Rechtsnatur des "Access-Provider"-Vertrags
BGH, Urt. v. 23.3.2005 -
III ZR 338/04
Fundstelle:
NJW 2005, 2076
Amtl. Leitsätze:
Zur rechtlichen
Einordnung eines Vertrags über die Verschaffung des Zugangs zum Internet
(Access-Provider-Vertrag).
Zentrale Probleme:
Die rechtliche Qualifikation eines Internetprovidervertrag in
Form eines sog. „Access-Providers“, der lediglich die Möglichkeit eines
Zugangs zum Internet verschafft, ist in der Literatur streitig. Teilweise
wird darauf abgestellt, daß erdie Herbeiführung eines Erfolgs zum Gegenstand
hat. Da nach § 631 Abs. 2 BGB Gegenstand eines Werkvertrags nicht nur die
Herstellung oder Veränderung einer Sache, sondern jeder andere durch
Dienstleistung herbeizuführender Erfolg sein kann, handelt es sich dann um
einen Werkvertrag. Nach a.A. liegt ein Dienstvertrag mit auch miet- und
werkvertraglichen Elementen vor (str., s. nur Palandt-Sprau Vor § 631 Rn. 29
m.w.N.). Auch eine mietvertragliche Qualifikation (Miete des "Host"-Computers,
der "am Netz hängt"). Der BGH qualifiziert den Vertrag in Parallele zu den
Mobilfunkverträgen als Dienstvertrag. Gegen einen Werkvertrag spricht
nach Ansicht des BGH, daß der Provider nicht für ständigen Zugang mit
gleichbleibender Geschwindigkeit sorgen kann und daher diese auch nicht als
Erfolg versprechen will. Er schulde daher nur ein "Bemühen" um einen solchen
Zugang und daher lediglich eine Tätigkeit, nicht aber einen Erfolg, weshalb
von einem Dienstvertrag auszugehen sei. Er stützt dies auch auf eine
Parallele zu den Mobilfunk- und Festnetzverträgen über Telefonverbindungen,
s. dazu BGHZ 158, 201, 203;
BGH NJW 2002, 361, 362.
Dagegen ließe sich einwenden, daß als Erfolg eine gewisse
"Grundverfügbarkeit" des Zugangs (mit den üblichen "Ausfällen") geschuldet
ist. Kurzzeitige Netzausfälle wären dann nach dem objektiven Fehlerbegriff
gerade kein Werkmangel i.S.v. § 633 II BGB.
S. auch BGH v. 4.3.2010 - III ZR 79/09
sowie BGH v. 11.11.2010 - III
ZR 57/10 und
BGH v. 7.3.2013 - III ZR
231/12..
©sl 2005
Gründe:
I. Die Beklagte stellte Kunden der V. -Banken einen Zugang zum Internet
bereit. Zur dafür erforderlichen Herstellung der Verbindung in das
Telekommunikationsnetz bediente sie sich aufgrund eines Vertrages vom 8.
April 1999 der Klägerin, die ihrerseits zu diesem Zweck eine
Einwahlplattform der I. GmbH nutzte. Diese wiederum stand mit der D. T. AG
in einem Vertragsverhältnis, die letztlich die Verbindung zum
Telekommunikationsnetz für die Öffentlichkeit herstellte. Die Klägerin
betrieb gleichfalls einen Zugang zum Internet, den sie eigenen Endkunden
anbot. Die den Kunden der Beklagten und ihrer Mitgliedsbanken für die
Einwahl in das Internet bereit gestellte Nummer 01910-... nutzten auch diese
Kunden der Klägerin.
Das Vertragsverhältnis der Parteien endete mit Ablauf des 31. Dezember 1999.
Die Beklagte verwendet seither eine andere Einwahlplattform, um ihren Kunden
den Internetzugang zu ermöglichen. Gleichwohl war für diese Nutzer der
Zugang unter Nummer 01910-... zunächst nicht gesperrt. Die Klägerin
veranlaßte die Löschung der Zugangsberechtigung dieser Nutzer in einem
aufwendigen Verfahren, das erst im April 2000 abgeschlossen war. Sie
verlangt von der Beklagten Ersatz der dafür erbrachten Aufwendungen und der
Telekommunikationskosten, die durch den über den 31. Dezember 1999
fortdauernden Gebrauch der Nummer 01910-... durch die Beklagtenkunden
verursacht wurden.
