Vertrag
zugunsten Dritter bei Anlegen eines Sparbuchs - Zuwendung auf den Todesfall
nach § 331 BGB
BGH, Urteil
vom Urteil vom 9. November 1966 - VIII ZR 73/64.
Fundstelle:
BGHZ 46, 198 ff
Amtl. Leitsätze:
a) Hat eine Großmutter ein
Sparbuch auf den Namen ihrer Enkelin angelegt, das Sparbuch aber behalten,
so wird die Enkelin in der Regel nicht schon mit der Anlegung Inhaberin des
Guthabens.
b) Es kann darin aber eine rechtswirksame Zuwendung auf den Todesfall nach §
331 BGB liegen.
Zentrale Probleme:
S. die Anm. zu
BGH v. 18.1.2005 - X ZR 264/02; zur
Einzahlung auf ein fremdes Sparbuch s. BGH, Urteil
vom 25. April 2005 - II ZR 103/03.
©sl 2005
Zum
Sachverhalt:
Die Beklagte ist eine Schwester der Mutter der Klägerin. Am 13. März
1962 verstarb die Großmutter der damals 10. Jahre alten Klägerin und Mutter
der Beklagten (im folgenden: Erblasserin). Sie wurde von ihren drei Töchtern
(unter ihnen die Beklagte und die Mutter der Klägerin) beerbt. Die
Erblasserin hinterließ u. a. zwei Sparbücher - eines der Stadtsparkasse, das
andere der Kreissparkasse Köln -, die auf den Namen der Klägerin ausgestellt
waren. Die Beklagte nahm beide Sparbücher an sich. Das der Stadtsparkasse
gab sie nach Klageerhebung an die Klägerin heraus; um das der Kreissparkasse
über einen Betrag von 9 554,17 DM streiten die Parteien. Die Vorinstanzen
haben die Herausgabeklage der Klägerin abgewiesen. Ihre Revision hatte
Erfolg.
Aus den Gründen:
1. Das
Berufungsgericht geht davon aus, aus der Tatsache allein, daß die
Erblasserin das Sparbuch auf den Namen der Klägerin habe anlegen lassen,
lasse sich nicht herleiten, daß die Erblasserin von Anfang an durch einen
Vertrag zugunsten Dritter (§ 328 BGB) der Klägerin die Forderung aus dem
Sparguthaben habe verschaffen wollen. Die Bezeichnung der Klägerin im
Sparbuch als Berechtigte sei dafür nicht mehr als ein Beweisanzeichen.
Dieser Ausgangspunkt des Berufungsurteils entspricht ständiger
höchstgerichtlicher Rechtsprechung (vgl. RGZ 73, 220; BGHZ 21, 148; 28, 368)
und ist nicht zu beanstanden.
Das Berufungsgericht ist ferner der Ansicht, im vorliegenden Falle werde
eine Inhaberschaft der Klägerin durch andere Umstände nicht nur nicht
bestätigt, vielmehr sprächen solche gerade gegen die Klägerin. Im Gegensatz
zu dem Sparkonto bei der Stadtsparkasse habe nämlich die Erblasserin bei der
Anlegung des hier streitigen Kontos nicht ausdrücklich bestimmt, daß die
Klägerin Inhaber der Guthabenforderung sein sollte; dies müsse jedenfalls
der unter Beweis gestellten Behauptung der Klägerin entnommen werden, die
Erblasserin habe bei der Errichtung dieses Kontos nicht erklärt, daß
die Klägerin nicht Forderungsinhaberin habe sein sollen. Gegen ein
Forderungsrecht der Klägerin spreche ferner ihr weiterer unter Beweis
gestellter Vortrag, die Erblasserin habe kurz vor ihrem Tode den Vater der
Klägerin gebeten, er solle ihr bei der Übertragung eines Betrages von 40 000
DM auf die Klägerin behilflich sein; dieser habe sich aber geweigert. Wenn
die Erblasserin kurz vor ihrem Tode eine solche Forderungsübertragung
zugunsten der Klägerin beabsichtigt habe, so folge daraus, daß sie vorher
der Klägerin eine Forderung noch nicht habe zukommen lassen.
Die Revision rügt Verletzung des materiellen Rechts und des § 286 ZPO. Das
Berufungsurteil hält diesen Rügen nicht stand.
2. Zunächst ist der Revision zuzugeben, daß gegen die Beweiswürdigung des
Berufungsgerichts, soweit sie auf die beiden vorstehend hervorgehobenen
Umstände abhebt, aus Rechtsgründen (§ 286 ZPO) Bedenken herzuleiten sind.
(Wird ausgeführt.)
