Sachverständigenhaftung
für Testate: (Kein) Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte bei
Pflichtprüfungen nach §§ 316 ff HGB
BGH, Urteil vom 6. April
2006 - III ZR 256/04
Fundstelle:
NJW 2006, 1975
BGHZ 167, 155
S. die Anm. zu BGH v.
7.5.2009 - III ZR 277/08 und
BGH v. 24.4.2014 - III ZR
156/13.
Amtl. Leitsatz:
a) Dass im Zusammenhang
mit einem geplanten Börsengang einer Aktiengesellschaft Bestätigungsvermerke
des Abschlussprüfers über eine Pflichtprüfung der Gesellschaft nach § 30
Abs. 1 Börsenzulassungs-Verordnung in einen Verkaufsprospekt aufgenommen
werden müssen, führt nicht zur Einbeziehung an einer Beteiligung
interessierter Dritter in den Schutzbereich des Prüfvertrages.
b) Zu den Grenzen einer Einbeziehung Dritter in den Schutzbereich des
Prüfvertrages über eine Pflichtprüfung nach §§ 316 ff HGB (Fortführung des
Senatsurteils BGHZ 138, 257).
Tatbestand:
Die Klägerin macht in gewillkürter Prozessstandschaft
Schadensersatzansprüche der P. E. D. (im Folgenden PE), einer Gesellschaft
nach dem Recht der Cayman Islands, und der 3D KG (im Folgenden 3D KG) im
Zusammenhang mit dem Erwerb von Aktien der W. Aktiengesellschaft (im
Folgenden W. AG) geltend. Die Aktien wurden Anfang des Jahres 2000 zum ganz
überwiegenden Teil von B. W. , dem alleinvertretungsberechtigen
Vorstandsvorsitzenden der Gesellschaft, gehalten. Die Beklagten zu 2 und 3
hielten Anteile von 3,4 und 3 v.H. Ein für das Frühjahr 2000 geplanter
Börsengang der Gesellschaft scheiterte, nachdem sich die als
Konsortialführerin vorgesehene Bank, die Beklagte zu 3, aus dem Engagement
zurückgezogen hatte. Im Anschluss hieran erwarben die PE und die 3D KG im
Hinblick auf einen späteren Börsengang als sogenannte Pre-IPO-Investoren (IPO
= Initial Public Offering) Aktien im Wert von 51 v.H. des Grundkapitals
durch mehrere Verträge vom 18. April/3. Mai 2000 zum Kaufpreis von insgesamt
61.200.004,55 DM. W. ließ sich bei den Vertragsverhandlungen durch
Rechtsanwalt Dr. B. vertreten, der bei dem Erwerb der von den Beklagten zu 2
und 3 gehaltenen Aktien als Treuhänder für die PE und die 3D KG auftrat. Auf
Seiten der Erwerberinnen führte der stellvertretende
Aufsichtsratsvorsitzende der W. AG D. , zugleich Vertreter der 3D KG, die
Verhandlungen. Die W. AG wurde im Juni 2000 mit der Wo. AG verschmolzen;
über das Vermögen dieser Gesellschaft wurde 2001 das Insolvenzverfahren
eröffnet. Hintergrund war, dass unter der maßgeblichen Federführung von W. ,
der durch Urteil der Strafkammer des Landgerichts M. wegen Betruges in 95
Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten
verurteilt wurde, die Bilanzen und Gewinn- und Verlustrechnungen der
Gesellschaft infolge simulierter Geschäftsvorfälle und nicht korrekt
bezeichneter Lagerbestände kein zutreffendes Bild über die Ertragskraft des
Unternehmens vermittelten. Wegen Scheinbuchungen wurde gegen W. seit Oktober
1999 ermittelt; am 27. Oktober 1999 fand eine Durchsuchung der
Geschäftsräume der W. AG statt.
Die Beklagte zu 1, eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, war mit der
Pflichtprüfung der Gesellschaft für das Geschäftsjahr 1998/99 (Jahresabschluss
zum 30. September 1999 unter Einbeziehung der Buchführung und des
Lageberichts für den Zeitraum 1. Oktober 1998 bis 30. September 1999) und
das vom 1. Oktober bis 30. November 1999 reichende Rumpfgeschäftsjahr
befasst und erteilte mit Prüfberichten vom 19. November 1999 und 17.
