Abgrenzung von Gefälligkeit und Vertrag, Haftung im Gefälligkeitsverhältnis
BGH, Urt. v. 22.6.1956, I ZR 198/54
Fundstelle:

BGHZ 21, 102
NJW 1956, 1313
S. auch
BGH v. 4.8.2010 - XII ZR 118/08 sowie BGH v. 10.7.2015 - V ZR 206/14


Amtl. Leitsätze:

1.) Ob eine Gefälligkeitshandlung (hier: Gestellung eines Kraftwagenführers) rechtsgeschäftlicher Natur ist, richtet sich ebenso wie der Grad des Verschuldens, für den gehaftet wird, nach den Umständen des Einzelfalles.
2.) Ist die Gefälligkeitshandlung von einem Angestellten im Einverständnis des Geschäftsinhabers vorgenommen worden, so können hieraus rechtsgeschäftliche Verpflichtungen des Geschäftsinhabers auch dann entstehen, wenn der Angestellte zum Abschluß von Verträgen nicht bevollmächtigt war.


Sachverhalt:

Die K. Speditionsgesellschaft m. b. H. (KSG), eine Schwesterfirma der Beklagten, hat als Spediteur unter Vermittlung der Arbeitsgemeinschaft für das Straßenverkehrsgewerbe (Laderaumverteilungsstelle) die Klägerin, die ein Fuhrunternehmen betreibt, als Frachtführer mit der Versendung bestimmter Güter nach H. beauftragt. Als der Lastzug der Klägerin bereits beladen war, verunglückte der Ehemann der Klägerin, der den Lastzug führte, beim Zusammenkuppeln von Motorwagen und Anhänger tödlich. In Vertretung der Klägerin wandte sich der Leiter der genannten Arbeitsgemeinschaft, der Spediteur Q., wegen Gestellung eines Fahrers an den Angestellten F. der KSG, der sich seinerseits mit dem Angestellten S. der Beklagten in Verbindung setzte. Der bei der Beklagten angestellte Kraftfahrer H. wurde hierauf der Klägerin zur Verfügung gestellt und führte mit dem Lastzug der Klägerin den Transport aus. Auf der Rückfahrt blieb der Lastzug infolge Motorschadens liegen und mußte abgeschleppt werden.
Die Klägerin fordert von der Beklagten Ersatz der Reparaturkosten und eines Verdienstausfalls. Sie ist der Ansicht, die Beklagte hafte für H. als ihren Erfüllungsgehilfen, zum mindesten aber dafür, daß sie pflichtwidrig einen unzuverlässigen Fahrer gestellt habe.
Die Beklagte hat vorgetragen: Sie habe die Güterbeförderung nicht übernommen, H. sei daher nicht ihr Erfüllungsgehilfe. Sie habe aber auch nicht die Verpflichtung übernommen, einen zuverlässigen Fahrer zur Verfügung zu stellen: weder F. noch S. seien zum Abschluß eines Vertrages über die Abstellung des H. bevollmächtigt gewesen; beide hätten nur aus menschlichem Mitgefühl ohne den Willen, eine rechtliche Verpflichtung einzugehen, gehandelt. Im übrigen habe sie auch ihre etwaige Pflicht zur Stellung eines zuverlässigen Fahrers nicht schuldhaft verletzt. H. sei ferner weder zu schnell noch sonst fehlerhaft gefahren. Schließlich wendet die Beklagte Mitverschulden der Klägerin ein.

Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung eines Teilbetrags verurteilt; das Oberlandesgericht hat die Klage abgewiesen. Die Revision der Klägerin führte zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

Aus den Gründen:

I. Das Berufungsgericht ist - ungeachtet der von ihm verneinten Frage, ob F. oder S. überhaupt kraft Vollmacht die Beklagte vertraglich verpflichten konnten - der Auffassung, H. sei nicht für die Beklagte, sondern für die Klägerin gefahren, da kein auf den Selbsteintritt der Beklagten als Frachtführer gerichteter Vertrag zustande gekommen sei. Unbestritten sei, so führt das Berufungsgericht aus, der Frachtvertrag über die zu befördernden Güter zwischen der KSG als Spediteur und der Klägerin als Frachtführer abgeschlossen worden. Wenn aber die Klägerin behaupte, nach dem Tode ihres Ehemanns habe die Beklagte das Frachtgeschäft auf eigene Rechnung übernommen, so treffe dies nicht zu. Im angefochtenen Urteil wird auf die Aussage des Angestellten F. verwiesen, der bekundet hat, der Klägerin sollte der Verdienst aus dem Frachtgeschäft nicht entgehen, weshalb für sie ein Fahrer gesucht werden sollte. Auch stellt das Berufungsgericht fest, die Klägerin habe über das in Frage stehende Frachtgeschäft mit der KSG abgerechnet, ihr sei die erlöste Fracht abzüglich 10% Provision von der KSG gutgebracht worden.
Die Revision weist darauf hin, daß die Klägerin aus dem Geschäft bisher nichts erhalten habe, und rügt, das Berufungsgericht habe den Beweisantritt für die Behauptung der Klägerin übergegangen, die Beklagte habe die Frachtgebühren für sich verbucht. Hieraus ergebe sich, so meint die Revision, daß die Beklagte in den zwischen der KSG und der Klägerin bestehenden Frachtvertrag eingetreten sei. Die Rüge ist jedoch nicht begründet (wird ausgeführt).
Hat aber die Beklagte die Güterbeförderung nicht übernommen, so stand auch der Lastzug nicht zu ihrer Verfügung; sie hat ihn von der Klägerin weder gemietet noch geliehen und hatte daher hinsichtlich des Lastzuges auch keinerlei Obhutspflicht gegenüber der Klägerin. Die Beklagte haftet daher nicht gemäß § 278 BGB für ein etwaiges Verschulden des Fahrers H. bei der Pflege des Lastzuges.
II. Dagegen bestehen gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Abstellung des Fahrers H. habe keine rechtsgeschäftliche Verpflichtung der Beklagten bewirkt, durchgreifende rechtliche Bedenken.

Die Beklagte hat den bei ihr angestellten Fahrer H. der Klägerin zur Verfügung gestellt. Dies wurde, wie unstreitig ist, von ihrem Angestellten S. veranlaßt, der damals für den Einsatz der Kraftfahrzeuge und die Gestellung von Fahrern im Betrieb der Beklagten verantwortlich war. Die Beklagte hat sich stets nur dagegen gewendet, daß S. und F. bevollmächtigt gewesen seien, für sie Verträge über die Gestellung von Fahrern, also Dienstverschaffungsverträge, mit anderen Firmen abzuschließen. Im angefochtenen Urteil ist diese Frage eingehend geprüft und verneint worden, was die Revision mit verschiedenen Rügen angreift. Hierauf braucht jedoch nicht eingegangen zu werden, weil die Beklagte selbst niemals in Zweifel gezogen hat, daß S. berechtigt war, aus Gefälligkeit den Kraftfahrer H. der Klägerin zur Verfügung zu stellen, um ihr in der Zwangslage, in die sie durch den Unglücksfall gekommen war, zu helfen. Nicht die Berechtigung des S., der Klägerin durch Überlassung des Fahrers H. zu helfen, hat die Beklagte bestritten, sie hat vielmehr die Rechtsauffassung vertreten, aus dieser Gefälligkeitshandlung, die ihr Angestellter S. vorgenommen habe, hätten für sie keine Rechtspflichten entstehen können, da S. keine Vollmacht besessen habe, sie vertraglich zu verpflichten. Nun ist es sehr wohl möglich, daß ein Angestellter nicht berechtigt ist, seinen Geschäftsherrn durch Abschluß eines Dienstverschaffungsvertrages - hier