Ob allerdings eine rechtsfehlerfreie Beweiswürdigung des Berufungsgerichts
zu einem anderen Ergebnis führen würde, ist mindestens zweifelhaft. Das
Berufungsgericht hat nämlich andere Umstände nicht berücksichtigt, die f ü r
das von ihm für richtig gehaltene Ergebnis sprechen. Insoweit kann
entscheidend ins Gewicht fallen, daß die Erblasserin das Sparbuch in ihrem
Besitz behalten und auch - wovon jedenfalls in der Revisionsinstanz
auszugehen ist - von seiner Existenz der Klägerin bzw. ihrem Vater nichts
mitgeteilt hat. Dies spricht - bis zum Beweise des Gegenteils - dafür, daß
die Erblasserin nicht bereits mit der Anlegung des Sparbuches das Guthaben
der Klägerin, ihrer Enkelin, zuwenden wollte. Denn wenn der Sparer trotz der
Bezeichnung des Dritten als Berechtigten das Sparbuch einbehält, läßt sich
in der Regel daraus sein Wille entnehmen, selbst noch die Verfügungsbefugnis
über das Sparguthaben zu behalten (vgl. für den Fall, daß Eltern ein
Sparbuch auf den Namen ihres Kindes anlegen: KG MDR 1956, 105). Dies gilt
auch, wenn - wie hier - eine Großmutter ein Sparbuch auf den Namen ihrer
minderjährigen Enkelin anlegt. Es ist dann in der Regel anzunehmen, daß sie
sich zunächst noch, solange sie lebt, die Verfügung über das Sparguthaben
vorbehalten will, schon um etwaigen Veränderungen ihrer eigenen Verhältnisse
(Vermögensverfall) oder der Verhältnisse der Eltern der Enkelin (hier etwa:
Scheidung der Ehe) oder des Verhältnisses der Enkelin zur Großmutter
(Wohlverhalten) Rechnung tragen zu können. Das Berufungsgericht, an das
ohnehin aus den unter 3 noch zu erörternden Gründen, die Sache
zurückzuverweisen ist, wird dies bei der erneuten Beweiswürdigung zu
berücksichtigen haben.
3. Es hat sich bei der Beweiswürdigung überhaupt nur die Frage vorgelegt, ob
die Erblasserin mit der Kreissparkasse in der Weise einen Vertrag zugunsten
der Klägerin (§ 328 BGB) geschlossen hat, daß diese von vornherein - also
schon mit der Anlegung des Kontos oder mit den weiteren Einzahlungen auf das
Konto - Inhaber der Guthabenforderung wurde. Die Sachlage legte aber darüber
hinaus die Frage nahe, ob die Erblasserin das Sparguthaben nicht etwa ihrer
Enkelin auf den Todesfall mit der Wirkung zuwenden wollte, daß diese im
Zeitpunkt des Todes der Erblasserin Inhaberin des Sparguthabens werden
sollte, soweit die Erblasserin nicht vorher anderweitig darüber verfügt
hatte.
Daß eine solche Zuwendung auf den Todesfall durch Rechtsgeschäft unter
Lebenden ohne Einhaltung der für Verfügungen von Todes wegen
vorgeschriebenen Form rechtlich möglich ist, ergibt sich unmittelbar aus §§
328 Abs. 2, 331 Abs. 1 BGB (RGZ 106, 1 ff; BGHZ 41, 95; BGH NJW 1965, 1913;
BGB-RGRK § 516 Nr. 29). Einer erneuten (vgl. BGHZ 41, 95, 96)
Auseinandersetzung mit der Gegenmeinung, wie sie insbesondere von Boehmer
(Staudinger/Boehmer, Erbrecht, 11. Aufl. , Einleitung § 27), Coing (Kipp/Coing,
Erbrecht, 11. Aufl. , § 81 IV) und (einschränkend) auch von Lehmann
(Staudinger/Lehmann, BGB, 11. Aufl. , vor § 1937 Nr. 14) vertreten wird,
bedarf es nicht. Um bei einem auf fremden Namen angelegten Sparbuch einen
Fall des § 331 BGB annehmen zu können, muß sich allerdings aus dem Vertrag
des Sparers mit der Sparkasse ergeben, daß der Sparer dem Dritten das
Guthaben auf den Todesfall zuwenden will. Dies muß auch vom Vertragswillen
der Sparkasse mitumfaßt sein. In dieser Hinsicht sind jedoch keine strengen
Anforderungen zu stellen. Denn die Sparkasse überläßt es beim Abschluß des
Sparvertrages dem Sparer, zu bestimmen, wem (wann) das Sparguthaben zustehen
soll, ohne selbst auf diese Bestimmung Einfluß zu nehmen. Sie nimmt jede
Bestimmung seitens des Sparers, wer der Berechtigte sein soll, an. Für sie
ist es auch ohne wesentliche Bedeutung, zu wissen, unter welchen
Voraussetzungen der als Berechtigter Bezeichnete der Berechtigte ist
(vgl. RG LZ 1932 Sp. 955). Denn gemäß § 808 BGB wird die Sparkasse durch
die Leistung an den Inhaber des Sparbuchs auf jeden Fall dem Berechtigten
gegenüber frei. Anders als bei sonstigen Verträgen, bei denen schon im
Interesse des sich verpflichtenden Vertragspartners unzweideutig
klargestellt sein muß, wer der Berechtigte ist - wie beispielsweise bei der
Anlegung eines Girokontos -, genügt es beim Sparvertrag, daß die Bestimmung
des Berechtigten auf irgendeine Weise, wenn auch nicht klar und eindeutig,
im Sparvertrag seinen Ausdruck gefunden hat, sofern sich nur einwandfrei
feststellen läßt, wer unter welchen Voraussetzungen der Berechtigte sein
soll. Streiten sich nachher mehrere Prätendenten um die Berechtigung, so
kann die Sparkasse auf jeden Fall mit befreiender Wirkung an den Buchinhaber
leisten; sie kann es aber auch den Prätendenten überlassen, unter sich,
notfalls mit Hilfe des Gerichts, die Berechtigungsfrage zu klären, und dann
an den durch eine gerichtliche Entscheidung als berechtigt Ausgewiesenen
zahlen.
