Typengemischte Verträge, Schwerpunkttheorie;
Beweislast für die Pflichtverletzung (§ 280 I BGB) bei handlungsbezogenen
Pflichten (Dienstvertrag); Beweislastverteilung nach Gefahrenbereichen
BGH, Urteil vom 12. Januar 2017 - III
ZR 4/16 - OLG Hamm
Fundstelle:
noch nicht bekannt
Amtl. Leitsatz:
a) Zur Einordnung eines Vertrags über den
"Vollberitt" eines Pferdes als Dienstvertrag.
b) Ist die Schadensursache aus dem Gefahren- und Verantwortungsbereich des
Anspruchsgegners hervorgegangen und rechtfertigt die Sachlage den Schluss,
dass dieser die ihm obliegende Sorgfalt verletzt hat, so muss er sich vom
Vorwurf der Vertragsverletzung entlasten; er hat hierfür darzulegen und
gegebenenfalls nachzuweisen, dass ihn kein Pflichtverstoß trifft (Anschluss
an BGH, Urteile vom 20. Juni 1990 - VIII ZR 182/89, NJW-RR 1990, 1422, 1423
und vom 5. Oktober 2016 - XII ZR 50/14, BeckRS 2016, 19979 Rn. 31).
c) Eine solche Beweislastumkehr kommt in Betracht, wenn ein vom Beklagten zu
betreuendes Pferd bei einem Freilauf in der Reithalle in ungewöhnlicher
Weise erhebliche Verletzungen erleidet und der Beklagte die mit dem Freilauf
zusammenhängende Betreuung des Pferdes nicht geschultem Fachpersonal,
sondern allein einer Praktikantin anvertraut hat, die am Unfalltag erst seit
zwei Monaten in seinem Reitstall tätig war.
Zentrale Probleme:
Bei erfolgsbezogenen Pflichten wie zB einer
Übereignungs- und Besitzverschaffungspflicht aus einem Kaufvertrag (§ 433 I
BGB), der Pflicht zur Herstellung eines Werkes aus einem Werkvertrag (§ 631
I BGB) oder der Pflicht zur Rückgabe einer Sache bei einem
Verwahrungsvertrag (§ 695 BGB) ist bereits das Ausbleiben des
(vertragsgemäßen) Erfolgs eine Pflichtverletzung i.S.v. § 280 I 2 BGB. Der
Gläubiger tut sich dabei mit dem ihm obliegenden Nachweis der
Pflichtverletzung relativ leicht. Da das Vertretenmüssen nach § 280 I 2 BGB
vermutet wird, haftet der Schuldner auf Schadensersatz, wenn er die
Vermutung nicht widerlegt. Bei handlungsbezogenen Pflichten fällt dem
Gläubiger der Nachweis einer Pflichtverletzung deutlich schwerer. Da der
Schuldner keinen Erfolg schuldet (so zB beim Dienstvertrag und beim
medizinischen Behandlungsvertrag), ist der Nachweis der Pflichtverletzung
schwieriger (s. dazu beim Behandlungsvertrag die besondere Regelung in §
630h BGB). So auch im vorliegenden Fall eines "Berittvertrags" bzgl eines
Pferdes. Das Pferd war beim Beklagten eingestellt, der es nicht nur zu
Verwahren und zu füttern, sondern auch auszubilden hatte. Beim Freilauf in
der Reithalle hatte sich das Pferd verletzt. Hätte es sich um einen
Verwahrungsvertrag gehandelt, läge die Verletzung einer erfolgsbezogenen
Pflicht vor, den "Gegenstand" (vgl. § 90a BGB) unbeschädigt herauszugeben,
der Nachweis einer Pflichtverletzung wäre also geführt. Der Senat sieht hier
aber den Schwerpunkt des gemischten Vertrags auf der Dienstleistung in
Gestalt der Ausbildung des Pferdes. Damit hätte der Kläger den Nachweis
führen müssen, dass die Verletzung des Pferds auf eine Pflichtverletzung des
Beklagten oder seines Erfüllungsgehilfen (§ 276 BGB) beruht. Von diesem
Ausgangspunkt kommt der Senat zu einer Beweislastumkehr nach
Gefahrenbereichen: Ist die Schadensursache aus dem "Gefahren- und
Verantwortungsbereich" des Anspruchsgegners hervorgegangen und rechtfertigt
die Sachlage den Schluss, dass dieser die ihm obliegende Sorgfalt verletzt
hat, so muss er sich vom Vorwurf der Vertragsverletzung entlasten (s. dazu
auch die Anm. zu BGH NJW 2009, 142 sowie zu
BGH v. 19.7.2018 - VII ZR
251/17).
