Haftung der Spielbank bei Aufhebung einer
Selbstsperre des Spieles aus § 280 I BGB: Einverständliche Vertragsaufhebung
als Pflichtverletzung aus dem aufgehobenen Vertrag
BGH, Urteil vom 20. Oktober 2011 - III ZR 251/10
Fundstelle:
NJW 2012, 48
für BGHZ vorgesehen
Amtl. Leitsatz:
Die Aufhebung einer auf Antrag des Spielers
erteilten Spielsperre durch die Spielbank stellt eine Verletzung des
Spielsperrvertrags dar, wenn nicht der Spielbank zuvor der hinreichend
sichere Nachweis erbracht wird, dass der Schutz des Spielers vor sich selbst
dem nicht mehr entgegensteht, mithin keine Spielsuchtgefährdung mehr
vorliegt und der Spieler zu einem kontrollierten Spiel in der Lage ist.
Zentrale Probleme:
Eine hochinteressante Entscheidung zur Grundfragen der
Privatautonomie. Es geht um die vertragliche Selbstsperre eines Spielers bei
einer Spielbank. Anders als in den bisher dazu entschiedenen Fällen (s. dazu
die Anm. zu BGHZ 165, 276
und BGHZ
174, 255) war hier auf Antrag des Spielers die vertragliche Selbstsperre
aufgehoben worden. Genau den Abschluss dieses Aufhebungsvertrags sieht der
Senat aber als Pflichtverletzung aus dem aufgehobenen Vertrag an, weil
dieser die Spielbank auch dazu verpflichtet habe, sich nur unter bestimmten
Umständen auf einen Aufhebungsvertrag (mit demselben Vertragspartner!)
einzulassen. Da stellt sich die auch hier problematisierte und überzeugend
gelöste Frage, inwieweit sich die Privatautonomie selbst blockieren kann.
©sl 2011
Tatbestand:
1 Die Klägerin macht aus abgetretenem Recht Ansprüche auf
Schadensersatz mit der Begründung geltend, die Beklagte habe ihren Ehemann
in der Zeit von Oktober 2006 bis März 2008 pflichtwidrig am Glücksspiel
(Roulette) teilnehmen lassen. Die Beklagte begehrt im Wege der Widerklage
und Drittwiderklage die Feststellung, dass der Klägerin und dem
Drittwiderbeklagten (Ehemann; fortan Zedent) keine über den Klaganspruch
hinausgehenden Ansprüche zustehen.
2 Der Zedent nahm von 1996 bis Anfang 2004 am Roulette-Spiel in der
Spielbank der Beklagten in S. teil. Mit Schreiben vom 3. Februar
2004 bat er die Beklagte, ihn mit sofortiger Wirkung deutschlandweit in
Spielbanken zu sperren. Mit Antwortschreiben vom gleichen Tag verhängte die
Beklagte gegen den Zedenten eine Spielsperre für sieben Jahre. Unter dem 28.
September 2006 wandte sich der Zedent per E-Mail an die Beklagte und bat um
Aufhebung der Sperre. Die Beklagte holte daraufhin eine Auskunft
der Creditreform ein, wonach dieser Beanstandungen der Zahlungsweise des
Zedenten nicht bekannt seien und deshalb die Geschäftsverbindung als
zulässig angesehen werde. Daraufhin hob die Beklagte die Sperre auf.
Der Zedent nahm bis März 2008 wieder am Roulettespiel teil, wobei ihm nach
der Behauptung der Klägerin durch Spielverluste und Finanzierungskosten ein
Schaden in Höhe von 247.702,20 € entstanden sein soll.
3 Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und der Widerklage -
unter Abweisung der Drittwiderklage als unzulässig - stattgegeben. Die
Berufung der Klägerin und die Anschlussberufung der Beklagten haben keinen
Erfolg gehabt. Hiergegen richtet sich die vom Oberlandesgericht zugelassene
Revision der Klägerin.
Entscheidungsgründe:
4 Die zulässige Revision führt im tenorierten Umfang zur Aufhebung des
angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das
Berufungsgericht.
I.
