Außerordentliche Kündigung (§ 314 BGB eine
Fitnessstudiovertrags im Zuge der Covid-19-Pandemie; unberechtigte
Geltendmachung von Ansprüchen als Nebenpflichtverletzung nach § 241 II BGB
BGH, Urteil vom 19. April 2023 - XII ZR 24/22 - LG
Göttingen
Fundstelle:
noch nicht bekannt
Amtl. Leitsatz:
Die außerordentliche Kündigung eines
Fitnessstudiovertrags durch den Kunden mit der Begründung, er könne wegen
pandemiebedingten Betriebsschließungen und -beschränkungen das Fitnessstudio
nicht im vertraglich vereinbarten Umfang nutzen, kommt nur im Ausnahmefall
in Betracht.
Zentrale Probleme:
Eine über die Pandemie-Situation hinaus lehrreiche
Entscheidung zur außerordentlichen Kündigung eines Fitnessstudiovertrags
nach § 314 BGB, s. dazu auch die Anm. zu
Senatsurteil vom 4. Mai 2016 - XII ZR 62/15. und
BGHZ 233, 266. Zur Problematik des § 241 II
BGB s. die Anm. zu
BGHZ 179, 238.
©sl 2023
Tatbestand:
1 Die Parteien streiten über den Zeitpunkt der
Beendigung eines Fitnessstudiovertrags im Zusammenhang mit der
COVID-19-Pandemie.
2 Die Parteien schlossen am 6. Dezember 2019 einen
Vertrag über die Mitgliedschaft der Klägerin im Fitnessstudio der Beklagten
mit einer Laufzeit von 100 Wochen, beginnend ab dem 11. Dezember 2019. Der
Mitgliedsbeitrag für vier Wochen betrug 34,95 €. Aufgrund der Maßnahmen zur
Bekämpfung der COVID-19-Pandemie musste die Beklagte das Fitnessstudio in
der Zeit vom 17. März 2020 bis Mitte Mai 2020 (erster Lockdown) schließen.
Die Mitgliedsbeiträge für diesen Zeitraum zog sie weiterhin vom Konto der
Klägerin ein. Sie bot der Klägerin aber kostenlose Trainingswochen nach
Wiedereröffnung des Fitnessstudios an. Am 31. Mai 2020 unterzeichnete die
Klägerin einen von der Beklagten vorbereiteten „Ruhezeitantrag“ über eine
Unterbrechung der Mitgliedschaft für zehn Wochen. Nach der Wiedereröffnung
des Fitnessstudios bestanden aufgrund der hoheitlichen Maßnahmen zur
Bekämpfung der COVID-19-Pan-demie verschiedene Nutzungseinschränkungen,
insbesondere konnten die Duschen und die Sauna nicht genutzt werden.
Aufgrund § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 der am 2. November 2020 in Kraft
getretenen Niedersächsischen Verordnung über Maßnahmen zur Eindämmung des
Corona-Virus SARS-CoV-2 (Niedersächsische Corona-Verordnung) vom 30. Oktober
2020 musste die Klägerin das Fitnessstudio erneut schließen. Während dieses
zweiten Lockdowns, der bis zum 31. Mai 2021 dauerte, zog die Beklagte keine
Mitgliedsbeiträge ein.
3 Mit Schreiben vom 25. November 2020 kündigte
die Klägerin ihre Mitgliedschaft zum 30. November 2020. Die Beklagte wies
die Kündigung zurück.
4 Im vorliegenden Verfahren begehrt die
Klägerin die Feststellung, dass das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien
infolge der Kündigung vom 25. November 2020 mit Ablauf des 30. November
2020, hilfsweise mit Ablauf des 16. November 2021, weiter hilfsweise mit
Ablauf des 25. Januar 2022 beendet wurde. Das Amtsgericht hat der Klage
unter Klageabweisung im Übrigen im Hinblick auf den zweiten Hilfsantrag
stattgegeben. Das Landgericht hat die Berufungen beider Parteien
zurückgewiesen. Mit der vom Landgericht zugelassenen Revision möchte die
Klägerin weiterhin die Feststellung erreichen, dass das Vertragsverhältnis
zwischen den Parteien infolge der Kündigung vom 25. November 2020 mit Ablauf
des 30. November 2020 geendet hat.
