Erklärt ein Verbraucher den Schuldbeitritt zu künftig abzuschließenden Kreditverträgen, so ist für den Beginn der Widerrufsfrist der Zeitpunkt seiner Beitrittserklärung maßgebend.
Fundstellen:
BGHZ 133, 220
NJW 1996, 2865
BB 1996, 2006
DB 1996, 2071
JABl 1997, 179
LM § 1 VerbrKrG Nr. 6 Ungeheuer
NJ 1997, 139
WM 1996, 1781
ZIP 1996, 1657
Zentrale Probleme:
s. Anm. zu BGH NJW 2000, 3496 sowie zu BGH v. 8.11.2005 - XI ZR 34/05
Zum Sachverhalt:
Die Parteien streiten um rückständige Kaufpreisraten und Umsatzsteuer für insgesamt zwölf Sattelauflieger, die die Kl. an die Spedition M-GmbH (künftig: Spedition M) geliefert hat und für deren Bezahlung sie den Bekl. aufgrund eines Schuldbeitritts in Anspruch nimmt. Am 25. 1. 1993 schlossen die Kl. und die Spedition M eine mit "Finanzierungskaufvertrag - Rahmenvertrag -" überschriebene Vereinbarung, derzufolge die Kl. der Spedition M gemäß gesondert abzuschließenden Einzelverträgen in mehreren Teillieferungen insgesamt 106 gebrauchte Sattelauflieger verkaufen sollte. Der Kaufpreis sollte von der Kl. finanziert und - abhängig vom Zeitwert der Fahrzeuge - von der Käuferin jeweils in 33-57 Raten beglichen werden. Die anfallende Umsatzsteuer war in voller Höhe bei Übernahme der Fahrzeuge, spätestens 14 Tage nach Anzeige der Bereitstellung fällig. Der Rahmenvertrag wurde für die Spedition M vom Bekl. als deren Mitgeschäftsführer unterzeichnet. Unter der Unterschriftszeile befindet sich folgende weitere, auf den 13. 1. 1993 datierte Erklärung: "Dem Finanzierungskaufvertrag trete ich als Mitschuldner bei und erkenne die vorstehenden Bedingungen auch für mich als verbindlich an." Diesen Zusatz unterschrieb der Bekl. unter Beifügung seines Geburtsdatums und seiner Privatanschrift. In drei Einzelverträgen vom 31. 1. 1993, 28. 5. 1993 und 30. 7. 1993 verkaufte die Kl. der Spedition M insgesamt zwölf Sattelauflieger. Die monatlichen Raten beliefen sich für die erste Lieferung auf 17792,50 DM ab 1. 4. 1993 und für die zweite Lieferung auf 2541,50 DM ab 1. 6. 1993. Nach dem Einzelvertrag 03 waren monatliche Raten von 5730,24 DM ab 1. 10. 1993 zu bezahlen. Die bei Übergabe der Fahrzeuge aus der dritten Teillieferung fällige Mehrwertsteuer betrug 28364,69 DM. Ab Dezember 1993 zahlte die Spedition M die monatlichen Raten nicht mehr. Die Umsatzsteuer aus den Einzelverträgen 02 und 03 hat sie ebenfalls nicht beglichen. Mit ihrer Klage verlangt die Kl. vom Bekl. aufgrund seines Schuldbeitritts die Bezahlung der bis einschließlich April 1994 aufgelaufenen Rückstände in Höhe von insgesamt 175841,09 DM. Das LG hat der Klage im wesentlichen stattgegeben. Das OLG hat die Berufung des Bekl. - von einer geringfügigen Herabsetzung der Verzugszinsen abgesehen - zurückgewiesen. Mit seiner Revision hat der Bekl. die vorinstanzlichen Entscheidungen insoweit angegriffen, als er auch zur Zahlung der Rückstände aus dem Einzelvertrag 03 verurteilt worden ist, so daß seine Verurteilung hinsichtlich der Forderungen aus den Verträgen 01 und 02 in Höhe von insgesamt 118825,20 DM Bestand hat. Die Revision hatte keinen Erfolg.