Überlassung eines Fahrers - zu verpflichten, daß er aber sehr wohl berechtigt sein kann, einem anderen durch Überlassung des Fahrers Hilfe zu leisten. Das letztere ist hier der Fall. Der Sachverhalt liegt nicht etwa so, als habe die Beklagte die Hilfeleistung ihres Angestellten S. mißbilligt; sie hat nicht einmal vorgetragen, daß sie mit einer solchen Hilfeleistung nicht einverstanden gewesen sei oder daß sie dem S. hierwegen Vorhaltungen gemacht habe, so daß nicht geprüft zu werden braucht, ob derartige Vorhaltungen rechtlich unbeachtlich waren, weil eine solche Hilfeleistung im Rahmen des Aufgabenkreises des S. oder des F. lag. Da H. Angestellter der Beklagten war, über seine Arbeitskraft also nur die Beklagte, nicht aber S. für sich persönlich verfügen konnte, kann es auch nicht zweifelhaft sein, daß S. bei seiner Gefälligkeitsleistung für die Beklagte gehandelt hat. Das Berufungsgericht hätte daher untersuchen müssen, ob und welche Rechtsfolgen sich daraus ergeben, daß die Beklagte gefälligkeitshalber ihren Kraftfahrer H. der Klägerin zur Ausführung des dieser obliegenden Transportes überließ. Dabei hätte es die gesamten Umstände würdigen müssen, unter denen diese Überlassung stattfand. Die Unterlassung dieser Prüfung muß zur Aufhebung des angefochtenen Urteils führen, da aus der Abordnung des Fahrers H. für die Beklagte rechtliche Verpflichtungen entstanden sind.
Eine Gefälligkeit setzt begriffsnotwendig die Unentgeltlichkeit der Leistung voraus; aus der Unentgeltlichkeit einer Leistung allein läßt sich aber nicht auf das Fehlen ihres rechtsgeschäftlichen Charakters schließen; dies zeigt schon die Regelung von Gefälligkeitsverträgen durch das Gesetz (zB BGB §§ 516, 598, 662, 690), während andererseits die auf reiner Gefälligkeit beruhende Raterteilung oder Empfehlung keine Rechtswirkung erzeugt (§ 676 BGB). Die Uneigennützigkeit des Handelnden als solche reicht für sich allein nicht aus, um die Annahme rechtsgeschäftlicher Beziehungen, die sich etwa aus den Umständen ergeben, zu verneinen. Aus zugesagten oder erwiesenen Gefälligkeiten können, müssen aber nicht Rechtsverpflichtungen für den Leistenden entstehen.
Ist der Leistende zu der übernommenen Leistung verpflichtet (BGB § 241), so vollzieht sich die Verwirkung der Leistung ohne weiteres im rechtsgeschäftlichen Bereich (insbesondere des § 242). Jedoch schließt das Fehlen einer solchen Verpflichtung keineswegs aus, daß das Erweisen einer Gefälligkeit rechtsgeschäftlichen Charakter trägt (Enneccerus-Lehmann, Schuldrecht, § 27 Nr 6). Das verkennt die Beklagte, wenn sie ihre Haftung mit der Begründung ablehnen will, sie sei zur Gestellung des Fahrers nicht verpflichtet gewesen.
Eine erwiesene Gefälligkeit hat nur dann rechtsgeschäftlichen Charakter, wenn der Leistende den Willen hat, daß seinem Handeln rechtliche Geltung zukommen solle (Stoll, Vertrag und Unrecht, 2. Aufl § 10 II 3: Rechtsfolgewille), wenn er also eine Rechtsbindung herbeiführen will (RGZ 157, 228 [233]; Palandt BGB 15. Aufl § 662 Anm 4 a) und der Empfänger die Leistung in diesem Sinn entgegengenommen hat. Fehlt es hieran, sei es, daß nach der Art der Gefälligkeit oder den Umständen, unter denen sie erwiesen wurde, ein Bindungswille nicht angenommen werden kann, oder, daß dieser ausdrücklich oder stillschweigend ausgeschlossen wurde, so scheidet eine Würdigung unter rechtsgeschäftlichen Gesichtspunkten aus. Ob ein Rechtsbindungswille vorhanden ist, ist nicht nach dem nicht in Erscheinung getretenen inneren Willen des Leistenden zu beurteilen, sondern danach, ob der Leistungsempfänger aus dem Handeln des Leistenden unter den gegebenen Umständen nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte auf einen solchen Willen schließen mußte. Es kommt also darauf an, wie sich dem objektiven Beobachter das Handeln des Leistenden darstellt (RG JW 1915, 19).
