kann er den dem Hauptschuldner emotional
eng verbundenen Bürgen, der ansonsten wirtschaftlich nicht leistungsfähig
ist, selbst bei Wirksamkeit des Vertrags grundsätzlich erst nach Eintritt
des Erbfalls in Anspruch nehmen (BGHZ 134, 325 [331 f.] = NJW 1997, 1003
= LM H. 5/1997 § 765 BGB Nr. 114). Für die Beurteilung, ob und
in welchem Maße der Bürge durch die von ihm übernommene
Verpflichtung finanziell überfordert wird - also die Grundvoraussetzung
dafür, daß der Vertrag nach § 138 I BGB zu beanstanden
oder die Leistungspflicht des Bürgen gem. § 242 BGB einzuschränken
ist -, hat somit der Vermögenserwerb durch eine spätere Erbschaft
zunächst außer Betracht zu bleiben (vgl. BGHZ 134,325 [3321
= NJW 1997, 1003 = LM H. 5/1997 § 765 BGB Nr. 114).
2. Die Entscheidungsfreiheit der Bekl. ist nicht
in rechtlich anstößiger Weise beeinträchtigt worden. Die
insoweit von der Revision erhobenen Rügen greifen nicht durch (§
565 a S. 1 ZPO). Indessen kann nach der Rechtsprechung des Senats der Bürgschaftsvertrag,
den der Kreditgeber mit dem Ehegatten des Hauptschuldners geschlossen hat,
im Einzelfall auch ohne solche Einwirkungen auf die freie Willensbestimmung
des Bürgen wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nichtig sein.
Sind die finanziellen Mittel des Bürgen, bezogen auf die Höhe
der gesamten Hauptschuld, praktisch bedeutungslos und ist unter keinem
Gesichtspunkt ein rechtlich vertretbares Interesse des Kreditgebers an
einer Verpflichtung in dem vereinbarten Umfang erkennbar, so ist regelmäßig
davon auszugehen, daß der Bürge sich auf eine solche Verpflichtung
nur aufgrund emotionaler Bindung an den Hauptschuldner infolge mangelnder
Geschäftsgewandtheit und Rechtskundigkeit eingelassen und die Bank
dies in verwerflicher Weise ausgenutzt hat (Senat, BGHZ 136, 347 NJW 1997,
3372 = LM H. 5/1998 § 765 BGB Nr. 120 = WM 1997, 2117/2118] ). Einem
solchen wirtschaftlich sinnlosen Geschäft, das nicht maßgeblich
von unabhängigen, eigenverantwortlichen Erwägungen des Bürgen
gesteuert wird, die ihre Ursache außerhalb der persönlichen
Beziehung zum Hauptschuldner haben, versagt die Rechtsordnung durch §
138 I BGB jegliche Wirkung (vgl. BGHZ 125, 206 [211, 216 f.] = NJW 1994,
1278 = LM H. 9/1994 § 765 BGB Nr. 91; BGHZ 132, 328 [330 f.] = NJW
1996, 2088 = LM H. 9/1996 § 765 BGB Nr. 108; Senat, BGHZ 136, 347
= NJW 1997, 3372 = LM H. 5/1998 § 765 BGB Nr. 120 = WM 1997, 2117
[2118]).
3. In Anwendung dieser Grundsätze hat der
Senat im Urteil vom 18.9.1997 (BGHZ 136, 347 = NJW 1997, 3372 = LM H. 5/1998
§ 765 BGB Nr. 120 = WM 1997, 2117 [2118]) - das nach Erlaß der
hier angefochtenen Entscheidung ergangen ist - einen Bürgschaftsvertrag
als nichtig angesehen, durch den eine in krassem Mißverhältnis
zur Leistungsfähigkeit des bürgenden Ehegatten stehende Verpflichtung
begründet wurde, die sich weder im Hinblick auf den Schutz des Gläubigers
vor Vermögensverlagerung vom Hauptschuldner auf den Bürgen noch
aus sonstigen berechtigten Interessen des Kreditgebers rechtfertigen ließ.
