Abgrenzung näherer/entfernterer
Mangelfolgeschäden im Werkvertragsrecht; Beweislastumkehr bei Verletzung
der Befundsicherung
BGH, Urteil v. 02.07.1996 - X ZR 64/94 (Köln)
Fundstellen:
BGHZ 133, 155
NJW 1996, 2924
LM H. 11/1996 § 633 BGB Nr. 94
WM 1996, 1695
ZIP 1996, 1553
Vgl. auch BGHZ 115, 32
sowie BGH NJW 1993, 923 (924)
Zur Neuregelung vgl. die Anmerkung zu
BGH NJW 2002, 816.
Zur Lösung ähnlicher Fallkonstellationen nach der Schuldrechtsreform s.
Fall 14 zur Vorlesung "Schuldrechtsreform
nach Anspruchsgrundlagen"
Amtl. Leitsatz:
1. Hat ein EDV-Anbieter es übernommen,
auf einer EDV-Anlage ein Programm zu implementieren, das eine Sicherungsroutine
enthält, ist es Teil seiner Leistungspflicht, die Übertragung
der Sicherungsroutine zu überprüfen.
2. Der EDV-Anbieter muß von den technisch
möglichen und wirtschaftlich zumutbaren Kontrollen diejenige vornehmen,
die ein Fachmann auf dem Gebiet des Implementierens von Programmen auf
einer EDV-Anlage angewendet hätte, um aufgrund der Überprüfung
annehmen zu können, daß das der Datensicherung dienende Programm
übertragen und die Sicherungsroutine auf der EDV-Anlage lauffähig
ist.
3. Wird diese Überprüfung unterlassen,
kehrt sich bei Streit darüber, ob ein Datenverlust seine Ursache in
fehlerhafter Implementierung der Sicherungsroutine oder einem anderen Ereignis
hat, die Beweislast zum Nachteil des EDV-Anbieters um.
Zum Sachverhalt:
Die Kl. betreibt ein Optikfachgeschäft für
Brillen und Brillenfassungen. Eine Schwesterfirma in der Rechtsform einer
GmbH (künftig: GmbH) betreibt die Anfertigung und den Handel mit Kontaktlinsen.
Der Geschäftsführer der GmbH ist der persönlich haftende
Gesellschafter der Kl. Die Kl. wünschte, ihre EDV-Anlage durch eine
neue zu ersetzen. Die GmbH schloß mit der Bekl. einen Vertrag über
die Lieferung einer EDV-Anlage mit Bandsicherung (Streamer) und Programm.
Zugleich vereinbarten die Vertragsparteien, daß die Bekl. das bisher
von der Kl. verwendete "Optikprogramm" nebst Daten auf die neue Anlage
übertragen werde. Das von der Bekl. neu zu liefernde Kontaktlinsenprogramm
sollte auf der alten Anlage der Kl. zur Verwendung durch die GmbH implementiert
werden. Nach Lieferung der neuen Anlage implementierte eine Mitarbeiterin
der Bekl. das Optikprogramm, das eine Sicherungsroutine umfaßte,
auf der neuen Anlage und das Kontaktlinsenprogramm auf der alten Anlage.
Nachdem die Kl. ca. ein Jahr mit dem Optikprogramm gearbeitet hatte, stürzte
die Festplatte am 11. 4. 1991 unter Datenverlust ab. Der Versuch, die Daten
von den für die Datensicherung eingesetzten Streamer-Bändern
zu rekonstruieren, schlug fehl, weil auf den Bändern keine Daten gespeichert
waren. Die Kl., die behauptet, ihr seien die ihren Geschäftsbereich
betreffenden vertraglichen Ansprüche gegenüber der Bekl. abgetreten,
wirft der Bekl. vor, die eingesetzte Mitarbeiterin habe es unterlassen,
die Funktion der neu installierten Anlage einschließlich der Programme
und der Funktionsfähigkeit der Datensicherung zu überprüfen.
Ihr persönlich haftender Gesellschafter habe die Mitarbeiterin sogar
darauf hingewiesen, daß der von ihr gestartete Datensicherungslauf
auf dem neuen Gerät offenbar nur noch eine Sache von Sekunden sei.
Obwohl die Mitarbeiterin aus dieser Äußerung habe erkennen müssen,
daß mit der Datensicherung etwas nicht in Ordnung sei, habe sie lediglich
geantwortet, das sei eben der Vorteil der neuen Anlage.
