Vertragsschluß:
Konkludente Annahme eines Vertragsangebots durch Inanspruchnahme der
Leistung
BGH, Urteil vom 16.
November 2006 - III ZR 57/06
Fundstelle:
NJW-RR 2007, 400
Amtl. Leitsatz:
Zur Frage eines
eindeutigen Provisionsverlangens des Maklers, der ein Objekt den Kaufinteressenten durch Zusendung oder Aushändigung eines Exposés mit einem
entsprechenden Hinweis anbietet.
Zentrale Probleme:
S. insbesondere BGH
NJW 2002, 1945 sowie BGH NJW
2002, 817. Es geht um Grundfragen des Vertragsschlusses. Der Entscheidung
des BGH ist in jeder Hinsicht zuzustimmen: Wer eine Leistung in Anspruch
nimmt, die der andere erkennbar nur gegen Entgelt anbietet, erklärt damit
konkludent die Annahme des Vertragsangebots, wenn er nicht erkennbar zum
Ausdruck bringt, daß er keinen Vertrag schließen will (dann liegt eine
protestatio facto contraria vor, s. dazu insbes. BGH NJW-RR 1986, 1496).
Der bloße innere Wille, keinen Vertrag abschließen zu wollen, ist nach § 116
BGB unbeachtlich. Damit hatte die AGB-Klausel hier gar keinen Einfluss auf
die Bejahung eines Vertragsschlusses. S. dazu auch
BGH NJW 2012, 2268.
©sl 2006
Tatbestand:
1 Die Klägerin, ein Maklerunternehmen, nimmt die Beklagte zu 1 auf Zahlung
einer (Käufer-)Provision für den Nachweis einer Eigentumswohnung in H. in
Anspruch, die die Beklagte zu 1 zusammen mit dem früheren Beklagten zu 2
erworben hat; letzterem gegenüber ist die Klage rechtskräftig abgewiesen.
2 Auf eine Zeitungsanzeige der Klägerin betreffend dieses Objekt, das ihr
von den Eigentümern an die Hand gegeben worden war, rief die Beklagte zu 1
im Sommer 2003 bei der Klägerin an. Die Parteien vereinbarten eine
Besichtigung des Objekts, die am 7. August 2003 erfolgte. Bei dieser
Gelegenheit übergab der Mitarbeiter der Klägerin ein Exposé. Die Klägerin
behauptet, ein weiteres Exemplar dieses Exposés sei der Beklagten zu 1 schon
vor der Besichtigung - im Anschluss an das erste Telefonat, das am 22. Juli
2003 stattgefunden habe - zugeschickt worden.
3 Das Exposé der Klägerin, in dem ein Kaufpreis von 1.075.000 € angegeben
war, enthielt unter anderem folgende Passage:
Der Käufer:
verpflichtet sich nach Vertragsunterzeichnung zur Zahlung einer
Maklercourtage in Höhe von 6 % inklusive Mehrwertsteuer an unsere Firma.
Die Courtage ist verdient und fällig bei Vertragsabschluß.
Mit dieser Aufgabe bieten wir Ihnen das bezeichnete Objekt und zugleich
unsere Dienste als Makler an ... Ein Maklervertrag kommt zustande, wenn
Sie von diesem Angebot Gebrauch machen, zum Beispiel, wenn Sie sich mit
uns oder dem Eigentümer direkt in Verbindung setzen. Die angegebene
Courtage zahlen Sie nur, wenn ein Vertrag über das angebotene Objekt
zustande kommt, selbst wenn wir beim Vertragsabschluß nicht mitwirken.
Sie sind einverstanden, daß wir auch für Ihren Vertragspartner tätig
sind ..."
4 Mit Kaufvertrag vom 24. Februar 2004
erwarben die Beklagte zu 1 und der frühere Beklagte zu 2 gemeinsam das
Objekt für einen Kaufpreis von 820.000 €; zusätzlich wurde Inventar zum
Preise von 109.700 € übernommen.
