IPR: Internationales Stiftungsrecht; Geltung der
Grundsätze des Internationalen Gesellschaftsrechts; Reichweite des Statuts
(Qualifikation); kein fakultatives Kollisionsrecht; materiell-rechtliche
Qualifikation von Beweislastfragen; lex fori-Maxime für prozessrechtliche
Fragen der Beweisführung
BGH, Urteil vom 8. September 2016 -
III ZR 7/15 - OLG München
Fundstelle:
noch nicht bekannt
Amtl. Leitsatz:
a) Für das Stiftungskollisionsrecht ist auf die
Grundsätze des Internationalen Gesellschaftsrechts zurückzugreifen.
b) Das Personalstatut der Stiftung ist auch für die Rechtsstellung als
Destinatär und die daraus folgenden Ansprüche maßgeblich.
Zentrale Probleme:
Eine Stiftung erhebt gegen eine Person,
die eine Stellung
als Destinatär (Stiftungsbegünstiger) behauptet eine negative
Feststellungsklage des Inhalts, dass er nicht Begünstigter sei und keine
Ansprüche habe.
Im deutschen Prozessrecht gilt der Grundsatz, dass Streitgegenstand auch der
negativen Feststellungsklage der Anspruch selbst ist und daher die
jeweiligen Parteirollen an der Beweislast für die Existenz des Anspruchs
nichts ändern. Wenn also - wie nach allgemeiner ungeschriebener Regel im
deutschen Recht - der Anspruchsteller die Existenz eines Anspruchs beweisen
muss, um ihn geltend zu machen, hat er diese auch, wenn er Beklagter einer
negativen Feststellungsklage ist. Die Umkehr der Parteirollen bei der
negativen Feststellungsklage ist damit auf die Darlegungs- und
Beweislastverteilung ohne Einfluss (s. dazu etwa
BGH NJW 1993, 1716).
Diese Frage der subjektiven Obliegenheit der Beweisführung ist ebenso wie
der Beweisantritt und die Fragen der Beweiswürdigung prozessualer Natur und
daher vor deutschen Gerichten aufgrund der prozessrechtlichen lex-fori-Maxime
immer nach deutschem Prozessrecht zu behandeln, unabhängig davon, welches
Recht auf den Anspruch selbst anwendbar ist.
Daher kam es hier auf die materielle Beweislast an. Da es sich um eine in
Österreich ansässige und dort gegründete Stiftung handelte, musste erst das
anwendbare Recht ermittelt werden, denn die Beweislast ist eine
materiellrechtlich zu qualifizierende Frage und unterliegt daher dem auf den
jeweiligen Anspruch anwendbaren Recht (s. dazu nur Art. 18 I Rom I-VO sowie
Art. 22 I Rom II-VO). Der Senat greift hier auf die Grundsätze des
internationalen Gesellschaftsrecht zurück, für das innerhalb der EU die sog.
Gründungstheorie gilt. Ob das auch bei Stiftungen der Fall ist, lässt er
offen, da sich hier auch der Sitz in Österreich befand und die Anwendung der
Sitztheorie (s. zum Ganzen
BGHZ 178, 192 m.w.N.) zu keinem anderen Ergebnis führen
würde. Damit wird hier festzustellen sein, wer nach österreichischem
Stiftungsrecht die Beweislast für das Bestehen eines Anspruchs gegen die
Stiftung hat.
©sl 2016
Tatbestand:
1 Die Klägerin ist eine in
Österreich eingetragene und dort ansässige Privatstiftung, deren
Zweck neben der Sicherung des Stiftungsvermögens und der Erhaltung und
Pflege historischer Bauten die Unterstützung der jeweiligen
Begünstigten aus den Erträgen des Stiftungsvermögens ist. Sie
begehrt mit ihrer Klage die Feststellung, dass die Beklagte nicht mehr
Begünstigte sei und sie keine Ansprüche auf Zahlung von Bezügen habe.