Entscheidungsgründe:
5 Die Revision hat keinen Erfolg.
I. 6 Das
Landgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:
7 Die
Kündigung der Klägerin vom 25. November 2020 habe nicht zu einer vorzeitigen
Beendigung des Vertragsverhältnisses geführt. Nach § 314 Abs. 1 BGB könne
jeder Vertragsteil ein Dauerschuldverhältnis aus wichtigem Grund ohne
Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen. Bei der Frage, ob der
Klägerin eine Fortsetzung des Vertrages bis zu dessen regulärem Ende
zumutbar gewesen sei oder nicht, komme es entscheidend darauf an, welche
rechtlichen Folgen der erneute Lockdown für das Vertragsverhältnis gehabt
habe.
8 Während des zweiten Lockdowns sei die Beklagte wegen
rechtlicher Unmöglichkeit nach § 275 Abs. 1 BGB von ihrer Verpflichtung zur
Erbringung der geschuldeten Leistung frei geworden, da hier kein
Fall einer nur vorübergehenden Unmöglichkeit vorliege. Deshalb sei die
Klägerin ihrerseits nach §§ 275 Abs. 4, 326 Abs. 1 Satz 1 BGB für die Dauer
der Schließung nicht mehr zur Zahlung der Beiträge verpflichtet gewesen.
Auch habe die ungewisse Dauer des zweiten Lockdowns nicht dazu geführt, dass
sich das Vertragsende auf unabsehbare Zeit nach hinten „verschoben“ hätte,
weil die Monate des Lockdowns an den Vertrag „angehängt“ würden.
Eine solche „Verlängerung“ des Vertrages unter Heranziehung der Grundsätze
der Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB scheide aus, weil § 313
BGB gegenüber den Regelungen betreffend die Unmöglichkeit nach § 275 Abs. 1
BGB und die sich aus § 275 Abs. 4 BGB ergebenden Rechtsfolgen subsidiär sei.
Damit habe für die Klägerin im Zeitpunkt der Kündigungserklärung und des
zweiten Lockdowns im Wesentlichen nur die Ungewissheit bestanden, wann der
zweite Lockdown ende und wann sie die Einrichtung der Beklagten wieder
nutzen könne. Diese Ungewissheit sei für die Klägerin hinnehmbar gewesen.
Auch der Umstand, dass in einem Fitnessstudio das Risiko einer Ansteckung
mit dem Corona-Virus bestanden habe, rechtfertige keine außerordentliche
Kündigung. Vielmehr handele es sich hierbei wie bei dem Auftreten einer
jeden neuen Krankheit um ein allgemeines Lebensrisiko.
9 Die reguläre
Vertragslaufzeit von 100 Wochen habe sich jedoch aufgrund des von der
Klägerin unstreitig unterschriebenen „Ruhezeitantrags“ um zehn Wochen
verlängert, so dass das Vertragsverhältnis erst mit Ablauf des 25.
Januar 2022 beendet worden sei.
II.
10 Diese Ausführungen
halten rechtlicher Nachprüfung stand. Zu Recht hat das Berufungsgericht
festgestellt, dass der zwischen den Parteien abgeschlossene
Fitnessstudiovertrag trotz der von der Klägerin erklärten außerordentlichen
Kündigung erst mit Ablauf der vertraglich vereinbarten und einverständlich
verlängerten Laufzeit zum 25. Januar 2022 beendet wurde.
11 1.
Unabhängig von der rechtlichen Einordnung eines
Fitnessstudiovertrags als Miet-, Dienst- oder typengemischter Vertrag
(vgl. Senatsurteil vom 8. Februar 2012 -
XII ZR 42/10 - NJW 2012, 1431 Rn. 17 f. mwN) handelt es sich dabei um
ein Dauerschuldverhältnis, bei dem dem Kunden grundsätzlich
ein Recht zur außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund zusteht (vgl.
