Pflichtverletzung (§ 241
II BGB) und Vertretenmüssen (§ 280 I 2 BGB) bei der unberechtigten
außergerichtlichen Geltendmachung von Forderungen und Gestaltungsrechten
BGH, Urteil vom 16. Januar
2009 - V ZR 133/08
Fundstelle:
NJW 2009, 1262
BGHZ 179, 238
Amtl. Leitsatz:
1. Eine Vertragspartei,
die von der anderen Vertragspartei etwas verlangt, das nach dem Vertrag
nicht geschuldet ist, oder ein Gestaltungsrecht ausübt, das nicht besteht,
verletzt ihre Pflicht zur Rücksichtnahme nach § 241 Abs. 2 BGB und handelt
im Sinne von § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB pflichtwidrig.
2. Im Sinne von § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB zu vertreten hat die Vertragspartei
diese Pflichtwidrigkeit aber nicht schon dann, wenn sie nicht erkennt, dass
ihre Rechtsposition in der Sache nicht berechtigt ist, sondern erst, wenn
sie diese Rechtsposition auch nicht als plausibel ansehen durfte.
Zentrale Probleme:
Eine grundsätzliche Entscheidung zur Frage der Haftung
eines Vertragspartners für die unberechtigte außergerichtliche
Geltendmachung von Forderungen oder Gestaltungsrechten. Der Senat
verallgemeinert die in BGH NJW 2008, 1147
aufgestellten Grundsätze (s. die dortige Anm. sowie
BGH NJW 2007, 1458). Kurz gefasst: Die unberechtigte Geltendmachung von
Rechten aus einem Vertragsverhältnis ist für sich genommen eine
Nebenpflichtverletzung nach § 241 II, d.h. eine erfolgsbezogene
Unterlassungspflicht. Besonderes Augenmerk ist aber dem Vertretenmüssen gem.
§ 280 I 2 BGB zu widmen: "Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (§
276 Abs. 2 BGB) entspricht der Gläubiger ... schon dann, wenn er prüft, ob
die Vertragsstörung auf eine Ursache zurückzuführen ist, die dem eigenen
Verantwortungsbereich zuzuordnen, der eigene Rechtsstandpunkt mithin
plausibel ist. Mit dieser Plausibilitätskontrolle hat es sein Bewenden.
Bleibt dabei ungewiss, ob tatsächlich eine Pflichtverletzung der anderen
Vertragspartei vorliegt, darf der Gläubiger die sich aus einer
Pflichtverletzung ergebenden Rechte geltend machen, ohne
Schadensersatzpflichten wegen einer schuldhaften Vertragsverletzung
befürchten zu müssen, auch wenn sich sein Verlangen im Ergebnis als
unberechtigt herausstellt." S. dazu auch BGH
v. 17.6.2021 - III ZR 125/19 sowie
BGH v. 19.4.2023 - XII ZR
24/22.
©sl 2009
Tatbestand:
1 Die beklagte Bauträgerin kaufte mit notariellem Kaufvertrag vom 8.
September 2005 von dem Kläger ein mit einem abzubrechenden Gebäude bebautes
Grundstück für 351 000 €. Das Grundstück sollte parzelliert und nach
Bebauung mit sechs Einfamilienhäusern weiterverkauft werden. Die Beklagte
sollte nach Vertragsschluss eine Bauvoranfrage einreichen. Weiter heißt es
in dem Vertrag:
„Sobald die Baugenehmigung zur Errichtung der Häuser nebst der Genehmigung
zur Teilung des Grundbesitzes insgesamt in die entsprechende Zahl
Baugrundstücke erteilt sind, ist der Kaufvertrag wirksam und die
Vertragsbeteiligten zur Erbringung der ihnen obliegenden Leistung
verpflichtet.“
2 Der Vollzug des Vertrags stockte, weil ein Nachbar gegen den der Beklagten
erteilten Bauvorbescheid Widerspruch einlegte. Außerdem machte, was dem
Kläger zunächst unbekannt blieb, die zuständige Behörde mit einem Schreiben
vom 13. Februar 2006 die Erteilung der für die vorgesehene Teilung des
Grundstücks erforderlichen Genehmigung von dem vorherigen Abbruch der
vorhandenen Bebauung auf dem Grundstück abhängig. Mit Rücksicht auf den
Nachbarwiderspruch vereinbarten die Parteien am 20. Februar 2006 in einem
notariell beurkundeten Ergänzungsvertrag eine Stundung des Kaufpreises bis
zur Erteilung der Baugenehmigung und weiter „ohne Anerkennung einer
Rechtspflicht seitens des Käufers“, dass „der aus abzuschließenden
Weiterverkäufen zu zahlende Kaufpreis in voller Höhe vorzeitig an den
Verkäufer zu zahlen ist“. Zu diesem Zeitpunkt war die Baugenehmigung noch
nicht beantragt.