Der nunmehr zur Entscheidung stehende Fall entspricht dem Sachverhalt,
der jenem Urteil zugrunde lag, in allen wesentlichen Punkten.
a) Die Bekl. besaß weder Einkünfte
noch Vermögen, mit denen sie die übernommene Verpflichtung bei
Insolvenz des Hauptschuldners bis zum Betrag von 1 Mio. DM voraussichtlich
würde decken können.
b) Trotz eines Nominalbetrags der Bürgschaftsverpflichtung,
welcher jedes vernünftige Maß übersteigt, kann eine krasse
Überforderung des Bürgen zu verneinen sein, sobald dieser infolge
der übrigen dem Gläubiger gewährten Sicherheiten davor geschützt
ist, daß er bei Fälligkeit der Hauptforderung in einem Maße
in Anspruch genommen wird, das außer Verhältnis seiner wirtschaftlichen
Leistungsfähigkeit steht. Das Risiko der Bekl. war jedoch nicht in
solcher Weise begrenzt. In Zusammenhang mit der Erteilung er Bürgschaft
sowie schon vorher hat die Kl. dem Hauptschuldner Kredite in Höhe
von insgesamt 1,4 Mio. DM gewährt. Als Sicherheiten hatte sie eine
erstrangige Grundschuld auf dem Hausgrundstück des Hauptschuldners
im Nennwert von 1 Mio. DM erhalten; außerdem waren ihr vier Fahrzeuge
im Gesamtwert von ca. 250 000 DM übereignet worden. Die Kl. hat jedoch
in Nr. 3 der Bürgschaftsurkunde eventuelle Rechte des Bürgen
aus der Aufgabe dieser Sicherheiten sowie der Art und dem Zeitpunkt ihrer
Verwertung (vgl. § 776 BGB) ausgeschlossen. Nach dem Inhalt der vereinbarten
Regelung stand es der Kl. auch frei, dem Hauptschuldner weitere Darlehen
zu gewähren und die von ihm erhaltenen Sicherheiten zur Deckung der
daraus entstehenden Forderungen zu verwenden. Schließlich wurde die
Haftung der Bekl. auf alle schon bestehenden und in der Zukunft noch erwachsenden
Forderungen der Kl. aus der Geschäftsverbindung zum Hauptschuldner
erstreckt. Es kann dahingestellt bleiben, inwieweit diese Klauseln mit
den Bestimmungen des AGB-Gesetzes zu vereinbaren sind. Für die im
Rahmen des § 138 I BGB gebotene Gesamtbetrachtung ist nur von Belang,
daß nach dem Vertragsinhalt eine dem Schutzbedürfnis der Bürgin
Rechnung tragende Einschränkung ihres Haftungsrisikos nicht vorgesehen
war (vgl. dazu ausf. Senat, BGHZ 136, 347 = NJW 1997, 3372 = LM H. 5/1998
§ 765 BGB Nr. 120 = WM 1997,2 117 [2118 ff.]). Dementsprechend hat
die Kl. die Bekl. in Höhe des vereinbarten Höchstbetrags klageweise
in Anspruch genommen.
c) Nach der gegenwärtigen Rechtsprechung
des Senats ist das Begehren des Kreditgebers, den Lebenspartner in einem
seine finanziellen Verhältnisse übersteigenden Maße in
die Haftung einzubeziehen, in der Regel vertretbar, wenn der Gläubiger
sich dadurch wirksam vor Vermögensverlagerung vom Hauptschuldner auf
den Partner schützen kann (BGHZ 128, 230 [234] = NJW 1995, 592 = LM
H. 6/1995 § 765 BGB Nr. 98; BGHZ 134, 325 [327 ff.] = NJW 1997, 1003
= LM H. 5/1997 § 765 BGB Nr. 114). Hier durfte die Kl. jedoch auch
unter diesem Gesichtspunkt keine Bürgschaft in Höhe von 1 Mio.
DM verlangen. Die Kl. hatte anderweitige Sicherheiten in Höhe von
1,25 Mio. DM erhalten. Nach dem nicht bestrittenen Vorbringen der Bekl.
waren diese Sicherheiten im genannten Umfang tatsächlich werthaltig.