Aus den Gründen:
I. Das BerGer. hat ausgeführt: Der Bekl. habe
für die Kaufpreisschuld der Spedition M einzustehen. Die Auslegung
der von ihm unterzeichneten Erklärung unter dem Rahmenvertrag vom
25. 1. 1993 ergebe, daß es sich hierbei nicht um eine Bürgschaftsübernahme,
sondern um einen Schuldbeitritt handele; dieser beziehe sich auf die sich
aus den Einzelverträgen ergebende Verpflichtung zur Begleichung der
Kaufpreisschuld. Daß diese Verbindlichkeit im Zeitpunkt des Schuldbeitritts
noch nicht entstanden gewesen sei, schade nicht. Jedenfalls seien die künftigen
Verbindlichkeiten hinreichend bestimmbar gewesen; dies genüge. Die
Bestimmungen des Verbraucherkreditgesetzes seien entgegen der Auffassung
des Bekl., der sich hinsichtlich des Einzelvertrags 03 auf ein Rücktrittsrecht
berufe, nicht anwendbar. Der von der Kl. gewährte Ratenkredit sei
nämlich seinem Zweck entsprechend für eine bereits ausgeübte
gewerbliche Tätigkeit der "Urschuldnerin" bestimmt gewesen. Die Voraussetzungen
des § 1 VerbrKrG seien deshalb nicht erfüllt. Anhaltspunkte für
eine Nichtigkeit des Rahmenvertrags oder des Schuldbeitritts wegen Sittenwidrigkeit
(§ 138 BGB) seien nicht ersichtlich.
II. Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen
Überprüfung im Ergebnis stand.
1. Zutreffend - und von der Revision nicht angegriffen
- ist das BerGer. davon ausgegangen, daß die dem Rahmenvertrag angefügte
Erklärung des Bekl. vom 13. 1. 1993 einen Schuldbeitritt darstellt.
Auch die Auslegung des BerGer., dieser Schuldbeitritt beziehe sich auf
die sich aus den noch abzuschließenden Einzelverträgen ergebende
Verpflichtung zur Begleichung der Kaufpreisschuld, ist aus Rechtsgründen
nicht zu beanstanden, vielmehr naheliegend. Auch hiergegen wendet sich
die Revision nicht.
2. Nur mit Einschränkungen kann dem BerGer.
jedoch insoweit gefolgt werden, als es die Anwendung des Verbraucherkreditgesetzes
verneint.
a) Entgegen der Auffassung des BerGer. fällt
der Schuldbeitritt des Bekl. in den persönlichen Geltungsbereich des
Gesetzes (§ 1 I VerbrKrG).
aa) Die Frage, ob es für die (entsprechende)
Anwendung des Verbraucherkreditgesetzes auf den Schuldbeitritt zu einem
Kreditvertrag allein darauf ankommt, ob der Beitretende Verbraucher ist
oder ob zusätzlich erforderlich ist, daß dies auch für
den Kreditnehmer zutrifft, ist im Schrifttum umstritten und war bislang
höchstrichterlich nicht geklärt. In seiner nach dem Erlaß
des Berufungsurteils ergangenen Entscheidung vom 5. 6. 1996 (NJW 1996,
2156 = LM H. 10/1996 § 1 VerbrKrG Nr. 5, z.Veröff. in BGHZ bestimmt)
hat der erkennende Senat sie in Übereinstimmung mit der h.M. in der
Literatur dahin beantwortet, daß maßgebend allein die Verbrauchereigenschaft
des Beitretenden ist. Der Senat hat dabei vor allem auf den Schutzzweck
des Gesetzes abgestellt und dargelegt, daß durchgreifende rechtliche
Bedenken gegen die Heranziehung des Verbraucherkreditgesetzes für
den Beitretenden nicht bestehen (vgl. insgesamt die Ausführungen unter
II 1caa der Gründe). Danach steht im vorliegenden Fall der Umstand,
daß der von der Kl. gewährte Ratenkredit für eine bereits
ausgeübte gewerbliche Tätigkeit der Hauptschuldnerin bestimmt
war und daß es sich bei dieser nicht um eine natürliche Person
handelte, der Anwendung des Verbraucherkreditgesetzes nicht entgegen.
bb) Der Bekl., auf den es mithin allein ankommt,
ist Verbraucher i.S. des § 1 I VerbrKrG. Insoweit ist es ohne Bedeutung,
daß er im Zeitpunkt seines Schuldbeitritts Mitgeschäftsführer
und Hauptgesellschafter der Spedition M war; nach dem Inhalt des Rahmenvertrags
und der künftigen Einzelverträge war der Ratenkredit nicht für
eine von ihm bereits ausgeübte gewerbliche oder selbständige
berufliche Tätigkeit bestimmt. Insbesondere sind das Halten eines
GmbH-Geschäftsanteils keine gewerbliche Tätigkeit, sondern Vermögensverwaltung,
und die Geschäftsführung einer GmbH keine selbständige,
sondern eine angestellte berufliche Tätigkeit (Senat, NJW 1996, 2156
= LM H. 10/1996 § 1 VerbrKrG Nr. 5 unter II 1cbb der Gründe m.w.Nachw.).