3 Nach einem Schriftwechsel der Parteien wegen der Zahlung des Kaufpreises
ließ der Kläger die Beklagte mit anwaltlichen Schreiben vom 21. Juli 2006
und vom 3. August 2006 auffordern, den Kaufpreis bis zum 16. August 2006 zu
zahlen. Dem leistete die Beklagte mit der Begründung nicht Folge, die
Baugenehmigung sei wegen des schwebenden Widerspruchsverfahrens und der
fehlenden Teilungsgenehmigung noch nicht erteilt worden. Die Erteilung der
Teilungsgenehmigung setze den vorherigen Abriss der Gebäude voraus.
4 Mit Schreiben vom 23. August 2006 teilte die Bauaufsichtsbehörde dem
Kläger auf dessen Anfrage hin mit, dass ein Bauantrag noch nicht gestellt
worden sei. Die Beklagte ließ ihm mit einem Schreiben vom 5. September 2006
mitteilen, die Bauanträge seien selbstverständlich eingereicht. Daraufhin
erklärte der Kläger mit Schreiben vom 12. September 2006 unter Hinweis auf
treuwidriges Verhalten der Beklagten den Rücktritt vom
Grundstückskaufvertrag.
5 Gegen die auf Rückabwicklung des – inzwischen vollzogenen – Kaufvertrags
und auf Löschung eines Grundpfandrechts zugunsten eines Gläubigers der
Beklagten gerichtete, rechtskräftig abgewiesene Klage hat die Beklagte
Widerklage erhoben und von dem Kläger Ersatz der Kosten für ihre
Verteidigung gegen sein Zahlungsverlangen in Höhe von 3 301,20 € und gegen
seinen Rücktritt in Höhe von 1 660,60 € verlangt. Das Landgericht hat die
Widerklage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten
zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die von dem Oberlandesgericht
zugelassene Revision der Beklagten, mit welcher diese ihre Ansprüche
weiterverfolgt. Der Kläger beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe:
I.
6 Das Berufungsgericht hält die Widerklage für unbegründet. Ein allein in
Betracht kommender Anspruch aus § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB scheitere an einer
Pflichtverletzung des Klägers. Zwar seien sowohl die Zahlungsaufforderung
des Klägers als auch sein Rücktritt in der Sache nicht gerechtfertigt
gewesen, weil der Kaufpreis weder zum ersten noch zum zweiten Zeitpunkt
fällig gewesen sei. Das begründe aber allein eine Pflichtverletzung nicht.
Zwar habe der Bundesgerichtshof anerkannt, dass die unberechtigte
Geltendmachung gewerblicher Schutzrechte Schadensersatzansprüche auslösen
könne. Das lasse sich aber nicht verallgemeinern. Die Geltendmachung
unberechtigter Ansprüche löse in anderen Fällen ohne Hinzutreten besonderer
Umstände keine Schadensersatzverpflichtung aus. Wäre es anders, würde die
Geltendmachung von Ansprüchen mit einem hohen Haftungsrisiko belastet und
damit unzumutbar erschwert. Dieser Wertung stehe auch das Urteil des VIII.
Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 23. Januar 2008 (VIII
ZR 246/06, NJW 2008, 1147) nicht entgegen. Darin habe der
Bundesgerichtshof zwar entschieden, dass eine unberechtigte Aufforderung zur
Beseitigung von Mängeln eine Schadensersatzhaftung auslösen könne. Er habe
aber offen gelassen, ob das auch in anderen Fallgestaltungen gelte. Hier sei
der Kläger nicht gehalten gewesen, von seinem Zahlungsverlangen Abstand zu
nehmen. Nach den ihm bekannten Umständen habe er annehmen dürfen, die
Beklagte vereitele die Erteilung der Baugenehmigung. Im Ergebnis genauso
liege es bei dem unberechtigten Rücktritt. Eine unberechtigte Kündigung
werde zwar als Pflichtverletzung angesehen. Diese Rechtsprechung sei aber
für Mietverhältnisse entwickelt worden, bei denen eine unberechtigte
Kündigung häufig ein existentielles Problem darstelle. Sie lasse sich nicht
verallgemeinern. In anderen Fällen löse auch der unberechtigte Rücktritt nur
bei Hinzutreten besonderer Umstände eine Schadensersatzhaftung aus. Daran
fehle es hier.
II.
7 Diese Erwägungen halten einer revisionsrechtlichen Prüfung im Ergebnis
stand.
8 1. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass sich ein
Anspruch der Beklagten auf Ersatz ihrer vorprozessualen
Rechtsverteidigungskosten nur aus § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB unter dem
Gesichtspunkt der Verletzung vertraglicher Pflichten ergeben kann. Die
Geltendmachung unberechtigter Ansprüche und nicht bestehender Rechte kann
zwar unter verschiedenen rechtlichen Gesichtspunkten zu einem Ersatzanspruch
führen (dazu BGH, Urt.v. 12. Dezember 2006, VI
ZR 224/05, NJW 2007, 1458). Liegt sie aber – wie hier -darin, dass
der eine Partner eines (gegenseitigen) Vertrags aus diesem Vertrag Ansprüche
gegen den anderen Partner und Gestaltungsrechte ableitet, die ihm nach dem
Vertrag nicht zustehen, kommt allein ein Anspruch aus der Verletzung
vertraglicher Pflichten in Betracht.
9 2. Zu Unrecht verneint das Berufungsgericht schon die für eine Haftung
des Klägers nach § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB erforderliche Pflichtverletzung.
Diese liegt vor.
10 a) Zutreffend geht es allerdings davon aus, dass der Kläger von der
Beklagten weder am 21. Juli 2006 noch am 3. August 2006 Zahlung des
Kaufpreises verlangen konnte. Er war deshalb auch zu dem am 12. September
2006 erklärten Rücktritt von dem Kaufvertrag nicht berechtigt. Das lässt
sich zwar nur hinsichtlich des Rücktritts schon aus der rechtskräftigen
Abweisung der (auf Zustimmung zur Aufhebung des Kaufvertrags und Löschung
eines von der Beklagten bestellten Grundpfandrechts gerichteten) Klage
ableiten, folgt aber auch im Übrigen daraus, dass die Klage zu Recht
abgewiesen worden ist. Der Kaufpreis war nicht fällig, weil die
Baugenehmigung noch nicht erteilt und ihre Erteilung von der Beklagten nicht
treuwidrig hintertrieben worden war. Das wird von den Parteien nicht
angegriffen.
11 b) Nicht gefolgt werden kann dem Berufungsgericht aber in seiner weiteren
Überlegung, es fehle dennoch schon an einer Pflichtverletzung, weil der
Kläger Grund zu der Annahme gehabt habe, ihm stehe der Kaufpreis zu und er
dürfe wegen des Ausbleibens der Zahlung zurücktreten. Beides ändert an
der Pflichtwidrigkeit seines Verhaltens nichts.