2 Die Stifterin errichtete am 21. April 2005 vor einem Notar in E.
(Österreich) eine Stiftungszusatzurkunde, in welcher die Beklagte als
Begünstigte benannt wird.
3 Bis einschließlich April 2009 erhielt die Beklagte monatliche Zuwendungen
von der Klägerin. Danach erfolgten im März und im Mai 2010 nochmals zwei
Einmalzahlungen.
4 Die Klägerin ist der Ansicht, die ursprüngliche Begünstigtenstellung der
Beklagten sei entfallen. Dies ergebe sich daraus, dass sie in zwei weiteren
Stiftungszusatzurkunden vom 8. November 2007 und vom 12. Juni 2012 - was
insoweit unstreitig ist - nicht mehr als Begünstigte aufgeführt werde.
5 Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin
hat das Oberlandesgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und
festgestellt, dass die Beklagte nicht Begünstigte der Klägerin sei und dass
die Beklagte keine Ansprüche auf Zahlung gegen die Klägerin aus oder im
Zusammenhang mit einer früheren oder derzeitigen Stellung als Begünstigte
der Klägerin habe. Hiergegen richtet sich die vom Senat zugelassene Revision
der Beklagten, mit der sie die Wiederherstellung des erstinstanzlichen
klageabweisenden Urteils verfolgt.
Entscheidungsgründe
6 Die zulässige Revision der Beklagten hat Erfolg. Sie führt zur
Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an
das Berufungsgericht.
I.
7 Das Oberlandesgericht hat ausgeführt, im Rahmen der erhobenen negativen
Feststellungsklage müsse die Klägerin lediglich darlegen, dass sich die
Beklagte eines Anspruchs aufgrund eines bestimmten Lebenssachverhalts zu
Unrecht berühme. Dies habe sie getan. Daher obliege der Beklagten
als Anspruchstellerin einer materiellen Berechtigung der Beweis derjenigen
Tatsachen, aus denen sie ihren Anspruch herleite. Auch bei der leugnenden
Feststellungsklage sei Streitgegenstand der materielle Anspruch, um dessen
Nichtbestehen gestritten werde. Weder erstinstanzlich noch im
Berufungsverfahren habe die Beklagte substantiiert vorgebracht, dass sie
noch Begünstigte der Klägerin sei. Es bleibe letztlich unklar, ob die
Beklagte eine Rechtsstellung als Begünstigte der Klägerin innehabe. Daher
müsse der negativen Feststellungsklage stattgegeben werden.
II.
8 Das Berufungsurteil hält der revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand.
9 1. Das Berufungsgericht hat nicht feststellen können, ob die Beklagte noch
als Destinatärin der klagenden Stiftung benannt ist. Den sich hieran
anschließenden Erwägungen zur Darlegungs- und Beweislast hat es unzutreffend
das deutsche Recht zugrunde gelegt. Maßgeblich hierfür ist jedoch
das österreichische Recht, dessen Ermittlung (§ 293 ZPO) das
Berufungsgericht unterlassen hat, wie die Revision mit Recht rügt.
10 a) Kommt, wie hier, bei der Beurteilung eines Sachverhalts die Anwendung
ausländischen Rechts in Betracht, ist das deutsche internationale
Privatrecht von Amts wegen anzuwenden. Seine Regelungen, auch soweit sie
nicht kodifiziert worden sind, beanspruchen allgemeine Verbindlichkeit, ohne
dass es darauf ankommt, ob sich eine der Parteien auf die Anwendung
ausländischen Rechts beruft (st. Rechtsprechung; z.B. Senat, Urteil
vom 20. März 1980 - III ZR 151/79, BGHZ 77, 32, 38; BGH, Urteile vom 7.
April 1993 - XII ZR 266/91, NJW 1993, 2305, 2306 und vom 21. September 1995
- VII ZR 248/94, NJW 1996, 54 f jew. mwN).