Die Kl. hat nicht behauptet, schon bei Erteilung der Bürgschaft sei
eine zusätzliche Kreditgewährung über den damals festgelegten
Betrag von insgesamt 1,4 Mio. DM hinaus - wie sie später im April
1993 durch Erhöhung des Kontokorrentkredits von 400 000 DM auf 1,25
Mio. DM erfolgte - in Erwägung gezogen und eine solche Absicht auch
der Bürgin mitgeteilt worden. Vielmehr hat die Bekl. unwidersprochen
vorgetragen, die Kl. habe die Bürgschaft damals nur deshalb gefordert,
weil der Hauptschuldner das laufende Konto, auf dem zunächst ein Kredit
Von 250 000 DM gewährt worden war, überzogen hatte und eine Erhöhung
auf 400 000 DM erfolgen sollte. Im Zeitpunkt des Vertragsschlusses hatte
die Kl. daher lediglich in Höhe des Restrisikos von etwa 150 000 DM
berechtigte Gründe, sich durch die Haftung der Bekl. auch vor Vermögensverlagerung
zu schützen. Der vertraglich vereinbarte Umfang der Bürgschaft
steht zu diesem Interesse ersichtlich nicht in einer vernünftigen
Relation.
d) Gleichwohl könnte der Bürgschaftsvertrag
wirksam sein, wenn die Parteien bei Übernahme der Haftung davon ausgehen
durften, die Bekl. werde ihre Mutter beerben und dann möglicherweise
in der Lage sein, eine Forderung in dem hier geltend gemachten Umfang zu
tilgen. In einem solchen Falle würde der rechtliche gebotene Schutz
des Bürgen schon dadurch bewirkt, daß seine Verpflichtung erst
mit Eintritt des Erbfalls bzw. dem Erhalt der Zuwendung im Wege vorweggenommener
Erbfolge fällig würde (vgl. BGHZ 134, 325 [331 f.] =NJW 1997,1003
= LM H. 5/1997 § 765 BGB Nr. 114). Die Kl. durfte jedoch von Anfang
an nicht damit rechnen, daß der Bekl. auch nur entfernt Vermögen
im Umfang ihrer Verpflichtung zuwachsen werde.
aa) Die Mutter der Bekl. hat ihr Grundvermögen
im Jahre 1993 auf die Bekl. und der Schwester übertragen; es bestand
aus zwei Eigentumswohnungen. Unstreitig wurde eine Wohnung veräußert;
auf den hälftigen Miteigentumsanteil der Bekl. entfielen als Erlös
168 000 DM. Die Bekl. hat vorgetragen, sie habe mit der Zahlung von 150
000 DM an die Kl. fast die Hälfte des ihr zugeflossenen Vermögens
zur Schuldentilgung eingesetzt. Sie geht folglich davon aus, daß
die zweite Wohnung, an der der Mutter ein dinglich gesichertes Wohnrecht
zusteht, der veräußerten Wohnung wertmäßig etwa gleichzusetzen
ist. Das Vermögen, das die Bekl. im Wege vorweggenommener Erbfolge
erhalten hat, hatte somit im Zeitpunkt der Übertragung ungefähr
einen Wert von 336 000 DM, machte also nur rd. ein Drittel der vereinbarten
Haftungssumme aus. Zwar ist die Schätzung von Grundvermögen mit
Unsicherheitsfaktoren belastet. Bei Vertragsschluß durfte auch eine
den Erfahrungswerten der Vergangenheit entsprechende Wertsteigerung bis
zum Erbfall erwartet werden. Gleichwohl war ohne weiteres abzusehen, daß
eine dem vereinbarten Höchstbetrag entsprechende Schuld nicht einmal
annähernd mit dem Erlös aus der Veräußerung der hälftigen
Miteigentumsanteile an den in Rede stehenden Wohnungen getilgt werden konnte.