Dezember 1999 einen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk. Im Auftrag des
Vorstands der W. AG fertigte sie ferner über Warenlieferungen und
Warenbezüge der Gesellschaft mit ausgewählten Kunden im Zeitraum von Oktober
1998 und September 1999 am 19. November 1999 eine sondergutachtliche
Stellungnahme, in der auch auf konkrete Fragen der Steuerfahndungsstelle des
Finanzamts M. eingegangen wurde. Auf Bitten des Beklagten zu 2, seinerzeit
Finanzvorstand der Gesellschaft, nahm die Beklagte zu 1 am 31. Januar 2000
zur Problematik behaupteter Scheingeschäfte und zu den zur Überprüfung
dieses Vorwurfs von ihr durchgeführte Untersuchungen erneut Stellung.
Schließlich wurde die Beklagte zu 1 im Hinblick auf die geplante
Börseneinführung im Sommer 1999 durch die Beklagte zu 3 mit der Erstellung
eines Due-Diligence-Review beauftragt, der nicht unterschrieben ist und auf
jeder Seite den Vermerk "Entwurf" trägt.
Die Klägerin wirft den Beklagten vor, sie hätten von den Manipulationen W.
's Kenntnis gehabt. Die Haftung der Beklagten zu 1 ergebe sich aus ihren
unrichtigen Bestätigungsvermerken und gutachtlichen Stellungnahmen. Die
Erwerberinnen seien in den Schutzbereich der hierüber geschlossenen Verträge
einbezogen, da es der Beklagten zu 1 erkennbar gewesen sei, dass ihre
gutachtlichen Äußerungen im Rahmen der Veräußerung der Aktien der W. AG
Verwendung finden sollten.
Das Landgericht hat die Klage ohne Beweisaufnahme insgesamt abgewiesen. Das
Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin, soweit sie die Klage gegen
die Beklagte zu 3 betraf, zurückgewiesen und im Übrigen das Urteil
aufgehoben und das Verfahren an das Landgericht zurückverwiesen. Mit der vom
Senat zugelassenen Revision der Beklagten zu 1 begehrt diese für ihr
Prozessrechtsverhältnis mit der Klägerin die Wiederherstellung des
landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit es die
gegen die Beklagte zu 1 (im Folgenden: Beklagte) gerichtete Klage betrifft,
und insoweit zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Während das Landgericht eine Haftung der Beklagten für die von ihr
vorgenommenen Pflichtprüfungen gegenüber den Erwerberinnen nach § 323 Abs. 1
Satz 3 HGB verneint und eine solche auch nicht aufgrund einer ausdrücklichen
oder konkludenten Vereinbarung für gegeben gehalten hat, kommt nach
Auffassung des Berufungsgerichts eine Dritthaftung der Beklagten in
Betracht. Sie ergebe sich aus dem Umstand, dass zum Zeitpunkt der Erteilung
der Prüfaufträge ein Börsengang der W. AG konkret geplant gewesen sei. Der
Börsengang habe die Erstellung eines Verkaufsprospektes vorausgesetzt, in
den die Bilanzen sowie die Gewinn- und Verlustrechnungen der Gesellschaft
für die letzten drei Geschäftsjahre, die Bestätigungsvermerke der
Abschlussprüfer sowie deren Namen, Anschrift und Berufsbezeichnung
aufzunehmen gewesen seien. Danach sei für beide Vertragspartner des
Prüfungsauftrags klar gewesen, dass die Bestätigungsvermerke und die
genannten Informationen über die Beklagte gegenüber Käufern von Aktien im
Zuge des Börsengangs Verwendung finden würden mit dem Ziel, die
Anlagebereitschaft der Anleger positiv zu beeinflussen. Wenn es auch nicht
zu dem vorgesehenen Börsengang gekommen sei, sei der Beklagten spätestens im
Zuge der Aufsichtsratssitzung der W. AG vom 11. Februar 2000 bekannt
geworden, dass ein Pre-IPO-Investor in die Gesellschaft aufgenommen werden
solle, um den Börsengang zu einem späteren Zeitpunkt zu verwirklichen. Dabei
sei ihr deutlich geworden und sie sei damit einverstanden gewesen, dass ihre
Bestätigungsvermerke Grundlage für dessen Investitionsentscheidung sein
sollten. Ob der Beklagten im Hinblick auf ihre Prüfungstätigkeit
Pflichtverletzungen vorzuwerfen seien, bedürfe einer umfangreichen
Beweisaufnahme, die das Landgericht vornehmen müsse, weil es bei seiner
Entscheidung die Frage der Einbeziehung Dritter in den Schutzbereich von
Prüfungsverträgen und die dazu ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung
völlig unberücksichtigt gelassen habe.
II. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.
1. Hat das Berufungsgericht - wie hier in Bezug auf das
Prozessrechtsverhältnis zur beklagten Wirtschaftsprüfungsgesellschaft - das
Urteil der Vorinstanz wegen eines Verfahrensfehlers aufgehoben, ohne in der
Sache selbst zu entscheiden, kann mit der Revision nur geltend gemacht
werden, die ausgesprochene Aufhebung und Zurückverweisung verstoße gegen das
Gesetz (BGH, Urteile vom 24. Februar 1983 - IX ZR 35/82 - NJW 1984, 495; vom
21. Oktober 1992 - XII ZR 125/91 - NJW-RR 1993, 442, 443; Beschluss vom 18.
Februar 1997 - XI ZR 317/95 - NJW 1997, 1710; Urteil vom 19. März 2003 - IV
ZR 233/01 - NJW-RR 2003, 1572). Dabei ist die Frage, ob ein Verfahrensmangel
vorliegt, nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vom
materiell-rechtlichen Standpunkt des Erstrichters aus zu beurteilen, und
zwar auch dann, wenn dieser verfehlt ist (vgl. Urteil vom 21. Oktober 1992
aaO m.w.N.). Hieran ist auch unter Geltung der durch das
Zivilprozessreformgesetz vom 27. Juli 2001 (BGBl I S. 1887) neu gefassten
Vorschrift des § 538 ZPO, die in Absatz 1 die Pflicht zur eigenen
Sachentscheidung durch das Berufungsgericht hervorhebt und in Absatz 2 die
Ausnahmen von diesem Grundsatz gegenüber dem früheren Recht eingeschränkt
hat (vgl. BT-Drucks. 14/4722 S. 102), festzuhalten.
2. Nach § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO, auf den das Berufungsgericht seine
Entscheidung gestützt hat, darf die Sache unter Aufhebung des Urteils und
des Verfahrens an das Gericht des ersten Rechtszuges zurückverwiesen werden
- den erforderlichen Antrag hatte die Klägerin gestellt -, soweit das
Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und aufgrund dieses Mangels
eine umfangreiche oder aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist. Mit Recht
rügt die Revision, dass das Berufungsgericht gemessen an diesen
Voraussetzungen die Sache nicht zurückverweisen durfte, sondern selbst zu
entscheiden hatte.
a) Es erscheint schon zweifelhaft, ob dem Landgericht überhaupt ein
Verfahrensfehler unterlaufen ist. Denn zunächst einmal beruht seine
Auffassung, eine Haftung der Beklagten scheide nach § 323 Abs. 1 Satz 3 HGB
aus und sie bestehe auch nicht aufgrund einer ausdrücklichen oder
konkludenten Vereinbarung, auf einer materiell-rechtlichen Würdigung.
Richtig ist, was die Klägerin in der Berufungsinstanz beanstandet hat, dass
sich das Landgericht in der knappen Begründung seiner Entscheidung nicht
näher mit der Frage auseinandergesetzt hat, ob die mit der Beklagten
geschlossenen Prüfverträge für die Erwerberinnen Schutzwirkungen entfalten
konnten. Soweit man den oben wiedergegebenen Begründungselementen entnehmen
wollte, das Landgericht habe diese Frage - mehr oder weniger unausgesprochen
- verneint, wäre auch dies eine materiell-rechtliche Würdigung, die keinen
Anlass zu einer Zurückverweisung böte. Allerdings prüft das Landgericht im
Zusammenhang mit seiner Auffassung, die Haftung sei auch nicht -
ausdrücklich oder konkludent - durch vertragliche Vereinbarung begründet
worden, ob man einen solchen Vertrags-schluss in der von der Klägerin
behaupteten Zusendung der Kaufvertragsentwürfe an die Beklagte sehen könnte.
