Vertragsschluß bei
Inanspruchnahme von "Mehrwertdiensten" (0190-Nummer)
BGH, Urteil vom 28. Juli
2005 - III ZR 3/05
Fundstelle:
MMR 2005, 597
NJW 2005, 3636 m. Besprechungsaufsatz Mankowski aaO S. 3614 ff
Zentrale Probleme:
S. die Anm. zu
BGH v. 20.10.2005 - III ZR 37/05
sowie
BGH v. 13.6.2002 - III ZR 156/01,
BGH NJW 2002,
361, BGHZ 158, 201
sowie die Anm. zu BGH v. 16.11.2006 - III ZR
58/06.
©sl 2005
Amtl. Leitsatz:
a) Zwischen dem Inhaber
eines Telefonanschlusses, von dem aus ein Mehrwertdienst angewählt wird, und
dem Verbindungsnetz- sowie dem Plattformbetreiber kommt kein Vertrag über
die Erbringung von Verbindungsleistungen zustande, wenn die Mitwirkung des
Betreibers an der Herstellung der Verbindung nach außen nicht deutlich wird.
b) Ein Entgeltanspruch wird in diesen Fällen auch nicht durch § 15 Abs. 1
Satz 1 TKV begründet.
Tatbestand:
Die Klägerin verlangt von dem Beklagten aus ihren Angaben zufolge
abgetretenem Recht der T. GmbH & Co. KG die Zahlung von Entgelten für die
Herstellung von Fernmeldeverbindungen zu Mehrwertdienstenummern im April und
Oktober 2002.
Der Beklagte ist Inhaber eines Telefonanschlusses der D. T. AG. Die Zedentin
stellt als sogenannter Verbindungsnetzbetreiber Verbindungen aus
Teilnehmernetzen in andere Telekommunikationsnetze her. Ferner ist sie als
sogenannter Plattformbetreiber Inhaber der Zuteilung von
Mehrwertdienstenummern. Sie stellt ihrerseits die Rufnummern den
Diensteanbietern zur Verfügung und leitet die aus dem Netz der D. T. AG oder
anderer Telekommunikationsunternehmen kommenden Anrufe beziehungsweise
Interneteinwahlen an die Betreiber der Mehrwertdienste weiter.
Die Klägerin behauptet, vom Anschluß des Beklagten aus seien verschiedene
Mehrwertdienste über das Netz und die Plattform der T. GmbH & Co. KG in
Anspruch genommen worden. Sie ist der Ansicht, die Zedentin könne die
hierfür angefallenen Verbindungsentgelte beanspruchen, da mit der Anwahl
einer Mehrwertdienstenummer ein Vertrag des Anschlußinhabers auch mit dem
Verbindungsnetz- und dem Plattformbetreiber zustande komme.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom
Berufungsgericht zugelassene Revision der Klägerin.
Entscheidungsgründe:
Die Revision bleibt ohne Erfolg.
I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt,
die Zedentin sei nicht Vertragspartner des Beklagten geworden. Der
Anschlußinhaber stehe mit seinem Teilnehmernetzbetreiber, der ihm den
Netzzugang zur Verfügung stelle, in vertraglichen Beziehungen. Hinzu trete
ein weiteres Vertragsverhältnis mit dem Anbieter von Mehrwertdiensten, wenn
ein solcher angewählt werde. Demgegenüber stelle sich die Leistung eines
Dritten, der in die Verbindung zwischen dem Anschluß und dem Mehrwertdienst
eingeschaltet sei, selbst dann als diejenige einer Hilfsperson dar, wenn der
Nutzer wisse, daß die Verbindung zum Mehrwertdienst über einen
Verbindungsnetz- und einen Plattformbetreiber zustande komme.