bb) Die Kl. hat allerdings behauptet, der Hauptschuldner
habe ihr vor Vertragsschluß erklärt, die Bekl. sei das einzige
Kind ihrer Mutter und könne folglich damit rechnen, Alleinerbin zu
werden. Auf diese Aussage durfte sich die Kl. nicht verlassen; denn die
Bekl. hat für diese Erklärung nicht einzustehen. Es entspricht
banküblicher Gepflogenheit, die Werthaltigkeit einer Sicherung zu
überprüfen. Hat die Bank von entsprechenden Nachforschungen abgesehen,
insbesondere den Bürgen nicht zu dessen finanzieller Leistungsfähigkeit
befragt, muß sie sich die objektiven Tatsachen als bekannt entgegenhalten
lassen, weil ihre unzureichenden Kenntnisse allein auf der Verletzung eigener
Obliegenheiten beruhen (BGHZ 125, 209 [212 f.] = NJW 1994, 1278 LM H. 9/1994
765 BGB Nr. 91; BGH, NJW 1994, 1341 [1343] = LM H. 9/1994 § 765 BGB
Nr. 90 = WM 1994,680 [683]; NJW 1997, 52 [54] = LM H. 2/1997 § 765
BGB Nr. 110 = WM 1996,2194 [2196] ). Die Kl. hat sich nicht bei der Bekl.
selbst nach den Erbaussichten erkundigt. Der Hauptschuldner, der im Auftrag
des Gläubigers Verhandlungen mit dem Bürgen führt, ist grundsätzlich
nicht Vertrauensperson des Kreditgebers, sondern Dritter i. S. des §
123 II BGB (Senat, NJW-RR 1992, 1005 = LM H. 10/1992 § 123 BGB Nr.
75 = ZIP 1992, 755 [756] ). Verhandelt der Hauptschuldner mit dem Gläubiger,
gilt nichts anderes im Verhältnis zum Bürgen, weil der Hauptschuldner
eigene, von denen des Bürgen unabhängige Interessen verfolgt.
Das trifft regelmäßig auch dann zu, wenn Hauptschuldner und
Bürge durch Ehe oder aus sonstigen vergleichbaren Gründen einander
emotional eng verbunden sind. Grundsätzlich muß sich eine Partei
das eigenmächtige Verhalten eines andern im Rahmen der Anbahnung des
Vertragsschlusses nicht zurechnen lassen, wenn sie ihn nicht zum Verhandlungsführer
bestellt oder als Verhandlungsgehilfen hinzugezogen hat (vgl. BGH, NJW
1996, 1051 = LM H. 4/1996 § 123 BGB Nr. 78). Die Kl. hat nicht behauptet,
die Bekl. habe ihren Ehemann beauftragt, in entsprechender Weise für
sie tätig zu werden.
e) Nach dem Parteivorbringen in den Tatsacheninstanzen
bestehen keine Anhaltspunkte dafür, daß die Bekl. die Bürgschaft
aus anderen als den in solchen Fällen üblichen Motiven erteilt
hat. Ihre Entschließung war also wesentlich von persönlicher
Verbundenheit mit dem Haupt-schuldner sowie von der Hoffnung geprägt,
auf diese Weise den Erhalt des Betriebs zu sichern, der die Grundlage für
die gemeinsame Lebensgestaltung der Bekl. mit dem Hauptschuldner bildete.
Darüber hinausgehende eigenverantwortliche Erwägungen oder selbständige
unternehmerische Absichten waren bei dieser Entscheidung nicht im Spiel.
Daher ist es gerechtfertigt, den Vertrag als wirtschaftlich sinnlos, seinem
Inhalt nach nur aufgrund einer ausgeprägten Vertragsunterlegenheit
der Bekl. zustandegekommen und deshalb sittenwidrig anzusehen (vgl. BVerfGE
89, 214 [232 ff.] = NJW 1994, 36; Senat, BGHZ 136, 347 = NJW 1997, 3372
= LM H. 5/1998 § 765 BGB Nr. 120 = WM 1997, 2117 [2119]).
