Internet-Provider-Verträge: Rechtsnatur des "Internet-System-Vertrags";
gemischttypische Verträge; Vereinbarkeit einer Vorleistungspflicht mit § 307
BGB; Abgrenzung zum "Access-Provider-Vertrag", zum "ASP-Vertrag", zum "Web-Hosting-Vertrag"
sowie zum "Web-Design-Vertrag"
BGH, Urteil vom 4. März
2010 - III ZR 79/09
Fundstelle:
NJW 2010, 1449
BGHZ 184, 345
Amtl. Leitsatz:
a) Zur rechtlichen Einordnung eines
"Internet-System-Vertrags", der die Erstellung und Betreuung einer
Internetpräsentation (Website) des Kunden sowie die Gewährleistung der
Abrufbarkeit dieser Website im Internet für einen festgelegten Zeitraum zum
Gegenstand hat.
b) Zur Frage der Wirksamkeit einer Klausel, die in einem
"Internet-System-Vertrag" eine Vorleistungspflicht des Kunden begründet.
Zentrale Probleme:
Eine hochinteressante und lehrreiche Entscheidung zum
Vertragsrecht. Im MIttelpunkt steht die rechtliche Qualifikation eines
"Internet-System-Vertrags" als (schwerpunktmäßig) Werkvertrag. Besonders
lehrreich ist die Entscheidung, weil sie auch verwandte Vertragstypen rund
um Internetdienste definiert, so z.B. den "Access-Provider-Vertrag" (s. dazu
die Anm. zu
BGH NJW 2005, 2076) sowie den "ASP-Vertrag"
(s. dazu die Anm. zu
BGH NJW 2007, 2394). Für all diese
Vertragstypen hat sich der Begriff "Internet-Provider-Vertrag" als
gemeinsamer Oberbegriff eingebürgert. Die Entscheidung ist weiter
AGB-rechtlich von allgemeinem Interesse. Lesen!
Zur Kündigung eines solchen Vertrages nach § 649 BGB s.
BGH v. 27.1.2011 - VII ZR 133/10.
©sl 2010
Tatbestand:
1 Die Parteien schlossen am 14. Juni 2005 einen
"Internet-System-Vertrag" des Typs "€ Premium Plus" mit "Editorfunktion" und
"Full Service". Nach der vertraglichen Leistungsbeschreibung schuldete die
Klägerin dem Beklagten, der ein einzelkaufmännisches Unternehmen ("B.
Abbruchsprengungen, Beton-, Bohr- und Sägearbeiten, Großfeuerwerke")
betreibt, die Recherche und Registrierung einer Internet-Domain
("Domainservice"), die Zusammenstellung der Webdokumentation - Bild- und
Textmaterial - durch einen Webdesigner ("Vor-Ort-Beratung"), die Gestaltung
und Programmierung einer individuellen Internetpräsenz nach bestimmten
einzeln aufgeführten Vorgaben, das "Hosting" der Websites und Mailboxen auf
den Servern der Klägerin sowie die weitere Beratung und Betreuung über eine
Hotline. Neben Anschlusskosten von 99 € zuzüglich Umsatzsteuer, die bei
Vertragsabschluss zahlbar waren, hatte der Beklagte für die vereinbarte
Vertragslaufzeit von insgesamt 36 Monaten ein Entgelt von monatlich 120 €
zuzüglich Umsatzsteuer zu entrichten. Zur Zahlung dieses Entgelts trifft § 1
Abs. 1 der im Vertrag in Bezug genommenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen
(AGB) der Klägerin folgende Regelung:
Der Berechnungszeitraum beginnt mit dem Datum der Unterschrift unter diesem
Vertrag. Das nach diesem Vertrag zu zahlende Entgelt ist am Tag des
Vertragsabschlusses und jeweils am selben Tage des folgenden Jahres jährlich
im Voraus fällig. Abweichend von Satz zwei ist im ersten Vertragsjahr das
Entgelt dreißig Tage nach Vertragsabschluss jährlich im Voraus fällig.
2 Der Beklagte zahlte die Anschlusskosten und das Entgelt für das erste
Vertragsjahr (2005/2006). Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin die Zahlung
der Entgelte für das zweite und dritte Vertragsjahr (2006/2007 und
2007/2008) nebst Zinsen und vorgerichtlicher Kosten.