Senatsurteil vom 4. Mai 2016 - XII ZR 62/15 -
NJW 2016, 3718 Rn. 11). Nach den im Wortlaut im Wesentlichen
übereinstimmenden Vorschriften der §§ 626 Abs. 1, 543 Abs. 1 BGB und § 314
Abs. 1 BGB setzt das Recht zur außerordentlichen Kündigung eines
Dauerschuldverhältnisses voraus, dass dem Kündigenden unter Berücksichtigung
aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der beiderseitigen
Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten
Beendigung oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht zugemutet werden
kann (vgl. Senatsurteil vom 4. Mai 2016 -
XII ZR 62/15 - NJW 2016, 3718 Rn. 12). Dies ist im Allgemeinen
nur dann anzunehmen, wenn die Gründe, auf die die Kündigung gestützt wird,
im Risikobereich des Kündigungsgegners liegen. Wird der
Kündigungsgrund aus Vorgängen hergeleitet, die dem Einfluss
des Kündigungsgegners entzogen sind, rechtfertigt dies nur in Ausnahmefällen
die fristlose Kündigung. Die Abgrenzung der Risikobereiche ergibt sich dabei
aus dem Vertrag, dem Vertragszweck und den anzuwendenden gesetzlichen
Bestimmungen (BGHZ 196, 285 = NJW
2013, 2021 Rn. 17 mwN).
12 Für den Bereich der
Gewerberaummiete hat der Senat bereits mehrfach ausgesprochen, dass ohne
entsprechende vertragliche Regelungen Belastungen infolge staatlicher
Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie regelmäßig weder der Sphäre
des Vermieters noch derjenigen des Mieters zuzuordnen sind (vgl.
Senatsurteile BGHZ 232, 178 = NJW 2022, 1370 Rn.
54 ff.; vom 16. Februar 2022 - XII ZR 17/21 - NJW 2022, 1378 Rn. 30; vom 2.
März 2022 - XII ZR 36/21 - NJW 2022, 1382 Rn. 32 und vom 23. November 2022 -
XII ZR 96/21 - NJW-RR 2023, 348 Rn. 27). Nichts Anderes gilt für
Fitnessstudioverträge. Auch hier sind pandemiebedingte Betriebsschließungen
und -beschränkungen eine Folge der umfangreichen staatlichen Eingriffe in
das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben zur Bekämpfung der
COVID-19-Pandemie, für die keine der beiden Vertragsparteien verantwortlich
gemacht und daher das damit verbundene Risiko regelmäßig keiner
Vertragspartei allein zugewiesen werden kann. Die außerordentliche
Kündigung eines Fitnessstudiovertrags durch den Kunden mit der Begründung,
er könne wegen pandemiebedingter Betriebsschließungen und -beschränkungen
das Fitnessstudio nicht im vertraglich vereinbarten Umfang nutzen, kommt
daher nur im Ausnahmefall in Betracht (vgl. Bacher MDR 2020, 514, 519).
13 Ob nach diesen Kriterien bestimmte Umstände als wichtiger Grund für
eine fristlose Kündigung zu werten sind, hat in erster Linie der Tatrichter
zu entscheiden. Die revisionsgerichtliche Kontrolle erstreckt sich allein
darauf, ob das Tatsachengericht den Rechtsbegriff des wichtigen Grundes
richtig erfasst, ob es aufgrund vollständiger Sachverhaltsermittlung
geurteilt und ob es in seine Wertung sämtliche Umstände des konkreten Falles
einbezogen hat (Senatsurteil BGHZ 208, 357 = NJW 2016, 2652 Rn. 40 f. mwN).
14 2. Nach diesen Maßstäben sind die Würdigung des Berufungsgerichts und
die ihr zugrundeliegende Interessenabwägung nicht zu beanstanden.
