Abgrenzung von Gefälligkeit
und Vertrag, Haftung im Gefälligkeitsverhältnis
BGH, Urt. v. 22.6.1956, I ZR 198/54
Fundstelle:
BGHZ 21, 102
NJW 1956, 1313
S. auch
BGH v.
4.8.2010 - XII ZR 118/08 sowie
BGH v. 10.7.2015 - V ZR
206/14
Amtl. Leitsätze:
1.) Ob eine Gefälligkeitshandlung (hier:
Gestellung eines Kraftwagenführers) rechtsgeschäftlicher Natur
ist, richtet sich ebenso wie der Grad des Verschuldens, für den gehaftet
wird, nach den Umständen des Einzelfalles.
2.) Ist die Gefälligkeitshandlung von
einem Angestellten im Einverständnis des Geschäftsinhabers vorgenommen
worden, so können hieraus rechtsgeschäftliche Verpflichtungen
des Geschäftsinhabers auch dann entstehen, wenn der Angestellte zum
Abschluß von Verträgen nicht bevollmächtigt war.
Sachverhalt:
Die K. Speditionsgesellschaft m. b. H. (KSG), eine
Schwesterfirma der Beklagten, hat als Spediteur unter Vermittlung der Arbeitsgemeinschaft
für das Straßenverkehrsgewerbe (Laderaumverteilungsstelle) die
Klägerin, die ein Fuhrunternehmen betreibt, als Frachtführer
mit der Versendung bestimmter Güter nach H. beauftragt. Als der Lastzug
der Klägerin bereits beladen war, verunglückte der Ehemann der
Klägerin, der den Lastzug führte, beim Zusammenkuppeln von Motorwagen
und Anhänger tödlich. In Vertretung der Klägerin wandte
sich der Leiter der genannten Arbeitsgemeinschaft, der Spediteur Q., wegen
Gestellung eines Fahrers an den Angestellten F. der KSG, der sich seinerseits
mit dem Angestellten S. der Beklagten in Verbindung setzte. Der bei der
Beklagten angestellte Kraftfahrer H. wurde hierauf der Klägerin zur
Verfügung gestellt und führte mit dem Lastzug der Klägerin
den Transport aus. Auf der Rückfahrt blieb der Lastzug infolge Motorschadens
liegen und mußte abgeschleppt werden.
Die Klägerin fordert von der Beklagten Ersatz
der Reparaturkosten und eines Verdienstausfalls. Sie ist der Ansicht, die
Beklagte hafte für H. als ihren Erfüllungsgehilfen, zum mindesten
aber dafür, daß sie pflichtwidrig einen unzuverlässigen
Fahrer gestellt habe.
Die Beklagte hat vorgetragen: Sie habe die Güterbeförderung
nicht übernommen, H. sei daher nicht ihr Erfüllungsgehilfe. Sie
habe aber auch nicht die Verpflichtung übernommen, einen zuverlässigen
Fahrer zur Verfügung zu stellen: weder F. noch S. seien zum Abschluß
eines Vertrages über die Abstellung des H. bevollmächtigt gewesen;
beide hätten nur aus menschlichem Mitgefühl ohne den Willen,
eine rechtliche Verpflichtung einzugehen, gehandelt. Im übrigen habe
sie auch ihre etwaige Pflicht zur Stellung eines zuverlässigen Fahrers
nicht schuldhaft verletzt. H. sei ferner weder zu schnell noch sonst fehlerhaft
gefahren. Schließlich wendet die Beklagte Mitverschulden der Klägerin
ein.
Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung eines
Teilbetrags verurteilt; das Oberlandesgericht hat die Klage abgewiesen.
Die Revision der Klägerin führte zur Zurückverweisung der
Sache an das Berufungsgericht.