3 Der Beklagte hat eingewandt, die Bestimmung einer Vorleistungspflicht in §
1 Abs. 1 Satz 2 der AGB sei gemäß § 307 BGB unwirksam, die Klägerin habe die
von ihr geschuldeten Leistungen nicht wie geschuldet erbracht und er, der
Beklagte, habe den Vertrag wirksam gekündigt.
4 Das Amtsgericht hat der Klage im Wesentlichen - bis auf einen Teil der
Zinsforderung - stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das
Landgericht die Klage insgesamt abgewiesen. Hiergegen wendet sich die
Klägerin mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision.
Entscheidungsgründe
5 Die zulässige Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung
des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an die
Vorinstanz.
I.
6 Das Berufungsgericht (MMR 2009, 867) hat ausgeführt:
7 Der Klägerin stehe kein fälliger Anspruch auf die verlangten Entgelte zu.
Ein solcher ergebe sich nicht aus der in § 1 Abs. 1 Satz 2 der AGB
vereinbarten Vorleistungspflicht, da diese Regelung wegen der Abweichung von
den gesetzlichen Vorschriften der §§ 641, 632a BGB und erheblicher
Benachteiligung der Vertragspartner der Klägerin nichtig sei. Bei dem
"Internet-System-Vertrag" überwiege der werkvertragliche Charakter, denn der
Schwerpunkt des Vertrages liege in der Gestaltung und Programmierung der
individuellen Internetpräsenz und nicht in der Zurverfügungstellung von
Software und Speicherkapazitäten auf den Servern der Klägerin. Etwaige
Ansprüche aus § 649, § 632a BGB oder § 642 BGB habe die Klägerin nicht
hinreichend dargelegt.
II.
8 Diese Begründung hält der rechtlichen Überprüfung in einem entscheidenden
Punkt nicht stand.
9 1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts erweist sich § 1 Abs. 1
Satz 2 der AGB nach Maßgabe des revisionsrechtlich zu Grunde zu legenden
Sachverhalts nicht als unwirksam.
10 a) Die Regelung in § 1 Abs. 1 Satz 2 der AGB kann der erkennende Senat
selbständig auslegen, weil eine unterschiedliche Auslegung durch
verschiedene Berufungsgerichte in Betracht kommt (BGHZ 163, 321, 323 f;
Senat, Urteil vom 17. September 2009 - III ZR 207/08 - NJW 2010, 57 Rn. 16;
BGH, Urteil vom 16. Juni 2009 - XI ZR 145/08 - NJW 2009, 3422, 3423 Rn. 20).
Im Rahmen der Wirksamkeitskontrolle ist gemäß § 305c Abs. 2 BGB in
Zweifelsfällen die "kundenfeindlichste" Auslegung geboten, wenn diese zur
Unwirksamkeit der Klausel führt und damit für den Kunden im Ergebnis am
günstigsten ist (Senatsurteil BGHZ 175, 76, 80 f Rn. 9 m.w.N.; BGHZ 176,
244, 250 f Rn. 19 m.w.N.; BGH, Urteil vom 16. Juni 2009 aaO Rn. 21).
11 § 1 Abs. 1 Satz 2 der AGB begründet hiernach eine Vorleistungspflicht des
Vertragspartners der Klägerin (Kunde bzw. "Partnerunternehmen"). Denn ihm
wird aufgegeben, das vertragliche Entgelt jährlich im Voraus zu entrichten,
und zwar unabhängig davon, ob und inwieweit die Klägerin die ihr (für den
jeweiligen Zeitabschnitt) obliegenden Leistungen - überhaupt oder
ordnungsgemäß - erbringt.
12 b) Die Überprüfung der Wirksamkeit einer Allgemeinen Geschäftsbedingung,
die eine Vorleistungspflicht des Kunden begründet, richtet sich in aller
Regel - so auch hier - nach den Maßgaben des § 307 BGB. Danach ist eine
Klausel, die den Kunden abweichend von der gesetzlichen Regelung zur
Vorleistung verpflichtet, nur dann zulässig, wenn für sie ein sachlich
rechtfertigender Grund gegeben ist und den berechtigten Interessen des
Kunden hinreichend Rechnung getragen wird, insbesondere keine überwiegenden
Belange des Kunden entgegenstehen (BGHZ 100, 157, 161 ff; 141, 108, 114;
145, 203, 211; BGH, Urteile vom 23. Mai 1984 - VIII ZR 27/83 - NJW 1985,
850, 851, vom 24. September 2002 - KZR 38/99 - NJW-RR 2003, 834, 836 und vom
20. Juni 2006 - X ZR 59/05 - NJW 2006, 3134 Rn. 6, 10; Palandt/Grüneberg,
BGB, 69. Aufl., § 309 Rn. 13; MünchKommBGB/Kieninger, 5. Aufl., § 309 Nr. 2
Rn. 14; Staudinger/Coester-Waltjen, BGB [2006], § 309 Nr. 2 Rn. 7; Dammann,
in: Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, 5. Aufl., Rn. V 505 ff; Hensen, in:
Ulmer/ Brandner/Hensen, AGB-Recht, 10. Aufl., § 309 Nr. 2 BGB Rn. 11 f).