Zu den Grenzen s. auch
BGH v. 24.1.2013 - VII ZR 98/12.
©sl 2017
Tatbestand:
1 Die Klägerin nimmt den Beklagten
wegen der Verletzung ihres Reitpferds auf Schadensersatz in Anspruch.
2 Die Klägerin ist seit Juni 2010 Eigentümerin eines seinerzeit vierjährigen
Wallachs. Im Juli 2010 gab sie das Pferd bei dem Reitstall des
Beklagten in den Vollberitt. Dieser umfasste neben der Unterstellung,
Fütterung und Pflege auch den Beritt, die Dressurausbildung und die Gewähr
einer artgerechten Bewegung des Pferdes sowie die Ausbildung der Reiterin.
In diesem Rahmen erhielt der Wallach regelmäßig und mehrmals
wöchentlich in der Reithalle des Beklagten unter Aufsicht freien Auslauf. Am
2. Dezember 2010 wurde das Pferd morgens durch die seit dem 1. Oktober 2010
bei dem Beklagten tätige Praktikantin K. in der Reithalle frei laufen
gelassen, ohne zuvor geritten oder longiert worden zu sein. Beim Freilauf
stieß das Tier mit dem Kopf gegen eine der Stahlstützen des Hallendachs und
zog sich hierdurch eine Verletzung zu, die tierärztlich - durch Nähen der
Wunde - versorgt wurde.
3 Die Klägerin hat behauptet, der Wallach habe infolge des Unfalls vom 2.
Dezember 2010 Veränderungen im Gehirnparenchym erlitten, die mit zunehmenden
Gleichgewichtsproblemen verbunden seien, so dass das Pferd mittlerweile
nicht mehr geritten werden könne. Sie hat geltend gemacht, die
Unfallverletzung des Tieres sei auf Pflichtverletzungen des Beklagten
zurückzuführen, und ihren Schaden auf insgesamt 40.396,10 € berechnet.
4 Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die
hiergegen eingelegte Berufung der Klägerin nach Einholung eines
Sachverständigengutachtens und Vernehmung einer Zeugin zurückgewiesen.
5 Mit ihrer vom erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgt die
Klägerin ihr Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
6 Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des
angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das
Berufungsgericht.
I.
7 Das Berufungsgericht (RdL 2016, 46) hat zur Begründung seiner Entscheidung
im Wesentlichen ausgeführt: Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme habe der
Beklagte ihm vertraglich obliegende Schutz- und Sorgfaltspflichten nicht
verletzt. Die Reithalle sei nach Darlegung des Sachverständigen in ihrer
Ausgestaltung grundsätzlich für den Freilauf von Pferden geeignet. Eine
Gefährdung bestehe nur dann, wenn beim Freilaufen ein "Kaltstart" erfolge.