4. Da weitere Tatsachenfeststellungen nicht erforderlich
sind, hat der Senat in der Sache selbst zu entscheiden (§ 565 III
Nr. 1 ZPO) und die Klage, unter Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen,
abzuweisen. Darüber hinaus ist auf folgendes hinzuweisen: Die Rechtsprechung
des Senats, wonach Bürgschaftsverträge mit wirtschaftlich nicht
leistungsfähigen Ehegatten oder Lehenspartnern nicht gegen die guten
Sitten verstoßen, sofern der Gläubiger ein berechtigtes Interesse
hat, sich vor Vermögensverlagerungen zu schützen oder auf Vermögen
zuzugreifen, das dem Bürgen voraussichtlich aufgrund einer näher
bestimmten Erbschaft zuwachsen wird (BGHZ 128,230 [233 ff.] = NJW 1995,592
= LM H. 6/1995 § 765 BGB Nr. 98; BGHZ 132,328 [330 ff.] = NJW 1996,
2088 = LM H. 9/1996 § 765 BGB Nr. 108; BGHZ 134, 325 [327 ff. =NJW
1997, 1003 = LM H. 5/1997 § 765 BGB Nr. 114; BGH, NJW 1997, 1005 =
LM H. 5/1997 § 765 BGB Nr.113 = WM 1997,465 [466 f.]; BGHZ 136,347
NJW 1997, 3372 = LM H. 5/1998 § 765 BGB Nr. 120 = WM 1997, 2117 [2119]),
hat sich im Anschluß an die Entscheidung des BVerfG vom 19.10.1993
(BVerfGE 89, 214 = NJW 1994, 36) entwickelt. Dabei wurden erst im Laufe
der Zeit die Gesichtspunkte herausgearbeitet, die für die Beurteilung
von Bürgschaften naher Angehöriger nach § 138 BGB maßgebend
sind. Der Senat hat dabei berücksichtigt, daß die von ihm zu
beurteilenden Bürgschaftsverträge zu einer Zeit geschlossen wurden,
in der rechtlich noch unsicher war, unter welchen Voraussetzungen Bürgschaften
naher Angehöriger gegen die guten Sitten verstoßen. Er hat im
Rahmen von Billigkeitserwägungen unter Anwendung von Grundsätzen
der ergänzenden Vertragsauslegung und des Maßstabs von Treu
und Glauben Bürgschaften wirtschaftlich nicht leistungsfähiger
Angehöriger in Fällen, in denen keine sonstigen erschwerenden
Umstände hinzutraten, von der Nichtigkeitsfolge des §138 BGB
ausgenommen, soweit aus den genannten Gründen dem Kreditgeber ein
berechtigtes Interesse an der Einbeziehung des nahen Angehörigen in
die Haftung nicht abgesprochen werden konnte; denn wegen der damals unsicheren
Rechtslage war es für die Kreditgeber unklar inwieweit sie die Wahrung
jenes Interesses über die bloße Hereinnahme der Bürgschaft
hinaus durch geeignete vertragliche Regelungen absichern mußten.
Diese Rechtsunsicherheit ist durch die inzwischen ergangenen Entscheidungen
des BGH beseitigt worden. Sie haben klargestellt, daß Bürgschaften
von Personen, die dem Kreditgeber emotional nahestehen, grundsätzlich
sittenwidrig sind, wenn sie wegen deren krasser finanzieller Überforderung
als reines Sicherungsmittel für den Kreditgeber keinen wirtschaftlichen
Wert besitzen. Soll eine solche Verpflichtung jedoch dazu dienen, zukünftige
Vermögensverlagerungen oder bestimmte Arten eines sonstigen späteren
Vermögenserwerbs, insbesondere Erbschaften des Bürgen, zu erfassen,
so mag dieser beschränkte Haftungszweck vertraglich geregelt werden
(vgl. BGHZ 134,42 [49] = NJW 1997, 257 = LM H. 2/1997 § 5 AGBG Nr.
25). Bürgschaftsverträge, die zukünftig entsprechende inhaltliche
Einschränkungen nicht enthalten, werden nicht mehr allein unter dem
Gesichtspunkt des Schutzes vor Vermögensverlagerung oder des Zugriffs
auf zukünftiges Vermögen des Bürgen als wirksam angesehen
werden können. Diese neuen Grundsätze wird der Senat auf Bürgschaftsverträge
anwenden, die ab dem 1.1.1999 geschlossen werden.