Auf die - andere - Frage, ob sich aus der Erteilung der Prüfaufträge durch
die W. AG Schutzwirkungen für einen Pre-IPO-Investor ergaben, ist das
Landgericht nicht ausdrücklich eingegangen. Es erscheint jedoch zweifelhaft,
ob man hierin - wie die Klägerin dies für richtig hält -einen schweren
Verfahrensmangel in Gestalt der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches
Gehör zu sehen hat, der unter den weiteren Voraussetzungen des § 538 Abs. 2
Satz 1 Nr. 1 ZPO eine Zurückverweisung rechtfertigen könnte (vgl. etwa zur
grundlegenden Verkennung des Prozessstoffs Senatsurteil vom 5. April 1990 -
III ZR 4/89 - NJW-RR 1990, 1500, 1501; Urteil vom 3. November 1992 - VI ZR
361/91 - NJW 1993, 538 f, jeweils m.w.N.).
b) Einer abschließenden Beantwortung dieser Frage bedarf es jedoch nicht,
weil das Berufungsgericht die Sache bei richtiger Anwendung des materiellen
Rechts, wie die Revision mit Recht rügt, nicht hätte zurückverweisen dürfen.
Insoweit ist das Revisionsgericht auch bei einer kassatorischen Entscheidung
zur Nachprüfung des materiellen Rechts berechtigt (vgl. BGHZ 31, 358, 363 f;
Urteile vom 24. Februar 1983 - IX ZR 35/82 - NJW 1984, 495; vom 21. Oktober
1992 - XII ZR 125/91 - NJW-RR 1993, 442, 443; vom 19. März 2003 - IV ZR
233/01 - NJW-RR 2003, 1572). Denn auf der - nicht zutreffenden -Annahme des
Berufungsgerichts, die Erwerberinnen seien in den Schutzbereich der
Prüfverträge einbezogen worden und deswegen bedürfe es einer umfangreichen
Beweisaufnahme, beruht seine Entscheidung, die Sache an das Landgericht
zurückzuverweisen.
aa) Im Ausgangspunkt zutreffend gibt das Berufungsgericht die
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs - auch des Senats - wieder, wonach