Das Pferd müsse deshalb vor dem Freilaufenlassen durch eine kompetente
Person angemessen vorbereitet werden, insbesondere durch vorheriges Reiten,
Lon-gieren oder Führen. Im vorliegenden Fall sei das Pferd vor dem Freilauf
zwar nicht geritten oder longiert worden. Im Hinblick auf den ausgeglichenen
Charakter des Pferdes habe es aber genügt, dass es vor dem Freilauf in der
Halle geführt worden sei. Dies habe die Zeugin B. als die im Reitstall des
Beklagten übliche und auch von ihr selbst so gehandhabte Vorgehensweise
beschrieben. Eine Beweislastumkehr wie beim Verwahrungsvertrag komme
der Klägerin nicht zugute, weil hier ein solcher nicht vorliege, sondern ein
typengemischter Vertrag, der nach seinem Schwerpunkt dem Dienstvertragsrecht
unterfalle. Im Übrigen fehle es bei Annahme einer
objektiven Pflichtverletzung des Beklagten an dem erforderlichen
Verschulden. Die aus § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB folgende Vermutung sei
nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme widerlegt. Nach den Darlegungen der
Zeugin B. hätten für eine im Temperament oder Charakter des Pferdes liegende
Gefahrenlage keine Anhaltspunkte bestanden. Eine gesteigerte Vorbereitung
und Beaufsichtigung des Freilaufs sei hiernach nicht veranlasst gewesen,
zumal es zuvor keine nennenswerten Schadensereignisse in der Reithalle
gegeben habe. Mangels Pflichtverletzung scheide auch eine
deliktsrechtliche Haftung des Beklagten nach § 823 Abs. 1, § 831 Abs. 1 Satz
1 BGB aus.
II.
8 Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht in allen
Punkten stand. Das Berufungsgericht hat eine vertragliche Haftung des
Beklagten nach bisherigem Verfahrensstand zu Unrecht verneint.
9 1. Entgegen der Ansicht der Revision ist es allerdings nicht zu
beanstanden, dass das Berufungsgericht einen typengemischten Vertrag
angenommen und den Schwerpunkt des Vertrags in der Leistung von Diensten (§
611 BGB) gesehen hat.
10 a) Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
bildet ein gemischter Vertrag ein einheitliches Ganzes und kann deshalb bei
der rechtlichen Beurteilung nicht in dem Sinn in seine verschiedenen
Bestandteile zerlegt werden, dass etwa auf den Mietvertragsanteil Mietrecht,
auf den Dienstvertragsanteil Dienstvertragsrecht und auf den
Kaufvertragsanteil Kaufrecht anzuwenden wäre. Der Eigenart des Vertrags wird
vielmehr grundsätzlich nur die Unterstellung unter ein einziges
Vertragsrecht gerecht, nämlich dasjenige, in dessen Bereich der Schwerpunkt
des Vertrags liegt (s. etwa Senatsurteile vom 21. April 2005 - III
ZR 293/04, NJW 2005, 2008, 2010 und vom 8. Oktober 2009 - III ZR 93/09, NJW
2010, 150, 151 Rn. 16 mwN; BGH, Urteil vom 29. Oktober 1980 - VIII ZR
326/79, NJW 1981, 341, 342). Eine solche rechtliche Einordnung
schließt es freilich nicht aus, auch Bestimmungen des Vertragsrechts
heranzuziehen, bei dem der Schwerpunkt des Vertrags nicht liegt, wenn allein
hierdurch die Eigenart des Vertrags richtig gewürdigt werden kann
(Senatsurteil vom 21. April 2005 aaO; BGH, Urteil vom 29. Oktober 1980 aaO).