15
a) Zu Recht hat das Berufungsgericht bei seinen Erwägungen, ob der Klägerin
ein weiteres Festhalten an dem Vertrag unzumutbar ist, maßgeblich
darauf abgestellt, dass diese bei Abgabe der Kündigungserklärung für
die Zeit der Schließung des Fitnessstudios anlässlich des zweiten Lockdowns
keine wirtschaftlichen Belastungen befürchten musste.
16 Der
Senat hat nach Erlass des angefochtenen Berufungsurteils entschieden, dass
es dem Betreiber eines Fitnessstudios in dem Zeitraum, in dem er aufgrund
hoheitlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie sein Studio
schließen musste, rechtlich unmöglich iSv § 275 Abs. 1 BGB war,
seinen Kunden die Möglichkeit zur vertragsgemäßen Nutzung des Fitnessstudios
zu gewähren und damit seine vertraglich geschuldete Hauptleistungspflicht zu
erfüllen. Dies führt dazu, dass der Betreiber des Fitnessstudios während des
Schließungszeitraums von seiner Leistungsverpflichtung frei wurde, er aber
gemäß § 326 Abs. 1 Satz 1 BGB seinen Anspruch auf die Gegenleistung verlor
und bereits gezahltes Nutzungsentgelt zurückerstatten muss (vgl.
Senatsurteil BGHZ 233, 266 = NZM 2022, 514 Rn.
15 ff. mwN). Deshalb musste die Klägerin im vorliegenden Fall
während des Zeitraums der erneuten Schließung des Fitnessstudios ab dem 2.
November 2020 bis zu dessen Wiedereröffnung nach Ende des zweiten Lockdowns
keine Zahlungen mehr an die Beklagte erbringen. Da diese nach den
getroffenen Feststellungen während des erneuten Schließungszeitraums auch
keine Beiträge mehr einzog, musste die Klägerin zudem nicht fürchten,
zu Unrecht geleistete Beiträge nicht mehr zurückzuerhalten und damit das
Insolvenzrisiko der Beklagten tragen zu müssen. Eine
weitere Bindung der Klägerin an den abgeschlossenen Fitnessstudiovertrag
bedeutete für sie mithin nur, dass sie für die Dauer des zweiten Lockdowns
zwar an den abgeschlossenen Vertrag gebunden war, ohne das Fitnessstudio
nutzen zu können. Von der Verpflichtung zur Zahlung des Nutzungsentgelts war
sie jedoch befreit. Dass das Berufungsgericht unter diesen
Umständen ein weiteres Festhalten an dem Vertrag für zumutbar gehalten hat,
hält sich im Rahmen tatrichterlicher Verantwortung und ist rechtlich nicht
zu beanstanden.
17 b) Insoweit vertritt die Revision ohne Erfolg die
Auffassung, das Berufungsgericht habe bei seinen Erwägungen zur Zumutbarkeit
den Blick auf die reinen wirtschaftlichen Interessen der Klägerin verengt
und nicht berücksichtigt, dass die Klägerin damit an einen für sie
sinnlos gewordenen Vertrag gebunden und für eine Umorientierung zu anderen
sportlichen Aktivitäten und Freizeitbeschäftigungen blockiert worden sei.