12 aa) In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist, das ist dem
Berufungsgericht zuzugeben, anerkannt, dass allein in der Erhebung einer
Klage oder in der sonstigen Inanspruchnahme eines staatlichen, gesetzlich
geregelten Rechtspflegeverfahrens zur Durchsetzung vermeintlicher Rechte
weder eine unerlaubte Handlung im Sinne der §§ 823 ff. BGB ( BGHZ 36,
18, 20 f.; 74, 9, 15 f.; 95, 10, 18 ff.; 118, 201, 206; 148, 175, 181 f.;
154, 269, 271 ff.; 164, 1, 6; BGH, Urt.v. 23.
Januar 2008, VIII ZR 246/06, NJW 2008, 1147, 1148) noch eine zum
Schadensersatz verpflichtende Vertragsverletzung gesehen werden kann
(Senat, BGHZ 20, 169, 172; BGH, Urt.v. 20. März 1979, VI ZR 30/77, NJW 1980,
189, 190, insoweit in BGHZ 75, 1 nicht abgedruckt; Urt.v. 4. November 1987,
IVb ZR 83/86, NJW 1988, 2032, 2033; Senat , Urt.v. 12. November 2004, V ZR
322/03, NJW-RR 2005, 315, 316; BGH, Urt.v. 23. Januar 2008, aaO; vgl. auch
Zeiss, NJW 1967, 703, 706 f., a.A. Becker-Eberhard, Grundlagen der
Kostenerstattung, 1985, S. 99 ff.; Haertlein, Exekutionsintervention und
Haftung, 2008, S. 352 ff.; Kaiser NJW 2008, 1709, 1710 f.). Für die
Folgen einer nur fahrlässigen Fehleinschätzung der Rechtslage haftet der ein
solches Verfahren Betreibende außerhalb der im Verfahrensrecht vorgesehenen
Sanktionen grundsätzlich nicht, weil der Schutz des Prozessgegners
regelmäßig durch das gerichtliche Verfahren nach Maßgabe der gesetzlichen
Ausgestaltung gewährleistet wird ( BGH,
Urt.v. 23. Januar 2008, VIII ZR 246/06, NJW 2008, 1147, 1148). Ein
dadurch nicht abgedeckter Schaden ist damit auch materiellrechtlich nicht
ersatzfähig (Senat, BGHZ 20, 169, 172; BGHZ 74, 9, 15; 118, 201, 206 ).
Diese Rechtsprechung wird wesentlich von der Überlegung bestimmt, dass
andernfalls der freie Zugang zu staatlichen Rechtspflegeverfahren, an dem
auch ein erhebliches öffentliches Interesse besteht, in verfassungsrechtlich
bedenklicher Weise eingeschränkt würde.
13 bb) Richtig ist weiter, dass diese Überlegung teilweise auf die
außergerichtliche Geltendmachung einer nicht bestehenden Forderung
übertragen wird ( KG, Urt.v. 18. August 2005, 8 U 251/04, juris, Rdn.
142, im Ergebnis bestätigt durch BGH, Beschl.v. 7. Dezember 2006, IX ZR
167/05, juris; OLG Düsseldorf NJW-RR 1999, 746; Bamberger/Roth/Grüneberg/Sutschet,
BGB, 2. Aufl., § 241 Rdn. 54), und zwar auch in der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs ( BGH, Urt.v. 25. Oktober 1995, VIII ZR 258/94, NJW
1996, 389, 390; Beschl.v. 7. Dezember 2006, aaO; vor allem aber im
Vorlagebeschluss v. 12. August 2004, I ZR 98/02, NJW 2004, 3322, 3323).
Für diese Gleichstellung, die nicht immer näher begründet wird, werden im
Wesentlichen zwei Argumente angeführt: Zum einen könne die außergerichtliche
Geltendmachung von in Wirklichkeit nicht bestehenden Ansprüchen und Rechten
nicht anders behandelt werden als deren gerichtliche Geltendmachung. Zum
anderen gebe es auch in bestehenden Schuldverhältnissen ein Recht, in
subjektiv redlicher Weise – wenn auch unter fahrlässiger Verkennung der
Rechtslage – Ansprüche geltend zu machen, die sich als unberechtigt erwiesen
(KG aaO).
cc) Das erste Argument hat der Große Senat für Zivilsachen des
Bundesgerichtshofs in seinem Beschluss vom 15. Juli 2005 ( BGHZ 164, 1 )
zurückgewiesen. Anlass war der erwähnte Vorlagebeschluss des I.