Die Art der Gefälligkeit, ihr Grund und Zweck, ihre wirtschaftliche und rechtliche Bedeutung, insbesondere für den Empfänger, die Umstände, unter denen sie erwiesen wird, und die dabei bestehende Interessenlage der Parteien können die Gefälligkeit über den Bereich rein tatsächlicher Vorgänge hinausheben und sind daher für die Beurteilung der Frage des Bindungswillens und der Natur des etwa in Betracht kommenden Rechtsgeschäftes heranzuziehen. Gefälligkeiten des täglichen Lebens werden sich regelmäßig außerhalb des rechtsgeschäftlichen Bereiches halten. Das gleiche gilt für Gefälligkeiten, die im rein gesellschaftlichen Verkehr wurzeln (RGZ 128, 39 [42]). Der Wert einer anvertrauten Sache, die wirtschaftliche Bedeutung einer Angelegenheit, das erkennbare Interesse des Begünstigten und die nicht ihm, wohl aber dem Leistenden erkennbare Gefahr, in die er durch eine fehlerhafte Leistung geraten kann, können auf einen rechtlichen Bindungswillen schließen lassen (RG LZ 1923, 275; RGZ 151, 203 [208]; RG Recht 1923 Nr 508; Erman BGB Einleitung 11b vor § 241). Die Auskunft, die im Rahmen einer Geschäftsverbindung erteilt wird, muß daher auf rechtlich verpflichtender Gewissenhaftigkeit beruhen (RGZ 139, 103 [105]; 162, 129 [154]). Hat der Leistende selbst ein rechtliches oder wirtschaftliches Interesse an der dem Begünstigten gewährten Hilfe, so wird dies in der Regel für seinen Rechtsbindungswillen sprechen (RGZ 65, 17 [19]; Planck BGB 4. Aufl § 662 Anm 2; es kann daher fraglich sein, bedarf aber hier keiner näheren Prüfung, ob der Entscheidung des Reichsgerichts in RGZ 165, 309 [313] zugestimmt werden kann). Die Haftung gründet sich in derartigen Fällen - ähnlich wie bei Vertragsverhandlungen - regelmäßig auf die Verletzung einer durch Anknüpfung rechtsgeschäftlicher Beziehungen entstandene Sorgfaltspflicht oder eines vertragsähnlichen Vertrauensverhältnisses (RGZ 162, 129 [156]).