11 b) Soweit es allein um die Überlassung einer Pferdebox zur
Einstellung des Tieres geht, handelt es sich um einen (Raum-)Mietvertrag
(§§ 535, 578 Abs. 2 BGB; vgl. BGH, Urteil vom 20. Juni 1990 - VIII
ZR 182/89, NJW 1990, 1422, 1423; Brandenburgisches OLG, NZM 2006, 839 f;
Häublein, NJW 2009, 2982, 2983). Für einen Pferdepensionsvertrag,
der neben der Unterstellung des Tieres auch seine Fütterung und Pflege
umfasst (also miet-, kauf- und dienstvertragsrechtliche Elemente
enthält), hat der Bundesgerichtshof die rechtliche Einordnung als
Dienstvertrag gebilligt (BGH, Urteil vom 12. Juni 1990 - IX ZR
151/89, BeckRS 1990, 31063735). Die Oberlandesgerichte neigen demgegenüber
dazu, einen Pferdepensionsvertrag schwerpunktmäßig als entgeltlichen
Verwahrungsvertrag (§ 688 BGB) anzusehen (so
Schleswig-Holsteinisches OLG, OLGR 2000, 248 sowie Urteil vom 23. Januar
2001 - 3 U 170/97, BeckRS 2001, 30157052; Brandenburgisches OLG aaO S. 839;
OLG Oldenburg, MDR 2011, 473 f; s. ferner Häublein aaO S. 2983 ff).
12 c) Ob der Pferdepensionsvertrag seinen Schwerpunkt sonach eher im
Dienstvertragsrecht oder aber im Verwahrungsvertragsrecht findet, bedarf
hier indessen keiner abschließenden Klärung. Denn das Berufungsgericht hat
für den vorliegenden Fall ohne Rechtsfehler festgestellt, dass die
Ausbildung des damals noch sehr jungen, für den Einsatz bei
Turnieren und die Vorführung bei Prüfungen vorgesehenen Pferdes
deutlich im Vordergrund des Vertrags zwischen den Parteien gestanden hat.
Demnach stellt sich der Vertrag im Schwerpunkt als Dienstvertrag (§
611 BGB) dar, so dass hier die Anwendung von Verwahrungs- oder
Mietvertragsrecht ausscheidet.
13 d) Ein Rückgriff auf das Verwahrungsvertragsrecht ist im Übrigen nicht,
wie die Revision meint, deshalb geboten, um den Pferdeeigentümer vor
unzumutbaren Beweisschwierigkeiten zu schützen (s. zur
Beweislastumkehr im Falle der Annahme eines Verwahrungsvertrags
Schleswig-Holsteinisches OLG, OLGR 2000, 248 f und OLG Oldenburg, aaO S.
474). Zwar trägt bei einem Schadensersatzanspruch wegen
Vertragspflichtverletzung grundsätzlich der Anspruchsteller die Beweislast
dafür, dass der Anspruchsgegner eine ihm obliegende Pflicht verletzt hat.
Ist die Schadensursache jedoch aus dem Gefahren- und Verantwortungsbereich
des Anspruchsgegners hervorgegangen und rechtfertigt die Sachlage den
Schluss, dass dieser die ihm obliegende Sorgfalt verletzt hat, so muss er
sich vom Vorwurf der Vertragsverletzung entlasten; er hat hierfür darzulegen
und gegebenenfalls nachzuweisen, dass ihn kein Pflichtverstoß trifft
(s. BGH, Urteile vom 20. Juni 1990, aaO und vom 5. Oktober 2016 -
XII ZR 50/14, BeckRS 2016, 19979 Rn. 31 mwN; s. dazu ferner OLG Karlsruhe,
NJW-RR 2000, 614; Schleswig-Holsteinisches OLG, Urteil vom 23. Januar 2001,
aaO; OLG Hamm, Urteil vom 16. November 2004 - 26 U 100/04, BeckRS 2010,
29812; OLG Braunschweig, Urteil vom 25. März 2015 - 3 U 31/14, BeckRS 2015,
15928 Rn. 27). Diese Grundsätze gelten auch für
Pferdebetreuungsverträge (vgl. BGH, aaO) und tragen Beweisschwierigkeiten
des Pferdeeigentümers angemessen Rechnung.
14 2. Nach dem bisherigen Verfahrensstand ist eine Haftung des Beklagten
wegen einer von ihm zu vertretenden Vertragspflichtverletzung (§§ 611, 280
Abs. 1 BGB) nicht auszuschließen.
