Widerruf eines Vertrags über eine
Online-Partnervermittlung ("Parship"); keine (analoge) Anwendung von § 656
BGB auf Online-Partnervermittlungen; Widerrufsrecht gem. § 312g BGB
(Fernabsatzvertrag); Voraussetzungen der Wertersatzpflicht für bereits
erbrachte Leistungen nach § 357Abs. 8 BGB; Höhe des Wertersatzes
(zeitanteilige Berechnung); Verhältnis von Widerruf und Kündigung nach §§
627, 628 BGB; unberechtigte Geltendmachung einer Forderung als
Pflichtverletzung i.S.v. §§ 280, 241 II BGB
BGH, Urteil vom 17. Juni 2021 - III ZR 125/19 - LG
Hamburg
Fundstelle:
noch nicht bekannt
Amtl. Leitsatz:
§ 656 Abs. 1 BGB ist auf einen Vertrag über eine
Online-Partnervermittlung, bei der die Leistungspflicht des
Partnervermittlers vor allem darin besteht, Kunden einen unbeschränkten
Zugang zu seiner Internetplattform zu gewähren, auf der die Kunden
aus eigener Initiative einen Kontakt zu möglichen Partnern herstellen
können, und bei der die Partnervorschläge des Partnervermittlers allein auf
einem elektronischen Abgleich der nicht näher überprüften eigenen Angaben
der Kunden beruhen, nicht entsprechend anwendbar (Abgrenzung von Senat,
Urteile vom 4. März 2004 - III ZR 124/03, NJW-RR
2004, 778, 779 und vom 17. Januar 2008 - III
ZR 239/06, NJW 2008, 982 Rn. 21; BGH, Urteil vom 11. Juli 1990- IV ZR
160/89, BGHZ 112, 122, 126).
Zentrale Probleme:
Eine für die online-Partnervermittlung in jeder Hinsicht
wichtige Entscheidung. Der BGH hat in ständiger Rspr. die Regelung des § 656
BGB, welche Ehevermittlungsverträge als sog. "Naturalobligation"
qualifiziert (der Vermittlungslohn kann nicht gefordert, aber auch nicht
unter Berufung auf die Unverbindlichkeit zurückgefordert werden), analog auf
Partnerschaftsvermittlungsverträge angewendet (s. dazu BGH
vom 4. März 2004 - III ZR 124/03, NJW-RR 2004,
778, 779 und vom 17. Januar
2008 - III ZR 239/06, NJW 2008, 982). Für reine
online-Partnervermittlungen wird das in der vorliegenden Entscheidung wird
das aber nunmehr mit überzeugender Begründung verneint. Es habdelt sich also
um voll verbindliche Verträge. Da der Vertrag "im Internet" (d.h. als
Fernabsatzvertrag i.S.v. § 312c BGB) abgeschlossen wurde, hatte die Kundin
ein Widerrufsrecht nach § 312g BGB. Nach dessen Ausübung (am Folgetag des
Vertragsschlusses!) verlangte der Partnervermitller aber Wertersatz für
bereits erbrachte Leistungen. Das konnte er, weil die Voraussetzungen des §
357 Abs. 8 BGB vorlagen (ausdrückliches Verlangen des Verbrauchers der
Leistung vor Ablauf der Widerrufsfrist und entsprechende Belehrung über die
Wertersatzpflicht durch den Unternehmer). Damit ging es um die Höhe des
Wertesrsatzes. Die beklagte Online-Partnervemittlung verlangte 199,26 € (von
einem Gesamtentgelt iHv 265,68 € für eine Jahresabonnement, d.h. 75 % für
einen Tag!). Die Klägerin verlangt Feststellung, dass sie diesen Betrag
nicht schuldet (negative Feststellungsklage, § 256 ZPO) sowie Ersatz ihrer
Anwaltskosten. Der Senat stellt im Anschluss an
EuGH, Urteil vom 8. Oktober 2020 - C-641/19 fest, dass zur Bemessung des
