Vertrag
zugunsten Dritter (§ 328 BGB) und Verfügungsberechtigung bei Anlegung eines
Sparkontos auf den Namen eines Dritten
BGH, Urt. v.
18. Januar 2005 - X ZR 264/02
Fundstelle:
NJW 2005, 980
Amtl. Leitsatz:
Legt ein naher Angehöriger
ein Sparbuch auf den Namen eines Kindes an, ohne das Sparbuch aus der Hand
zu geben, so ist aus diesem Verhalten in der Regel zu schließen, daß der
Zuwendende sich die Verfügung über das Sparguthaben bis zu seinem Tode
vorbehalten will.
Zentrale Probleme:
Es geht um einen "klassischen"
Sparbuchfall: Der Großvater legt Sparbücher für die Enkel an, zahlt Geld ein
und behält das Sparbuch bei sich. Später hebt er das Geld ab und verbraucht
es für sich. Der BGH schließt aus dieser typischen Fallkonstellation, daß
aufgrund der Vereinbarung mit der Sparkasse einerseits und den Enkeln der
Großvater weiter über das Sparguthaben verfügen durfte. Damit scheidet ein
Anspruch der Enkel aus § 816 Abs. 2 BGB (nach § 808 BGB wirksame befreiende
Leistung der Sparkasse an einen Nichtberechtigten) aus.
Wenn freilich - was aus dem Sachverhalt nicht klar hervorgeht, der Großvater
selbst das Sparbuch angelegt hatte (er wird im Tatbestand als
"Antragsteller" bezeichnet), so kann man den Fall auch ohne eine Absprache
mit den Enkeln über die Vermutungsregelung des § 331BGB lösen (s. dazu
insbes. BGHZ 46, 198): Mit der
Einzahlung von Geld auf ein Sparkonto wird eine Darlehensforderung (§ 488
BGB) gegen die Bank begründet (BGHZ 64, 278, 284). Wem diese Forderung
zusteht, hängt von der Vereinbarung der Vertragsparteien ab. Inhaber eines
Sparkontos ist nicht ohne weiteres die Person, auf deren Namen das Sparbuch
ausgestellt ist, sondern diejenige, die nach dem erkennbaren Willen dessen,
der das Konto einrichtet, Gläubiger der Sparforderung sein soll (s.
BGH NJW 1994, 931).
Nach § 328 kann die Forderung auch einem Dritten zugewandt werden mit der
Folge, daß der Dritte (hier: der jeweilge Enkel) Gläubiger wird. Ob dies der
Fall ist, ist mangels besonderer Bestimmung nach § 328 II aus den Umständen,
insbesondere aus dem Zweck des Vertrages, zu entnehmen. Für den Willen der
Vertragsparteien, die Forderung unmittelbar dem jeweiligen Enkel zuzuwenden,
spricht der Umstand, daß das Sparbuch auf deren Namen angelegt wurde.
Dagegen spricht jedoch entscheidend die Tatsache, daß der Großvater als
Vertragspartner der Bank das Sparbuch noch zurückbehalten hatte. Daraus wird
nämlich deutlich, daß er sich die Verfügungsbefugnis über das Guthaben
vorbehalten wollte (vgl. BGH NJW 1970, 1881). Sollten also die Enkel den
Anspruch gegen die Sparkasse ohnehin erst mit dem Todes des Großvaters
erwerben, wäre der Großvater - sofern mit der Sparkasse nicht
Unwiderruflichkeit vereinbart worden wäre - ohnehin jederzeit zur
Abänderung/Aufhebung etc. berechtigt gewesen. Die Enkel hätten bis dahin
nämlich nur eine "Erwerbschance", nicht aber ein Recht innegehabt (s. BGH
NJW 1982, 1807, 1808).
Anders ist dies zu beurteilen, wenn jemand auf ein fremdes Sparbuch einzahlt
(so die Fallkonstellation in BGH, Urteil vom 25.
April 2005 - II ZR 103/03). In einem solchen Fall wird der Kontoinhaber
als Partei des Sparvertrags berechtigt und verpflichtet.