II. Dies hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
1. Zwischen dem Beklagten und der T. GmbH & Co. KG ist kein Vertrag über die
Erbringung von Telekommunikationsdienstleistungen zustande gekommen.
a) Ein Vertrag setzt zwei inhaltlich korrespondierende, auf dieselben
Rechtsfolgen gerichtete Willenserklärungen voraus. Willenserklärungen können
auch schlüssig abgegeben werden. Deshalb kann ein Vertrag, wie die Revision
insoweit zutreffend hervorhebt, auch dadurch zustande kommen, daß ein
Anbieter im Wege der sogenannten Realofferte seine Leistung bereit hält und
ein Nutzer das Angebot mit deren Inanspruchnahme konkludent annimmt
(z.B.: BGH, Urteil vom 17. März 2004 - VIII ZR 95/03 - NJW-RR 2004, 928, 929
m.w.N.). Dies gilt insbesondere für Verträge über die Versorgung mit
Elektrizität, Gas, Wasser und Fernwärme oder für die Personenbeförderung im
Massenverkehr, aber auch für Verträge über
Telekommunikationsdienstleistungen. Ein Mehrwertdiensteanbieter gibt durch
die Bereithaltung seiner Leistung im Telekommunikationsnetz eine Realofferte
ab. Diese nimmt der Anschlußnutzer regelmäßig zumindest schlüssig durch die
Anwahl einer bestimmten - zumeist mit den Ziffernfolgen 0190 oder 0900
beginnenden - Nummer am Telefongerät oder am Computer an. Aus diesem Grund
tritt neben den als Dauerschuldverhältnis zu qualifizierenden
Telefondienstvertrag mit dem Teilnehmernetzbetreiber ein weiteres
Rechtsverhältnis mit dem Anbieter eines Mehrwertdienstes hinzu, wenn der
Nutzer einen solchen Dienst anwählt (Senatsurteile
BGHZ 158, 201, 203 f und vom
22. November 2001 - III ZR 5/01 - NJW 2002, 361, 362;
vgl. auch Härting ITRB 2003, 103, 104).
b) Ein Vertrag über die Erbringung von Verbindungsleistungen kommt jedoch,
zumindest in Fallgestaltungen wie der vorliegenden, zwischen dem
Anschlußnutzer (gegebenenfalls im Namen des Anschlußinhabers) und dem
Verbindungsnetz- und Plattformbetreiber nicht zustande. Es dürfte bereits an
der Abgabe einer Realofferte fehlen, wenn, wie hier, die Mitwirkung des
Betreibers an der Herstellung der Verbindung zwischen dem Anschluß des
Nutzers und dem Mehrwertdienst nach außen nicht deutlich wird. Jedenfalls
ist der Anwahl einer Mehrwertdienstenummer nicht der objektive
Erklärungswert zu entnehmen, daß der Nutzer nicht nur mit dem
Mehrwertdiensteanbieter, sondern auch mit dem Verbindungsnetz- und
Plattformbetreiber eine (entgeltliche) vertragliche Beziehung begründen
will. Dies scheitert bereits daran, daß dieser aus Sicht eines objektiven
Dritten bei vernünftiger Betrachtung der bekannten oder erkennbaren Umstände
(vgl. hierzu z.B. BGHZ 36, 30, 33; BGH, Urteil vom 12. März 1992 - IX ZR
141/91 - NJW 1992, 1446 f; Bamberger/Roth/Wendtland, BGB, § 133 Rn. 27)
nicht Adressat einer Willenserklärung ist. Dem durchschnittlich verständigen
und informierten Telefon- und Internetnutzer ist, wovon auch ein objektiver
Dritter auszugehen hat, die Leistungskette zwischen dem
Teilnehmernetzbetreiber und dem Mehrwertdiensteanbieter nicht bekannt,
sofern er nicht - etwa im Wege des sogenannten call-by-call-Verfahrens -
gezielt einen bestimmten Verbindungsnetzbetreiber auswählt. Ihm ist deshalb
entgegen der Ansicht der Revision nicht bewußt, daß die Verbindung zu dem
Mehrwertdienst durch zwischengeschaltete Leistungserbringer hergestellt
wird.