Wertersatzes nach dem Widerruf eines Vertrags ist gemäß § 357 Abs. 8 Satz 4
BGB auf den im Vertrag vereinbarten Preis für die Gesamtheit der
vertragsgegenständlichen Leistungen abzustellen. Hiervon ausgehend ist der
geschuldete Betrag grundsätzlich zeitanteilig zu berechnen. Eine Ausnahme
hiervon gilt nur, wenn der geschlossene Vertrag ausdrücklich vorsieht, dass
eine oder mehrere der Leistungen gleich zu Beginn der Vertragsausführung
vollständig und gesondert zu einem getrennt zu zahlenden Preis erbracht
werden; nur unter dieser Voraussetzung könne der Verbraucher sachgerecht
entscheiden, ob er von dem Unternehmer verlangen soll, mit der Ausführung
der Dienstleistung während der Widerrufsfrist zu beginnen. Damit kam ein
Betrag von 1,46 € als Wertersatz heraus ... Von allgemeinem Interesse ist
auch der Anspruch der Klägerin auf Ersatz ihrer Anwaltskosten. Der Senat
folgert diesen aus §§ 280 I, 241 II BGB: Eine
Vertragspartei, die von der anderen Vertragspartei etwas verlangt, das ihr
nach dem Vertrag nicht geschuldet ist, verletzt ihre Pflicht zur
Rücksichtnahme nach § 241 Abs. 2 BGB (vgl. BGH,
Urteil vom 16. Januar 2009 - V ZR 133/08, BGHZ 179, 238 Rn. 17). Das ist
in Bezug auf das (nach § 280 I 2 BGB vermutete Verschulden) nicht ganz
unproblematisch (s. die Anm. zu
BGH, Urteil vom 16. Januar 2009 - V ZR 133/08):
Es muss lediglich eine Plausibilitätskontrolle stattfinden.
©sl 2021
Tatbestand:
1 Die Parteien streiten über einen Wertersatzanspruch
nach dem Widerruf eines Online-Partnervermittlungsvertrags.
2 Die
Beklagte betreibt eine Online-Partnervermittlung. Ihre Nutzer können
zwischen zwei Formen der "Mitgliedschaft" wählen, einer kostenlosen
Basis-Mitgliedschaft und einer zahlungspflichtigen Premium-Mitgliedschaft
mit unterschiedlichen Laufzeiten. Premium-Mitglieder erhalten unter anderem
die Möglichkeit, auf der Plattform unbegrenzt zu kommunizieren, sowie ein
automatisiert auf Basis von Algorithmen erstelltes ca. 50-seitiges
Persönlichkeitsgutachten ("Parship-Portrait"), das von Basis-Mitgliedern
gegen ein Entgelt von 149 € als Einzelleistung erworben werden kann. Zudem
werden Premium-Mitgliedern unmittelbar nach der Anmeldung mehrere
Partnervorschläge zugänglich gemacht. Schließlich können sie sich durch
einen sogenannten Profil-Check auf Verbesserungsmöglichkeiten für ihr Profil
hinweisen lassen. Dieser kostet für Basis-Mitglieder als Einzelleistung 49
€.
3 3 Die Klägerin erwarb am 12. Juli 2018 über die Website
der Beklagten eine Premium-Mitgliedschaft mit einer Laufzeit von 12
Monaten zum Preis von 265,68 €. Die Beklagte belehrte sie nach der
Musterwiderrufsbelehrung gemäß Art. 246a § 1 Abs. 2 Nr. 1 und 3 EGBGB. Die
Klägerin forderte die Beklagte auf, vor Ende der Widerrufsfrist mit der
Ausführung der Leistungen zu beginnen, nachdem sie über die Pflicht zum
Wertersatz "für die bis zum Widerruf erbrachten Leistungen" unterrichtet
worden war. Daraufhin erhielt die Klägerin das Persönlichkeitsgutachten
sowie Partnervorschläge und konnte die Plattform vollumfänglich nutzen.