5 Nach Auffassung des Oberlandesgerichts ist zwischen der Beklagten und dem
Zedenten ein sogenannter Spielsperrvertrag zustande gekommen, durch den die
Beklagte eine vertragliche Bindung gegenüber dem Zedenten zu dem Zweck
eingegangen ist, ihn vor wirtschaftlichen Schäden durch das Glücksspiel zu
bewahren. Der Vertrag sei jedoch auf Wunsch des Zedenten später wieder
aufgehoben worden. Hierin liege weder eine Verletzung der ursprünglichen
Vereinbarung durch die Beklagte noch sei die Aufhebung deshalb unwirksam,
weil die Vertragsparteien diese von bestimmten, hier nicht vorliegenden
Voraussetzungen abhängig gemacht hätten. Zwar könne sich aus einem
Sperrvertrag - auch ohne ausdrückliche Regelung hierzu - der
übereinstimmende Wille ergeben, dass dieser nur unter bestimmten Bedingungen
(vorzeitig) aufgehoben werden dürfe. Eine am vernünftigen Willen der
Vertragsparteien und am Schutzzweck der Sperre orientierte Auslegung ergebe
daher, dass eine Aufhebung nicht zeitnah und auch nicht formlos
beziehungsweise konkludent erfolgen könne. Welche Mindestanforderungen
insoweit zu gelten hätten, lasse sich nur schwer sagen. Anhaltspunkte
könnten etwa die (Mindest-) Dauer einer Spielsuchttherapie oder gesetzliche
Wertungen sein. Nach § 8 Abs. 1 Satz 4 des am 8. März 2008 in Kraft
getretenen baden-württembergischen Gesetzes zur Ausführung des
Staatsvertrags zum Glücksspielwesen in Deutschland sei die Aufhebung einer
Spielsperre frühestens nach einem Jahr und nur auf schriftlichem Antrag des
Spielers möglich. Es liege nahe, diese Beschränkungen im Wege der Auslegung
in den vor Inkrafttreten des Gesetzes geschlossenen Sperrvertrag zu
"implementieren". Eine darüber hinausgehende Vereinbarung der Parteien,
wonach die Sperre erst aufgehoben werden dürfe, wenn sich die Beklagte davon
überzeugt habe, dass der Zedent nunmehr zum kontrollierten Spiel in der Lage
sei, könne dagegen nicht festgestellt werden. Der früheren Sperre
liege nur die damalige - von der Beklagten nicht zu überprüfende -
Einschätzung des Zedenten zugrunde, dass er des Schutzes vor sich selbst
bedürfe. Dies lege nahe, dass die Beklagte, wenn der Zedent später (nach
Ablauf von mindestens einem Jahr) zum Ausdruck bringe, nicht mehr
schutzbedürftig zu sein, auch dies nicht zu überprüfen habe. Jedenfalls
erscheine eine Auslegung zu weitgehend, wonach der Beklagten selbst dann
eine Prüfpflicht obliege, wenn sie - außer dem früheren Wunsch nach einer
Sperre -über keine konkreten Kenntnisse verfüge, die auf eine Spielsucht
oder Spielsuchtgefährdung schließen lassen. Denn dies komme der Übernahme
von Betreuungspflichten nahe, entspreche nicht dem Grundsatz, dass jede
geschäftsfähige Partei die in ihrer Sphäre liegenden Vertragsrisiken selbst
zu übernehmen habe und schränke die Privatautonomie im Zeitpunkt des
Aufhebungsvertrags unverhältnismäßig ein.
II.
6 Dies hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis nicht stand.
7 1. Das Berufungsgericht ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass
zwischen dem Zedenten und der Beklagten ein Spielsperrvertrag zustande
gekommen ist. Diese Bewertung entspricht der Rechtsprechung des Senats (Urteile
vom 15. Dezember 2005 - III ZR 65/05, BGHZ 165, 276, 280 f
und vom
22. November 2007 - III ZR 9/07, BGHZ 174, 255 Rn. 7, 10)
und wird von der Beklagten zu Recht nicht mit einer Revisionsgegenrüge
angegriffen.