15 a) Die Verletzung des Wallachs der Klägerin ereignete sich in der
Obhut und im alleinigen Verantwortungs- und Gefahrenbereich des Beklagten.
Zudem hatte der Beklagte die Betreuung des Pferdes vor und bei dem
schadenbringenden Freilauf nicht geschultem Fachpersonal, sondern allein
einer Praktikantin anvertraut, die am Unfalltag erst seit zwei Monaten in
seinem Reitstall tätig war. Vor diesem Hintergrund rechtfertigt der Umstand,
dass sich der Wallach beim Freilauf in der Reithalle in ungewöhnlicher Weise
erhebliche Verletzungen zuzog, den Schluss, dass der Beklagte - selbst (§
276 BGB) oder durch seine Erfüllungsgehilfen (§ 278 BGB) - die ihm
obliegende Sorgfalt verletzt hat. Der Beklagte muss sich
nach den oben (unter 1 d) dargestellten Grundsätzen daher vom Vorwurf der
Vertragsverletzung entlasten und hierfür nachweisen, dass ihm kein
Pflichtverstoß unterlaufen ist.
16 b) Diese Entlastung ist dem Beklagten bislang nicht gelungen.
17 aa) Nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. S. ist das
Freilaufenlassen eines Pferdes in Anbetracht der baulichen Anordnung der
Reithalle des Beklagten unbedenklich, wenn das Tier angemessen vorbereitet
wird - also kein "Kaltstart" geschieht - und die betreuende Person kompetent
agiert. Ein Pferd, das zuvor in der Box gestanden habe, müsse erst ein paar
Minuten geführt, dann behutsam angetrabt werden und solle erst nach einer in
Ruhe absolvierten Trabphase auch zum Galoppieren kommen. Die Betreuung des
Freilaufens erfordere gewisse Ausbilderkompetenzen.
18 bb) Diese gutachterliche Einschätzung hat das Berufungsgericht seiner
Entscheidung zugrunde gelegt. Das ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Entgegen der Ansicht der Revision lässt der Akteninhalt einen Antrag der
Klägerin auf Ladung des Sachverständigen zur mündlichen Erläuterung seines
Gutachtens mit dem als übergangen gerügten Inhalt nicht erkennen. Ein
solcher Antrag ergibt sich, worauf die Revisionserwiderung zutreffend
hinweist, insbesondere nicht aus dem Beweisangebot der Klägerin auf Seite 2
ihres Schriftsatzes vom 2. Juni 2015. Zwar hat die Klägerin darin die
mündliche Erläuterung des Sachverständigengutachtens als Beweis angeboten.
Entgegen der Verfahrensrüge der Revision bezog sich dieses Angebot jedoch
nicht auf die von dem Beklagten behauptete und von der Klägerin bestrittene
Unbedenklichkeit, Pferde in der Halle frei laufen zu lassen, und auf die
Gewöhnung des Wallachs der Klägerin, dort freizulaufen. Vielmehr ging ihr
Vorbringen in die Richtung, aus dem Gutachten gehe hervor, dass ein
geordnetes, durch entsprechende Ausrüstung abgesichertes Longieren geboten
gewesen wäre.
19 cc) Keinen Bedenken begegnet auch die - vom Gutachten des
Sachverständigen gedeckte - Würdigung des Berufungsgerichts, dass es in
Anbetracht des ausgeglichenen Charakters des Tieres für die ordnungsgemäße
Vorbereitung des Freilaufs genügt hätte, wenn es zuvor (ausreichend und
kompetent) in der Halle geführt worden wäre.
20 dd) Die Revision rügt jedoch zu Recht, dass das Berufungsgericht gestützt
auf die Aussage der Zeugin B. eine ordnungsgemäße Vorbereitung des Freilaufs
angenommen und eine Pflichtverletzung des Beklagten verneint hat.