Zivilsenats vom 12. August 2004 (I ZR 98/02, aaO), mit welchem dieser die
ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur unberechtigten
Schutzrechtsverwarnung in Frage gestellt hat. Nach dieser Rechtsprechung
kann eine unberechtigte außergerichtliche Schutzrechtsverwarnung einen
rechtswidrigen Eingriff in eine nach § 823 Abs. 1 BGB geschützte
Rechtsposition sowohl des Verwarnten als auch desjenigen Gewerbetreibenden
darstellen, dessen Kundenbeziehungen durch die unberechtigte Geltendmachung
eines Ausschließlichkeitsrechts gegenüber dem verwarnten Abnehmer
schwerwiegend beeinträchtigt werden ( BGHZ 2, 387, 393; 38, 200, 204 ff.;
62, 29, 31 ff.; 164, 1, 5 f.; BGH, Urt.v. 23. Februar 1995, I ZR 15/93,
NJW-RR 1995, 810, 811; Urt.v. 30. November 1995, IX ZR 115/94, NJW 1996,
397, 398, insoweit nicht in BGHZ 131, 233 abgedruckt; Urt.v. 13. April 2000,
I ZR 220/97, NJW 2000, 3716, 3717; RGZ 58, 24, 30 f.). Erfolgt der
Eingriff unmittelbar durch Anrufung der Gerichte, entfällt – wie auch sonst
– die Haftung ( BGHZ 164, 1, 6 ). Diese Privilegierung findet ihrer
Rechtfertigung zum einen in einer förmlichen Beteiligung des zu Unrecht in
Anspruch Genommenen an dem gerichtlichen Verfahren und zum anderen in der
verschuldensunabhängigen Haftung des Klägers nach §§ 717 Abs. 2, 945 ZPO für
den Fall einer Vollstreckung aus einem später geänderten vorläufig
vollstreckbaren Urteil ( BGHZ 164, 1, 7 f. ). An beidem fehlt es, wenn
eine unberechtigte Verwarnung außergerichtlich erfolgt. Bei der
unberechtigten Geltendmachung von Ansprüchen liegt es nicht anders.
15 dd) Das teilweise angenommene, von dem Berufungsgericht so genannte
„Recht auf Irrtum“ bei der unberechtigten Geltendmachung von Ansprüchen und
Rechten erkennt der Bundesgerichtshof bei bestehenden Schuldverhältnissen
nicht an. Er geht im Gegenteil davon aus, dass sie gerade hier im
Grundsatz pflichtwidrig ist.
16 (1) Anerkannt ist das, was auch das Berufungsgericht nicht übersieht, für
die unberechtigte Kündigung. Kündigt der Vermieter das Mietverhältnis, ohne
dass ein Kündigungsgrund besteht, kann er zum Ersatz des daraus entstehenden
Schadens verpflichtet sein ( BGHZ 89, 296, 301 ff.; BGH, Urt.v. 14. Januar
1988, IX ZR 265/86, NJW 1988, 1268, 1269; Urt.v. 18. Mai 2005, VIII ZR
368/03, NJW 2005, 2395, 2396). Entsprechendes gilt, wenn der Vermieter, ohne
zu kündigen, unberechtigt Räumung verlangt ( BGH, Urt.v. 28. November 2001,
XII ZR 197/99, NJW-RR 2002, 730, 731). Das ergibt sich in diesen
Fallkonstellationen allerdings schon daraus, dass der Vermieter mit der
Kündigung bzw. dem Räumungsverlangen das Besitzrecht des Mieters in Frage
stellt und damit zugleich seine eigene vertragliche Leistungspflicht zur
Überlassung der Mietsache verletzt. Ähnlich liegt es bei dem Käufer, der