Die Klage blieb in den Vorinstanzen ohne Erfolg. Die Klägerin hat Beschwerde
gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Berufungsurteil erhoben.
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist zurückzuweisen, da die Rechtssache
keine grundsätzliche Bedeutung hat und eine Entscheidung des
Revisionsgerichts auch zur Rechtsfortbildung oder zur Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung nicht erforderlich ist (§ 543 Abs. 2 ZPO).
1. Die Beschwerde meint, es stelle sich die grundsätzliche Frage nach der
Rechtsnatur eines Vertrages über die Verschaffung des Zugangs zum Internet
(Access-Provider-Vertrag). Sie ist der Ansicht, ein solcher Vertrag richte
sich nach den mietrechtlichen Vorschriften. Hieraus zieht sie den Schluß, es
obliege dem Kunden des Providers im Rahmen der Rückgabepflicht (§ 546 Abs. 1
BGB), die erforderlichen Maßnahmen dazu zu treffen, daß Dritte, denen der
Kunde den Zugang eröffnet habe, nicht mehr auf die Anlagen des Providers
zugreifen könnten.
2. Dem ist nicht zu folgen.
a) Der Senat neigt der in der Literatur wohl überwiegend vertretenen
Auffassung zu, die den Access-Provider-Vertrag schwerpunktmäßig als
Dienstvertrag einordnet (Spindler CR 2004, 203, 207 f: mit Tendenz zur
Verselbständigung des Vertragstyps; ders. in Vertragsrecht der
Internetprovider, 2. Aufl., 2004, Teil IV Rn. 93; Ernst, Vertragsgestaltung
im Internet, 2003, Rn. 547; Redeker ITRB 2003, 82, 83; Petri/Göckel CR 2002,
329, 331 f; Härting CR 2001, 37, 38; Wischmann MMR 2000, 461, 465: mit
werkvertraglicher Komponente; anders: überwiegend werkvertraglicher Natur:
z.B.: Roth in Loewenheim/Koch, Praxis des Online-Rechts, 2001, S. 66; Heun
in Bartsch/Lutterbeck, Neues Recht für neue Medien, 1998, S. 253;
Mietvertrag: z.B.: Börner, Der Internet-Rechtsberater, 2. Aufl., 2002, S. 53
f; Cichon, Internetverträge, 2000, S. 19 ff; Vertrag eigener Art mit
dienst-, werk- und mietvertraglichen Komponenten: Schuppert in Spindler,
Vertragsrecht der Internet-Provider, 2. Aufl., 2004, Teil II Rn. 5, 15 ff;
Kloos/Wagner CR 2002, 865, 868 ff; Koch, Internet-Recht, 1998, S. 36).
aa) Gegen die Qualifizierung als Mietvertrag spricht, daß dem Kunden mit
der Nutzung des Rechners des Providers nicht gedient ist. Der Schwerpunkt
der Leistung liegt vielmehr bei dem Transport von Daten in das und aus dem
Internet. Daß der Kunde hierfür den Rechner des Anbieters benötigt, ist
ihm gleichgültig, so daß nicht die Nutzung einer Sache im Vordergrund
steht (Spindler CR 2004 aaO; ders. in Vertragsrecht der
Internetprovider, aaO, Rn. 92; Petri/Göckel aaO, S. 331; Härting aaO;
Wischmann aaO, S. 463). Dies unterscheidet den Zugangsverschaffungsvertrag
auch von dem Sachverhalt, der dem von der Beschwerde angeführten Beschluß
des XII. Zivilsenats vom 28. Oktober 1992 (XII ZR 92/91 - NJW-RR 1993, 178)
zugrunde lag. Dort war Gegenstand des Vertrags die Fernnutzung eines
Großrechners, die mietrechtlich eingeordnet wurde. Es ging nicht um die
Durchleitung von Daten, sondern um die Nutzbarmachung der Rechenkapazitäten
des Anbieters.
bb) Die werkvertraglichen Regelungen der §§ 631 ff BGB werden dem Bild
der geschuldeten Leistungen gleichfalls nicht gerecht. Die
Leitungskapazitäten des Providers sind begrenzt, und die
Übertragungsgeschwindigkeit schwankt je nach Netzauslastung gleichfalls.