8 a) Zweck des Antrags eines Spielers auf Verhängung einer
sogenannten Eigen- oder Selbstsperre ist der Schutz vor sich selbst.
Der Spieler will sich den für ihn als gefahrenträchtig erkannten Zugang zur
Spielbank mit deren Hilfe verstellen. Dem liegt die kritische
Selbsterkenntnis eines durch Spielsucht gefährdeten Spielers in einer Phase
zugrunde, in der er zu einer solchen Einschränkung und Selbstbeurteilung
fähig ist. Auf Seiten der Spielbank wird diese Einsicht akzeptiert, indem
sie erklärt, ihn vom Spiel auszuschließen und keine Spielverträge mehr
abzuschließen. Eine in Kenntnis dieser Interessenlage abgegebene Erklärung
der Spielbank, dem Antrag stattzugeben, hat eine andere rechtliche Qualität,
als wenn die Spielbank die Sperre einseitig von sich aus verhängt, um einen
unliebsamen Kunden fern zu halten. Anders als bei der einseitigen Sperre der
Spielbank geht es bei einer solchen auf Antrag des Spielers nicht nur um die
Geltendmachung des Hausrechts der Spielbank, die lediglich als Reflex
zugunsten des Kunden wirken mag, sondern darum, dass die Spielbank dem von
ihr als berechtigt erkannten Individualinteresse des Spielers entsprechen
will. Die Spielbank geht daher mit der Annahme des Antrags eine
vertragliche Bindung gegenüber dem Spieler ein, die auch und gerade dessen
Vermögensinteresse schützt, ihn vor den aufgrund seiner Spielsucht zu
befürchtenden wirtschaftlichen Schäden zu bewahren (Senat, aaO).