den Vertrag unberechtigt „annulliert“ (RGZ 57, 105, 113), oder dem
Verkäufer, der sich unberechtigt weigert, den Käufer weiter zu beliefern (RGZ
67, 313, 317). Auf einen solchen – bei der Geltendmachung von nicht
bestehenden Ansprüchen fehlenden – Bezug zu der Nichterfüllung eigener
Leistungspflichten kommt es aber nicht entscheidend an. Vielmehr kommt
eine Haftung auf Schadensersatz nach § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB auch dann in
Betracht, wenn eine Vertragspartei, ohne eigene Leistungspflichten zu
verletzen, unberechtigte Ansprüche an die andere Vertragspartei stellt (
BGH, Urt.v. 12. Dezember 2006, VI ZR 224/05, NJW 2007, 1458 f.; ebenso OLG
Braunschweig, OLG-Report 2001, 196, 198; LG Zweibrücken NJW-RR 1998, 1105,
1106; AG Münster NJW-RR 1994, 1261, 1262 [für cic]; Palandt/Heinrichs, BGB,
68. Aufl., § 280 Rdn. 27; Hösl, Kostenerstattung bei außerprozessualer
Verteidigung gegen unberechtigte Rechtsverfolgung, 2004, S. 85 f.; Kaiser,
NJW 2008, 1709, 1711). Dies hat der Bundesgerichtshof bei einem
unberechtigten Mängelbeseitigungsverlangen angenommen (Urt.v.
23. Januar 2008, VIII ZR 246/06, NJW 2008, 1147, 1148). Für ein
unberechtigtes Zahlungsverlangen gilt nichts anderes.
17 (2) Eine Vertragspartei, die von der anderen Vertragspartei etwas
verlangt, das ihr nach dem Vertrag nicht geschuldet ist, oder ein
Gestaltungsrecht ausübt, das nicht besteht, verletzt ihre Pflicht zur
Rücksichtnahme nach § 241 Abs. 2 BGB (BGH,
Urt.v. 23. Januar 2008, aaO; a.A. Hösl, aaO, S. 34:
Leistungstreuepflicht). Danach hat jede Vertragspartei auf die Rechte und
Interessen der anderen Partei Rücksicht zu nehmen. Zu diesen Rechten und
Interessen gehört auch das Interesse des Schuldners, nicht in weitergehendem
Umfang in Anspruch genommen zu werden als in dem Vertrag vereinbart. Wie der
Gläubiger von dem Schuldner die uneingeschränkte Herbeiführung des
Leistungserfolgs beanspruchen kann, darf der Schuldner von dem Gläubiger
erwarten, dass auch er die Grenzen des Vereinbarten einhält (im Ergebnis
ebenso Hösl aaO; Haertlein, MDR 2009, 1, 2; zu dem Argument der
Waffengleichheit auch derselbe in Exekutionsintervention und Haftung, 2008,
S. 362 f., 383 ff.).
18 ee) Nach diesen Maßstäben waren sowohl die Aufforderung des Klägers an
die Beklagte zur Zahlung des Kaufpreises als auch sein Rücktritt vom Vertrag
nicht nur sachlich unbegründet, sondern auch im Sinne von § 280 Abs. 1 Satz
1 BGB pflichtwidrig.
19 3. Eine Haftung des Klägers aus § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB scheidet aber
nach § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB aus, weil er nicht fahrlässig gehandelt und die
Verletzung seiner Pflichten nach § 276 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB nicht zu
vertreten hat.