LG und BerGer. (Entscheidung u.a. abgedruckt in
NJW-RR 1994, 1262) haben die Schadensersatzklage der Kl. abgewiesen. Die
zulässige Revision der Kl. führte zur Aufhebung des angefochtenen
Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das BerGer.
Aus den Gründen:
1. Das BerGer. bewertet die von der Bekl. übernommene
Verpflichtung, das sogenannte Optikprogramm nebst Daten auf die neue EDV-Anlage
zu übertragen, als werkvertragliche Pflicht. Die Revision greift diese
Wertung nicht an; sie ist aus rechtlichen Gründen auch nicht zu beanstanden.
2. Mit ihrer Behauptung, schon aus einer Äußerung
ihres persönlich haftenden Gesellschafters habe die Bekl. erkennen
müssen, daß mit der Datensicherung etwas nicht in Ordnung sei,
hat die Kl. geltend gemacht, daß die Implementierung der für
die Datensicherung mittels Streamer und Bänder verantwortlichen Programmteile
(Sicherungsroutine) nicht ordnungsgemäß ausgeführt worden
sei. Das BerGer. hat hierzu keine tatrichterlichen Feststellungen getroffen,
vielmehr unterstellt, daß die versprochene Werkleistung mangelhaft
war. Bei diesem der revisionsrechtlichen Beurteilung zugrundezulegenden
Sachverhalt ist die Abweisung der Schadensersatzklage nicht frei von Rechtsfehlern.
3. Das BerGer. verneint unter Hinweis auf frühere
eigene Rechtsprechung (OLG Köln, VersR 1992, 66; vgl. auch OLG Hamm,VersR
1993, 363 m. Anm. Jaeger) einen Schadensersatzanspruch der Kl., weil Arbeiten
von Angestellten während der ohnehin bezahlten Arbeitszeit beim Vergleich
der durch das haftungsbegründende Ereignis eingetretenen Vermögenslage
mit derjenigen, die sich ohne dieses Ereignis ergeben hätte, kein
ersatzfähiger Aufwand seien; denn es sei nicht dargelegt, daß
die Angestellten Überstunden gemacht hätten, daß zusätzliche
Arbeitskräfte eingestellt worden seien oder daß die Kl. mit
Hilfe der Arbeitskraft ihrer Angestellten während der Arbeitszeit
anderweitigen Gewinn hätte machen können. Dies wird von der Revision
zu Recht gerügt.
Wie § 249 S. 2 BGB für Fälle der
Verletzung einer Person oder der Beschädigung einer Sache zeigt, regelt
das Gesetz, daß der Geschädigte, gleichgültig, ob er den
Schaden selbst behoben hat oder ihn durch Dritte hat beheben lassen, den
zur Herstellung erforderlichen Geldbetrag verlangen kann (vgl. BGH, NJW
1992, 1618 = LM H. 1/1993 § 249 (Fa) BGB Nr. 21). Die erforderlichen
Aufwendungen können danach als Herstellungskosten sogar dann zu ersetzen
sein, wenn der Geschädigte die Sache überhaupt nicht instand
setzen läßt (BGH, NJW 1989, 3009 = LM § 249 (Gb) BGB Nr.
27; BGHZ 81, 385 (391) = NJW 1982, 98 = LM § 249 (Fa) BGB Nr. 16 m.w.Nachw.).
Auch erkennt die Rechtsprechung des BGH eine Regel, daß kein Ersatz
für Zeitaufwand im eigenen Unternehmen verlangt werden könne,
nur an, sofern die Zeit zur Schadensermittlung und zur außergerichtlichen
Abwicklung des Schadensersatzanspruchs angefallen ist und der im Einzelfall
erforderliche Zeitaufwand nicht die von einem privaten Geschädigten
typischerweise zu erbringende Mühewaltung überschreitet (vgl.
BGHZ 76, 216 (218) = NJW 1980, 1518 = LM § 249 (A) BGB Nr. 52; BGHZ
75, 230 (232) = NJW 1980, 119 = LM § 249 (Gb) BGB Nr. 20 jew. m.w.Nachw.).
Um einen derartigen Aufwand geht es hier jedoch nicht. Denn die Maßnahmen
einschließlich der zur Feststellung der gelöschten Daten durchgeführten
Inventur dienten dazu, eine Störung im geldwerten Vermögen der
Kl. zu beheben, weil die bisher vorhandenen Daten fehlten. Damit war ein
bestimmter Teil des Vermögens der Kl. betroffen und Gegenstand des
Prozesses ist das auf einen konkreten Vermögensgegenstand bezogene
Reparationsinteresse der Kl.