Diese Maßstäbe gelten auch dann, wenn die Vorleistungsklausel, wie im
vorliegenden Fall, gegenüber einem Unternehmer verwendet wird (§ 14 Abs. 1,
§ 310 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB), wobei den Besonderheiten des
unternehmerischen Verkehrs im Rahmen der nötigen Interessenabwägung Rechnung
getragen werden kann und muss (s. auch Dammann aaO Rn. V 508). Der
Grundsatz der Leistung Zug um Zug (§§ 320, 322 BGB) gehört zu den
wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung (§ 307 Abs. 2 Nr. 1
BGB), weil er eine gleichmäßige Sicherheit für beide Vertragsparteien
gewährleistet. Durch die ihm auferlegte Vorleistungspflicht wird dem Kunden
das Druckmittel der Einrede des nicht erfüllten Vertrages (§ 320 BGB) für
die Durchsetzung seines Anspruchs auf vertragsrechte Erfüllung (ohne
Erfordernis einer Prozessführung) genommen und das Risiko der
Leistungsunfähigkeit seines Vertragspartners, des Verwenders, aufgebürdet.
Vor diesem Hintergrund bedarf es im Rahmen der bei der Überprüfung nach §
307 BGB anzustellenden umfassenden Interessenabwägung (vgl. etwa Senat,
BGHZ 175, 102, 107 f Rn. 19 sowie Urteile vom 12. Februar 2009 - III ZR
179/08 - NJW 2009, 1334, 1337 Rn. 29 und vom 17. September 2009 aaO S. 58
Rn. 18) eines sachlichen Grundes für die Verwendung einer
Vorleistungsklausel regelmäßig auch dann, wenn der Kunde Unternehmer ist (so
auch Dammann aaO; offen gelassen in BGH, Urteil vom 24. September 2002 aaO;
offen gelassen wohl auch bei Hensen aaO Rn. 17; a.A. OLG Frankfurt am Main,
NJW-RR 1988, 1458, 1459; Kieninger aaO Rn. 21).
13 Eine solche Interessenabwägung ist auch und gerade dann vorzunehmen, wenn
die gesetzliche Regelung wie beim Werkvertragsrecht abweichend vom Grundsatz
der Leistung Zug um Zug sogar eine Vorleistungspflicht des die Allgemeinen
Geschäftsbedingungen verwendenden (Werk-)Unternehmers vorsieht.
14 c) Nach diesen Maßgaben hält die Regelung in § 1 Abs. 1 Satz 2 der AGB
der Wirksamkeitskontrolle stand.
15 aa) Dem Berufungsgericht ist freilich darin beizupflichten, dass die in §
1 Abs. 1 Satz 2 der AGB niedergelegte Vorleistungspflicht des Kunden vom
Leitbild der gesetzlichen Regelung abweicht. Bei dem zwischen den Parteien
abgeschlossenen "Internet-System-Vertrag" handelt es sich nach den
rechtsfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts insgesamt um einen
Werkvertrag im Sinne der §§ 631 ff BGB, und gemäß § 641 Abs. 1, §§ 632a, 646
BGB hat nicht der Besteller, sondern der Werkunternehmer vorzuleisten.
16 Die Qualifizierung des "Internet-System-Vertrags" als Werkvertrag im
Sinne der §§ 631 ff BGB steht im Einklang mit der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs zur Zuordnung von Internet-Verträgen zu den Vertragstypen
des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Sie findet ihre maßgebliche Grundlage in
dem von den Parteien vereinbarten Vertragszweck, wie er in der vertraglichen
Leistungsbeschreibung und dem hieran anknüpfenden Parteiwillen, insbesondere
auch in der verobjektivierten Kundenerwartung, zum Ausdruck kommt, und
rechtfertigt sich letztlich auch aus einem Vergleich mit Verträgen, die
ähnliche Gegenstände betreffen und als Werkverträge anerkannt sind.