4 Am 13. Juli 2018 erklärte die Klägerin den Widerruf.
Die Beklagte bestätigte diesen und machte zugleich einen Anspruch auf
Wertersatz für bis zur Erklärung des Widerrufs erbrachte Leistungen in Höhe
von 199,26 € geltend. Diese Summe zog die Beklagte vom Konto der Klägerin
ein; der Betrag wurde wieder zurückgebucht. Der Prozessbevollmächtigte der
Klägerin forderte die Beklagte daraufhin zum Verzicht auf Wertersatz auf,
was diese ablehnte.
5 Die Klägerin begehrt die Feststellung,
dass sie nicht verpflichtet sei, an die Beklagte 199,26 € zu zahlen, sowie
Erstattung der Anwaltskosten. Das Amtsgericht hat dem
Feststellungsantrag unter Abweisung der Klage im Übrigen hinsichtlich eines
Betrags von 197,80 € stattgegeben und die Beklagte zur Erstattung der
Anwaltskosten verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht
den Feststellungsausspruch auf 49,62 € reduziert. Im Übrigen ist die
Berufung der Beklagten ebenso wie die Anschlussberufung der Klägerin ohne
Erfolg geblieben. Das Berufungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil
zugelassen. Die Beklagte verfolgt mit ihrer Revision ihr
Klageabweisungsbegehren vollumfänglich weiter; die Klägerin hat zunächst
angekündigt, mit ihrem Rechtsmittel die Wiederherstellung des
amtsgerichtlichen Urteils erreichen zu wollen. In der Revisionsverhandlung
hat sie ihren Antrag dahin erweitert, dass sie mit der Revision auch ihre
Anschlussberufung weiterverfolge.
Entscheidungsgründe
6 Die zulässige Revision der Klägerin hat überwiegend Erfolg
und führt zur Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung. Die
Revision der Beklagten ist dagegen unbegründet.
I.
7 Das
Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt:
8 Der Beklagten
stehe nach § 357 Abs. 8 BGB ein Wertersatzanspruch in Höhe von 149,64 € zu.
Die Klägerin habe das ihr als Verbraucherin aufgrund des Vertragsabschlusses
über eine Online-Plattform nach § 312g Abs. 1, § 312c BGB zustehende
Widerrufsrecht innerhalb der 14-tägigen Widerrufsfrist gemäß § 355 Abs. 1
Satz 2 bis 4, Abs. 2 Satz 1 BGB wirksam ausgeübt.
9 Als Rechtsfolge
des Widerrufs seien gemäß § 355 Abs. 3 Satz 1 BGB die empfangenen Leistungen
zurückzugewähren. Der Beklagten stehe ein Wertersatzanspruch in Höhe von
149,64 € aus § 357 Abs. 8 Satz 1 BGB zu. Es liege ein Dienstvertrag
im Sinne dieser Vorschrift vor und die Klägerin habe ausdrücklich von der
Beklagten verlangt, vor Ablauf der Widerrufsfrist mit der Leistung
zu beginnen, nachdem sie ausreichend und eindeutig auf die Folgen des
Wertersatzes hingewiesen worden sei. Die Klägerin sei ordnungsgemäß nach
Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 3 BGB belehrt worden. Die Beklagte
habe in ihren AGB unter Ziffer 11.1 über das Widerrufsrecht und unter Ziffer
11.2 über die Widerrufsfolgen in der Weise belehrt, wie es dem Muster der
Anlage 1 zu Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 EGBGB im Falle eines Vertrags
zur Erbringung von Dienstleistungen entspreche.