Der Anbieter kann daher nicht einen bestimmten Erfolg, das jederzeitige
Zustandekommen einer Verbindung in das Internet mit einer bestimmten
Datenübertragungsgeschwindigkeit, versprechen, und der Kunde kann einen
solchen Erfolg nicht erwarten (Spindler CR 2004 aaO; ders. Vertragsrecht
der Internet-Provider aaO Rn. 89; Ernst aaO, Rn. 546; Petri/Göckel aaO;
Härting aaO; Wischmann aaO, S. 464 f). Der Provider schuldet daher nur die
Bereithaltung des Anschlusses und das sachgerechte Bemühen um die
Herstellung der Verbindung in das Internet.
cc) Für die Zuordnung des Zugangsverschaffungsvertrags zum
Dienstleistungsrecht spricht neben dem vorgenannten Aspekt die Parallele zu
den Telefonfestnetz- und Mobilfunkverträgen, die der Senat als
Dienstleistungsverträge qualifiziert (BGHZ 158,
201, 203; Urteil vom 22. November 2001 - III ZR
5/01 - NJW 2002, 361, 362; vgl. auch Urteil vom 2. Juli 1998 - III ZR
287/97 -NJW 1998, 3188, 3191 f). Die von dem Provider geschuldeten
Leistungen, dem Kunden den Zugang zum Internet zu eröffnen und ihm den
Austausch von Daten zu ermöglichen, unterscheiden sich nicht wesentlich von
denjenigen, die der Anbieter von Telefonnetzen für die Öffentlichkeit zu
erbringen hat. Auch dieser schuldet die Herstellung von Verbindungen
zwischen dem Kunden und Dritten sowie den Transport von Informationen.
b) Für die Entscheidung des hier zu beurteilenden Falls kommt es darauf
jedoch nicht an. Die Zuordnung des Vertrages über die Verschaffung des
Internetzugangs zu einem bestimmten Vertragstyp des Bürgerlichen Gesetzbuchs
gibt die Beantwortung der Frage, ob dem Anbieter oder dem Abnehmer nach
Beendigung des Rechtsverhältnisses die Sperre des Zugangs für Kunden des
Abnehmers obliegt, ohnehin nicht vor. Dessen ungeachtet war es jedenfalls
aufgrund der Besonderheiten des vorliegenden Sachverhalts Angelegenheit der
Klägerin, eine solche Zugangssperre für die Kunden der Beklagten und ihrer
Mitgliedsbanken einzurichten.
Es beruhte auf den Eigentümlichkeiten des Geschäfts der Klägerin, daß die
Rufnummer 01910-... nicht einfach abgeschaltet werden konnte. Über diese
Nummer verschaffte die Klägerin nicht nur den Kunden der Beklagten und ihrer
Mitgliedsbanken die Einwahl in das Internet, sondern auch ihren eigenen
Endnutzern. Damit diese nicht von dem Zugriff auf das Internet
ausgeschlossen wurden, war es erforderlich, speziell die Daten der Nutzer
der Beklagten zu löschen. Da die Notwendigkeit, den Zugang für deren Kunden
auf diese Weise zu sperren, allein den Interessen der Klägerin diente, traf
sie bei einer an Treu und Glauben orientierten Auslegung des vorliegenden
Access-Provider-Vertrags unabhängig von der allgemeinen rechtlichen
Qualifizierung derartiger Verträge die Obliegenheit, die Maßnahmen, die zur
Sperrung der Nutzer der Beklagten bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung des
Internetzugangs für die eigenen Endkunden notwendig waren, selbst
durchzuführen.
Überdies stand nach den Feststellungen des Berufungsgerichts allein die
Klägerin in vertraglichen Beziehungen zur I. GmbH, deren Mitwirkung an der
Löschung der Beklagtenkunden als Zugangsberechtigte notwendig war. Allein
die Klägerin hatte deshalb die notwendigen rechtlichen Befugnisse, auf die
Durchführung der dafür erforderlichen Schritte hinzuwirken. Die gegen die
Feststellungen des Berufungsgerichts erhobenen Rügen der Beschwerde
enthalten keine Gründe, die die Zulassung der Revision rechtfertigen
könnten.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2, 2.
Halbsatz ZPO ab.
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