Aus den Gründen:
I. Das Berufungsgericht ist - ungeachtet der von
ihm verneinten Frage, ob F. oder S. überhaupt kraft Vollmacht die
Beklagte vertraglich verpflichten konnten - der Auffassung, H. sei nicht
für die Beklagte, sondern für die Klägerin gefahren, da
kein auf den Selbsteintritt der Beklagten als Frachtführer gerichteter
Vertrag zustande gekommen sei. Unbestritten sei, so führt das Berufungsgericht
aus, der Frachtvertrag über die zu befördernden Güter zwischen
der KSG als Spediteur und der Klägerin als Frachtführer abgeschlossen
worden. Wenn aber die Klägerin behaupte, nach dem Tode ihres Ehemanns
habe die Beklagte das Frachtgeschäft auf eigene Rechnung übernommen,
so treffe dies nicht zu. Im angefochtenen Urteil wird auf die Aussage des
Angestellten F. verwiesen, der bekundet hat, der Klägerin sollte der
Verdienst aus dem Frachtgeschäft nicht entgehen, weshalb für
sie ein Fahrer gesucht werden sollte. Auch stellt das Berufungsgericht
fest, die Klägerin habe über das in Frage stehende Frachtgeschäft
mit der KSG abgerechnet, ihr sei die erlöste Fracht abzüglich
10% Provision von der KSG gutgebracht worden.
Die Revision weist darauf hin, daß die Klägerin
aus dem Geschäft bisher nichts erhalten habe, und rügt, das Berufungsgericht
habe den Beweisantritt für die Behauptung der Klägerin übergegangen,
die Beklagte habe die Frachtgebühren für sich verbucht. Hieraus
ergebe sich, so meint die Revision, daß die Beklagte in den zwischen
der KSG und der Klägerin bestehenden Frachtvertrag eingetreten sei.
Die Rüge ist jedoch nicht begründet (wird ausgeführt).
Hat aber die Beklagte die Güterbeförderung
nicht übernommen, so stand auch der Lastzug nicht zu ihrer Verfügung;
sie hat ihn von der Klägerin weder gemietet noch geliehen und hatte
daher hinsichtlich des Lastzuges auch keinerlei Obhutspflicht gegenüber
der Klägerin. Die Beklagte haftet daher nicht gemäß §
278 BGB für ein etwaiges Verschulden des Fahrers H. bei der Pflege
des Lastzuges.
II. Dagegen bestehen gegen die Annahme des Berufungsgerichts,
die Abstellung des Fahrers H. habe keine rechtsgeschäftliche Verpflichtung
der Beklagten bewirkt, durchgreifende rechtliche Bedenken.
Die Beklagte hat den bei ihr angestellten Fahrer
H. der Klägerin zur Verfügung gestellt. Dies wurde, wie unstreitig
ist, von ihrem Angestellten S. veranlaßt, der damals für den
Einsatz der Kraftfahrzeuge und die Gestellung von Fahrern im Betrieb der
Beklagten verantwortlich war. Die Beklagte hat sich stets nur dagegen gewendet,
daß S. und F. bevollmächtigt gewesen seien, für sie Verträge
über die Gestellung von Fahrern, also Dienstverschaffungsverträge,
mit anderen Firmen abzuschließen. Im angefochtenen Urteil ist diese
Frage eingehend geprüft und verneint worden, was die Revision mit
verschiedenen Rügen angreift. Hierauf braucht jedoch nicht eingegangen
zu werden, weil die Beklagte selbst niemals in Zweifel gezogen hat, daß
S. berechtigt war, aus Gefälligkeit den Kraftfahrer H. der Klägerin
zur Verfügung zu stellen, um ihr in der Zwangslage, in die sie durch
den Unglücksfall gekommen war, zu helfen. Nicht die Berechtigung des
S., der Klägerin durch Überlassung des Fahrers H. zu helfen,
hat die Beklagte bestritten, sie hat vielmehr die Rechtsauffassung vertreten,
aus dieser Gefälligkeitshandlung, die ihr Angestellter S. vorgenommen
habe, hätten für sie keine Rechtspflichten entstehen können,
da S. keine Vollmacht besessen habe, sie vertraglich zu verpflichten. Nun
ist es sehr wohl möglich, daß ein Angestellter nicht berechtigt
ist, seinen Geschäftsherrn durch Abschluß eines Dienstverschaffungsvertrages
- hier Überlassung eines Fahrers - zu verpflichten, daß er aber
sehr wohl berechtigt sein kann, einem anderen durch Überlassung des
Fahrers Hilfe zu leisten. Das letztere ist hier der Fall. Der Sachverhalt
liegt nicht etwa so, als habe die Beklagte die Hilfeleistung ihres Angestellten
S. mißbilligt; sie hat nicht einmal vorgetragen, daß sie mit
einer solchen Hilfeleistung nicht einverstanden gewesen sei oder daß
sie dem S. hierwegen Vorhaltungen gemacht habe, so daß nicht geprüft
zu werden braucht, ob derartige Vorhaltungen rechtlich unbeachtlich waren,
weil eine solche Hilfeleistung im Rahmen des Aufgabenkreises des S. oder
des F. lag. Da H. Angestellter der Beklagten war, über seine Arbeitskraft
also nur die Beklagte, nicht aber S. für sich persönlich verfügen
konnte, kann es auch nicht zweifelhaft sein, daß S. bei seiner Gefälligkeitsleistung
für die Beklagte gehandelt hat. Das Berufungsgericht hätte daher
untersuchen müssen, ob und welche Rechtsfolgen sich daraus ergeben,
daß die Beklagte gefälligkeitshalber ihren Kraftfahrer H. der
Klägerin zur Ausführung des dieser obliegenden Transportes überließ.