b) Daß die Kl., die die Kaufpreisfinanzierung
im Rahmen ihrer gewerblichen Tätigkeit (Anhänger-Handel und -Leasing)
vorgenommen hat, als Kreditgeber i.S. des § 1 I VerbrKrG anzusehen
ist, steht außer Frage.
c) Auch in sachlicher Hinsicht ist der Geltungsbereich
des Gesetzes eröffnet.
aa) Der Einzelvertrag vom 30. 7. 1993, um dessen
unmittelbare Rechtsfolgen es hier geht, stellt einen Kreditvertrag i.S.
des § 1 II VerbrKrG dar: Sowohl in den Nrn. 2 und 3 des zugrundeliegenden
Rahmenvertrags als auch in Nr. 2 des Einzelvertrags 03 und der dazu ergangenen
Rechnung vom 30. 7. 1993 sind die Raten nach ihrer Berechnungsgrundlage
bzw. nach Zahl und Höhe wiedergegeben. Entgeltlichkeit der Finanzierung
ergibt sich schon aus den Gesamtumständen, darüber hinaus aber
auch aus Nr. 2.7 des Rahmenvertrags vom 25. 1. 1993. Dort wird als Basis
der maßgeblichen "Faktoren für Kaufpreis und Barwert" die "derzeitige
Kapitalmarktsituation" genannt; zugleich wird eine Anpassung dieser Faktoren
und eine entsprechende Änderung der Kaufpreisraten für den Fall
einer Änderung der Refinanzierungsbedingungen vereinbart.
bb) Allerdings ist der Schuldbeitritt selbst kein
Kreditvertrag i.S. des § 1 II VerbrKrG; denn der Beitretende erlangt
selbst keinen Kredit, übernimmt vielmehr lediglich die Mithaftung
für die Verpflichtung des Kreditnehmers. Jedoch ist der Schuldbeitritt
einem Kreditvertrag i.S. des § 1 II VerbrKrG gleichzustellen, wenn
es sich bei dem zugrundeliegenden Vertrag um einen Kreditvertrag in diesem
Sinne handelt. Dies rechtfertigt es, auf den Schuldbeitritt - mangels einer
ausdrücklichen gesetzlichen Regelung - das Verbraucherkreditgesetz
entsprechend anzuwenden, sofern, wie hier, dessen übrige Voraussetzungen
erfüllt sind (Senat, NJW 1996, 2156 = LM H. 10/1996 § 1 VerbrKrG
Nr. 5 unter II 1a der Gründe).
3. Als Verbraucher, der seinen Schuldbeitritt
zu einem Kreditvertrag erklärt hatte, konnte der Bekl. in entsprechender
Anwendung des § 7 II VerbrKrG seine Verpflichtungserklärung widerrufen.
Als maßgebende Frist für den Widerruf kommt hier nur die Jahresfrist
des § 7 II 3 VerbrKrG in Betracht; denn der Bekl. ist entgegen der
zwingenden Vorschrift des § 7 II 2 VerbrKrG weder im Zusammenhang
mit der Erklärung seines Schuldbeitritts noch später - etwa bei
Abschluß der Einzelverträge - von der Kl. über sein Widerrufsrecht
belehrt worden. Diese Frist hat der Bekl. jedoch nicht gewahrt.
a) Gem. § 7 II 3 VerbrKrG erlischt das Widerrufsrecht
nach beiderseits vollständiger Erbringung der Leistung, spätestens
ein Jahr nach Abgabe der auf den Abschluß des Kreditvertrages gerichteten
Willenserklärung des Verbrauchers.
aa) In seiner Klageerwiderung vom 17. 6. 1994
hat der Bekl. ausdrücklich den Widerruf "für diesen Einzelvertrag
vom 30. 7. 1993" erklärt. Daß diese Erklärung nicht unmittelbar
an die Kl. gerichtet, sondern in einem für das Gericht bestimmten
Schriftsatz enthalten war, schadet nicht (vgl. Senat, BGHZ 109, 314 (319f.)
= NJW 1990, 567 = LM § 138 (Ca) BGB Nr. 19; Palandt/Putzo, BGB, 55.