10 Zur
Ermittlung der Höhe des Wertersatzes sei der vereinbarte Gesamtpreis in Höhe
von 265,68 € zugrunde zu legen (§ 357 Abs. 8 Satz 4 BGB). Der Klägerin sei
das Persönlichkeitsgutachten, das isoliert zu einem Preis von 149 € zu
erwerben gewesen sei, vor dem Widerruf zur Verfügung gestellt worden
und daher von ihr zu ersetzen. Dafür, dass der Wert bei der Bildung des
Gesamtpreises anders zu bewerten wäre, gebe es keine tragfähigen
Anhaltspunkte. Dagegen wirkten sich der Profilcheck, welcher außerhalb der
Premiummitgliedschaft 49 € kosten würde, sowie die übrigen in dem
Gesamtpreis enthaltenen Leistungen ausschließlich bei der Suche nach
Kontakten innerhalb der Vertragslaufzeit aus. Dieser Teil der Leistungen,
auf den 116,68 € entfielen (265,68 € minus 149 €), sei daher entsprechend
dem Zeitanteil an der vereinbarten Vertragslaufzeit (= 2/365) mit 0,64 € zu
bewerten, so dass sich ein Wertersatzanspruch in Höhe von insgesamt 149,64 €
ergebe.
11 Daraus, dass die Erklärung der Klägerin auch als
Kündigung gemäß § 627 Abs. 1 BGB zu verstehen sei, ergebe sich keine
geringere (oder höhere) Forderung der Beklagten. Bei den Leistungen
der Beklagten handele es sich im Sinne dieser Vorschrift um Dienste höherer
Art, die aufgrund eines besonderen Vertrauens übertragen würden. Aufgrund
der Kündigung der Klägerin stehe der Beklagten nach § 628 Abs. 1 Satz 1 BGB
ein ihren bisherigen Leistungen entsprechender Vergütungsanteil zu, der sich
ebenfalls auf 149,64 € belaufe.
12 Der Anspruch auf Zahlung
außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten folge aus dem Gesichtspunkt des
Verzugs.
II.
13 Die Revision der Klägerin ist - auch im
Hinblick auf die Erweiterung des Revisionsantrags in der
Revisionsverhandlung - zulässig. Sie hat jedoch nur insoweit Erfolg, als die
Klägerin die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils erstrebt; im
Übrigen ist sie - ebenso wie die zulässige Revision der Beklagten -
unbegründet.
14 1. Die Erweiterung der Revision durch die Klägerin
ist zulässig. Der Revisionsantrag kann in der mündlichen Verhandlung noch
geändert, insbesondere noch erweitert werden, sofern sich die Erweiterung im
Bereich des Anspruchs hält, der den Gegenstand der Revisionsbegründung
bildet (vgl. BGH, Urteile vom 22. Dezember 1953 - V ZR 6/51, BGHZ 12, 52, 67
f und vom 6. Oktober 1987 - VI ZR 155/86, NJW-RR 1988, 66 jew. mwN). Dies
ist hier der Fall. Die Klägerin stützt ihr Begehren, das Nichtbestehen eines
Wertersatzanspruchs der Beklagten insgesamt festzustellen, darauf, dass §
656 BGB entsprechend auf den zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag
anwendbar sei, so dass kein Vergütungsanspruch und damit auch kein
Wertersatzanspruch der Beklagten habe entstehen können. Diese Rechtsfrage
ist auch im Hinblick auf den Teil des Anspruchs zu prüfen, der Gegenstand
der ursprünglich beschränkten Revision der Klägerin war.
15 2. Durch
den Abschluss des Vertrages mit der Klägerin hat die Beklagte einen
Vergütungsanspruch erlangt, so dass auch ein Anspruch auf Ersatz des Wertes
ihrer Leistungen begründet werden konnte, ohne dass es darauf
ankommt, dass die Klägerin die Vergütung noch nicht gezahlt hatte. § 656 BGB
steht dem nicht entgegen, denn die Norm ist auf diesen Vertrag nicht
anwendbar.