17 (1) Der "Internet-System-Vertrag" gehört zum Kreis der
Internet-Provider-Verträge; unter diesem Oberbegriff wird eine Vielzahl
unterschiedlicher Vertragstypen zusammengefasst, bei denen es sich zumeist
um atypische oder gemischte Verträge handelt (s. etwa Spindler, CR 2004,
203 f; ders., in: Spindler, Vertragsrecht der Internet-Provider, 2. Aufl.,
Teil IV Rz. 4 f = S. 240 ff; Klett/ Pohle, DRiZ 2007, 198). Unbeschadet
dessen lassen sich einzelne Vertragsgestaltungen im Rahmen der gebotenen
Schwerpunktbetrachtung (BGHZ 2, 331, 333; Palandt/Grüneberg aaO vor § 311
Rn. 26) - unter besonderer Berücksichtigung der unter dem Blickwinkel des
Auftraggebers gewählten Zielrichtung (Senat, Urteil vom 7. März 2002 - III
ZR 12/01 - NJW 2002, 1571, 1573; BGHZ 54, 106, 107) - einem der im
Bürgerlichen Gesetzbuch geregelten Vertragstypen zuordnen.
18 (a) Bei dem "Access-Provider-Vertrag" geht es um die Pflicht des
Anbieters, dem Kunden den Zugang zum Internet zu verschaffen; hierbei
schuldet der Provider - nur - die Bereithaltung des Anschlusses und das
sachgerechte Bemühen um die Herstellung der Verbindung in das Internet,
so dass dieser Vertrag im Allgemeinen als Dienstvertrag im Sinne der §§ 611
ff BGB anzusehen ist (Senat,
Beschluss vom 23. März 2005 - III ZR 338/04 - NJW 2005, 2076
m.w.N.; Klett/Pohle aaO S. 199; für die Annahme eines Werkvertrags hingegen
Redeker, IT-Recht, 4. Aufl., Rn. 968).
19 (b) Gegenstand des "Application-Service-Providing (ASP)"-Vertrags
ist die Bereitstellung von Softwareanwendungen für den Kunden zur
OnlineNutzung über das Internet oder andere Netze. Im Vordergrund dieses
Vertrages steht die (Online-)Nutzung fremder (Standard-)Software, die in
aller Regel nicht nur einem, sondern einer Vielzahl von Kunden zur Verfügung
gestellt wird, und somit der Gesichtspunkt der (entgeltlichen)
Gebrauchsüberlassung, weshalb dieser Vertrag von der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs als Mietvertrag im Sinne der §§ 535 ff BGB eingeordnet
worden ist (BGH, Urteil
vom 15. November 2006 - XII ZR 120/04 - NJW 2007, 2394 f
Rn. 11 ff; Klett/Pohle aaO S. 203; für die Einordnung als
Dienstvertrag hingegen Redeker aaO Rn. 987 ff).
20 (c) Beim "Web-Hosting"-Vertrag (bzw. "Website-Hosting"-Vertrag)
stellt der Anbieter auf seinem eigenen Server dem Kunden Speicherplatz und
einen entsprechenden Internet-Zugang zur Verfügung, wobei es Sache des
Kunden ist, diesen Speicherplatz (durch eine eigene Website) zu nutzen und
zu verwalten. Dieser Vertrag weist dienst-, miet- und werkvertragliche
Aspekte auf (s. dazu etwa MünchKommBGB/Busche, 5. Aufl., § 631 Rn. 279;
Klett/Pohle aaO S. 202 f; Schuppert, in: Spindler, Vertragsrecht der
Internet-Provider, 2. Aufl., Teil II Rz. 48 f = S. 15 f und Teil V Rz. 3 ff
= S. 513 ff). Findet der Vertragszweck seinen Schwerpunkt in der
Gewährleistung der Abrufbarkeit der Website des Kunden im Internet, so liegt
es allerdings nahe, insgesamt einen Werkvertrag im Sinne der §§ 631 ff BGB
anzunehmen (so OLG Düsseldorf, MMR 2003, 474 f; Redeker aaO Rn. 980).
21 (d) Im "Webdesign-Vertrag" verpflichtet sich der Anbieter, für den
Kunden eine individuelle Website zu erstellen. Ein solcher Vertrag dürfte -
ebenso wie ein Vertrag über die Erstellung oder Bearbeitung einer
speziellen, auf die Bedürfnisse des Auftraggebers abgestimmten Software (s.