Dabei hätte es die gesamten Umstände würdigen müssen,
unter denen diese Überlassung stattfand. Die Unterlassung dieser Prüfung
muß zur Aufhebung des angefochtenen Urteils führen, da aus der
Abordnung des Fahrers H. für die Beklagte rechtliche Verpflichtungen
entstanden sind.
Eine Gefälligkeit setzt begriffsnotwendig
die Unentgeltlichkeit der Leistung voraus; aus der Unentgeltlichkeit einer
Leistung allein läßt sich aber nicht auf das Fehlen ihres rechtsgeschäftlichen
Charakters schließen; dies zeigt schon die Regelung von Gefälligkeitsverträgen
durch das Gesetz (zB BGB §§ 516, 598, 662, 690), während
andererseits die auf reiner Gefälligkeit beruhende Raterteilung oder
Empfehlung keine Rechtswirkung erzeugt (§ 676 BGB). Die Uneigennützigkeit
des Handelnden als solche reicht für sich allein nicht aus, um die
Annahme rechtsgeschäftlicher Beziehungen, die sich etwa aus den Umständen
ergeben, zu verneinen. Aus zugesagten oder erwiesenen Gefälligkeiten
können, müssen aber nicht Rechtsverpflichtungen für den
Leistenden entstehen.
Ist der Leistende zu der übernommenen
Leistung verpflichtet (BGB § 241), so vollzieht sich die Verwirkung
der Leistung ohne weiteres im rechtsgeschäftlichen Bereich (insbesondere
des § 242). Jedoch schließt das Fehlen einer solchen Verpflichtung
keineswegs aus, daß das Erweisen einer Gefälligkeit rechtsgeschäftlichen
Charakter trägt (Enneccerus-Lehmann, Schuldrecht, § 27 Nr
6). Das verkennt die Beklagte, wenn sie ihre Haftung mit der Begründung
ablehnen will, sie sei zur Gestellung des Fahrers nicht verpflichtet gewesen.
Eine erwiesene Gefälligkeit hat nur dann
rechtsgeschäftlichen Charakter, wenn der Leistende den Willen hat,
daß seinem Handeln rechtliche Geltung zukommen solle (Stoll, Vertrag
und Unrecht, 2. Aufl § 10 II 3: Rechtsfolgewille), wenn er also eine
Rechtsbindung herbeiführen will (RGZ 157, 228 [233]; Palandt BGB 15.
Aufl § 662 Anm 4 a) und der Empfänger die Leistung in diesem
Sinn entgegengenommen hat. Fehlt es hieran, sei es, daß nach der
Art der Gefälligkeit oder den Umständen, unter denen sie erwiesen
wurde, ein Bindungswille nicht angenommen werden kann, oder, daß
dieser ausdrücklich oder stillschweigend ausgeschlossen wurde, so
scheidet eine Würdigung unter rechtsgeschäftlichen Gesichtspunkten
aus. Ob ein Rechtsbindungswille vorhanden ist, ist nicht nach dem nicht
in Erscheinung getretenen inneren Willen des Leistenden zu beurteilen,
sondern danach, ob der Leistungsempfänger aus dem Handeln des Leistenden
unter den gegebenen Umständen nach Treu und Glauben mit Rücksicht
auf die Verkehrssitte auf einen solchen Willen schließen mußte.