16 a) § 656 Abs. 1 BGB bestimmt, dass durch das
Versprechen eines Lohnes für den Nachweis der Gelegenheit zur Eingehung
einer Ehe oder für die Vermittlung des Zustandekommens einer Ehe eine
Verbindlichkeit nicht begründet wird, das auf Grund des Versprechens
Geleistete jedoch nicht deshalb zurückgefordert werden kann, weil eine
Verbindlichkeit nicht bestanden hat. Der Bundesgerichtshof hat eine
entsprechende Anwendung der Vorschrift zunächst auf den Eheanbahnungs- und
schließlich auf den Partnerschaftsanbahnungsvertrag angenommen, weil die
Gründe, die den Gesetzgeber veranlasst haben, das erfolgsabhängige
Vergütungsversprechen für unklagbar zu erklären, in gleicher Weise auch auf
Dienstverträge zutreffen, die eine Eheanbahnung zum Gegenstand haben (BGH,
Urteil vom 25. Mai 1983 - IVa ZR 182/81, BGHZ 87, 309, 313). Dies hat der
Bundesgerichtshof später dahin näher erläutert, dass nach dem
Zustandekommen der Ehe die Honorarklage aus einem
Eheanbahnungs-Dienstvertrag den Bestand der Ehe und die Intimsphäre der
Ehegatten ebenso beeinträchtigen würde wie eine Klage auf Ehemäklerlohn.
Peinlichkeiten wären sogar in noch stärkerem Maße zu befürchten;
gerichtliche Auseinandersetzungen seien vor allem dann zu erwarten, wenn die
Bemühungen des Eheanbahners erfolglos geblieben seien, so dass häufig mit
dem Einwand zu rechnen sei, der Eheanbahner habe seine vertraglichen
Pflichten nicht gehörig erfüllt, indem er auf die in Frage kommenden Partner
nicht intensiv genug eingewirkt oder Personen benannt habe, die überhaupt
nicht an einer Eheschließung interessiert oder als Partner nicht geeignet
seien (BGH, Urteil vom 4. Dezember 1985 - IVa ZR 75/84, NJW 1986,
927, 928).
17 Diese Erwägungen hat der Bundesgerichtshof auf
die Partnerschaftsvermittlung übertragen, weil auch hier ein schützenswertes
Diskretionsbedürfnis des Kunden bestehe. Diesem habe das
Bundesverfassungsgericht bei der Beurteilung der Verfassungsgemäßheit des §
656 BGB Gewicht beigemessen (BGH, Urteil vom 11. Juli 1990 - IV ZR
160/89, BGHZ 112, 122, 126 unter Verweis auf BVerfGE 20, 31, 33 f).
Die Erwägungen zu Peinlichkeiten und Unzumutbarkeiten einer häufig
unumgänglichen Beweisaufnahme würden mindestens ebenso bei der Vermittlung
einer Partnerschaft gelten (BGH aaO). Der Senat hat
diese Rechtsprechung fortgeführt (Senat, Urteile
vom 4. März 2004 - III ZR 124/03, NJW-RR 2004,
778, 779 und vom 17. Januar 2008 - III ZR
239/06, NJW 2008, 982 Rn. 21).
18 b) Die Gründe, die zur
entsprechenden Anwendung des § 656 BGB auf einen Partnervermittlungsvertrag
geführt haben, gelten für den verfahrensgegenständlichen Vertrag über eine
"Online-Partnervermittlung" nicht. Hier besteht
die Leistungspflicht der Beklagten vor allem darin, ihren Kunden einen
unbeschränkten Zugang zu der von ihr betriebenen Plattform zu gewähren, auf
der diese aus eigener Initiative einen Kontakt zu möglichen Partnern
herstellen können. Diese Möglichkeit besteht bei einer herkömmlichen
Partnerschaftsvermittlung nicht. Zwar stellt auch die Beklagte ihren Kunden
Partnervorschläge zur Verfügung. Diese beruhen aber allein auf einem
elektronischen Abgleich der nicht näher überprüften eigenen Angaben der
Kunden. Eine individuelle, persönliche Auswertung findet nicht statt. Auch
eine Gewähr für die Richtigkeit dieser Angaben und damit für die Qualität
der Vorschläge übernimmt die Beklagte nicht. Es bestehen daher keine
Anhaltspunkte dafür, dass durch einen Rechtsstreit über
den Vergütungsanspruch der Beklagten in die Intimsphäre ihrer Kunden in
einer Weise eingegriffen würde, die vergleichbar mit der Situation bei einem
herkömmlichen Partnerschaftsvermittlungsvertrag wäre. Insbesondere ist eine
Beweisaufnahme darüber, ob die Beklagte auf die in Frage kommenden Partner
intensiv genug eingewirkt oder Personen benannt habe, die überhaupt nicht an
einer Partnerschaft interessiert oder hierfür nicht geeignet seien, nicht zu
erwarten, da insoweit keine Leistungspflichten der Beklagten bestehen.