BGHZ 102, 135, 140 f; BGH, Urteile vom 15. Mai 1990 - X ZR 128/88 - NJW
1990, 3008, vom 3. November 1992 - X ZR 83/90 - NJW 1993, 1063, vom 9.
Oktober 2001 - X ZR 58/00 - CR 2002, 93, 95 und vom 16. Dezember 2003 - X ZR
129/01 -NJW-RR 2004, 782, 783) - regelmäßig als Werkvertrag im Sinne der
§§ 631 ff BGB, unter Umständen auch als Werklieferungsvertrag im Sinne von §
651 BGB, anzusehen sein (s. dazu etwa Busche aaO m.w.N.; Klett/Pohle aaO
S. 201; Redeker aaO Rn. 980; Schneider, in: Handbuch des EDV-Rechts, 4.
Aufl., Teil O Rz. 342 f = S. 2066; Schmidt, in: Spindler, Vertragsrecht der
Internet-Provider, 2. Aufl., Teil VIII Rz. 4 = S. 659 ff; Cichon,
Internet-Verträge, 2. Aufl., S. 117 ff; Härting, Internetrecht, 3. Aufl.,
Rn. 334 ff = S. 83 ff).
22 (e) Beschränkt sich die Leistungspflicht des Anbieters auf die
Beschaffung und Registrierung einer vom Kunden gewünschten Internet-Domain,
so stellt sich der Vertrag in der Regel als ein Werkvertrag dar, der
eine entgeltliche Geschäftsbesorgung (§ 675 Abs. 1, §§ 631 ff BGB) zum
Gegenstand hat (s. OLG Köln, MMR 2003, 191; Klett/Pohle aaO S. 200 m.w.N.;
Redeker aaO Rn. 1085; Schuppert aaO Teil VI Rz. 11 = S. 600).
23 (f) Verträge über die "Wartung" oder "Pflege" von Software,
EDV-Programmen oder Websites sind als Werkverträge einzuordnen, soweit
sie auf die Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit und die Beseitigung von
Störungen (und somit: auf einen Tätigkeitserfolg) gerichtet sind, wohingegen
ihre Qualifizierung als Dienstvertrag nahe liegt, wenn es an einer solchen
Erfolgsausrichtung fehlt und die laufende Serviceleistung (Tätigkeit) als
solche geschuldet ist (s. dazu BGHZ 91, 316, 317; BGH; Urteil vom 8. April
1997 - X ZR 62/95 -NJW-RR 1997, 942, 943; ferner: OLG München, CR 1989, 283,
284 und CR 1992, 401, 402; Palandt/Sprau aaO vor § 631 Rn. 22; Busche aaO §
631 Rn. 284; Redeker aaO Rn. 648 ff m.w.N.; Klett/Pohle aaO S. 201).
24 (2) Der hier zu beurteilende "Internet-System-Vertrag" weist in
einzelnen Elementen Bezüge zu einigen der vorerwähnten Vertragstypen auf,
ist indes keinem dieser Vertragstypen vollständig zuzuordnen, sondern als
eigener Vertragstypus anzusehen, der sich insgesamt als Werkvertrag im Sinne
der §§ 631 ff BGB darstellt.
25 Nach dem vereinbarten Zweck des "Internet-System-Vertrags", wie er in der
"Leistungsbeschreibung" in der Anlage zum Vertrag sowie in dem daran
anknüpfenden Willen der Vertragsparteien, insbesondere auch in der
verobjektivierten Kundenerwartung, zum Ausdruck kommt, hat die Klägerin auf
ihren eigenen Servern für den Kunden unter der von ihm gewünschten Domain
eine Website (Homepage; Internetpräsentation) einzurichten, diese Website
für den vereinbarten Zeitraum zu unterhalten und sie über das Internet
Dritten zugänglich zu machen. Auf diesen Leistungszweck beziehen sich
sämtliche der in der "Leistungsbeschreibung" aufgeführten einzelnen
Leistungspflichten, nämlich die Recherche und Registrierung einer (den
Kundenwünschen entsprechenden) Internet-Domain ("Domainservice"), die
Zusammenstellung der Webdokumentation - Bild- und Textmaterial - durch einen
Webdesigner ("Vor-Ort-Beratung"), die Gestaltung und Programmierung einer
individuellen Internetpräsenz nach bestimmten einzeln aufgeführten Vorgaben,
das "Hosting" der Websites und Mailboxen auf den Servern der Klägerin sowie
die (diesbezügliche) weitere Beratung und Betreuung des Kunden über eine
Hotline der Klägerin.