Als Richtschnur des Schadensersatzes stellt hierfür
das Gesetz § 249 S. 2 BGB zur Verfügung (vgl. BGHZ 76, 216 (221)
= NJW 1980, 1518 = LM § 249 (A) BGB Nr. 52 für einen Fall einer
Sachgesamtheit), der gerade auf eine Restitution in Eigenregie des Geschädigten
abstellt (BGHZ 115, 365 = NJW 1992, 302 (303) = LM H. 3/1992 § 249
(Fa) BGB Nr. 19). Ebensowenig wie dies bedeutet, daß dem Geschädigten
eine unangemessene Veranlassung von Kosten erlaubt wäre (BGHZ 115,
365 = NJW 1992, 302 = LM H. 3/1992 § 249 (Fa) BGB Nr. 19), kann deshalb
angenommen werden, dem Geschädigten sei zuzumuten, besondere Anstrengungen
zur Schadensbehebung, die er durch den Einsatz seiner oder der Arbeitskraft
seiner Mitarbeiter unternommen hat, dem Schädiger zugute kommen zu
lassen (vgl. BGH, NJW 1992, 1618 (1619) = LM H. 1/1993 § 249 (Fa)
BGB Nr. 21). Es ist vielmehr der zur Wiederherstellung erforderliche Geldbetrag
zu erstatten, der unbeschadet der auf die individuellen Möglichkeiten
und Belange des Geschädigten Rücksicht nehmenden subjektbezogenen
Schadensbetrachtung nach objektiven Kriterien, d.h. losgelöst
von den für die Schadensbeseitigung tatsächlich aufgewendeten
Beträgen, zu bestimmen ist (vgl. BGH, NJW 1989, 3009 = LM § 249
(Gb) BGB Nr. 27). Rentabilitätsüberlegungen, wie sie das BerGer.
hilfsweise im Hinblick darauf angestellt hat, daß die Angestellten
der Kl. ohne das schädigende Ereignis andere, dem Wert ihres Lohnes
entsprechende Leistungen erbracht haben könnten, haben hierbei keine
Berechtigung.
4. An der Auffassung des BerGer., ein Schaden
sei nicht hinreichend dargetan, rügt die Revision weiter zu Recht,
daß das BerGer. § 287 BerGercht angewendet bzw. die Tragweite
dieser Bestimmung verkannt hat. § 287 ZPO gilt nach seinem eindeutigen
Wortlaut in Schadensersatzprozessen jeder Art, also auch dann, wenn wegen
einer Vertragsverletzung der Umfang des hierdurch entstandenen Schadens
zu ermitteln ist. Dem Geschädigten erleichtert § 287 ZPO dabei
nicht nur die Beweisführung, sondern auch die Darlegung (Senat, NJW
1994, 663 (664) = LM H. 4/1994 § 287 ZPO Nr. 109). Eine Schätzung
nach § 287 ZPO darf mithin nur abgelehnt werden, wenn deren Ergebnis
mangels greifbarer Anhaltspunkte völlig in der Luft hängen würde
(Senat,NJW 1994, 663 = LM H. 4/1994 § 287 ZPO Nr. 109). Solange greifbare
Anhaltspunkte für die Darstellung eines Kl. vorhanden sind, darf eine
Schadensersatzklage nicht wegen eines lückenhaften Vortrages abgewiesen
werden (vgl. BGH, NJW 1992, 2694 (2695) = LM H. 1/1993 § 675 BGB Nr.
182).
Solche Anhaltspunkte können hier nicht verneint
werden. Sie ergeben sich bereits aus dem mit der Klageschrift in Ergänzung
des Klagevorbringens von der Kl. vorgelegten Privatgutachten. Dieses befaßt
sich zunächst mit den zur Wiederherstellung der nicht gesicherten
Daten erforderlichen Arbeitsschritten. Sodann schätzt es die Anzahl
der verlorengegangenen Daten auf eine bestimmte Zahl ebenso wie die erforderliche
Bearbeitungszeit je Vorgang und vervielfacht diese mit zuvor aus den im
Betrieb der Kl. tatsächlich gezahlten und auf einen Stundensatz umgerechneten
Löhnen. Entsprechend verfährt das Gutachten mit dem geltend gemachten
Aufwand für Inventurkosten und Refraktionen; der Verdienstausfall
wegen unterbliebenen Mailings ist anhand einer mittleren Erfolgsquote,
des Nettoumsatzes und des sich an der Umsatz-/Kostensituation eines bestimmten
Vorjahres orientierenden Gewinns ermittelt.