sich aus einem Vertrag Schutzwirkungen für einen Dritten, der selbst keinen
Anspruch auf die Hauptleistung aus dem Vertrag hat, ergeben können. Dies
gilt etwa für Verträge, mit denen der Auftraggeber von einer Person, die
über eine besondere, vom Staat anerkannte Sachkunde verfügt, ein Gutachten
oder eine gutachtliche Äußerung bestellt, um davon gegenüber einem Dritten
Gebrauch zu machen (vgl. Senatsurteil vom 2. April 1998 - III ZR 245/96
- BGHZ 138, 257, 260 f m.w.N.). Die Beklagte als
Wirtschaftsprüfungsgesellschaft gehört prinzipiell zu einem Personenkreis,
dessen Stellungnahmen aufgrund der Sachkunde und der von ihm erwarteten
Unabhängigkeit, Gewissenhaftigkeit und Unparteilichkeit - insbesondere bei
Prüfungsaufträgen - von besonderer Bedeutung sind und Grundlage für
Entscheidungen Dritter im wirtschaftlichen und finanziellen Bereich sein
können. Nicht zufällig betreffen daher einige Entscheidungen des
Bundesgerichtshofs, in denen aus einem Vertrag Schutzwirkungen für Dritte
oder eine Haftung aus Vertrauensgesichtspunkten in Rede standen, Angehörige
dieses Berufsstands (vgl. Urteile BGHZ 145, 187, 197 f; vom 8. Juni 2004
- X ZR 283/02 - NJW 2004, 3420, 3421; Senatsurteile BGHZ 138, 257 und vom
15. Dezember 2005 - III ZR 424/04 - WM 2006, 423, 425).
bb) Kommt es für die Annahme einer Schutzwirkung daher wesentlich darauf an,
dass eine von Sachkunde geprägte Stellungnahme oder Begutachtung den Zweck
hat, Vertrauen eines Dritten zu erwecken und - für den Sachkundigen
hinreichend deutlich erkennbar - Grundlage einer Entscheidung mit
wirtschaftlichen Folgen zu werden, genügt dies für eine - von der
Rechtsprechung entwickelte - Vertragshaftung gegenüber dem Dritten allein
indes nicht. So kommt Bestätigungsvermerken von Abschlussprüfern schon
aufgrund verschiedener Publizitätsvorschriften, wie z.B. § 325 Abs. 1 HGB
oder der im Zusammenhang mit einer Börseneinführung vom Berufungsgericht
herangezogene § 30 Abs. 1 der Börsenzulassungs-Verordnung (hier i.d.F. vom
9. September 1998, BGBl. I S. 2832; aufgehoben durch Art. 4 Nr. 7 des
Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetzes vom 22. Juni 2005, BGBl. I S. 1698,
1716), die Bedeutung zu, Dritten einen Einblick in die wirtschaftliche
Situation des publizitäts-pflichtigen Unternehmens zu gewähren und ihnen,
sei es als künftigen Kunden, sei es als an einer Beteiligung Interessierten,
für ihr beabsichtigtes Engagement eine Beurteilungsgrundlage zu geben.
Ungeachtet dieser auf Publizität und Vertrauensbildung angelegten Funktion
hat der Gesetzgeber die Verantwortlichkeit des Abschlussprüfers für eine
Pflichtprüfung, wie sie auch hier vorgenommen wurde, wegen einer
vorsätzlichen oder fahrlässigen Verletzung von Pflichten nach § 323 Abs. 1
Satz 3 HGB auf Ansprüche der Kapitalgesellschaft und, wenn ein verbundenes
Unternehmen geschädigt worden ist, auf Ansprüche dieses Unternehmens
beschränkt. Gläubigern wie Aktionären gegenüber haftet er nach dieser
Bestimmung nicht. Der Senat hat in seinem Urteil vom 2. April 1998 zwar
befunden, diese gesetzliche Regelung schließe Ansprüche von Dritten nach
Maßgabe der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Dritthaftung
Sachkundiger nicht von vornherein aus; der unmittelbare Anwendungsbereich
des § 323 Abs. 1 HGB werde nicht durch eine Dritthaftung berührt, die
wesentlich darauf beruhe, dass es Sache der Vertragsparteien sei zu
bestimmen, gegenüber welchen Personen eine Schutzpflicht begründet werden
solle (vgl. BGHZ 138, 257, 261). Er hat aber zugleich anerkannt, dass die
gesetzgeberische Intention, das Haftungsrisiko des Abschlussprüfers
angemessen zu begrenzen, auch im Rahmen der vertraglichen Dritthaftung zu
beachten sei und die Einbeziehung einer unbekannten Vielzahl von Gläubigern,
Gesellschaftern oder Anteilserwerbern in den Schutzbereich des Prüfauftrags
dieser Tendenz zuwiderliefe. In einem neueren Urteil, das eine