26 Gegenstand des "Internet-System-Vertrags" ist demnach die auf einen
bestimmten Zeitraum festgelegte Gewährleistung der Abrufbarkeit einer von
der Klägerin für ihren Kunden erstellten und betreuten Website (Homepage) im
Internet und somit nicht das schlichte Tätigwerden der Klägerin als solches,
sondern die Herbeiführung eines Erfolgs als Ergebnis der Tätigkeit der
Klägerin. Die "Abrufbarkeit" der Website ist in diesem Zusammenhang nicht
als eine Garantie für den jederzeitigen Zugriff über das Internet - die der
Webhostbetreiber wegen der technischen Gestaltung des Internet nicht
übernehmen kann - zu verstehen, sondern dahin, dass die Website so
bereitzustellen ist, dass sie für Internetnutzer abgerufen werden kann, wenn
das Internet im üblichen Rahmen den Zugriff ermöglicht (Redeker aaO Rn.
980). Dementsprechend ist dieser Vertrag - anders als der lediglich auf die
Verschaffung des Zugangs zum Internet angelegte "Access-Provider-Vertrag" -
nicht als Dienstvertrag im Sinne der §§ 611 ff BGB, sondern als Werkvertrag
im Sinne der §§ 631 ff BGB einzuordnen (zur allgemeinen Abgrenzung von
Dienst- und Werkvertrag s. etwa Senat, Urteil vom 7. März 2002 aaO S. 1572;
ferner BGHZ 31, 224, 226 ff; 54, 106, 107; BGH, Urteile vom 19. Juni 1984 -
X ZR 93/83 - NJW 1984, 2406 f und vom 16. Juli 2002 - X ZR 27/01 - NJW 2002,
3323, 3324; Palandt/Sprau aaO vor § 631 Rn. 8; Busche aaO § 631 Rn. 14). Im
Gegensatz zum "ASP-Vertrag" geht es bei dem "Internet-System-Vertrag" nicht
- j edenfalls: nicht primär - um die Bereitstellung (Gebrauchsüberlassung)
von Softwareanwendungen zur OnlineNutzung für den Kunden. Soweit die
Klägerin dem Kunden nach dem "InternetSystem-Vertrag" "Domainservice" und
"Webdesign" schuldet, stellen diese Leistungen jeweils schon für sich
genommen werkvertragliche Leistungen dar, denn dabei geht es um die
Beschaffung und Registrierung einer vom Kunden gewünschten Internet-Domain
und um die Herstellung einer individuellen Website (Homepage), die - anders
als beim Werklieferungsvertrag - nicht als bewegliche Sache an den Kunden
"geliefert" wird, sondern auf den Servern und in der Verfügung der Klägerin
verbleibt. Auch das von der Klägerin zu erbringende "Website-Hosting" steht
einer werkvertraglichen Leistung näher als einer dienst- oder
mietvertraglichen Leistung, da es in erster Linie dazu dient, die
Abrufbarkeit der Website des Kunden im Internet zu gewährleisten und in
diesem Sinne einen "Erfolg" herbeizuführen, somit weder als ein bloßes
Tätigwerden noch lediglich als die Gebrauchsüberlassung von Speicherplatz
angesehen werden kann. Im Lichte dieser prägenden Zweckrichtung ist
schließlich auch die vertraglich vereinbarte Beratungs- und
Betreuungspflicht der Klägerin zu würdigen; auch diese zielt auf die
Gewährleistung der Abrufbarkeit einer von der Klägerin erstellten und
betreuten "Internetpräsentation" des Kunden.
27 (3) Der Einordnung des "Internet-System-Vertrags" als Werkvertrag im
Sinne der §§ 631 ff BGB steht es nicht entgegen, dass der Kunde ein
monatliches pauschales Entgelt zu entrichten hat, dass der Vertrag auf eine
bestimmte Zeitdauer angelegt ist und somit Züge eines
"Dauerschuldverhältnisses" aufweist und dass dem Kunden kein körperlicher
Gegenstand als "Werkleistung" übereignet wird. Angesichts des auf einen
Erfolg bezogenen Vertragszwecks kommt diesen Umständen kein entscheidendes
Gewicht zu. Sie finden sich insbesondere auch bei Werbeverträgen, die einen
ähnlichen Zweck und Gegenstand wie der hier zu beurteilende
"Internet-System-Vertrag" aufweisen und von der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs als Werkverträge angesehen worden sind, wie etwa Verträge
über die Präsentation von Werbespots/Videoclips auf einem öffentlichen
Videoboard (BGH, Urteil vom 26. März 2008 - X ZR 70/06 - NJW-RR 2008, 1155),
über die Anbringung von Werbeplakaten auf bestimmten Flächen für eine
festgelegte Zeitspanne (BGH, Urteil vom 19. Juni 1984 aaO) oder über
Werbeanzeigen im Telefonbuch (s. BGH, Urteil vom 24. September 2002 aaO
m.w.N.).