Es kommt also darauf an, wie sich dem objektiven Beobachter das Handeln
des Leistenden darstellt (RG JW 1915, 19).
Die Art der Gefälligkeit, ihr Grund und
Zweck, ihre wirtschaftliche und rechtliche Bedeutung, insbesondere für
den Empfänger, die Umstände, unter denen sie erwiesen wird, und
die dabei bestehende Interessenlage der Parteien können die Gefälligkeit
über den Bereich rein tatsächlicher Vorgänge hinausheben
und sind daher für die Beurteilung der Frage des Bindungswillens und
der Natur des etwa in Betracht kommenden Rechtsgeschäftes heranzuziehen.
Gefälligkeiten des täglichen Lebens werden sich regelmäßig
außerhalb des rechtsgeschäftlichen Bereiches halten. Das gleiche
gilt für Gefälligkeiten, die im rein gesellschaftlichen Verkehr
wurzeln (RGZ 128, 39 [42]). Der Wert einer anvertrauten Sache, die wirtschaftliche
Bedeutung einer Angelegenheit, das erkennbare Interesse des Begünstigten
und die nicht ihm, wohl aber dem Leistenden erkennbare Gefahr, in die er
durch eine fehlerhafte Leistung geraten kann, können auf einen rechtlichen
Bindungswillen schließen lassen (RG LZ 1923, 275; RGZ 151, 203 [208];
RG Recht 1923 Nr 508; Erman BGB Einleitung 11b vor § 241). Die Auskunft,
die im Rahmen einer Geschäftsverbindung erteilt wird, muß daher
auf rechtlich verpflichtender Gewissenhaftigkeit beruhen (RGZ 139, 103
[105]; 162, 129 [154]). Hat der Leistende selbst ein rechtliches oder wirtschaftliches
Interesse an der dem Begünstigten gewährten Hilfe, so wird dies
in der Regel für seinen Rechtsbindungswillen sprechen (RGZ 65, 17
[19]; Planck BGB 4. Aufl § 662 Anm 2; es kann daher fraglich sein,
bedarf aber hier keiner näheren Prüfung, ob der Entscheidung
des Reichsgerichts in RGZ 165, 309 [313] zugestimmt werden kann). Die Haftung
gründet sich in derartigen Fällen - ähnlich wie bei Vertragsverhandlungen
- regelmäßig auf die Verletzung einer durch Anknüpfung
rechtsgeschäftlicher Beziehungen entstandene Sorgfaltspflicht oder
eines vertragsähnlichen Vertrauensverhältnisses (RGZ 162, 129
[156]).
Wendet man diese Rechtsgrundsätze auf den
zur Entscheidung stehenden Fall an, so ergibt sich folgendes: Die Beklagte
war zur Gestellung eines Fahrers nicht verpflichtet, eine solche Verpflichtung
bestand nicht einmal für die KSG, die der Klägerin den Beförderungsauftrag
erteilt hatte. Als sie aber auf die Bitte der Klägerin oder der nach
der Feststellung des Berufungsgerichts in ihrem Namen handelnden Arbeitsgemeinschaft
für das Straßenverkehrsgewerbe einen Fahrer zur Verfügung
stellte, hatte sie die Rechtspflicht, einen zuverlässigen Fahrer abzuordnen.