S. dazu auch BGHZ 46, 198 sowie BGH NJW 1994, 931.
©sl 2005
Tatbestand:
Der Beklagte ist der Großvater väterlicherseits der 1976 und 1980 geborenen
Kläger. Unter dem 30. Mai 1985 legten die Eltern der Kläger für jeden der
Kläger ein Sparbuch an. Als Kontoinhaber war dabei jeweils einer der Kläger
und als Antragsteller der Beklagte angegeben. Auf diese Konten überwies der
Beklagte sodann jeweils 50.000,- DM.
Die Eltern der Kläger stellten als deren gesetzliche Vertreter unter
demselben Datum an die Sparbuch gerichtete Vollmachtsurkunden zugunsten des
Beklagten aus, wonach dieser u.a. ermächtigt war, über die Sparkonten der
Kläger zu verfügen. Der Beklagte erhielt die Sparbücher. Er löste am 16.
November 1989 die Sparkonten auf und behielt das Geld für sich.
Nachdem die Kläger von den Sparguthaben erfahren hatten, widerriefen sie mit
Schreiben vom 16. Juli 2001 die dem Beklagten erteilte Vollmacht und
verlangen mit ihrer Klage die Zahlung von je 50.000,- DM.
Das Landgericht hat der Klage in der Hauptsache stattgegeben; die Berufung
blieb ohne Erfolg.
Mit der - vom Senat zugelassenen - Revision strebt der Beklagte die
Klageabweisung an. Die Kläger treten dem Rechtsmittel entgegen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung
des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das
Berufungsgericht zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die
Kosten der Revision.
Nach den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts haben die Kläger
keinen Bereicherungsanspruch gegen den Beklagten.
Das Berufungsgericht hat angenommen, die Kläger hätten deshalb einen
Bereicherungsanspruch aus § 816 Abs. 2 BGB gegen den Beklagten, weil die
Sparkasse an den Beklagten als im Verhältnis zu den Klägern
Nichtberechtigten Auszahlungen von den Sparkonten der Kläger vorgenommen
habe. Berechtigte seien die Kläger gewesen, weil sie im Zeitpunkt der
Auszahlung an den Beklagten Inhaber der Konten und der Sparforderungen gegen
die Sparkasse gewesen seien. Jedenfalls ergebe sich ein Herausgabeanspruch
aus §§ 812, 818 Abs. 1 2. Halbs. BGB. Durch die Auflösung der Sparkonten sei
die Vollmacht des Beklagten erloschen. Spätestens sei die Vollmacht aber
aufgrund des Schreibens der Kläger vom 16. Juli 2001 erloschen. Es bestehe
deshalb kein Rechtsgrund mehr, für ein Behalten des aufgrund der Vollmacht
Erlangten. Die Forderung gegen die Sparkasse sei den Klägern nämlich wirksam
geschenkt worden und das aus ihr Erlangte stehe ihnen zu.
Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat sich
nur mit der Frage befaßt, ob die Kläger von vornherein - also schon mit der
Anlegung der Konten oder jedenfalls mit der Einzahlung auf diese Konten -
Inhaber der Guthabenforderungen geworden sind. Die Sachlage legte hier aber
darüber hinaus die Frage nahe, ob der Beklagte die Sparguthaben nicht etwa
seinen Enkeln, den Klägern, auf den Todesfall mit der Wirkung zuwenden
wollte, daß diese im Zeitpunkt des Todes des Beklagten Inhaber der
Sparguthaben werden sollten, soweit der Beklagte nicht vorher anderweitig
darüber verfügt hatte.
Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts läßt die Einrichtung eines
Sparkontos auf den Namen eines anderen für sich allein noch nicht den Schluß
auf einen Vertrag zugunsten Dritter zu (BGHZ 21, 148, 150; 28, 368, 369).
Entscheidend ist vielmehr, wer gemäß der Vereinbarung mit der Bank oder
Sparkasse Kontoinhaber werden sollte (BGH, Urt. v.
02.02.1994 - IV ZR 51/93, NJW 1994, 931). Ein wesentliches Indiz kann
dabei sein, wer das Sparbuch in Besitz nimmt (BGH, Urt. v. 29.04.1970 - VIII
ZR 49/69, NJW 1970, 1181), denn gemäß § 808 BGB wird die Sparkasse durch die
Leistung an den Inhaber des Sparbuchs auf jeden Fall dem Berechtigten
gegenüber frei. Typischerweise ist, wenn ein naher Angehöriger ein Sparbuch
auf den Namen eines Kindes anlegt, ohne das Sparbuch aus der Hand zu geben,
aus diesem Verhalten zu schließen, daß der Zuwendende sich die Verfügung
über das Sparguthaben bis zu seinem Tode vorbehalten will (BGHZ 46, 198,
203; 66, 8, 11; Münch-Komm./Gottwald, BGB, 4. Aufl., § 328 Rdn. 53; Erman/H.P.