9 b) Ihrem Inhalt nach ist diese vertragliche Verpflichtung darauf
gerichtet, zukünftig das Zustandekommen von Spielverträgen mit dem
gesperrten Spieler zu verhindern. Die Spielbank muss deshalb alle
ihr möglichen und zumutbaren Anstrengungen - etwa sorgfältige
Personenkontrollen mit anschließender Zurückweisung des Spielers -
unternehmen, um eine erneute Teilnahme des Spielers am Glücksspiel zu
verhindern. Anderenfalls macht sie sich schadensersatzpflichtig,
ungeachtet dessen, dass die unter Verstoß gegen den Sperrvertrag zustande
gekommenen Spielverträge für sich genommen grundsätzlich wirksam sind
(Senat, Urteil vom
15. Dezember 2005, aaO S. 281). Dass bei
insoweit pflichtwidrigem Verhalten der Spielbank die Teilnahme am
Glücksspiel gerade dem Wunsch und Willen des Spielers entspricht, ist nach
dem Sinn des Sperrvertrags irrelevant, ändert deshalb weder etwas an der
Pflichtverletzung der Spielbank noch ist dies als haftungsminderndes oder
-ausschließendes Mitverschulden des Spielers zu bewerten (Senat,
Urteile vom 15. Dezember
2005, aaO S. 282 f und vom
22. November 2007, aaO Rn. 16).
10 c) Soweit der Sperrvertrag damit zu einer Beeinträchtigung der
Vertragsfreiheit führen kann - der Spieler möchte spielen, die Spielbank
darf ihn aber nicht spielen lassen, ohne sich ersatzpflichtig zu machen -
und letztlich damit der Übernahme von Betreuungspflichten der Bank zugunsten
des Spielers nahe kommt, ist dies nur eine folgerichtige Konsequenz des
Sperrvertrags und - anders als dies in der Entscheidung des
Berufungsgerichts anklingt - keine unverhältnismäßige Einschränkung der
Privatautonomie. Der Grundsatz, dass es regelmäßig Sache der
(geschäftsfähigen) Vertragspartei ist, selbst darüber zu befinden, ob der
beabsichtigte Vertrag für sie von Vorteil ist oder nicht, gilt hier gerade
nicht. Zwar ist es untypisch, dass Parteien eines Vertrags sich
darüber einigen, dass in Zukunft Verträge bestimmter Art zwischen ihnen
nicht mehr geschlossen werden sollen und einer der Vertragspartner
schadensersatzpflichtig wird, wenn er sich auf den Wunsch der anderen Seite
auf Abschluss eines neuen Vertrags einlässt. Das Ungewöhnliche der von der
Spielbank akzeptierten Eigensperre ergibt sich aber aus der Besonderheit der
rechtlichen Verhältnisse, die aus der Zulassung des öffentlich-rechtlich
konzessionierten Glücksspiels und aus dessen spezifischen
Gefährdungstatbeständen folgen. Der Betrieb einer Spielbank ist
angesichts der damit verbundenen Gefahren eine an sich unerwünschte
Tätigkeit, deren staatliche Konzessionierung ihre Legitimität nur durch die
öffentliche Aufgabe erhält, das illegale Glücksspiel einzudämmen, dem nicht
zu unterdrückenden Spieltrieb des Menschen staatlich überwachte
Betätigungsmöglichkeiten zu verschaffen und dadurch die natürliche
Spielleidenschaft vor strafbarer Ausbeutung zu schützen (BVerfGE
28, 119, 148; 102, 197, 215 f; Senat, Urteile vom 7. Juli 1994 - III ZR
137/93, ZIP 1994, 1274, 1276 und 15. Dezember 2005 - III ZR 65/05, BGHZ 165,
276, 278 f; vgl. auch EuGH, Urteil vom 15. September 2011 - C-347/09, juris
Rn. 48, 63). Insoweit liegt der innere Grund für die polizei- und
ordnungsrechtliche Beschränkung des Glücksspiels auch in der Gefahr der
hoffnungslosen Überschuldung Einzelner, die nach allgemeinem traditionellen
Erfahrungswissen dem Glücksspiel immanent ist und der vorgebeugt werden soll
(OLG Hamm NJW-RR 2003, 971, 972). Hauptzweck der staatlichen
Begrenzung und Ordnung des Wett- und Glücksspielwesens ist somit die
Bekämpfung der Spiel- und Wettsucht (vgl. BVerfGE 115, 276, 304), denn
Glücksspiele können nach dem gegenwärtigen Stand der Forschung zu
krankhaftem Suchtverhalten führen, wobei das Suchtpotential von Automaten-
und Casinospielen besonders hoch liegt (vgl. BVerfG aaO S. 304 f).
Insoweit ist die Gewichtung der Privatautonomie im Verhältnis zwischen
Spielbank und Spieler von vorneherein eine andere als im klassischen
rechtsgeschäftlichen Verkehr. Dient letzterer grundsätzlich dazu, den
Vertragsparteien gegenseitig vorteilhafte Geschäfte nach ihren Präferenzen
zu ermöglichen, ist die Freiheit des Glücksspiels eine zweckgebundene
Freiheit, die mit dem Ziel gewährt wird, noch größeren Schaden durch einen
illegalen Spielbetrieb zu verhindern. Diese durch die
Eigenheiten des Glücksspiels und die limitierte Existenzberechtigung von
Spielbanken geprägten Besonderheiten sind der Grund, warum es dem
Casinobetreiber zugemutet wird, sich "paternalistisch" vor den Spielwunsch
seiner besten Kunden zu stellen.
11 2. Ist Zweck des Sperrvertrags aber der Schutz des Spielers vor sich
selbst und übernimmt insoweit die Spielbank die vertragliche Verpflichtung,
den Spieler auch gegen seinen Willen nicht mehr zum Spiel zuzulassen, hat
dies notwendigerweise Auswirkungen auf die Beurteilung der Frage, ob die
Spielbank ihre Schutzpflichten dadurch verletzt, dass sie dem Spielwunsch
ihres Vertragspartners unter Aufhebung der Sperre nachgibt. Denn der
Sperrvertrag würde - wie auch das Berufungsgericht nicht verkennt - leer
laufen und wäre sinnlos, wenn die Spielbank zwar die Pflicht hätte, sich dem
Spielwunsch zu verweigern, aber dem Wunsch, die Sperre aufzuheben, um
anschließend spielen zu können, jederzeit stattgeben dürfte, ohne dabei
irgendwelchen Überprüfungs- oder Kontrollpflichten zu unterliegen.