20 a) Fahrlässig handelt der Gläubiger nämlich nicht schon dann, wenn er
nicht erkennt, dass seine Forderung in der Sache nicht berechtigt ist. Die
Berechtigung seiner Forderung kann sicher nur in einem Rechtsstreit geklärt
werden. Dessen Ergebnis vorauszusehen kann von dem Gläubiger im Vorfeld oder
außerhalb eines Rechtsstreits nicht verlangt werden. Das würde ihn in diesem
Stadium der Auseinandersetzung überfordern und ihm die Durchsetzung seiner
Rechte unzumutbar erschweren (Haertlein, MDR 2009, 1, 2 f.). Der im
Verkehr erforderlichen Sorgfalt (§ 276 Abs. 2 BGB) entspricht der Gläubiger
nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vielmehr schon dann, wenn er
prüft, ob die Vertragsstörung auf eine Ursache zurückzuführen ist, die dem
eigenen Verantwortungsbereich zuzuordnen, der eigene Rechtsstandpunkt mithin
plausibel ist (vgl. BGH, Urt.v. 23. Januar
2008, VIII ZR 246/06, NJW 2008, 1147, 1148). Mit dieser
Plausibilitätskontrolle (ähnlich Kaiser, NJW 2008, 1709, 1712:
Evidenzkontrolle) hat es sein Bewenden. Bleibt dabei ungewiss, ob
tatsächlich eine Pflichtverletzung der anderen Vertragspartei vorliegt, darf
der Gläubiger die sich aus einer Pflichtverletzung ergebenden Rechte geltend
machen, ohne Schadensersatzpflichten wegen einer schuldhaften
Vertragsverletzung befürchten zu müssen, auch wenn sich sein Verlangen im
Ergebnis als unberechtigt herausstellt (BGH, Urt.v. 23. Januar 2008, aaO;
Haertlein, MDR 2009, 1, 2).
21 b) Gemessen an diesen Anforderungen hat der Kläger weder sein
unberechtigtes Zahlungsverlangen noch seinen unberechtigten Rücktritt zu
vertreten, weil er weder im einen noch im anderen Fall fahrlässig gehandelt
hat.
22 aa) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hatte der Kläger Grund
zu der Annahme, die Beklagte führe die Erteilung der Baugenehmigung als
Voraussetzung der Fälligkeit des Kaufpreisanspruchs treuwidrig nicht herbei.
Er habe auch angesichts der ihm berichteten Bekundung von Erwerbsinteresse
durch vier Käufer annehmen dürfen, der Nachbarwiderspruch habe in den seit
der Änderung des Kaufvertrags verstrichenen Monaten erledigt werden können.
Auf das Erfordernis seiner Zustimmung zum Abbruch der vorhandenen Bebauung
sei er erst im Anschluss an seine Zahlungsaufforderungen hingewiesen worden,
obwohl dies schon seit Monaten bekannt gewesen sei. Die Auskunft der
Beklagten in ihrem Schreiben vom 5. September 2006, der Bauantrag sei
„selbstverständlich“ gestellt, habe den Verdacht des Klägers, die Erteilung
der Baugenehmigung werde von der Beklagten hintertrieben, verstärken müssen.
Durch eine Mitteilung der zuständigen Behörde vom 23. August 2006 sei er
nämlich darüber unterrichtet worden, dass der Antrag bis dahin in
Wirklichkeit nicht gestellt worden war. Das genügt der gebotenen
Plausibilitätskontrolle.
23 bb) Diese Feststellungen hat das Berufungsgericht zwar nicht unter dem
Gesichtspunkt der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt getroffen. Das ist aber
unerheblich, weil es unter dem Gesichtspunkt besonderer Umstände, die aus
seiner – von dem Senat nicht geteilten – Sicht für die Annahme einer
Pflichtverletzung erforderlich sind, eine inhaltlich entsprechende Prüfung
angestellt hat.
cc) Diese tatrichterliche Würdigung ist revisionsrechtlich nur eingeschränkt
überprüfbar (dazu: BGH, Urt.v. 14. Oktober 2003, VI ZR 425/02, NJW-RR 2004,
425, 426; Senat , Urt.v. 26. November 2004, V ZR 119/04, Mitt-BayNot 2005,
395; Urt.v. 5. Mai 2006, V ZR 236/05, NJW-RR 2006, 1242). Sie ist in diesem
Rahmen entgegen der Annahme der Revision nicht zu beanstanden.
25 (1) Das Berufungsgericht habe, so meint die Revision, nicht gewürdigt,
dass sich der Kläger in seiner Zahlungsaufforderung im Schreiben vom 21.