18 Zwar trifft es zu, dass bei einem Fitnessstudiovertrag mit
mehrmonatiger fester Vertragslaufzeit gegen Zahlung eines monatlich fällig
werdenden Entgelts der Betreiber des Fitnessstudios seinem Vertragspartner
die Möglichkeit, fortlaufend das Studio zu betreten und die Trainingsgeräte
zu nutzen, schuldet. Der Zweck eines Fitnessstudiovertrags liegt in der
regelmäßigen sportlichen Betätigung und damit entweder in der Erreichung
bestimmter Fitnessziele oder zumindest der Erhaltung von Fitness und
körperlicher Gesundheit. Aufgrund dessen sind für den Vertragspartner gerade
die regelmäßige und ganzjährige Öffnung und Nutzbarkeit des Studios von
entscheidender Bedeutung (vgl. Senatsurteil BGHZ
233, 266 = NZM 2022, 514 Rn. 22 mwN). Dieser Vertragszweck konnte zwar
zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung wegen der erneuten Maßnahmen zur
Bekämpfung der COVID-19-Pandemie nicht erreicht werden und es war zu diesem
Zeitpunkt auch nicht absehbar, wann eine Wiedereröffnung des Fitnessstudios
erfolgen wird. Inwieweit die Bindung der Klägerin an den
abgeschlossenen Vertrag während der Zeit des zweiten Lockdowns einem
Erreichen ihrer Fitnessziele oder einer Umorientierung auf andere sportliche
Aktivitäten entgegenstünde, erschließt sich aus der Revisionsbegründung
jedoch nicht. Die Klägerin konnte in diesem Zeitraum nicht auf ein anderes
Fitnessstudio ausweichen, weil während des zweiten Lockdowns alle
Fitnessstudios im Bundesgebiet schließen mussten. Weshalb die Bindung an den
abgeschlossenen Vertrag, ohne dass damit eine wirtschaftliche Belastung
einherging, es der Klägerin unmöglich gemacht oder erschwert haben soll,
sich anderen sportlichen Betätigungen zur Erreichung ihrer Fitnessziele
zuzuwenden, ist nicht ersichtlich.
19 c) Ebenfalls ohne
Erfolg macht die Revision geltend, das Berufungsgericht habe bei der Prüfung
der Unzumutbarkeit rechtsfehlerhaft nicht berücksichtigt, dass die Beklagte
entgegen der tatsächlichen Rechtslage eine Verlängerung des Vertrags um die
Dauer des zweiten Lockdowns verlangt und durch diese unberechtigte
Geltendmachung vermeintlicher Rechte ihre Rücksichtnahmepflicht aus § 241
Abs. 2 BGB zumindest fahrlässig verletzt habe. Diese Pflichtverletzung habe
zu einer Störung des Vertrauensverhältnisses der Parteien geführt, die
eine Fortsetzung des Vertragsverhältnisses für die Klägerin unzumutbar
gemacht habe.
20 Es trifft zwar zu, dass eine
Vertragspartei, die von der anderen Vertragspartei etwas verlangt, das ihr
nach dem Vertrag nicht geschuldet ist, oder ein Gestaltungsrecht ausübt, das
nicht besteht, ihre Pflicht zur Rücksichtnahme nach § 241 Abs. 2 BGB
verletzt (vgl. BGHZ 179, 238 = NJW 2009,
1262 Rn. 17 mwN), und sich ein Recht zur außerordentlichen
Kündigung auch aus der Verletzung von Schutzpflichten nach § 241 Abs. 2 BGB
ergeben kann (vgl. Münch-KommBGB/Gaier 9. Aufl. § 314 Rn. 27;
BeckOK BGB/Lorenz [Stand: 1. Februar 2023] § 314 Rn. 13). Die
Verletzung vertraglicher Pflichten berechtigt zur außerordentlichen
Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses jedoch nur, wenn sie
so schwerwiegend ist, dass durch sie das Vertrauensverhältnis zwischen den
Vertragspartnern in einem Maß beeinträchtigt wird, dass dem Kündigenden ein
Festhalten an dem Vertrag nicht mehr zumutbar ist (vgl.
MünchKommBGB/Gaier 9. Aufl. § 314 Rn. 30; BeckOGK/Martens [Stand: 1. Januar
2023] BGB § 314 Rn. 31).
21 Das ist vorliegend nicht der Fall. Zum
Zeitpunkt des zweiten Lockdowns wurde in der instanzgerichtlichen
Rechtsprechung verbreitet die Auffassung vertreten, ein Fitnessstudiovertrag
sei wegen Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 1 BGB dahingehend
anzupassen, dass sich die vereinbarte Vertragslaufzeit um die Zeit, in der
das Fitnessstudio geschlossen werden musste, verlängert (vgl. Senatsurteil
BGHZ 233, 266 = NZM 2022, 514 Rn. 28 mwN).