b) Das Typische des vorliegenden Falles liegt darin, daß hier ein naher
Angehöriger (Großmutter) das Sparbuch auf den Namen einer im kindlichen
Alter stehenden Verwandten (Enkelin) angelegt hat, ohne vorher das Sparbuch
aus der Hand zu geben und ohne auch - wie zu unterstellen ist - dem
Buchbegünstigten die Anlegung des Sparbuches mitzuteilen.
Wie bereits oben unter 2c näher ausgeführt, ist aus einem solchen Verhalten
in der Regel zu schließen, daß der Sparer sich die Verfügung über das
Sparguthaben bis zu seinem Tode. vorbehalten will. Andererseits kann aber in
der Regel nicht angenommen werden, daß in einem solchen Falle nach dem
Willen der Großmutter die Bezeichnung der Enkelin als Berechtigten überhaupt
keine rechtliche Bedeutung haben soll (vgl. Mordhorst, Spareinlagen auf
fremden Namen, MDR 1956, 4, 6; Ritter, Der Sparvertrag auf den Namen eines
Dritten, Erlanger Diss. S. 67 ff). Vielmehr bringt, falls nicht im
Einzelfall etwas anderes festzustellen ist, mit der Anlegung des
Sparguthabens auf den Namen der Enkelin die Großmutter zum Ausdruck, daß sie
- unbeschadet ihrer eigenen weiteren Verfügungsbefugnis - das Sparguthaben
der Enkelin insoweit zuwenden will, als es bei ihrem - der Großmutter - Tode
noch vorhanden ist, und daß sie insoweit die Enkelin vor ihren Erben
bevorzugen will. Genau in diese Richtung könnte es deuten, daß die
Erblasserin noch kurz vor ihrem Tode - wie für die Revisionsinstanz zu
unterstellen ist - den Willen geäußert hat, der Klägerin einen Betrag von 40
000 DM zuzuwenden. Auch unter diesem Gesichtspunkt mußte demnach das
Berufungsgericht zu dem entsprechenden Vorbringen der Klägerin Stellung
nehmen.
c) Die Möglichkeit, durch Anlage eines Sparguthabens auf den Namen eines
Dritten diesem gemäß § 331 BGB eine Zuwendung zu machen, ist auch nicht
deshalb ausgeschlossen (vgl. OLG Kiel LZ 1919, 971), weil es zwischen dem
Sparer und dem Zuwendungsempfänger an einer rechtswirksamen Vereinbarung
über das Valutaverhältnis fehlt und das Sparguthaben deshalb - weil im
Verhältnis zu den Erben ohne Rechtsgrund empfangen - deren
Bereicherungsanspruch unterliegt. Demgegenüber hat der Bundesgerichtshof
schon in NJW 1965, 1913, 1914 (= WM 1965, 748) darauf hingewiesen, daß in
der Begünstigungserklärung ein Angebot des Sparers an den Begünstigten
liegen könne, ihm eine Schenkung zu machen (Schenkungsversprechen oder
bedingte Schenkung), das der Begünstigte auch noch nach dem Tode des Sparers
annehmen kann (§§ 130 Abs. 2, 153 BGB) und das gemäß § 518 Abs. 2 BGB einer
Form nicht bedarf, weil jedenfalls im Zeitpunkt der Annahme des Angebots die
Schenkung bereite vollzogen ist (vgl. auch Erman/Westermann, BGB, 3. Aufl. ,
§ 331 Anm. 4).
4. Das Berufungsurteil war deshalb gemäß § 564 ZPO aufzuheben. Das
Revisionsgericht kann nicht selbst entscheiden, weil es nicht selbst
feststellen kann, welchen Zweck die Erblasserin mit der Anlegung des
Sparbuches auf den Namen der Klägerin verfolgt hat. Dies zu klären ist
Aufgabe des Berufungsgerichts, an das deshalb gemäß § 565 ZPO die Sache
zurückzuverweisen war. In der neuen Verhandlung haben die Parteien
Gelegenheit, unter dem aufgezeigten neuen Gesichtspunkt ihr Vorbringen zu
ergänzen. Ob die Erblasserin bei der Anlegung des Sparbuches eine Bestimmung
nach § 331 BGB getroffen hat, läßt sich abschließend nur unter Heranziehung
und Würdigung ihrer familiären Verhältnisse, insbesondere ihres
Verhältnisses zu ihren Töchtern (Erben) einerseits und zur Klägerin als
ihrer Enkelin andererseits beurteilen. Etwa verbleibende Unklarheiten gehen
zu Lasten der Klägerin.
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