Juli 2006 nicht darauf beschränkt habe, seine Ansicht darzustellen oder die
Beklagte nur zur Zahlung aufzufordern. Vielmehr habe er der Beklagten eigene
Obliegenheits- und Pflichtverletzungen vorgeworfen und mit der
Rückabwicklung des Vertrags gedroht. Damit habe er sie bei ihren
Vermarktungsbemühungen massiv behindert. Dabei übergeht die Revision, dass
der Kläger die Beklagte in seinem Schreiben zunächst nur mit einem – durch
das Schweigen der Beklagten zur Baugenehmigung zudem begründeten – Verdacht
konfrontiert und ihr Gelegenheit gegeben hat, diesen Verdacht zu zerstreuen.
Die Rückabwicklung des Vertrags war auch nur für den Fall angekündigt, dass
sich die Beklagte weiterhin zum Stand des Baugenehmigungsverfahrens
ausschweige. Damit genügte der Kläger der gebotenen Sorgfalt.
26 (2) Das Berufungsgericht habe, so rügt die Revision weiter,
unberücksichtigt gelassen, dass die Auslegung der Fälligkeitsregelung im
Kaufvertrag der Parteien nicht einfach zu durchschauen sei. Es habe sich
auch nicht mit der Auslegung dieser Klausel befasst. Diese Überlegung stellt
die Würdigung des Berufungsgerichts nicht in Frage; es bestätigt sie
vielmehr. Wenn nämlich die Rechtslage schwierig zu überblicken und die
eigene Rechtsposition jedenfalls vertretbar ist, muss sich der Gläubiger
nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gerade nicht zurückhalten;
es kann ihm nicht vorgehalten werden, seinen eigenen Standpunkt zu vertreten
(Urt.v. 23. Januar 2008, VIII ZR 246/06, NJW 2008, 1147, 1148). Dass dies
mit – hier zudem nicht übertriebenem – Nachdruck geschieht, ändert daran
nichts. Schon deshalb kam es nicht darauf an, wie die Klausel auszulegen
ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht, wenn auch aus prozessualen
Gründen, in Übereinstimmung mit der Sichtweise der Beklagten davon
ausgegangen, dass die Fälligkeit nicht eingetreten war.
27 (3) Schließlich habe das Berufungsgericht die Rücksichtslosigkeit und
Beharrlichkeit außer Betracht gelassen, mit der der anwaltlich vertretene
Kläger an seiner Rechtsauffassung festgehalten habe. Diese Bewertung stützt
die Revision auf den Umstand, dass der Kläger der Bitte der Beklagten um
Verlängerung der im Schreiben vom 21. Juli 2006 gesetzten Äußerungsfrist
nicht entsprochen, sondern sie erneut, diesmal unter Fristsetzung, zur
Zahlung aufgefordert hat. Ob dieser Umstand die Bewertung der Revision
trägt, ist zweifelhaft, kann aber offen bleiben. Es kommt nämlich nicht
darauf an, in welcher Form der Kläger sein Anliegen vertritt, sondern
darauf, ob er seinen Rechtsstandpunkt in der Sache für vertretbar halten
durfte. Das ist nach den nicht zu beanstanden Feststellungen des
Berufungsgerichts der Fall.
28 4. Die von der Beklagten geltend gemachten Rechtsberatungskosten
könnten schließlich auch nur ersatzfähig sein, wenn sie durch die
Pflichtverletzung des Klägers adäquat kausal verursacht worden sind. Das
kann wiederum nur angenommen werden, wenn damit zu rechnen war, dass die
Beklagte Rechtsrat einholte, bevor sie sich mit dem von dem Kläger zur
Begründung seines Vorgehens angeführten Verdacht befasste, sie hintertreibe
die Erteilung der Baugenehmigung (vgl. zu diesem Gesichtspunkt Senat ,
Urt.v. 18. Januar 2008, V ZR 174/06, NJW 2008, 1658, 1660). Das ist
zweifelhaft, bedarf aber keiner Entscheidung, da eine Haftung des Klägers
schon dem Grunde nach ausscheidet.
III.
29 Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO
|