Das Gutachten offenbart auf diese Weise eine Vielzahl
von Einzelheiten, die bei Ausnutzung des dem Tatrichter durch § 287
ZPO eingeräumten Ermessens Feststellungen erlauben, ob von einer überwiegenden
Wahrscheinlichkeit (vgl. BGHZ 126, 217 = NJW 1994, 3295 (3297) = LM H.
12/1994 § 675 BGB Nr. 205) der von der Kl. aufgestellten Behauptungen
auszugehen ist. Dabei mag auch als Anhaltspunkt dienen, daß selbst
die Bekl. in der vorprozessualen Korrespondenz den Annahmen des Privatgutachters
keinesfalls schlechthin entgegengetreten ist, sondern sich in der Lage
gesehen hat, sich mit ihnen auseinanderzusetzen, und dabei nur Einzelheiten
angezweifelt hat. Die vom Privatgutachter aufgezeigten Anhaltspunkte mögen
im einzelnen nicht bedenkenfrei sein; nach den zuvor gemachten Ausführungen
des Senats gilt dies vor allem, soweit nicht der übliche Lohn in Ansatz
gebracht, sondern der individuelle Aufwand der Kl. geschätzt worden
ist. Diesen Bedenken hätte aber durch einen richterlichen Hinweis
Rechnung getragen werden können und müssen (vgl. Senat, NJW 1994,
663 (665) = LM H. 4/1994 § 287 ZPO Nr. 109), in welcher Weise eine
Substantiierung der klägerischen Ausführungen für notwendig
gehalten werde.
5. Das BerGer. hat die Bekl. für berechtigt
angesehen, die Leistung von Schadensersatz zu verweigern. Die von der Kl.
geltend gemachte Forderung sei gem. § 638 I BGB verjährt, weil
sie auf den Ersatz eines engen Mangelfolgeschadens gerichtet sei. Auch
die hiergegen gerichtete Rüge der Kl. greift durch. Der Datenverlust,
dessentwegen die Kl. Schadensersatz begehrt, bedeutet für die Kl.
einen normalen oder weiteren Mangelfolgeschaden, für den Ersatz nach
den allgemeinen Regeln des Instituts der positiven Vertragsverletzung verlangt
werden kann, was die Anwendung der allgemeinen Verjährungsfrist einschließt
(§ 195 BGB), die im vorliegenden Fall bei Klageerhebung noch nicht
abgelaufen war.
Die Frage, nach welchen Regeln durch eine mangelhafte
Werkleistung verursachte Schäden zu ersetzen sind, ist in Grenzfällen
vor allem nach dem lokalen Zusammenhang zwischen Werk und Schaden zu entscheiden.
Es ist festzustellen, wo sich der Schaden verwirklicht hat, ob am Werk
selbst oder an anderen Rechtsgütern. Grundsätzlich kann nur der
Schaden, der dem hergestellten Werk unmittelbar anhaftet, einen Schadensersatzanspruch
gem. § 635 BGB auslösen. Sogenannte Mangelfolgeschäden,
die erst durch Hinzutreten eines weiteren Ereignisses und an weiteren Rechtsgütern
realisiert werden, sind dagegen grundsätzlich nach den allgemeinen
Regeln der positiven Vertragsverletzung zu behandeln. Die Verjährung
bestimmt sich allerdings ausnahmsweise auch dann nach § 638 BGB, wenn
es nach dem auf eine angemessene Risikoverteilung zielenden Gesetzeszweck
erforderlich scheint. Diese Erforderlichkeit kann nur gegeben sein, wenn
ein enger - wiederum vor allem lokaler - Zusammenhang zwischen Werkmangel
und Folgeschaden besteht, so daß der durch den Werkmangel bedingte
Schaden regelmäßig nicht erst nach langer Zeit in Erscheinung
tritt, und wenn zudem eine Interessenabwägung ergibt, daß der
Unternehmer billigerweise nicht damit rechnen muß, noch lange Zeit
nach Ablauf der kurzen Verjährungsfrist in Anspruch genommen
zu werden (vgl. ausf. Senat, NJW 1993, 923 (924)
= LM H. 5/1993 § 635 BGB Nr. 99 m.w.Nachw.; auch BGHZ 115, 32 (34ff.)