freiwillige Prüfung betraf, die nach den Maßstäben der §§ 316, 317 HGB
vorgenommen wurde, hat der Senat entschieden, ein Zeichnungsinteressent
könne billigerweise keinen weitergehenden Drittschutz erwarten als in Fällen
einer Pflichtprüfung (Urteil vom 15. Dezember 2005 - III ZR 424/04 - WM
2006, 423, 425). Diese vom Senat als restriktiv verstandene Anwendung von
Grundsätzen der vertraglichen Dritthaftung im Bereich der Pflichtprüfung ist
auch im Hinblick auf das Gesetzgebungsverfahren zu dem am 1. Mai 1998 in
Kraft getretenen Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich
vom 27. April 1998 (BGBl. I S. 786) geboten. Nach der Stellungnahme des
Bundesrates zum Gesetzentwurf der Bundesregierung sollte § 323 Abs. 1 HGB
ein weiterer Satz angefügt werden, wonach der Abschlussprüfer anderen als
den in Satz 3 Genannten für eine fahrlässige Verletzung seiner Pflichten
nicht hafte. In der Begründung hierzu wurde ausgeführt, wenn die Frage eines
Schadensersatzes der Rechtsprechung überlassen werde, bedeute dies für den
Abschlussprüfer das Vorliegen von unkalkulierbar hohen wirtschaftlichen
Risiken (BT-Drucks. 13/9712 S. 35). Zu einer entsprechenden Regelung kam es
nicht, weil der Rechtsausschuss des Bundestages dies im Hinblick auf den
Wortlaut des § 323 Abs. 1 Satz 3 HGB und unter Berücksichtigung eines
Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main (WPK-Mitteilungen 1997, 236) für
entbehrlich hielt (BT-Drucks. 13/10038 S. 25). Der Senat sieht sich durch
den Gang dieses Gesetzgebungsverfahrens nicht veranlasst, seine im Urteil
vom 2. April 1998 vertretene Auffassung einer grundsätzlichen Anwendbarkeit
der Grundsätze über die vertragliche Dritthaftung im Bereich von
Pflichtprüfungen aufzugeben. Es ist jedoch erneut zu unterstreichen, dass an
die Annahme einer vertraglichen Einbeziehung eines Dritten in den
Schutzbereich strenge Anforderungen gestellt werden müssen. Diese waren in
der dem Senatsurteil BGHZ 138, 257 zugrunde liegenden Fallgestaltung, in der
es während der Prüftätigkeit zu einer Kontaktaufnahme des Dritten mit dem
Prüfer gekommen war, gegeben.
cc) Gemessen an diesen Maßstäben, die das Berufungsgericht nicht beachtet
hat, weshalb der Senat an dessen Auslegung nicht gebunden ist, kommt den
zwischen der W. AG und der Beklagten am 1./8. Oktober 1999 für das
Geschäftsjahr 1998/99 und am 29./30. November 1999 für das
Rumpfgeschäftsjahr 1. Oktober bis 30. November 1999 geschlossenen
Prüfverträgen keine Schutzwirkung für die späteren Erwerberinnen zu. Im
Zeitpunkt der Erteilung der Prüfaufträge stand ein solcher Erwerb nicht im
Raum, vielmehr war daran gedacht, dass die W. AG an die Börse gehen sollte.
Soweit das Berufungsgericht darauf abstellt, vor der geplanten
Börseneinführung habe ein Verkaufsprospekt erstellt werden müssen, in dem
über die Bestätigungsvermerke sowie den Namen und die Berufsbezeichnung der
Beklagten hätte informiert werden müssen, gibt dies den Inhalt des § 30 Abs.
1 Börsenzulassungs-Verordnung zwar zutreffend wieder. Richtig ist auch, dass
durch solche Angaben die Anlagebereitschaft von an einer Beteiligung
interessierten Dritten positiv beeinflusst werden kann. Jeden in solcher
Weise an einer Beteiligung Interessierten in den Schutzbereich der
Prüfverträge einzubeziehen, wäre jedoch ein offener Widerspruch gegen die in
§ 323 Abs. 1 Satz 3 HGB zum Ausdruck kommende gesetzgeberische Wertung, die
die Gerichte zu beachten haben. Eine andere Frage ist, ob ein
Wirtschaftsprüfer als Garant aus Prospekthaftung oder wegen eines Vertrages
mit Schutzwirkung zugunsten Dritter Schadensersatz schuldet, wenn er die
Prüfung eines Verkaufsprospekts übernommen hat und ihm hierbei Fehler
unterlaufen sind (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 8. Juni 2004 - X ZR 283/02 -
NJW 2004, 3420). Eine solche Fallkonstellation liegt jedoch nicht vor, und
zur Herausgabe eines Verkaufsprospekts kam es im Hinblick auf die Absage des
Börsengangs nicht.