Wendet man diese Rechtsgrundsätze auf den zur Entscheidung stehenden Fall an, so ergibt sich folgendes: Die Beklagte war zur Gestellung eines Fahrers nicht verpflichtet, eine solche Verpflichtung bestand nicht einmal für die KSG, die der Klägerin den Beförderungsauftrag erteilt hatte. Als sie aber auf die Bitte der Klägerin oder der nach der Feststellung des Berufungsgerichts in ihrem Namen handelnden Arbeitsgemeinschaft für das Straßenverkehrsgewerbe einen Fahrer zur Verfügung stellte, hatte sie die Rechtspflicht, einen zuverlässigen Fahrer abzuordnen. Bei der von der Klägerin erbetenen Gefälligkeit handelte es sich um eine Angelegenheit, die die wirtschaftliche, geschäftliche Betätigung beider Teile betraf; das Berufungsurteil spricht selbst bei seiner Hilfserwägung von einem Vorgang im Rechtsverkehr zwischen den beteiligten Unternehmen des Straßenverkehrsgewerbes. Die Klägerin war durch den Tod ihres Mannes in eine gewisse Zwangslage geraten; falls sie keinen Fahrer fand, entging ihr nicht nur der Gewinn aus dem Frachtgeschäft, sie mußte unter Umständen sogar noch die wenn auch geringen Kosten der Umladung der Güter tragen. Daß sie dabei vernünftigerweise das Frachtgeschäft nicht unter allen Umständen, auch unter Inkaufnahme des mit der Beschäftigung eines unzuverlässigen Fahrers verbundenen Risikos, durchzuführen bereit war, lag auf der Hand und war auch S. erkennbar. Der Lastzug stellte für die Klägerin nicht nur ein ganz erhebliches Wertobjekt, sondern auch eine bedeutende Einnahmequelle dar. Die Klägerin konnte und durfte darauf vertrauen, daß ihr die Beklagte einen zuverlässigen Fahrer zuwies, und die Beklagte durfte dieses Vertrauen nicht enttäuschen. Hatte sie keinen geeigneten Fahrer zur Verfügung, so mußte sie die Bitte der Klägerin ablehnen; wollte sie das nicht, so mußte sie zum mindesten, um Rechtsfolgen zu entgehen, die Klägerin auf die Bedenken, die gegen die beabsichtigte Verwendung des Fahrers H. bestanden, hinweisen. Würden diese Umstände schon ausreichen, um einen Rechtsbindungswillen der Beklagten anzunehmen, so wird eine solche Annahme noch unterstützt durch die Tatsache, daß die KSG mit der Klägerin auf Grund des erteilten Frachtauftrages in vertraglichen Beziehungen stand. Denn wenn auch die Beklagte und die KSG verschiedene Rechtspersönlichkeiten darstellen, so erscheinen sie, wirtschaftlich gesehen, doch weitgehend als Einheit: der Inhaber der Beklagten ist zu über 90% an der KSG beteiligt und ist ihr Geschäftsführer. Diese wirtschaftliche Verflechtung erzeugt eine weitgehende Gemeinsamkeit dar Interessen beider Firmen, die bei der Beurteilung des Interesses der KSG und damit der Beklagten an der möglichst reibungslosen Durchführung des von der KSG erteilten Frachtauftrages nicht außer Betracht bleiben kann.
Die Beklagte hat daher für die Auswahl eines zuverlässigen Fahrers einzustehen.

III. Diese Erwägungen begründen nicht nur die rechtliche Bindung der Beklagten, sondern beantworten im wesentlichen auch die Frage nach dem Grad der Verschuldenshaftung. Das angefochtene Urteil ist in diesem Punkt in sich widerspruchsvoll: einerseits nimmt das Berufungsgericht die stillschweigende Abrede einer Beschränkung der Haftung auf die in eigenen Sachen angewendete Sorgfalt an, andererseits eine Einigung der Parteien dahingehend, daß die Haftbarkeit der Beklagten für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit bestehen bleiben, ihre Haftbarkeit für leichte Fahrlässigkeit aber ausgeschlossen sein sollte. Wer nur für diejenige Sorgfalt einzustehen hat, welche er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt, ist von der Haftung wegen grober Fahrlässigkeit nicht befreit (§ 277 BGB). Ob er darüber hinaus auch von leichter Fahrlässigkeit, die von dem gesetzlichen Begriff der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (§ 276 Abs 1 Satz 2 BGB) mitumfaßt wird, befreit ist, richtet sich danach, mit welcher Sorgfalt er seine eigenen Angelegenheiten betreibt; die gleiche Sorgfalt muß er auch der fremden Angelegenheit angedeihen lassen. Die Beklagte hat vorgetragen, daß sie in ihren eigenen Angelegenheiten die größte Sorgfalt, mindestens also die im Verkehr erforderliche Sorgfalt, anwendet. Ihr früherer Fahrer K. hat bekundet, er habe selbst zuerst 6 Wochen lang in der Werkstätte arbeiten müssen, bevor er auf einen Lastzug gekommen sei. Das Berufungsgericht hätte daher von seinem Standpunkt aus - Haftung der Beklagten für die in ihren eigenen Angelegenheiten angewandte Sorgfalt - bei seiner Hilfserwägung dazu kommen müssen, daß die Beklagte für leichte Fahrlässigkeit einzustehen hat oder, was das gleiche bedeutet, daß die vertraglich vereinbarte Haftung im Ergebnis der nach den gesetzlichen Vorschriften (§ 276 BGB) begründeten Haftung gleichsteht. Demgegenüber hat es das Berufungsgericht ausdrücklich dahingestellt sein lassen, ob der Beklagten nicht leichte Fahrlässigkeit zur Last fällt.