= NJW 1991, 2418 = LM § 635 BGB Nr. 97 m.w.Nachw.). Einen nach §
638 BGB in kurzer Frist verjährenden sogenannten nahen Folgeschaden
hat die Rechtsprechung in Anwendung dieser Grundsätze vor allem bei
Planungs- und Prüfungsfehlern angenommen, wenn sich die Planung oder
Prüfung bestimmungsgemäß in einem bestimmten weiteren Werk
verkörpern sollte und die Mängel der Planung oder Prüfung
in diesem weiteren Werk in Erscheinung traten (vgl.BGHZ 37, 341 = NJW 1962,
1764 = LM § 638 BGB Nr. 4; BGHZ 48, 257 = NJW 1967, 2259 = LM §
638 BGB Nr. 9; BGHZ 58, 85 = NJW 1972, 625 = LM § 635 BGB Nr. 27;
BGHZ72, 257 = NJW 1979, 214).
Mit solchen Fällen ist der vorliegende Fall
jedoch nicht vergleichbar. Die Übertragung des Optikprogramms einschließlich
seiner Sicherungsroutine und der Daten fand ihre Verkörperung in dem
Vorhandensein aller Programmteile und Daten auf der Festplatte der neuen
EDV-Anlage und sollte sie gerade dort finden, damit die Kl. mit dieser
Anlage wie bisher mit ihrer alten EDV-Anlage weiterarbeiten könne.
Der geltend gemachte Schaden ist auch nicht bei der Implementierung der
Sicherungsroutine eingetreten. Die Kl. begehrt nämlich nicht Ersatz
dafür, daß Daten nicht auch auf Sicherungsbändern verfügbar
abgelegt wurden; sie will Schadensersatz wegen des Verlustes des Datenbestandes
selbst, der als solcher ein selbständiges vermögenswertes Gut
darstellt, wie daran deutlich wird, daß er für sich von der
Kl. gegen Entgelt veräußert werden könnte. Zur Verwirklichung
des Schadens am Datenbestand selbst bedurfte es aber erst des Absturzes
der Festplatte und auch zuvor weiterer Schritte, nämlich der Weiterarbeit
der Kl. mit der neuen EDV-Anlage und des Unterbleibens einer Sicherung
des Datenbestandes, die erfahrungsgemäß auch in anderer Weise,
etwa mit Befehlen wie "back up" oder "copy", als mittels oder programmeigenen
Sicherungsroutine hätte erfolgen können. Anders als in dem im
Urteil des Senats vom 13. 5. 1986 (BGHZ 98, 45 = NJW 1986, 2307 = LM §
638 BGB Nr. 59) behandelten Fall, der durch eine eindeutige Zuordnung eines
mangelhaften Ölwechsels zu einem ganz bestimmten Motor gekennzeichnet
war, mußte sich deshalb die mangelnde Implementierung seitens der
Bekl. auch nicht fast zwangsläufig und in kurzer Zeit in einem
Schaden am Datenbestand der Kl. auswirken.
Wie der vorliegende Fall zeigt, war überdies
nicht gewährleistet, daß der mit den Rechenabläufen in
Computer und Programm in aller Regel nicht näher vertraute Anwender
das Versagen einzelner Funktionen innerhalb der kurzen Verjährungsfrist
des § 638 BGB feststellt. Es bestand vielmehr die Gefahr, daß
dies erst nach langer Zeit geschah, dann nämlich, wenn ein als Notfall
zu qualifizierendes Ereignis hinzutrat. Bei der gebotenen wertenden Betrachtungsweise
kann der hier geltend gemachte Schaden demnach auch nicht als so nahe eingeordnet
werden, daß seine Erstattbarkeit durch § 638 BGB begrenzt sein
müßte. Der vorliegende Fall ist vielmehr vergleichbar dem Fall
einer mangelhaften Einbruchssicherung, in dem der Senat den durch späteren
Einbruchdiebstahl entstandenen Schaden ebenfalls als einen der regelmäßigen,
langen Verjährung unterliegenden entfernteren Schaden beurteilt hat
(BGHZ 115, 32 = NJW 1991, 2418 = § 635 BGB Nr. 97). Vergleichbar sind
auch die Fälle, in denen fehlerhafte Gutachten erteilt oder fehlerhafte
Schätzungen vorgenommen werden. In Fällen fehlerhafter
Gutachten und Schätzungen (BGHZ 87, 239 = NJW 1983, 2078 = LM §
635 BGB Nr. 72; BGHZ 67, 1 = NJW 1976, 1502 = LM § 638 BGB Nr. 30)
hat es der BGH aber grundsätzlich abgelehnt, den erforderlichen engen
Zusammenhang anzunehmen, selbst wenn die gutachterliche Stellungnahme dazu
dienen sollte, einen durch unrichtige Wertschätzung bedingten späteren
Vermögensschaden zu vermeiden. Demgemäß kann auch hier
für die im übrigen ohne nähere Begründung vorgenommene
Einordnung durch das BerGer. kein durchschlagendes Argument sein, daß
die nach dem Vortrag der Kl. mangelhaft implementierte Sicherungsroutine
natürlich den Zweck hatte, einen Datenverlust zu vermeiden.