19 Auch im Hinblick auf das von der Beklagten erstellte
Persönlichkeitsgutachten lässt sich eine entsprechende Anwendung des § 656
Abs. 1 BGB auf den vorliegenden Vertrag nicht begründen. Denn auch dieses
wird automatisiert auf Basis von Algorithmen allein anhand der von dem
Kunden eingegebenen Daten erstellt. Auch insofern besteht daher kein
Diskretionsbedürfnis, das durch eine Beweisaufnahme in gleicher Weise
betroffen wäre, wie dies bei einer auf persönlichem Kontakt beruhenden
Partnerschaftsvermittlung der Fall sein könnte.
20
Für den Profilcheck gilt nichts anderes. Die Parteien haben
übereinstimmend vorgetragen, dass die von der Beklagten betriebene
Online-Partnervermittlung ausschließlich automatisiert abläuft und ein
persönlicher Kontakt mit Mitarbeitern nicht zustande kommt.
21 3.
Auf der Grundlage des vom Berufungsgericht rechtsfehlerfrei
festgestellten Sachverhalts steht der Beklagten ein Wertersatzanspruch in
Höhe des vom Amtsgericht ermittelten Betrags von 1,46 € zu.
22 a) Voraussetzung für einen Anspruch des Unternehmers auf Wertersatz für
die bis zu einem Widerruf erbrachte Leistung aus einem Fernabsatzvertrag
ist nach § 357 Abs. 8 Satz 1 und 2 BGB, dass der Unternehmer den
Verbraucher gemäß Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 3 EGBGB über das
Widerrufsrecht informiert, ihm die Widerrufsbelehrung und das
Muster-Widerrufsformular in der Anlage 2 zum EGBGB in einer den benutzten
Fernkommunikationsmitteln angepassten Weise zur Verfügung gestellt oder in
geeigneter Weise zugänglich gemacht hat (Art. 246a § 4 Abs. 3 Satz 1 und 3
EGBGB; zu Art. 246a § 4 Abs. 2 Satz 1 EGBGB vgl. Senat, Urteil vom 6. Mai
2021 - III ZR 169/20, zur Veröffentlichung vorgesehen; BGH, Urteil vom 26.
November 2020 - I ZR 169/19, NJW-RR 2021, 177 Rn. 72) und der Verbraucher
von dem Unternehmer ausdrücklich verlangt hat, mit der Erbringung der
Dienstleistung vor Ablauf der Widerrufsfrist zu beginnen. Diese
Voraussetzungen liegen nach den von den Revisionen nicht angegriffenen
Feststellungen des Berufungsgerichts vor.