Als Anknüpfungspunkt (und Mindestvoraussetzung) für eine Dritthaftung käme
daher von vornherein nur in Betracht, dass der Beklagten zu einem späteren
Zeitpunkt bekannt geworden wäre, ein als Pre-IPO-Investor interessierter
Dritter warte ihre Begutachtung ab, um über ein mögliches Engagement zu
entscheiden. Ein solcher Geschehensablauf ist jedoch weder von der Klägerin
behauptet noch vom Berufungsgericht festgestellt. Soweit sich das
Berufungsgericht auf die Aufsichtsratssitzung vom 11. Februar 2000 bezieht,
in der über den Rückzug der Konsortialbank und die Möglichkeit gesprochen
wurde, nach einem Pre-IPO-Investor zu suchen und den Börsengang
hinauszuschieben, erlaubt der zugrunde gelegte Geschehensablauf eine
Einbeziehung der späteren Erwerberinnen in die Prüfverträge nicht. Anders
als in dem dem Senatsurteil BGHZ 138, 257 zugrunde liegenden Fall, in dem es
während der Prüftätigkeit zu einem Kontakt des Dritten mit dem Prüfer kam,
war hier die Prüfung bereits seit geraumer Zeit mit den Testaten vom 19.
November 1999 und vom 17. Dezember 1999 abgeschlossen. Die Anwesenheit des
Prüfers in der Aufsichtsratssitzung beruhte auf § 171 Abs. 1 Satz 2 AktG;
die Beklagte genügte daher einer gesetzlichen Pflicht, um den Aufsichtsrat
bei seiner Prüfung des Jahresabschlusses, des Lageberichts und des
Gewinnverwendungsvorschlags zu unterstützen. Der Umstand, dass in dieser
Sitzung in Anwesenheit des Prüfers erörtert wurde, man beabsichtige jetzt,
einen Pre-IPO-Investor in die Gesellschaft aufzunehmen und dann den
Börsengang durchzuführen, genügt nicht für die Annahme, es habe zwischen den
Parteien der Prüfverträge eine stillschweigende Übereinkunft bestanden,
einen Pre-IPO-Investor in den Schutzbereich der Prüfverträge einzubeziehen.
Da ein Bestätigungsvermerk ohnehin einen publizitätspflichtigen Vorgang
darstellt, andererseits die Haftung des Abschlussprüfers im Zusammenhang
damit nach § 323 Abs. 1 Satz 3 HGB beschränkt ist, kann das bloße Wissen um
oder die Erkennbarkeit von Bemühungen, anstelle eines zunächst geplanten
Börsengangs einen Pre-IPO-Investor zu finden, keine Dritthaftung auslösen.
Zum einen steht einer entsprechenden Erwartung des Vertragspartners schon
die in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten enthaltene Klausel
entgegen, wonach die Weitergabe beruflicher Äußerungen des
Wirtschaftsprüfers an einen Dritten seiner schriftlicher Zustimmung bedürfe.
Zum anderen kann aber auch ein möglicher Erwerber, dem - wie hier über das
Aufsichtsratsmitglied D. , der nach dem Vortrag der Klägerin als späterer
Vertreter der Erwerberseite bei den Vertragsverhandlungen aufgetreten ist -
das Scheitern des Börsengangs und die hierfür angeführten Gründe bekannt
waren, billigerweise nicht erwarten, die bloße Erkennbarkeit der Relevanz
der Bestätigungsvermerke genüge für eine vertragliche Haftung, sofern es an
einer ausdrücklich erhobenen Verwahrung hiergegen fehle. Eine
stillschweigende Ausdehnung der Haftung auf Dritte kommt daher grundsätzlich
nicht in Betracht, wenn nicht deutlich wird, dass vom Abschlussprüfer im
Drittinteresse eine besondere Leistung erwartet wird, die über die
Erbringung der gesetzlich vorgeschriebenen Pflichtprüfung hinausgeht.
3. Kommt es daher im Weiteren nicht auf die Frage an, ob die Beklagte ihre
Pflichten aus den Prüfverträgen verletzt hat, ist der zurückverweisenden
Entscheidung des Berufungsgerichts die Grundlage entzogen. Das angefochtene
Urteil ist daher aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht
zurückzuverweisen. Deliktsrechtliche Ansprüche hat das Berufungsgericht noch
nicht geprüft. Soweit das Berufungsgericht der behaupteten Übergabe des
Due-Diligence-Review keine rechtliche Bedeutung beigemessen hat, hat es
Gelegenheit, sich mit den Rügen der Revisionserwiderung auseinanderzusetzen.
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