Aufl., § 2 HWiG Rdnr. 2). Der Schriftsatz ist dem Prozeßbevollmächtigten
der Kl. am 21. 6. 1994 mitgeteilt worden. Zu diesem Zeitpunkt waren die
beiderseitigen Leistungen jedenfalls deshalb noch nicht vollständig
erbracht, weil die Käuferin von den vereinbarten 33 Monatsraten lediglich
zwei Raten und die sofort fällige Umsatzsteuer überhaupt nicht
bezahlt hatte.
bb) Jedoch war seit der Abgabe der Schuldbeitrittserklärung
vom 13. 1. 1993 mehr als ein Jahr vergangen. Infolgedessen war der im Schriftsatz
vom 17. 6. 1994 erklärte Widerruf des Bekl. verspätet.
cc) Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 7
II 3 VerbrKrG kommt es für den Beginn der Frist, sofern - wie hier
- eine Widerrufsbelehrung nicht erfolgt ist, auf den Zeitpunkt der Abgabe
der auf den Abschluß des Kreditvertrages gerichteten Willenserklärung
des Verbrauchers an. Die entsprechende Anwendung der Bestimmungen des Verbraucherkreditgesetzes
auf den Schuldbeitritt bedeutet insoweit nur, daß die Beitrittserklärung
an die Stelle der auf den Abschluß des Kreditvertrags gerichteten
Willenserklärung tritt (vgl. Ulmer/Habersack, VerbrKrG, 2. Aufl.,
§ 7 Rdnr. 16). An der Maßgeblichkeit des Zeitpunkts der Erklärung
des Verbrauchers ändert sie jedoch entgegen der Auffassung der Revision
nichts. Erfolgt daher der Schuldbeitritt zu einer erst künftig entstehenden
Verbindlichkeit, an deren Begründung der Beitretende selbst nicht
mehr beteiligt ist, so ist deren Zeitpunkt für die Frage des Fristbeginns
ohne Bedeutung, weil es an einer (erneuten) Willenserklärung des Beitretenden
fehlt.
dd) Auch der Schutzzweck des Gesetzes läßt
eine andere Auslegung des § 7 II 3 VerbrKrG nicht zu. Zwar stärkt
das Gesetz die Stellung des Verbrauchers gegenüber dem Vertragspartner,
indem es seiner Entscheidungsfreiheit Vorrang vor dem Grundsatz einräumt,
daß geschlossene Verträge einzuhalten sind. Dieser Schutz ist
aus Gründen der Rechtssicherheit jedoch zeitlich begrenzt (Ulmer/Habersack,
§ 7 Rdnr. 30); insoweit unterscheidet sich das Verbraucherkreditgesetz
von dem früheren Abzahlungsgesetz, das einen unbefristeten Widerruf
zuließ und das Erlöschen des Widerrufsrechts erst für den
Zeitpunkt vorsah, zu dem der Verkäufer die Sache geliefert und der
Käufer den Kaufpreis vollständig entrichtet hatte (§ 1b
II 5 AbzG).
b) Der Senat verkennt nicht, daß der Beitretende
aufgrund des an seine Willenserklärung gebundenen Beginns der Widerrufsfrist
unter Umständen ungünstiger gestellt ist als er stünde,
wenn er seinen Schuldbeitritt erst im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang
mit dem Vertragsabschluß erklären würde. Im Einzelfall
kann dies dazu führen, daß sein Widerrufsrecht erlischt, bevor
die Schuld, der er beigetreten ist, entstanden ist. Hieraus kann zugleich
folgen, daß die Widerrufsfrist für ihn früher abläuft
als für den eigentlichen Vertragspartner, für dessen Verbindlichkeit
er haftet, soweit letzterer gleichfalls dem persönlichen Anwendungsbereich
des Verbraucherkreditgesetzes unterfällt. Dies alles ist jedoch eine
notwendige Folge des Umstands, daß die Widerrufsfrist für jeden
der Beteiligten jeweils nur an dessen Willenserklärung anknüpft
und von anderen Erklärungen zeitlich unabhängig ist. Diese Widerrufsfrist
steht indessen auch dem Beitretenden ungeschmälert zur Verfügung,
nur knüpft sie an den früheren Zeitpunkt an, zu dem er seine
Willenserklärung abgegeben hat. Zudem ist derjenige, der einer künftigen
Verbindlichkeit beitritt, in der Lage, die Risiken seiner Willenserklärung
abzuschätzen; denn die Wirksamkeit des Schuldbeitritts zu einer künftigen
Verbindlichkeit setzt voraus, daß diese genügend bestimmt bezeichnet
ist (Senat, LM KRG 2 Nr. 2 = WM 1959, 16 unter B III 4b).
c) Das Widerrufsrecht des Bekl. erlosch demnach
hinsichtlich sämtlicher von der Spedition M künftig abzuschließender
Einzelverträge ein Jahr nach Abgabe seiner Schuldbeitrittserklärung,
mithin am 13. 1. 1994. Der am 17. 6. 1994 erklärte Widerruf des Schuldbeitritts
zu dem Einzelvertrag 03 vom 30. 7. 1993 war daher verspätet und unwirksam.
Der Bekl. haftet deshalb auch für die sich aus diesem Vertrag ergebende
Kaufpreisschuld in voller Höhe.