Die Hilfserwägung des Berufungsgerichts begegnet aber schon in ihrem Ausgangspunkt, die Beklagte hafte für Sorgfalt wie in eigenen Angelegenheiten, rechtlichen Bedenken. Im Schrifttum (Ennecerus-Lehmann § 27 Nr 6; Staudinger-Ostler BGB 10. Aufl Einleitung 9 von § 433) wird die Auffassung vertreten, die Gefälligkeitshaftung beschränke sich regelmäßig auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit. Ob ein solcher Grundsatz aufgestellt werden kann, mag dahingestellt bleiben. Die gesetzliche Regelung der Verschuldenshaftung bei unentgeltlichen Verträgen ist unterschiedlich gestaltet (§§ 521, 599 BGB: Haftung für grobe Fahrlässigkeit; § 690 BGB: Haftung für Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten; § 662 BGB (mit § 276 BGB), Auskunftserteilug bei bestehender Geschäftsverbindung: Haftung für leichte Fahrlässigkeit). Bei der gesetzlichen Haftung aus Gefälligkeitsfahrten hat die Rechtsprechung die Aufstellung eines solchen Grundsatzes ausdrücklich abgelehnt (RGZ 145, 390 [394]). Die Frage des Haftungsumfanges rechtserheblicher Gefälligkeitsverhältnisse muß nach den Umständen und der Gestaltung des Einzelfalles beurteilt werden. Dort, wo die Gefälligkeitshandlung einem Vertrauensverhältnis entspringt und einen Gegenstand wirtschaftlicher und geschäftlicher Bedeutung betrifft, wird, insbesondere wenn eine gewisse geschäftliche Verbundenheit der Parteien besteht, von dem Leistenden regelmäßig, entsprechend der gesetzlichen Regelung der Haftung beim Auftrag, die Wahrung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt verlangt werden müssen. Die oben angeführten einzelnen Umstände, zu denen noch hinzukommt, daß die Bitte der Klägerin von der Arbeitsgemeinschaft für das Straßenverkehrsgewerbe als der für beide Parteien fachlich zuständigen Stelle übermittelt wurde, rechtfertigen es, auf den vorliegenden Fall die für den unentgeltlichen Dienstverschaffungsvertrag geltenden Vorschriften über den Auftrag entsprechend anzuwenden.
Es besteht auch kein Anlaß, die nach den gesetzlichen Vorschriften bestehende Haftung durch Annahme einer mehr oderminder fiktiven Haftungsbeschränkungsabrede einzuschränken, da die Klägerin durch ihren sachkundigen Vertreter Q. zum Ausdruck gebracht hat, daß sie um einen zuverlässigen Fahrer bitte, und nach Sachlage damit rechnen durfte, daß die Beklagte dieser Bitte entsprochen habe. Nur wenn die Klägerin die der Beklagten bekannten Umstände, die die Zuverlässigkeit des H. in Frage stellten, gekannt und trotzdem dem H. die Führung des Lastzuges anvertraut hätte, käme ein Haftungsverzicht in Frage (vgl BGHZ 2, 159; Lind Möhr § 254 C Nr 2; Wangemann, Handeln auf eigene Gefahr, NJW 1955, 85). Auch ein Verschulden des die Belange der Klägerin wahrnehmenden Spediteurs Q, das für die Frage des Haftungsverzichts von Bedeutung sein könnte (vgl BGHZ 3, 46 [49 f]), kommt aus denselben Gründen nicht in Frage. Die Beklagte hat daher auch für leichte Fahrlässigkeit einzustehen.