22 Indem sich die Beklagte diesen Rechtsstandpunkt zu eigen
machte, beging sie keine schwerwiegende Vertragsverletzung, zumal damit auch
ihre eigene Vertragspflicht verlängert worden wäre. Dass der Senat
diese Rechtsauffassung mit Urteil vom 4. Mai 2022 (BGHZ
233, 266 = NZM 2022, 514 Rn. 28 ff.) als unzutreffend angesehen hat,
vermag eine schwerwiegende Beeinträchtigung des
Vertrauensverhältnisses nicht nachträglich zu begründen.
23
d) Entgegen der Auffassung der Revision ist aus Rechtsgründen auch nicht zu
beanstanden, dass das Berufungsgericht mögliche Einschränkungen des
Trainingsbetriebs nach der Wiederöffnung der Fitnessstudios aufgrund
von pandemiebedingten Hygiene- und Abstandsregeln nicht für ausreichend
erachtet hat, eine außerordentliche Kündigung des Fitnessstudiovertrags zu
rechtfertigen. Abgesehen davon, dass zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung
noch nicht absehbar war, ob und gegebenenfalls inwieweit die Nutzung des
Fitnessstudios nach dessen Wiedereröffnung durch hoheitliche Maßnahmen zur
Bekämpfung der COVID-19-Pandemie eingeschränkt würde, wäre die
Klägerin durch die Einhaltung etwaiger Abstands- und Hygieneregeln nicht
derart schwer belastet, dass ihr ein Festhalten an dem abgeschlossenen
Vertrag nicht mehr zumutbar war. Selbst wenn Teile des Fitnessstudios, wie
etwa die Duschen, aufgrund der dann geltenden Maßnahmen zur
Pandemiebekämpfung nicht nutzbar gewesen wären, würde dies eine
außerordentliche Kündigung des Vertrags nicht rechtfertigen. Denn in diesem
Fall könnte ein angemessener Interessenausgleich durch eine Anpassung des
Vertrags nach § 313 Abs. 1 BGB erreicht werden, etwa durch eine Herabsetzung
der monatlichen Beiträge. Diese Möglichkeit schließt eine außerordentliche
Kündigung aus (vgl. MünchKommBGB/Gaier 9. Aufl. § 314 Rn. 32 mwN;
BeckOGK/Martens [Stand: 1. Januar 2023] BGB § 314 Rn. 92).
24 e)
Schließlich trifft auch nicht auf rechtliche Bedenken, dass das
Berufungsgericht das von der Klägerin geltend gemachte Risiko einer
Ansteckung mit dem Corona-Virus bei einer weiteren Nutzung des
Fitnessstudios nicht als ausreichenden Grund für eine außerordentliche
Kündigung des Vertrags angesehen hat. Die Gefahr, sich mit dem
Corona-Virus zu infizieren, gehörte im November 2020 zum allgemeinen
Lebensrisiko. Da seit dem Beginn der Pandemie im Frühjahr 2020
durch eine Vielzahl von hoheitlichen Maßnahmen versucht wurde,
das Ansteckungsrisiko zu verringern, konnte die Klägerin zum Zeitpunkt ihrer
Kündigungserklärung davon ausgehen, dass eine Wiedereröffnung des
Fitnessstudios der Beklagten erst dann erfolgen wird, wenn das
Infektionsrisiko, gegebenenfalls aufgrund von angeordneten
Hygieneregelungen, auf ein vertretbares Maß reduziert ist. Wenn sich die
Klägerin dann entscheidet, aus Angst vor einer Infektion die Leistungen der
Beklagten nicht mehr in Anspruch zu nehmen, betrifft das allein ihr
Verwendungsrisiko. Anhaltspunkte dafür, dass bei der Klägerin ein erhöhtes
Infektionsrisiko bestand und ihr deshalb die Nutzung des Fitnessstudios
auch bei Einhaltung von Hygiene- und Abstandsregelungen aus
gesundheitlichen Gründen nicht mehr zumutbar war, sind nicht festgestellt
und werden von der Klägerin auch nicht vorgetragen.
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