23 b) Zur Bemessung
des Wertersatzes nach dem Widerruf eines Vertrags ist gemäß § 357 Abs. 8
Satz 4 BGB auf den im Vertrag vereinbarten Preis für die Gesamtheit der
vertragsgegenständlichen Leistungen abzustellen. Hiervon
ausgehend ist der geschuldete Betrag nach der Rechtsprechung des
Gerichtshofs der Europäischen Union und des Senats grundsätzlich
zeitanteilig zu berechnen (EuGH, Urteil vom 8. Oktober 2020 -
C-641/19, NJW 2020, 3771 Rn. 26 ff; Senat, Urteile vom 6. Mai 2021 - III ZR
169/20 und vom 20. Mai 2021 - III ZR 126/19, jeweils zur Veröffentlichung
bestimmt). Eine Ausnahme hiervon gilt nur, wenn der geschlossene
Vertrag ausdrücklich vorsieht, dass eine oder mehrere der Leistungen gleich
zu Beginn der Vertragsausführung vollständig und gesondert zu einem getrennt
zu zahlenden Preis erbracht werden; nur unter dieser Voraussetzung kann der
Verbraucher sachgerecht entscheiden, ob er von dem Unternehmer verlangen
soll, mit der Ausführung der Dienstleistung während der Widerrufsfrist zu
beginnen (EuGH aaO Rn. 28 und Senat aaO).
24 Nach diesen
Vorgaben beläuft sich der zeitanteilig zu berechnende Anspruch der Beklagten
auf Wertersatz auf 1,46 € (= 265,68 € : 365 x 2).
25 Ein
Ausnahmefall, der eine Abweichung von einer zeitanteiligen Berechnung des
Werts der Leistungen der Beklagten rechtfertigen könnte, liegt nicht vor.
Eine Leistungspflicht der Beklagten, die vollständig und gesondert zu
einem getrennt zu zahlenden Preis erbracht werden soll, ist nicht
vorgesehen. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf das
Persönlichkeitsgutachten. Dass dieses von anderen Kunden zu einem Preis von
149 € erworben werden kann, ist unerheblich. Mit Kunden, die, wie die
Klägerin, eine Premium-Mitgliedschaft eingehen, wird eine solche
Vereinbarung nicht getroffen. Diesen Verbrauchern wird daher insbesondere
nicht vor Augen geführt, dass sie die Erstellung dieses Gutachtens im Fall
eines Widerrufs in dieser Höhe vergüten müssen, wenn sie von der Beklagten
verlangen, sofort mit der Ausführung der Dienstleistung zu beginnen.
26 4. Ein weitergehender Anspruch steht der Beklagten auch aus § 628 Abs.
1 Satz 1 BGB nicht zu. Dabei kann es dahinstehen, ob der Widerruf
zugleich als Kündigungserklärung auszulegen war, ob die Klägerin zu einer
Kündigung nach § 627 Abs. 1 BGB berechtigt war und wie die nach einer
solchen Kündigung gemäß § 628 Abs. 1 Satz 1 BGB geschuldete Vergütung zu
berechnen wäre. Der Schutzzweck der §§ 312c, 312d, 355, 357 BGB steht
jedenfalls einer Anwendung des § 628 Abs. 1 Satz 1 BGB entgegen, die dazu
führen würde, dass der Verbraucher im Fall der bloßen Ausübung seines
Widerrufsrechts Ansprüchen des Unternehmers ausgesetzt ist, die über die
gegebenenfalls nach § 357 Abs. 8 Satz 1 BGB geschuldete Verpflichtung zum
Wertersatz hinausgehen (vgl. Senat aaO).
27 5. Der
Anspruch der Klägerin auf Ersatz der Rechtsanwaltskosten folgt aus § 280
Abs. 1, § 241 Abs. 2 BGB. Eine Vertragspartei, die von der anderen
Vertragspartei etwas verlangt, das ihr nach dem Vertrag nicht geschuldet
ist, verletzt ihre Pflicht zur Rücksichtnahme nach § 241 Abs. 2 BGB
(vgl. BGH, Urteil vom 16. Januar 2009 - V ZR 133/08,
BGHZ 179, 238 Rn. 17). Mit der unberechtigten Geltendmachung des
weit überhöhten Wertersatzanspruchs hat die Beklagte daher ihre
(nachwirkenden) Pflichten aus dem Vertrag verletzt. Das Verschulden wird
gemäß § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB vermutet (siehe zum
Verschuldensmaßstab BGH aaO, Rn. 20). Dass das
Verschulden fehlte, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt; hiergegen
hat die Beklagte keine Revisionsrüge erhoben.
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