5 Auf die - auf Zahlung von 64.500 € nebst Zinsen gerichtete - Klage hat das
Landgericht der Klägerin gegen die Beklagte zu 1 55.782 € (= 6 % von 929.700
€) nebst Zinsen zugesprochen. Das Oberlandesgericht hat auf die Berufung der
Beklagten zu 1 die Klage abgewiesen. Mit der - vom Berufungsgericht
zugelassenen - Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageanspruch gegen die
Beklagte zu 1 in dem vom Landgericht zuerkannten Umfang weiter.
Entscheidungsgründe
6 Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur
Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
7 1. Das Landgericht hatte in seinem erstinstanzlichen Urteil nach
Beweisaufnahme festgestellt, dass der Mitarbeiter der Klägerin im Anschluss
an das - auf den 22. Juli 2003 datierte - Telefonat mit der Beklagten zu 1
an diese ein Exposé abgesandt und dass die Beklagte zu 1 dieses Exposé auch
erhalten habe. Aufgrund dessen hatte das Landgericht angenommen, es sei
"durch Kenntnisnahme der Beklagten zu 1 von der Courtageforderung vor
Besichtigung des Objekts ..." zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1
ein Maklervertrag zustande gekommen.
8 2. Das Berufungsgericht hat offen gelassen, ob die - von der Beklagten zu
1 im Berufungsverfahren angegriffene - Feststellung des Zugangs des Exposés
bei der Beklagten zu 1 vor der Besichtigung des Objekts rechtsfehlerfrei
getroffen sei. Es hat unabhängig hiervon das Zustandekommen eines
Maklervertrages zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1 mit folgender
Begründung verneint: 9 Rufe der
Kaufinteressent ein Objekt aus dem Bestand eines Maklers ab, dürfe er davon
ausgehen, dass den Makler schon ein Maklervertrag mit dem Verkäufer verbinde
und dieser nicht auch noch einen weiteren Maklervertrag mit ihm, dem
Kaufinteressenten abschließen wolle. Auch die im Streitfall vorgenommene
Besichtigung des Objekts durch die Beklagte zu 1 zusammen mit dem
Mitarbeiter der Klägerin reiche für sich allein nicht für das Zustandekommen
eines Maklervertrages aus. Das Zustandekommen eines solchen (zweiten)
Maklervertrages sei zwar grundsätzlich möglich, daran seien aber strenge
Anforderungen zu stellen, zumal der Makler sich damit in einen nachhaltigen
Interessenkonflikt begebe, über den er den Kaufinteressenten aufklären müsse
(was in dem Exposé der Klägerin verschwiegen, vielmehr im Gegenteil noch
verharmlost werde). Vor diesem Hintergrund seien die Passagen des
vorliegenden Exposés:
"... bieten wir Ihnen ... unsere Dienste als Makler an" und "... ein
Maklervertrag kommt zustande, wenn Sie von diesem Angebot Gebrauch machen,
zum Beispiel wenn Sie sich mit uns oder dem Eigentümer direkt in Verbindung
setzen"
nicht geeignet, den Abschluss eines Maklervertrages zu bewirken. Sie seien -
wenn nicht schon gemäß § 308 Nr. 5 Buchst. a BGB - nach § 307 Abs. 2 Nr. 1
BGB unwirksam. Es handele sich um einer Inhaltskontrolle unterliegende
Allgemeine Geschäftsbedingungen, die von wesentlichen Grundgedanken der
gesetzlichen Regelung abwichen und den Maklerkunden (Kaufinteressenten)
unangemessen benachteiligten. Es stehe in Widerspruch zu den §§ 145 ff BGB,
wenn durch Allgemeine Geschäftsbedingungen ein bestimmtes Verhalten des
Angebotsempfängers als Annahme bestimmt werde, das diesen Erklärungswert von
sich aus nicht habe. Die genannten Formulierungen in der "Maklerklausel" des
Exposés der Klägerin wirkten sich in diesem Sinne aus. Der darin genannte
Tatbestand, dass der Kaufinteressent sich mit dem Makler oder dem Eigentümer
"in Verbindung setzt", habe von sich aus nicht den nach dem Gesetz
erforderlichen eindeutigen, auf Abschluss eines Maklervertrages gerichteten
Erklärungswert. Eine solche "Kontaktaufnahme" könne zunächst Belanglosem
dienen, z.B. der Klärung, ob das Objekt noch verfügbar sei. Selbst wenn die
Kontaktaufnahme von Kaufinteresse getragen sei, könne sich der
Kaufinteressent gleichzeitig gegen einen eigenen Vertragsschluss mit dem
Makler verwahren wollen. Diese nach dem Gesetz bestehende Möglichkeit werde
in den Formulierungen der Klägerin verschwiegen. Die dargestellte Abweichung
von der Gesetzeslage benachteilige den Kaufinteressenten auch unangemessen.