28 bb) Die in § 1 Abs. 1 Satz 2 der AGB bestimmte, vom Leitbild der
gesetzlichen Regelung abweichende Vorleistungspflicht des Kunden kann sich
indes auf sachliche Gründe stützen und trägt den berechtigten Interessen des
Kunden hinreichend Rechnung. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Klausel
(wie hier) gegenüber einem Unternehmer (§§ 14, 310 Abs. 1 BGB) verwendet
wird. Die hierfür maßgeblichen Erwägungen hat das Berufungsgericht nicht
berücksichtigt.
29 (1) Sachlich rechtfertigende Gründe findet die Vorleistungspflicht des
Kunden zunächst darin, dass der Anbieter bei dem hier vorliegenden "InternetSystem-Vertrag"
bereits zu Beginn der Vertragslaufzeit die Website zu erstellen und
einzurichten sowie die Abrufbarkeit dieser Website im Internet
herbeizuführen hat. Auf der Grundlage der vertraglichen
Leistungsbeschreibung sind beide Vorinstanzen - im Einklang mit dem
Vorbringen der Klägerin, dem der Beklagte nicht mit Substanz
entgegengetreten ist - davon ausgegangen, dass damit die Klägerin
typischerweise den überwiegenden Teil des von ihr zur Erfüllung ihrer
Vertragspflichten zu erbringenden Gesamtaufwands bei Vertragsbeginn tragen
muss. Der Anbieter (hier: die Klägerin) hat daher ein berechtigtes Interesse
daran, mit der Bezahlung jeglichen Entgelts nicht lange Zeit, etwa gar bis
zum Ende der Vertragslaufzeit - also: bis zur vollständigen Erbringung der
von ihm geschuldeten Werkleistung -, warten zu müssen. Ferner kann dem
Anbieter die Zahlung monatlicher Ratenbeträge in dem hier in Rede stehenden
Umfang von - lediglich - 120 € zuzüglich Umsatzsteuer einen nicht
unerheblichen buchhalterischen Aufwand bereiten und sich eine monatliche
Ratenzahlung aus seiner nachvollziehbaren Sicht deshalb als unpraktikabel
erweisen.
30 (2) Dem berechtigten Interesse des Anbieters an einer dem jeweils
erbrachten bzw. noch zu erbringenden Aufwand entsprechenden, praktikablen
und zeitnahen Entgeltzahlung steht das ebenso berechtigte Interesse des
Kunden gegenüber, das Druckmittel der Einrede des nicht erfüllten Vertrages
(§ 320 BGB) für die Durchsetzung seines Anspruchs auf vertragsgerechte
Erfüllung (ohne Erfordernis einer Prozessführung) zu behalten und nicht mit
dem Risiko der Leistungsunfähigkeit seines Vertragspartners belastet zu
werden. Durch die Vorleistungspflicht läuft der Kunde Gefahr, das von ihm
geschuldete Entgelt auch dann entrichten zu müssen, wenn der Anbieter die
ihm obliegende (Werk-)Leistung überhaupt nicht oder nicht ordnungsgemäß
erbringt.
31 Dem vorerwähnten Interesse des Kunden muss die Vorleistungsklausel auch
dann Rechnung tragen, wenn der Kunde ein Unternehmer ist. Denn auch einem
Unternehmer gegenüber wäre es nicht angemessen, wenn diesem das wesentliche
Sicherungs- und Druckmittel der Einrede des nicht erfüllten Vertrages
vollumfänglich und kompensationslos genommen würde. Dem Verwender einer
formularmäßigen Vertragsbestimmung ist es gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB -
auch bei Verwendung der Klausel gegenüber einem Unternehmer (s. § 310 Abs. 1
Satz 1 und 2 BGB) - verwehrt, durch eine einseitige Vertragsgestaltung
missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners
durchzusetzen, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu
berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zu gewähren, da hierin
eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners entgegen den Geboten
von Treu und Glauben läge (s. dazu etwa Senat, BGHZ 175, 102, 107 f Rn. 19
sowie Urteile vom 12. Februar 2009 aaO und 17. September 2009 aaO).