6. Da besondere Gründe, weswegen die Bekl.
eine fehlerhafte Implementierung der Sicherungsroutine nicht zu vertreten
haben könnte, nicht ersichtlich sind, kann nach allem das Urteil des
BerGer. nicht bestehenbleiben; es ist aufzuheben und die Sache ist zur
erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision,
an das BerGer. zurückzuverweisen, damit die bestrittene Behauptung
einer seit Implementierung fehlerhaften Sicherungsroutine aufgeklärt
werden kann.
a) Sollte das BerGer. dabei zu dem Ergebnis gelangen,
daß sich eine fehlerhafte Übertragung der Sicherungsroutine
durch die Bekl. nicht feststellen lasse, wird das BerGer. außerdem
der - wie die Revision wiederum zu Recht rügt - bisher übergangenen
Behauptung der Kl. nachzugehen haben, ihr persönlich haftender Gesellschafter
habe die Mitarbeiterin sogar darauf hingewiesen, daß der von ihr
gestartete Datensicherungslauf auf dem neuen Gerät offenbar nur noch
eine Sache von Sekunden sei. Da unter Beweisantritt behauptet ist, daß
diese Mitteilung einen Hinweis bot, nach den bisherigen Implementierungsarbeiten
funktioniere die Datensicherungsroutine des Optikprogramms nicht mehr,
war nämlich für die Bekl. als Fachunternehmen hinreichender Anlaß
gegeben, an der Funktionsfähigkeit der Datensicherungsroutine zu zweifeln
und deshalb zu überprüfen, ob als Folge ihrer Arbeiten die Möglichkeit
der Datensicherung mittels Streamer und Bänder dem EDV-System tatsächlich
eigen sei. Die gebotene Überprüfung hätte die Mangelhaftigkeit
der Übertragung der für die Datensicherung vorgesehenen Programmteile
des Optikprogramms offenbart. Die Bekl. hätte sogleich die Ursache
ermitteln und durch nunmehr ordnungsgemäße Wiederholung der
Implementierung der Datensicherungsroutine den Mangel des geschuldeten
Werks vermeiden können.
b) Die Meinung des BerGer., die Bekl. sei nicht
verpflichtet gewesen, sämtliche Funktionen des Optikprogramms auf
der neuen Anlage zu überprüfen, hält den Angriffen der Revision,
was die hier allein interessierende Übertragung der zur Datensicherung
dienenden Programmteile anbelangt, noch aus einem anderen Grund nicht stand.
Datensicherung ist eine allgemein bekannte Selbstverständlichkeit
(vgl. OLG Karlsruhe, CR 1996, 348f.). Angesichts der mannigfachen Gefahren
eines Datenverlustes und der daraus regelmäßig folgenden schweren
wirtschaftlichen Schäden für den EDV-Anwender gilt sie als unverzichtbar
(vgl. Becker, NJW-CoR 1992, 17). Aus diesem Grund werden zumindest bei
gewerblicher Nutzung einer EDV-Anlage - wie auch hier - zur Datensicherung
besondere Sicherungsroutinen vorgesehen, die hinreichende Gewähr dafür
bieten, daß in regelmäßigem Zeitabstand der Datenbestand
des Anwenders auf einem besonderen Datenträger abgespeichert wird.
Die Bedeutung, welche die für die Datensicherung vorgesehenen Programmteile
mithin haben, führt dazu, daß der Unternehmer, der ein Programm
mit Sicherungsroutine bei einer EDV-Anlage zu implementieren hat, sich
nicht mit der bloßen Übertragung des Programms bzw. seiner Teile
begnügen darf. Selbst wenn er bei den insoweit notwendigen Arbeiten
allen Sorgfaltsanforderungen genügt, ist nämlich nicht auszuschließen,
daß es dennoch zu Fehlern kommt, die den Erhalt des Datenbestandes
gefährden, den die zu übertragende Sicherungsroutine bezweckt.
Den als Folge seiner Übertragungsarbeit möglichen Datenverlust,
der für den Besteller einen besonders einschneidenden Nachteil darstellt,
kann jedoch gerade der Unternehmer verhindern, indem er seine zur Übertragung
der Sicherungsroutine ergriffenen Maßnahmen einer Nachkontrolle unterzieht.