10 Bereits die erste Instanz habe allgemein zutreffend angenommen, dass es
ohne diese "Maklerklausel" des Exposés nicht zu einem Vertragsschluss der
Parteien gekommen sei.
II.
11 Mit der Begründung des Berufungsgerichts lässt sich, wie die Revision mit
Recht rügt, das Zustandekommen eines (Käufer-)Maklervertrages zwischen der
Klägerin und der Beklagten zu 1 nicht verneinen.
12 1. Das Berufungsgericht zitiert zutreffend die ständige Rechtsprechung
des Bundesgerichtshofs, wonach derjenige, der sich an einen Makler wendet,
der mit "Angeboten" werbend im geschäftlichen Verkehr auftritt, damit noch
nicht schlüssig seine Bereitschaft zur Zahlung einer Maklerprovision für den
Fall, dass ein Vertrag über das angebotene Objekt zustande kommt, erklärt.
Der Interessent darf nämlich, soweit ihm Gegenteiliges nicht bekannt ist,
davon ausgehen, dass der Makler das Objekt von dem Verkäufer an die Hand
bekommen hat und deshalb mit der angetragenen Weitergabe von Informationen
eine Leistung für den Anbieter erbringen will. Ohne weiteres braucht der
Kaufinteressent in einem solchen Fall nicht damit zu rechnen, dass der
Makler auch von ihm eine Provision erwartet. Selbst die Besichtigung des
Verkaufsobjekts zusammen mit dem Makler reicht bei dieser Sachlage für einen
schlüssigen Vertragsschluss nicht aus (zuletzt Senatsurteil vom 22.
September 2005 - III ZR 393/04 - NJW 2005, 3779 mit umfangreichen
Nachweisen).
13 Nach der genannten Rechtsprechung ist die Situation aber anders - was
im angefochtenen Urteil unerwähnt bleibt -, wenn der Makler den
Kaufinteressenten unmissverständlich auf eine von ihm im Erfolgsfall zu
zahlende Käuferprovision hingewiesen hat. Ein Kaufinteressent, der in
Kenntnis des eindeutigen Provisionsverlangens die Dienste des Maklers in
Anspruch nimmt, gibt damit grundsätzlich in schlüssiger Weise zu erkennen,
dass er den in dem Provisionsbegehren liegenden Antrag auf Abschluss eines
Maklervertrages annehmen will (st. Rspr.; vgl. nur
Senatsurteile vom 6. Dezember 2001 - III ZR 296/00
-NJW 2002, 817 und vom 17. September 1998 - III ZR 174/97 - NJW-RR 1999,
361).
14 2. Von einem solchen Sachverhalt ist revisionsrechtlich auszugehen.
15 a) Da das Berufungsgericht sich mit der Feststellung des Landgerichts im
erstinstanzlichen Urteil, wonach der Beklagten zu 1 bereits vor der
Besichtigung des Objekts ein Exemplar des Exposés der Klägerin zugegangen
war, nicht auseinandersetzt, ist im vorliegenden Revisionsverfahren die
Richtigkeit dieser Feststellung zu unterstellen.
16 Aus dieser Feststellung ergibt sich weiter, dass die Beklagte zu 1 durch
das Maklerexposé einen deutlichen Hinweis darauf erhalten hatte, dass die
Klägerin bei Abschluss eines Kaufvertrages eine Vergütung in Höhe von 6 %
des Kaufpreises inklusive Mehrwertsteuer verlange. Ein ausdrückliches
Provisionsverlangen im Exposé reicht im Allgemeinen als ein solcher
"deutlicher Hinweis", wie ihn die Rechtsprechung fordert, aus (vgl.