Westermann, BGB, 11. Aufl., § 328 Rdn. 34). Der Beklagte hat nach den
Feststellungen des Berufungsgerichts für die Kläger, die zu dieser Zeit noch
minderjährig waren, Sparguthaben angelegt, ohne die Sparbücher aus der Hand
zu geben. Er hat sich darüber hinaus, von den Eltern der Kläger gleichzeitig
mit der Anlegung der Sparkonten eine Vollmacht erteilen lassen, durch die er
gegenüber der Sparkasse ermächtigt war, über die Sparkonten der Kläger zu
verfügen. Die Kläger ihrerseits wußten von den Sparguthaben nichts. Damit
handelt es sich um einen Fall, in dem typischerweise anzunehmen ist, daß der
Zuwendende sich die Verfügung über das Sparguthaben bis zu seinem Tod
vorbehalten will, wie dies der Beklagte auch behauptet.
Soweit sich aus der Entscheidung des IV. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs
vom 2. Februar 1994 (IV ZR 51/93, NJW 1994, 931)
anderes ergibt, hält der nunmehr für das Schenkungsrecht zuständige
erkennende Senat hieran nicht fest. Allerdings lag in dem dort entschiedenen
Fall die Ausgangssituation insofern anders, als der dortige Kläger, der
seiner Nichte, der dortigen Beklagten, 50.000,- DM auf ein Sparkonto
überwiesen hatte, nunmehr seinerseits auch formal als Forderungsinhaber in
das Sparbuch eingetragen werden wollte. Deshalb kam es dort darauf an, ob
die Beklagte die Forderung ohne Rechtsgrund erlangt hatte. Der IV. Senat hat
die Frage, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der dortige Kläger habe
berechtigt sein sollen, über das Kontoguthaben zu Lebzeiten im eigenen
Interesse zu verfügen, ausdrücklich offengelassen, weil dies keiner
Entscheidung bedürfe. Im vorliegenden Fall kann die Frage nicht
unentschieden bleiben. Durfte der Beklagte zu seinen Lebzeiten im Verhältnis
zu den Klägern weiterhin über das Guthaben verfügen, so war eine solche
Absprache Rechtsgrund der von ihm getroffenen Verfügung über die
Sparguthaben. Dies ist danach zu beurteilen, welchen Zweck der Beklagte mit
der Anlegung der Sparbücher auf den Namen der Kläger verfolgt hat. War es
Zweck des Geschäfts, den Klägern für den Fall des Todes des Beklagten etwas
zuzuwenden, was aus dem Verhalten des Beklagten typischerweise zu schließen
ist, dann durfte der Beklagte im Verhältnis zu den Klägern über die
Sparguthaben weiterhin verfügen. Auf die Wirksamkeit der
Vollmachtserteilung, die das Berufungsgericht verneint hat, kommt es dann
nicht an. Entscheidend ist vielmehr, ob der Beklagte aufgrund der
Vereinbarung mit der Sparkasse einerseits und den Klägern, vertreten durch
ihre Eltern, andererseits über das Sparguthaben verfügen durfte. War er
hierzu berechtigt, so hat er nicht ohne Rechtsgrund über das Sparguthaben
verfügt; die Kläger haben dann keinen Bereicherungsanspruch gegen ihn.
Dies hat das Berufungsgericht, von seinem Standpunkt aus folgerichtig,
bisher nicht aufgeklärt, weil es der Frage nicht nachgegangen ist, ob der
Beklagte die Sparguthaben seinen Enkeln auf den Todesfall mit der Wirkung
zuwenden wollte, daß diese im Zeitpunkt des Todes des Beklagten Inhaber der
Sparguthaben werden sollten, soweit der Beklagte nicht vorher anderweitig
darüber verfügt hatte.
Das Berufungsgericht wird diese Aufklärung nunmehr nachzuholen haben.
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