Denn vom Unternehmer kann erwartet werden, daß er die dazu nötige
Sachkunde besitzt, die ihn, sollte sich eine ungenügende Übertragung
ergeben, dann auch befähigt, den aufgedeckten Fehler zu beseitigen.
Die sich aus einer Implementierungszusage ergebende Verpflichtung, eine
programmseits funktionsfähige EDV-Anlage sicherzustellen, beinhaltet
deshalb für den Unternehmer auch ohne einen besonderen Hinweis, daß
die Übertragung der Sicherungsroutine mißlungen sein könnte,
die Pflicht, in geeigneter Weise zu überprüfen, ob dem Anwender
mittels der Sicherungsroutine die vorgesehene Datensicherung wirklich möglich
ist. Angesichts der Selbstverständlichkeit der Datensicherung ist
auch diese Überprüfung selbstverständlicher Teil der versprochenen
Leistung. Geschuldet ist ein Mindestmaß an Prüfung, ob aus fachlicher
Sicht ernsthafte Zweifel nicht mehr bestehen können, daß die
für die Datensicherung vorgesehenen Programmteile übertragen
sind und die Sicherungsroutine bei entsprechendem Aufruf bestimmungsgemäß
Daten dem vorgesehenen Datenträger übermittelt. Was hierzu nötig
ist, bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere
der Art der Sicherungsroutine und der EDV-Anlage, und bedarf im Streitfall
der tatrichterlichen Klärung. Als Maßstab kann dabei gelten,
welche von den technisch möglichen und wirtschaftlich zumutbaren Kontrollen
ein Fachmann auf dem Gebiet der Implementierung von Programmen auf einer
EDV-Anlage vorgenommen hätte, um aufgrund der Überprüfung
annehmen zu können, daß das für die Datensicherung vorgesehene
Programm übertragen und die Sicherungsroutine auf der EDV-Anlage lauffähig
ist.
Die Pflicht, die Funktionsfähigkeit der Sicherungsroutine
auf der neuen EDV-Anlage zu überprüfen, traf auch die Bekl. Der
Umstand, daß mit der Sicherungsroutine auf der bisherigen EDV-Anlage
der Kl. jahrelang beanstandungsfrei gearbeitet worden war, bot nämlich
keine Gewähr, daß dies auch nach der Übertragung so sein
würde. Es waren neue Verhältnisse gegeben, die fehlerbehaftet
sein konnten und deshalb eine Überprüfung notwendig machten.
c) Sollte das BerGer. nach erneuter mündlicher
Verhandlung und Ausschöpfung der zulässigen Beweismittel zu der
Feststellung gelangen, daß weder eine mangelhafte Übertragung
des Optikprogramms feststellbar noch das von der Kl. behauptete, auf einen
Fehler der Übertragung hindeutende Gespräch, andererseits aber
auch nicht eine fehlerfreie Implementierung des Datensicherungsprogramms
bewiesen sei, wird das BerGer. in Anbetracht der Ausführungen zu b
die Schadensersatzklage nicht wegen Beweisfälligkeit der Kl. abweisen
können. Es wird vielmehr zu prüfen haben, ob die Bekl. die nach
den Umständen des zu beurteilenden Falls gebotene Überprüfung
der Übertragung der Sicherungsroutine vorgenommen hat. Ein Unterlassen
der gebotenen Überprüfung der Implementierung einer Sicherungsroutine
hätte nämlich eine Beweislastumkehr zu Lasten der Bekl. zur Folge.
Das Werkvertragsrecht verlangt von dem Unternehmer
nur bis zur Abnahme des Werks die Darlegung und gegebenenfalls den Beweis,
daß sein Werk nicht mit Fehlern i.S. des § 633 I BGB behaftet
ist. Hat der Besteller durch Abnahme des Werks dasselbe als im wesentlichen
vertragsgemäß anerkannt, gereicht es dagegen wegen dieser Anerkennung
dem Besteller zum Nachteil, wenn nicht (mehr) geklärt werden kann,
ob das Werk mangelhaft oder mangelfrei hergestellt worden ist. Da diese
Beweislastverteilung vom Gesetz vorgegeben ist, kommt eine Ausnahme nur
unter besonderen Umständen in Betracht. Das Vorhandensein solcher
Umstände ist jedoch regelmäßig anzunehmen, wenn Gegenstand
des entgeltlichen Vertrages die Implementierung eines Programms zur Datensicherung
auf eine EDV-Anlage ist und der Unternehmer die gebotene Überprüfung
der Übertragung der Sicherungsroutine unterläßt.