Senatsurteil vom 11. April 2002 - III ZR 37/01 -
NJW 2002, 1945). Das Berufungsgericht stellt im Streitfall die Klarheit
und Verständlichkeit dieses Hinweises im Exposé der Klägerin, durch den
unmissverständlich zum Ausdruck kam, dass die Klägerin dem Kaufinteressenten
ihre - entgeltlichen - Maklerdienste als Maklerin anbot, für sich auch nicht
in Frage. Soweit die Revisionserwiderung insoweit Zweifel anmeldet, sind
diese unbegründet.
17 b) Ausgehend hiervon hätte die Beklagte zu 1 dadurch, dass sie sich nach
Erhalt des Exposés, das ein eindeutiges Provisionsverlangen der Klägerin
enthielt und von dem die Klägerin annehmen durfte, dass die Beklagte zu 1 es
zur Kenntnis genommen hatte, auf die Ortsbesichtigung und die weitere
Tätigkeit der Klägerin einließ, nach allgemeinen rechtsgeschäftlichen
Grundsätzen konkludent den Antrag der Klägerin auf Abschluss eines
Maklervertrages angenommen.
18 3. Durchgreifende Gründe, warum ein Vertragsschluss auf dieser Grundlage
hier gleichwohl ausgeschlossen sein soll, benennt das angefochtene Urteil
nicht. Die Bedenken, die das Berufungsgericht hinsichtlich der Passagen im
Exposé:
"... bieten wir Ihnen ... unsere Dienste als Makler an" und "... ein
Maklervertrag kommt zustande, wenn Sie von diesem AngebotGebrauch machen,
zum Beispiel wenn Sie sich mit uns oder dem Eigentümer direkt in Verbindung
setzen",
unter dem Gesichtspunkt einer Inhaltskontrolle derselben als Allgemeiner
Geschäftsbedingungen äußert, sind hier schon deshalb nicht erheblich, weil
im Streitfall der - revisionsrechtlich zu unterstellende - Vertragsschluss
unabhängig von diesen Passagen durch die wechselseitigen ausdrücklichen
beziehungsweise konkludenten Erklärungen der Parteien nach allgemeinen
rechtsgeschäftlichen Grundsätzen zustande gekommen ist. Es kann
dahingestellt bleiben, ob die genannten, von der Klägerin vorformulierten
Sätze in ihrem Exposé - wie das Berufungsgericht meint - auf fingierte
Annahmeerklärungen des Maklerkunden hinauslaufen (vgl. § 308 Nr. 5 BGB).
Entscheidend ist, dass die betreffenden Klauseln überhaupt keinen
konstitutiven Einfluss auf den vorliegenden Vertragsschluss gehabt haben.
Das Zustandekommen des Vertrages hing hier - jedenfalls nach dem bisherigen
Sachstand - nicht davon ab, ob ein bestimmtes Verhalten der Beklagten zu 1
als Angebotsempfängerin als Annahme gelten sollte, das diesen Erklärungswert
eigentlich nicht hat.
19 Soweit das Berufungsgericht ausführt, es könne "ohne die Maklerklausel
des Exposés" nicht zu einem Vertragsschluss der Parteien gekommen sein,
führt dies zu keiner anderen Beurteilung. Das Exposé der Klägerin stellt
zwar insoweit ein wesentliches Element für den in Rede stehenden
Vertragsschluss dar, als sich daraus das eindeutige Verlangen der Klägerin
nach einer (Käufer-) Provision ergab. Darüber hinaus hat das Exposé -
einschließlich der vom Berufungsgericht so genannten "Maklerklausel" -
jedoch keinen Einfluss auf die rechtsgeschäftliche Gesamtlage
(Vertragsschluss: ja oder nein).
III.
20 Das die Klage abweisende Berufungsurteil kann daher keinen Bestand haben.
Da der Rechtsstreit in der Revisionsinstanz noch nicht entscheidungsreif
ist, muss die Sache zur weiteren Prüfung an das Berufungsgericht
zurückverwiesen werden.
|