Bei der von der Klägerin erbetenen Gefälligkeit handelte es sich
um eine Angelegenheit, die die wirtschaftliche, geschäftliche Betätigung
beider Teile betraf; das Berufungsurteil spricht selbst bei seiner Hilfserwägung
von einem Vorgang im Rechtsverkehr zwischen den beteiligten Unternehmen
des Straßenverkehrsgewerbes. Die Klägerin war durch den Tod
ihres Mannes in eine gewisse Zwangslage geraten; falls sie keinen Fahrer
fand, entging ihr nicht nur der Gewinn aus dem Frachtgeschäft, sie
mußte unter Umständen sogar noch die wenn auch geringen Kosten
der Umladung der Güter tragen. Daß sie dabei vernünftigerweise
das Frachtgeschäft nicht unter allen Umständen, auch unter Inkaufnahme
des mit der Beschäftigung eines unzuverlässigen Fahrers verbundenen
Risikos, durchzuführen bereit war, lag auf der Hand und war auch S.
erkennbar. Der Lastzug stellte für die Klägerin nicht nur ein
ganz erhebliches Wertobjekt, sondern auch eine bedeutende Einnahmequelle
dar. Die Klägerin konnte und durfte darauf vertrauen, daß ihr
die Beklagte einen zuverlässigen Fahrer zuwies, und die Beklagte durfte
dieses Vertrauen nicht enttäuschen. Hatte sie keinen geeigneten Fahrer
zur Verfügung, so mußte sie die Bitte der Klägerin ablehnen;
wollte sie das nicht, so mußte sie zum mindesten, um Rechtsfolgen
zu entgehen, die Klägerin auf die Bedenken, die gegen die beabsichtigte
Verwendung des Fahrers H. bestanden, hinweisen. Würden diese Umstände
schon ausreichen, um einen Rechtsbindungswillen der Beklagten anzunehmen,
so wird eine solche Annahme noch unterstützt durch die Tatsache, daß
die KSG mit der Klägerin auf Grund des erteilten Frachtauftrages in
vertraglichen Beziehungen stand. Denn wenn auch die Beklagte und die KSG
verschiedene Rechtspersönlichkeiten darstellen, so erscheinen sie,
wirtschaftlich gesehen, doch weitgehend als Einheit: der Inhaber der Beklagten
ist zu über 90% an der KSG beteiligt und ist ihr Geschäftsführer.
Diese wirtschaftliche Verflechtung erzeugt eine weitgehende Gemeinsamkeit
dar Interessen beider Firmen, die bei der Beurteilung des Interesses der
KSG und damit der Beklagten an der möglichst reibungslosen Durchführung
des von der KSG erteilten Frachtauftrages nicht außer Betracht bleiben
kann.
Die Beklagte hat daher für die Auswahl eines
zuverlässigen Fahrers einzustehen.
III. Diese Erwägungen begründen nicht
nur die rechtliche Bindung der Beklagten, sondern beantworten im wesentlichen
auch die Frage nach dem Grad der Verschuldenshaftung. Das angefochtene
Urteil ist in diesem Punkt in sich widerspruchsvoll: einerseits nimmt das
Berufungsgericht die stillschweigende Abrede einer Beschränkung der
Haftung auf die in eigenen Sachen angewendete Sorgfalt an, andererseits
eine Einigung der Parteien dahingehend, daß die Haftbarkeit der Beklagten
für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit bestehen bleiben, ihre Haftbarkeit
für leichte Fahrlässigkeit aber ausgeschlossen sein sollte. Wer
nur für diejenige Sorgfalt einzustehen hat, welche er in eigenen Angelegenheiten
anzuwenden pflegt, ist von der Haftung wegen grober Fahrlässigkeit
nicht befreit (§ 277 BGB). Ob er darüber hinaus auch von leichter
Fahrlässigkeit, die von dem gesetzlichen Begriff der im Verkehr erforderlichen
Sorgfalt (§ 276 Abs 1 Satz 2 BGB) mitumfaßt wird, befreit ist,
richtet sich danach, mit welcher Sorgfalt er seine eigenen Angelegenheiten
betreibt; die gleiche Sorgfalt muß er auch der fremden Angelegenheit
angedeihen lassen. Die Beklagte hat vorgetragen, daß sie in ihren
eigenen Angelegenheiten die größte Sorgfalt, mindestens also
die im Verkehr erforderliche Sorgfalt, anwendet. Ihr früherer Fahrer
K. hat bekundet, er habe selbst zuerst 6 Wochen lang in der Werkstätte
arbeiten müssen, bevor er auf einen Lastzug gekommen sei. Das Berufungsgericht
hätte daher von seinem Standpunkt aus - Haftung der Beklagten für
die in ihren eigenen Angelegenheiten angewandte Sorgfalt - bei seiner Hilfserwägung
dazu kommen müssen, daß die Beklagte für leichte Fahrlässigkeit
einzustehen hat oder, was das gleiche bedeutet, daß die vertraglich
vereinbarte Haftung im Ergebnis der nach den gesetzlichen Vorschriften
(§ 276 BGB) begründeten Haftung gleichsteht. Demgegenüber
hat es das Berufungsgericht ausdrücklich dahingestellt sein lassen,
ob der Beklagten nicht leichte Fahrlässigkeit zur Last fällt.