IV. Hinsichtlich des Verschuldens der Beklagten hat das Berufungsgericht in der Hauptsache geprüft, ob die Beklagte bei der Einstellung des Fahrers H. in ihrem Betrieb mit der sonst von ihr geübten Sorgfalt verfahren hat. In erster Linie hätte aber geprüft werden müssen, ob die Beklagte den H. als geeignet für die verantwortliche Führung eines Fernlastzuges ansehen durfte. In diesem Rahmen ist allerdings auch die Frage von Bedeutung, ob die Beklagte bei der Einstellung des H. die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet hat und ob nicht eine Verletzung der Sorgfaltspflicht allein schon darin liegt, daß die Beklagte den H. als selbstverantwortlichen Fahrer der Klägerin zur Verfügung stellte, obwohl sie über seine frühere Tätigkeit nichts wußte und daher ihrer Beurteilung allein die Zeit seiner nur dreiwöchigen Tätigkeit in ihrem eigenen Betrieb zugrunde legen konnte.
Nicht zu billigen sind die Ausführungen im angefochtenen Urteil, die Klägerin habe in ihrer Notlage mit einem Aushilfsfahrer, der über keine große Fahrpraxis verfügte, vorlieb nehmen müssen. Die Notlage der Klägerin bestand nicht darin, daß sie unter allen Umständen den Transport selbst durchführen mußte; denn die Parteien sind sich darüber einig, daß die Güterbeförderung ohne weiteres einem anderen Frachtführer hätte übertragen werden können. Wenn die Beklagte, wie es ihre Pflicht gewesen wäre, die Klägerin von der geringen Fahrpraxis des H. und insbesondere davon unterrichtet hätte, daß dieser bisher selbstverantwortlich noch keinen Lastzug gefahren hatte, so wäre die Klägerin vor der Frage gestanden, ob sie das erhebliche und unter Umständen folgenschwere Risiko eines in der verantwortlichen Führung eines Lastzuges unerprobten Fahrers auf sich nehmen oder versuchen wollte, auf dem Weg über die Arbeitsgemeinschaft einen anderen, geeigneten Fahrer zu finden, oder ob sie, falls dies nicht möglich war, den mit der Nichtausführung des Frachtgeschäftes verbundenen Gewinnentgang und geringen Verlust in Kauf nehmen sollte. Es kann jedenfalls nicht als naheliegend bezeichnet werden, daß ein Fuhrunternehmer bei vernüftiger Erwägung ein solches Risiko auf sich genommen hätte, insbesondere nicht, wenn er, wie hier die Klägerin, von der fachlich zuständigen Stelle vertreten wurde. (Es wird ausgeführt, daß H. den an den Führer eines schweren Fernlastzuges zu stellenden Anforderungen nicht genügte.)
Hiernach ist davon auszugehen, daß die Beklagte auf Grund rechtsgeschäftlicher Verpflichtung ohne Verletzung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt den H. nur dann hätte abordnen dürfen, wenn sie die Klägerin auf die gegen seine verantwortliche Führung des Lastzugs auf einer Fernfahrt bestehenden erheblichen Bedenken hingewiesen hätte. Da die Beklagte diese Sorgfaltspflicht versäumt hat und demnach bereits eine rechtsgeschäftliche Haftung der Beklagten besteht, bedarf es keiner Stellungnahme zu der Frage, ob die Beklagte auf Grund der Vorschriften über unerlaubte Handlungen schadensersatzpflichtig wäre.
V. Das Berufungsgericht wird nunmehr - gegebenenfalls unter Zuziehung eines Sachverständigen - zu prüfen haben, ob und inwieweit ein etwaiges unsachgemäßes Verhalten des H. für den entstandenen Schaden ursächlich war.