Eine Überprüfung daraufhin, ob die Übertragung
eines für die Datensicherung vorgesehenen Programms erfolgreich war,
liegt im Interesse beider Vertragsparteien. Weil sie zuverlässige
Erkenntnis über die Mangelfreiheit des geschuldeten Werks erlaubt,
bietet sie für den Besteller hinreichende Gewähr, seine Daten
sichern zu können; den Unternehmer setzt sie in die Lage, die Abnahmefähigkeit
seines Werks darzutun. Die Überprüfung ist zugleich aber auch
das Mittel, um zu verhindern, daß die Fehlerfreiheit bzw. Fehlerhaftigkeit
der vom Unternehmer geschuldeten Leistung überhaupt unaufklärbar
ist bzw. wird. Sie beseitigt die gerade bei Computerprogrammen gegebene
Gefahr, daß nach Beginn der Arbeit mit ihnen nicht mehr feststellbar
ist, ob ein Fehler, der sich sodann zeigt, aus dem Bereich des Unternehmers
stammt, oder ob er eine andere Ursache hat, die der Unternehmer nicht zu
verantworten hat. Damit ist eine Interessenlage gegeben, die es sachgerecht
sein läßt, ausnahmsweise auch nach der Abnahme den Unternehmer
mit den Nachteilen der Nichtaufklärbarkeit der genauen Fehlerursache
und des Zeitpunkts ihres Entstehens zu belasten. Wie ausgeführt dient
nämlich die Pflicht zur Überprüfung der Übertragung
einer Sicherungsroutine dazu, ein besonderes Risiko nach Möglichkeit
auszuschließen, das bei Implementierung eines für die Datensicherung
vorgesehenen Programms der Werkleistung des Unternehmers eigen ist und
den Besteller der Gefahr schwerer Schadensfolgen aussetzt. Auch wird die
Pflichtenstellung nicht wesentlich zu Lasten des Unternehmers verändert,
wenn er - sozusagen in Fortführung seiner Pflicht zu der von ihm versäumten
Überprüfung - nachweisen muß, daß der die Datensicherheit
betreffende Mangel erst nach der Erbringung der eigenen Leistung
entstanden ist. Der Unternehmer würde sich vielmehr treuwidrig verhalten,
wenn er sich im Prozeß zu seiner Entlastung auf das Fehlen von Erkenntnissen
berufen würde, um die sich zu sorgen ihm zum Schutz der Daten des
Bestellers gerade aufgegeben war.
Mit der Eröffnung einer solchen Möglichkeit
der Beweislastumkehr im Bereich der Haftung für Fehler bei der Implementierung
einer Sicherungsroutine auf einer EDV-Anlage knüpft der Senatnicht
nur an die zum Ausgleich eines ähnlichen Interessenkonflikts in ständiger
Rechtsprechung angewendete Regel an, wonach dem Arzt zum Schutz seines
Patienten aufgegeben ist, Befunde zu sichern, um sich rechtzeitig Klarheit
über einen Krankheitszustand zu verschaffen, die zur Vermeidung gefährlicher
Entwicklungen erforderlich und nachträglich nicht mehr zu erlangen
sind (vgl. BGHZ 99, 391 = NJW 1987, 1482 = LM § 282 ZPO (Beweislast)
Nr. 52 m.w.Nachw.; BGH, NJW 1987, 2293 = LM § 823 (C) BGB Nr. 59 =
VersR 1987, 1092). Der hier zu beurteilende, durch den Datenverlust der
Kl. gekennzeichnete Sachverhalt ist vielmehr vor allem vergleichbar dem
Fall, in dem der Hersteller eines Produkts aufgrund der im Interesse des
Verbrauchers auferlegten Verkehrssicherungspflicht gehalten war, das Produkt
auf seine einwandfreie Beschaffenheit zu überprüfen und den Befund
zu sichern, er dieser Verpflichtung aber nicht nachgekommen ist. In dem
sogenannten Mehrweg-Mineralwasser-Fall, dem ein derartiger Sachverhalt
zugrunde lag, hat der BGH ebenfalls eine Beweislastumkehr für sachgerecht
erachtet, weil die Überprüfung dem Hersteller gerade deshalb
aufgegeben war, um durch eine Ermittlung und Sicherung des Status sich
rechtzeitig über das Freisein von Produktgefahren zu vergewissern,
die typischerweise das Produkt belasten können und die nach
Inverkehrgabe des Produkts nicht mehr aufzudecken sind (BGHZ 104, 323 (333ff.)
= NJW 1988, 2611 = LM § 823 (E) BGB Nr. 16).
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