Bei einer Aufhebung des Sperrvertrags muss deshalb gewährleistet
sein, dass sich nicht gerade die Risiken verwirklichen, die durch dessen
Abschluss ausgeschlossen werden sollten.
Insoweit stellt die Aufhebung einer Eigensperre durch die Spielbank eine
Verletzung des Sperrvertrags dar, wenn nicht der Spielbank zuvor - zum
Beispiel anhand einer vom Spieler vorgelegten sachverständigen Begutachtung
oder Bescheinigung einer fachkundigen Stelle - der hinreichend sichere
Nachweis erbracht wird, dass die Gründe, die zu ihrer Beantragung geführt
haben, nicht mehr vorliegen.
12 3. Vor diesem Hintergrund erweist sich die Auffassung des
Berufungsgerichts als rechtsfehlerhaft, der Sperrvertrag stehe einer
Aufhebung nicht entgegen, wenn der Spieler diese mehr als ein Jahr nach
Vertragsschluss beantrage und der Spielbank außer dem früheren Wunsch des
Spielers nach einer Eigensperre keine weiteren Erkenntnisse über dessen
Spielsuchtgefährdung vorlägen. Nach der Rechtsprechung des Senats (Urteile
vom Urteile vom 15. Dezember
2005, aaO S. 280 und vom22.
November 2007, aaO Rn. 10) liegt dem Antrag auf
Eigensperre gerade die kritische Selbsterkenntnis eines durch Spielsucht
gefährdeten Spielers in einer Phase zugrunde, in der er zu einer solchen
Einschränkung und Selbstbeurteilung fähig ist. In einem solchen Fall
darf die Spielbank die gewünschte Aufhebung der Sperre nicht vornehmen, ohne
sich davon überzeugt zu haben, dass der Schutz des Spielers vor sich selbst
dem nicht mehr entgegensteht. Die Beklagte konnte aber zum
Zeitpunkt der Aufhebung der Sperre mangels vom Zedenten vorgelegter
Nachweise oder eigener Nachforschungen weder wissen noch
ausschließen, ob dieser weiterhin eines Schutzes vor sich selbst bedurfte.
Allein der Zeitablauf besagte hierzu nichts Entscheidendes. Auch
der Umstand, dass der Zedent in seiner E-Mail vom 28. September 2006 die
Aufhebung unter Hinweis auf eine Normalisierung seiner wirtschaftlichen
Verhältnisse erbeten hatte, entlastete die Beklagte nicht, wobei dahinstehen
kann, ob die von der Beklagten eingeholte Auskunft der Creditreform zur
Überprüfung dieser Behauptung überhaupt geeignet war. Denn die
wirtschaftlichen Verhältnisse sind bei einer Selbstsperre nicht der Kern des
Problems. Kann sich jemand aus finanziellen Gründen das Glücksspiel nicht
(mehr) leisten, wird er normalerweise nicht (weiter) spielen. Die
Eigensperre macht aber deutlich, dass der Spieler sich selbst gerade nicht
zutraut, er könne sich durch bloße Willenskraft spielabstinent halten oder
jedenfalls immer dann rechtzeitig aufhören, wenn er nur noch verliert und
ihn weiteres Spielen gegebenenfalls sogar in den finanziellen Ruin treibt.
Insoweit kann sich eine Spielbank auch nicht darauf berufen, in dem
Wunsch des Spielers, ihn unter Aufhebung der Sperre wieder spielen zu
lassen, liege eine ihre Schutzpflichten suspendierende Erklärung, nicht mehr
spielsüchtig zu sein. Vielmehr bedarf es hierzu hinreichend sicherer
Nachweise, dass eine Spielsuchtgefährdung nicht mehr besteht und der Spieler
zu einem kontrollierten Spiel in der Lage ist.