Die Hilfserwägung des Berufungsgerichts begegnet
aber schon in ihrem Ausgangspunkt, die Beklagte hafte für Sorgfalt
wie in eigenen Angelegenheiten, rechtlichen Bedenken. Im Schrifttum (Ennecerus-Lehmann
§ 27 Nr 6; Staudinger-Ostler BGB 10. Aufl Einleitung 9 von §
433) wird die Auffassung vertreten, die Gefälligkeitshaftung beschränke
sich regelmäßig auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit. Ob
ein solcher Grundsatz aufgestellt werden kann, mag dahingestellt bleiben.
Die gesetzliche Regelung der Verschuldenshaftung bei unentgeltlichen Verträgen
ist unterschiedlich gestaltet (§§ 521, 599 BGB: Haftung für
grobe Fahrlässigkeit; § 690 BGB: Haftung für Sorgfalt in
eigenen Angelegenheiten; § 662 BGB (mit § 276 BGB), Auskunftserteilug
bei bestehender Geschäftsverbindung: Haftung für leichte Fahrlässigkeit).
Bei der gesetzlichen Haftung aus Gefälligkeitsfahrten hat die Rechtsprechung
die Aufstellung eines solchen Grundsatzes ausdrücklich abgelehnt (RGZ
145, 390 [394]). Die Frage des Haftungsumfanges rechtserheblicher Gefälligkeitsverhältnisse
muß nach den Umständen und der Gestaltung des Einzelfalles beurteilt
werden. Dort, wo die Gefälligkeitshandlung einem Vertrauensverhältnis
entspringt und einen Gegenstand wirtschaftlicher und geschäftlicher
Bedeutung betrifft, wird, insbesondere wenn eine gewisse geschäftliche
Verbundenheit der Parteien besteht, von dem Leistenden regelmäßig,
entsprechend der gesetzlichen Regelung der Haftung beim Auftrag, die Wahrung
der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt verlangt werden müssen. Die
oben angeführten einzelnen Umstände, zu denen noch hinzukommt,
daß die Bitte der Klägerin von der Arbeitsgemeinschaft für
das Straßenverkehrsgewerbe als der für beide Parteien fachlich
zuständigen Stelle übermittelt wurde, rechtfertigen es, auf den
vorliegenden Fall die für den unentgeltlichen Dienstverschaffungsvertrag
geltenden Vorschriften über den Auftrag entsprechend anzuwenden.
Es besteht auch kein Anlaß, die nach den
gesetzlichen Vorschriften bestehende Haftung durch Annahme einer mehr oderminder
fiktiven Haftungsbeschränkungsabrede einzuschränken, da die Klägerin
durch ihren sachkundigen Vertreter Q. zum Ausdruck gebracht hat, daß
sie um einen zuverlässigen Fahrer bitte, und nach Sachlage damit rechnen
durfte, daß die Beklagte dieser Bitte entsprochen habe. Nur wenn
die Klägerin die der Beklagten bekannten Umstände, die die Zuverlässigkeit
des H. in Frage stellten, gekannt und trotzdem dem H. die Führung
des Lastzuges anvertraut hätte, käme ein Haftungsverzicht in
Frage (vgl BGHZ 2, 159; Lind Möhr § 254 C Nr 2; Wangemann, Handeln
auf eigene Gefahr, NJW 1955, 85). Auch ein Verschulden des die Belange
der Klägerin wahrnehmenden Spediteurs Q, das für die Frage des
Haftungsverzichts von Bedeutung sein könnte (vgl BGHZ 3, 46 [49 f]),
kommt aus denselben Gründen nicht in Frage. Die Beklagte hat daher
auch für leichte Fahrlässigkeit einzustehen.