32 (3) Im Ergebnis der sonach gebotenen Interessenabwägung wird § 1 Abs. 1
Satz 2 der AGB den berücksichtigungsfähigen Interessen des Kunden -
jedenfalls im unternehmerischen Verkehr - ausreichend gerecht.
33 Vor dem Hintergrund, dass die Klägerin in aller Regel den Schwerpunkt
ihrer Tätigkeit und ganz überwiegenden Teil der von ihr geschuldeten
Leistung am Beginn der Vertragslaufzeit erbringt und demgegenüber auf die
noch verbleibenden, in der nachfolgenden Vertragslaufzeit anstehenden
Leistungen kein größerer Aufwand entfällt, ist es nicht unangemessen, wenn
der Kunde (etwa) ein Drittel der von ihm zu zahlenden Gesamtvergütung
(Werklohn) im Voraus zu entrichten hat. Diese Vorleistung, die zudem erst 30
Tage nach Vertragsabschluss fällig wird, belastet den Kunden vor allem
deshalb nicht unverhältnismäßig, weil der Anteil des für das erste Jahr der
Vertragslaufzeit im Voraus zu zahlenden Entgelts an der vereinbarten
Gesamtvergütung deutlich hinter dem Anteil am Gesamtaufwand zurückbleibt,
den die Klägerin zur Erfüllung ihrer Leistungspflichten in diesem Zeitraum
aufzubringen hat. Unter dem Blickwinkel dieser vergleichenden Betrachtung
stellt die Zahlungsregelung in § 1 Abs. 1 Satz 2 der AGB keine einseitige,
unangemessene Benachteiligung des Kunden dar.
34 Hinzu tritt, dass die Vorauszahlung etwa eines Drittels der vereinbarten
Gesamtvergütung die Druckmittel des Kunden für die Durchsetzung seines
Anspruchs auf vertragsgerechte Erfüllung (ohne Erfordernis einer
Prozessführung) nur in einem verhältnismäßig geringen Umfang beeinträchtigt.
Leistet die Klägerin im ersten Vertragsjahr nicht oder nicht wie vereinbart,
so kann der Kunde die für die beiden Folgejahre geschuldeten Entgeltbeträge
zurückbehalten und Er-füllungs- oder Gewährleistungsansprüche geltend machen
und den (Werk-)Vertrag gegebenenfalls auch kündigen. Um den Anspruch auf den
auf das zweite und dritte Vertragsjahr entfallenden Entgeltanteil -
insgesamt also (etwa) zwei Drittel der vereinbarten Gesamtvergütung - nicht
zu verlieren, wird die Klägerin bestrebt sein, das Schwergewicht der von ihr
geschuldeten Leistung - nämlich die Erstellung und Einrichtung der Website
sowie die Gewährleistung der Abrufbarkeit dieser Website im Internet -
rechtzeitig und ordnungsgemäß zu erbringen und ihren Kunden auf diese Weise
zufrieden zu stellen. Geben die Leistungen der Klägerin - erst - im Verlauf
des zweiten Vertragsjahres berechtigten Anlass für Beanstandungen des
Kunden, so kann dieser mit der Einbehaltung des für das dritte Vertragsjahr
zu zahlenden letzten Entgeltdrittels immer noch einen wirkungsvollen Druck
auf die Klägerin ausüben und sie hierdurch zur ordnungsgemäßen Erfüllung
ihrer Pflichten anhalten. Erst mit der Zahlung des zu Beginn des dritten
Vertragsjahres zu entrichtenden Entgeltbetrages verliert der Kunde das
Druckmittel der Einrede des nicht erfüllten Vertrages. Zu diesem Zeitpunkt
aber hat die Klägerin den für die von ihr geschuldete Vertragserfüllung
erforderlichen Gesamtaufwand regelmäßig schon nahezu vollständig erbracht.
35 2. Demnach durfte das Berufungsgericht die Klage nicht mit der Begründung
abweisen, § 1 Abs. 1 Satz 2 der AGB sei unwirksam. Da wegen der weiteren
gegen die Entgeltforderung der Klägerin vorgebrachten Einwände des Beklagten
(keine vertragsgerechte Leistung der Klägerin; Kündigung des Vertrags) noch
ergänzende Feststellungen erforderlich sind, ist der Rechtsstreit nicht zur
Endentscheidung reif, so dass die Sache zur neuen Verhandlung und
Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen ist (§ 563 Abs. 1
Satz 1 und Abs. 3 ZPO). |