21 Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerhaft (§ 286 ZPO) nicht beachtet,
dass der Wallach vor dem schadenbringenden Freilauf und währenddessen nicht
von der Zeugin B. , sondern von der Praktikantin K. betreut wurde, und dass
die Zeugin lediglich bekundet hat, dass sie selbst das Pferd vor dem
Freilauf immer einige Zeit am Strick geführt habe und dies im Reitstall des
Beklagten auch so üblich sei; über die Verfahrensweise der Praktikantin K.
am Unfalltag hat die Zeugin hingegen keine Angaben gemacht.
22 Das Berufungsgericht hat auch nicht erkennen lassen, aus welchen Gründen
es von der Vernehmung der - ebenso wie die Zeugin B.
zum Beweistermin am 25. November 2015 geladenen und erschienenen - Zeuginnen
D. und K. abgesehen hat. Diese beiden Zeuginnen hat die Klägerin in der
Berufungsinstanz zum Beweis für ihre (entscheidungserhebliche) Behauptung
benannt, dass der Wallach vor dem Freilauf nicht geführt worden sei.
Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung ergeben sich aus dem
Akteninhalt keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin
diesen Vortrag später fallengelassen hätte. Sie hat lediglich ihre
Behauptung nicht mehr aufrechterhalten, das Tier sei unter Einsatz einer
Peitsche durch die Halle "gejagt" worden. Das Berufungsgericht hat anderes
auch nicht festgestellt. Da es sich mit der Erheblichkeit und der
Berücksichtigungsfähigkeit dieses Klägervorbingens nicht befasst hat, muss
mit der Revision davon ausgegangen werden, dass es den betreffenden
Klägervortrag unter Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG übergangen hat.
23 ee) Bleibt es - wie derzeit - offen, ob die Praktikantin K. das
Pferd ordnungsgemäß auf den Freilauf vorbereitet hat, geht dies zu Lasten
des aus den vorstehenden Gründen beweispflichtigen Beklagten. Dass es zuvor
nicht zu ähnlich schweren Vorfällen in der Reithalle des Beklagten gekommen
war, vermag sein Vertretenmüssen (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB) nicht
auszuräumen, wenn die Pflichtverletzung darin besteht, dass ein Pferd in der
betreffenden Reithalle (anders als sonst) ohne ordnungsgemäße Vorbereitung
frei laufen gelassen wird.
24 3. Nach alledem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben (§ 562 Abs.
1 ZPO). Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das
Berufungsgericht zurückzuverweisen, weil die Sache noch nicht zur
Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 ZPO).
25 Für das weitere Verfahren weist der Senat vorsorglich auf Folgendes hin:
26 Sollte das Berufungsgericht nach nochmaliger Vernehmung der Zeugin B. zu
der Würdigung gelangen, dass der Wallach vor dem Freilauf ausreichend und
kompetent geführt und somit angemessen hierauf vorbereitet worden sei, wird
es gegenbeweislich die von der Klägerin benannten Zeuginnen D. und K. zu
vernehmen haben, sofern die Beweisangebote nicht gemäß § 531 Abs. 2 ZPO
unberücksichtigt bleiben.
27 Ob die Klägerin mit ihren entsprechenden zweitinstanzlichen
Angriffsmitteln nach dieser Vorschrift ausgeschlossen ist, kann im
Revisionsrechtszug nicht entschieden werden. Die Beurteilung dieser Frage
ist dem Berufungsgericht vorbehalten, das bisher zu einer möglichen
Präklusion nach § 531 Abs. 2 ZPO keine Ausführungen gemacht hat (vgl. BGH,
Urteile vom 22. Februar 2006 - IV ZR 56/05, BGHZ 166, 227, 230 Rn. 12 und
vom 22. Mai 2012 - II ZR 233/10, NZG 2013, 101, 102 Rn. 25 sowie Beschluss
vom 15. September 2014 - II ZR 22/13, BeckRS 2014, 19532 Rn. 9, jeweils mwN).
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