Dem Berufungsgericht ist darin beizupflichten, daß sich am Ergebnis selbst
dann nichts ändern würde, wenn der durchschnittliche Anschlußnutzer mit der
Einbeziehung von Verbindungsnetz- und Plattformbetreibern in die
Verbindungskette rechnete. Auch dann ließe sich der Anwahl des
Mehrwertdienstes nicht die Erklärung des Nutzers entnehmen, mit dem
Verbindungsnetz- oder Plattformbetreiber einen Vertrag über die Herstellung
einer Telekommunikationsverbindung schließen zu wollen. Für den
Anschlußnutzer stellen sich, wie für einen objektiven Dritten erkennbar ist,
diese Betreiber als bloße Hilfspersonen dar, deren Leistungen zur Erbringung
des Mehrwertdienstes technisch notwendig sind. Offen bleiben kann, ob sich
der Mehrwertdiensteanbieter dieser Verbindungsleistungen bedient oder ob der
Teilnehmernetzbetreiber zur Erfüllung seiner Pflichten aus dem
Telefondienstleistungsvertrag darauf zurückgreift. In beiden Fällen sind der
Verbindungsnetz- und der Plattformbetreiber aus Sicht des Nutzers
Erfüllungsgehilfen eines Dritten. Hierfür spricht insbesondere, daß in dem
Preis für die Inanspruchnahme des Mehrwertdienstes das Entgelt für die
Leistungen des Verbindungsnetz- und des Plattformbetreibers bereits
enthalten ist. Schuldet der Kunde gegenüber einem Vertragspartner das
Entgelt auch für Leistungen eines Dritten, liegt am nächsten der Schluß, daß
diese Bestandteil der Pflichten des Vertragspartners sind und der Dritte
dessen Erfüllungsgehilfe ist. Stellt sich im Rahmen einer Leistungsbeziehung
ein Beteiligter, hier der Verbindungs- und Plattformbetreiber, aus Sicht
einer Partei als Erfüllungsgehilfe des Vertragspartners dar, geht ihr
erkennbarer Wille im Zweifel nicht dahin, auch mit dem weiteren Beteiligten
einen Vertrag zu schließen.
Gegen einen Vertragsschluß zwischen dem Anschlußnutzer und dem
Verbindungsnetz- beziehungsweise Plattformbetreiber spricht auch die
Interessenlage, die bei der Auslegung von Willenserklärungen zu
berücksichtigen ist (z.B.: BGHZ 21, 319, 328; 109, 19, 22; BGH, Urteil vom
9. Juli 2001 - II ZR 228/99 - NJW 2002, 747, 748 m.w.N.). Es liefe, wie das
Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, den erkennbaren Interessen des
Nutzers zuwider, neben den vertraglichen Beziehungen zu dem
Mehrwertdiensteanbieter und dem Teilnehmernetzbetreiber weitere
Vertragsverhältnisse mit dem Verbindungsnetz- und dem Plattformbetreiber zu
begründen. Der Anschlußinhaber würde auf diese Weise für ein und dieselbe
Leistung den Entgeltansprüchen zusätzlicher Gläubiger ausgesetzt werden,
obgleich er insoweit bereits den erstgenannten Vertragspartnern verpflichtet
ist. Auch wenn er im Ergebnis nur einmal zu zahlen hat, würden die
Rechtsverhältnisse durch die Vermehrung der Gläubigerzahl unübersichtlich
und wären Streitigkeiten über die Tilgungswirkung von Leistungen und über
Einwendungen des Kunden vorprogrammiert. Demgegenüber sind Verbindungsnetz-
und Plattformbetreiber zur Wahrung ihrer Interessen nicht auf Ansprüche
gegenüber dem Endkunden angewiesen, da sie die von ihnen erbrachten
Leistungen je nach Gestaltung der entsprechenden Verträge gegenüber dem
Mehrwertdiensteanbieter oder dem Teilnehmernetzbetreiber oder gegenüber
beiden geltend machen können.
2. Entgegen der Ansicht der Revision kann die Zedentin auch aus § 15 Abs. 1
Satz 1 TKV keinen Anspruch herleiten. Nach dieser Bestimmung hat der
Teilnehmernetzbetreiber dem Kunden, vorbehaltlich einer abweichenden
Vereinbarung, auch die Entgelte in Rechnung zu stellen, die durch die
Auswahl anderer Anbieter von Netzdienstleistungen entstehen. Diese
Bestimmung begründet keinen Anspruch des anderen Anbieters. Sie enthält
vielmehr eine Regelung für den Fall, daß eine Entgeltforderung entstanden
ist (vgl. die Begründung zu § 14 des TKV-Entwurfs = § 15 TKV, BR-Drucks.
551/97 S. 34). Hieran fehlt es mangels Vertragsschlusses zwischen der
Zedentin und dem Beklagten.
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