13 4. Dieser Wertung stehen nicht die Regelungen des 2007 abgeschlossenen
Staatsvertrags zum Glücksspielwesen in Deutschland (Glücksspielstaatsvertrag
- GlüStV; vgl. dazu das baden-württembergische Zustimmungsgesetz vom 11.
Dezember 2007, GBl. BW S. 571) und des Baden-Württembergischen
Ausführungsgesetzes zum Glücksspielstaatsvertrag vom 4. März 2008 (GBl. BW
S. 81) entgegen. § 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 des Ausführungsgesetzes
bestimmen - in Anlehnung an § 8 Abs. 2 GlüStV -, dass die Spielbanken des
Landes diejenigen Personen sperren, die dies für sich beantragen
(Selbstsperre) oder von denen sie aufgrund der Wahrnehmung ihres Personals
oder aufgrund von Meldungen Dritter wissen oder aufgrund sonstiger
tatsächlicher Anhaltspunkte annehmen müssen, dass sie spielsuchtgefährdet
oder überschuldet sind, ihren finanziellen Verpflichtungen nicht nachkommen
oder Spieleinsätze riskieren, die in keinem Verhältnis zu ihrem Einkommen
oder Vermögen stehen (Fremdsperre). Eine Aufhebung der Sperre ist frühestens
nach einem Jahr und nur auf schriftlichen Antrag des Spielers möglich (§ 9
Abs. 1 Satz 4 des Ausführungsgesetzes; § 8 Abs. 5 Satz 1 GlüStV). Diesen
Bestimmungen lässt sich zunächst schon nicht entnehmen, dass dem Wunsch
eines Spielers auf Aufhebung einer Selbstsperre nach Ablauf eines Jahres
ohne weiteres stattzugeben ist. Denn liegt dem Antrag auf Selbstsperre die
kritische Selbsterkenntnis eines durch Spielsucht gefährdeten Spielers in
einer Phase zugrunde, in der er zu einer solchen Einschränkung und
Selbstbeurteilung fähig ist (Senat aaO), liegt es nahe, davon auszugehen,
dass die Spielbank mit dem Antrag zugleich tatsächliche Anhaltspunkte für
eine Spielsuchtgefährdung im Sinne von § 8 Abs. 2 GlüStV erhält, deren
Bedeutung nicht ohne weiteres allein durch den Zeitablauf von einem Jahr
entfällt. Dies entspricht im Übrigen - was das Berufungsgericht bei seiner
Auslegung nicht hinreichend berücksichtigt - auch der eigenen Einschätzung
der Beklagten, die die Sperre auf insgesamt sieben Jahre festgelegt hat.
Letztlich ist, abgesehen davon, dass der Glücksspielstaatsvertrag und das
Ausführungsgesetz zum Zeitpunkt der hier streitgegenständlichen Verträge
noch nicht in Kraft waren, festzuhalten, dass das Spielbankenrecht als Teil
des Rechts der öffentlichen Sicherung und Ordnung (BVerfGE 28, 119, 147)
lediglich die öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen der
Spielbankenbetreiber regelt und deshalb unmittelbar nichts darüber aussagt,
welche (weitergehenden) Schutzpflichten sich aus einer privatrechtlichen
vertraglichen Bindung gegenüber dem gesperrten Spieler ergeben (vgl. Senat,
Urteil vom 22. November 2007, aaO Rn. 14).
14 5. Indem die Beklagte den Sperrvertrag aufgehoben hat, ohne sich
zuvor davon überzeugt zu haben, dass der Schutz des Zedenten vor sich selbst
einer solchen Aufhebung nicht mehr entgegenstand, hat sie gegen ihre
Pflichten aus dem Sperrvertrag verstoßen. Sie hat den Zedenten im Wege des
Schadensersatzes so zu stellen, wie er gestanden hätte, wenn der
Sperrvertrag aufrechterhalten worden wäre und die Beklagte pflichtgemäß für
die Einhaltung der Sperre Sorge getragen hätte. Das angefochtene
Urteil war daher aufzuheben und das Verfahren an das Berufungsgericht
zurückzuverweisen, damit die noch notwendigen weiteren Feststellungen
getroffen werden können.
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