IV. Hinsichtlich des Verschuldens der Beklagten
hat das Berufungsgericht in der Hauptsache geprüft, ob die Beklagte
bei der Einstellung des Fahrers H. in ihrem Betrieb mit der sonst von ihr
geübten Sorgfalt verfahren hat. In erster Linie hätte aber geprüft
werden müssen, ob die Beklagte den H. als geeignet für die verantwortliche
Führung eines Fernlastzuges ansehen durfte. In diesem Rahmen ist allerdings
auch die Frage von Bedeutung, ob die Beklagte bei der Einstellung des H.
die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet hat und ob nicht eine
Verletzung der Sorgfaltspflicht allein schon darin liegt, daß die
Beklagte den H. als selbstverantwortlichen Fahrer der Klägerin zur
Verfügung stellte, obwohl sie über seine frühere Tätigkeit
nichts wußte und daher ihrer Beurteilung allein die Zeit seiner nur
dreiwöchigen Tätigkeit in ihrem eigenen Betrieb zugrunde legen
konnte.
Nicht zu billigen sind die Ausführungen im
angefochtenen Urteil, die Klägerin habe in ihrer Notlage mit einem
Aushilfsfahrer, der über keine große Fahrpraxis verfügte,
vorlieb nehmen müssen. Die Notlage der Klägerin bestand nicht
darin, daß sie unter allen Umständen den Transport selbst durchführen
mußte; denn die Parteien sind sich darüber einig, daß
die Güterbeförderung ohne weiteres einem anderen Frachtführer
hätte übertragen werden können. Wenn die Beklagte, wie es
ihre Pflicht gewesen wäre, die Klägerin von der geringen Fahrpraxis
des H. und insbesondere davon unterrichtet hätte, daß dieser
bisher selbstverantwortlich noch keinen Lastzug gefahren hatte, so wäre
die Klägerin vor der Frage gestanden, ob sie das erhebliche und unter
Umständen folgenschwere Risiko eines in der verantwortlichen Führung
eines Lastzuges unerprobten Fahrers auf sich nehmen oder versuchen wollte,
auf dem Weg über die Arbeitsgemeinschaft einen anderen, geeigneten
Fahrer zu finden, oder ob sie, falls dies nicht möglich war, den mit
der Nichtausführung des Frachtgeschäftes verbundenen Gewinnentgang
und geringen Verlust in Kauf nehmen sollte. Es kann jedenfalls nicht als
naheliegend bezeichnet werden, daß ein Fuhrunternehmer bei vernüftiger
Erwägung ein solches Risiko auf sich genommen hätte, insbesondere
nicht, wenn er, wie hier die Klägerin, von der fachlich zuständigen
Stelle vertreten wurde. (Es wird ausgeführt, daß H. den an den
Führer eines schweren Fernlastzuges zu stellenden Anforderungen nicht
genügte.)
Hiernach ist davon auszugehen, daß die Beklagte
auf Grund rechtsgeschäftlicher Verpflichtung ohne Verletzung der im
Verkehr erforderlichen Sorgfalt den H. nur dann hätte abordnen dürfen,
wenn sie die Klägerin auf die gegen seine verantwortliche Führung
des Lastzugs auf einer Fernfahrt bestehenden erheblichen Bedenken hingewiesen
hätte. Da die Beklagte diese Sorgfaltspflicht versäumt hat und
demnach bereits eine rechtsgeschäftliche Haftung der Beklagten besteht,
bedarf es keiner Stellungnahme zu der Frage, ob die Beklagte auf Grund
der Vorschriften über unerlaubte Handlungen schadensersatzpflichtig
wäre.
V. Das Berufungsgericht wird nunmehr - gegebenenfalls
unter Zuziehung eines Sachverständigen - zu prüfen haben, ob
und inwieweit ein etwaiges unsachgemäßes Verhalten des H. für
den entstandenen Schaden ursächlich war.
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