11 Das deutsche Stiftungskollisionsrecht ist gesetzlich nicht
geregelt. Es fehlt in dieser Hinsicht sowohl an völkerrechtlichen Vorgaben
als auch an autonomen Regelungen des nationalen Rechts. Für dieses
Rechtsgebiet ist deshalb auf die Grundsätze des Internationalen
Gesellschaftsrechts zurückzugreifen (MüKoBGB/Kindler, IntGesR, 6.
Aufl., Rn. 315; Leible in FS Werner, S. 256, 257 f mwN).
12 b) Dies führt vorliegend zur Anwendbarkeit des österreichischen Rechts.
13 aa) Das Personalstatut von Gesellschaften
richtet sich nach der sogenannten Gründungstheorie, wenn die
Auslandsgesellschaft in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union, des EWR
oder in einem mit diesen aufgrund eines Staatsvertrags in Bezug auf die
Niederlassungsfreiheit gleichgestellten Staat gegründet worden ist
(BGH, Urteile vom 27.
Oktober 2008 - II ZR 158/06, BGHZ 178, 192 Rn. 19 und vom
11. Januar 2011 - II ZR 157/09, NJW 2011, 844 Rn. 16 jew. mwN).
Nur für Gesellschaften, die in einem Drittstaat
gegründet worden sind, hält die Rechtsprechung an der sogenannten
Sitztheorie fest, nach der für das Personalstatut das Recht des Sitzstaats
maßgeblich ist (BGH,
Urteil vom 27. Oktober 2008 aaO mwN). Bei
Übertragung dieser Grundsätze auf das Personalstatut von Stiftungen ist
hiernach das österreichische Recht maßgeblich, da die Klägerin in Österreich
gegründet wurde. Soweit in der Literatur ohne die vorstehende
Differenzierung nach der Herkunft der ausländischen Stiftung allein die
Sitztheorie für maßgeblich erklärt wird (z.B. MüKoBGB/ Kindler aaO, Rn. 676
mwN) und damit gemeint sein sollte, dass diese auch für Stiftungen aus einem
EU-, EWR- oder gleichgestellten Staat gelten solle, führt dies zu keinem
anderen Ergebnis, da die Klägerin im österreichischen E. ihren
Verwaltungssitz unterhält.
14 bb) Der Anspruch, dessen sich die Beklagte berühmt, wird vom sachlichen
Anwendungsbereich des Personalstatuts der klagenden Stiftung umfasst.
Im Internationalen Gesellschaftsrecht unterliegen nicht nur die
Entstehung der Gesellschaft, ihre Rechtsfähigkeit, ihre organschaftliche
Verfassung und ihre sonstigen inneren Verhältnisse dem Personalstatut.
Vielmehr bestimmen sich hiernach unter anderem auch die Rechtsstellung als
Gesellschafter sowie die aus dieser Stellung folgenden Rechte und ihre
Ausgestaltung (MüKoBGB/ Kindler aaO Rn. 588; Staudinger/Großfeld,
IntGesR [1998], Rn. 340), wie etwa die Auskunfts- und
Rechenschaftsansprüche (Bamberger/Roth/Mäsch, EGBGB, 3. Aufl., Art.
12 Anh II Rn. 73) und Ausschüttungssperren (BGH, Urteile
vom 25. Juni 2001 - II ZR 38/99, BGHZ 148, 167, 168 und vom 11. Januar 2011
aaO), mithin auch die Ausschüttungsansprüche. Die
Übertragung dieser Grundsätze auf das Stiftungsrecht bedeutet, dass auch für
die Rechtsstellung als Destinatär und die daraus folgenden Ansprüche,
Zuwendungen aus dem Stiftungsvermögen zu erhalten, das Personalstatut der
Stiftung maßgeblich ist. Zwar ist der Destinatär einer Stiftung mit
Gesellschaftern einer Handelsgesellschaft nicht unmittelbar gleichzusetzen,
da er nicht inkorporiertes Mitglied der Stiftung ist, so dass zwischen den
Beteiligten keine Binnenbeziehung mit einer gesellschaftsrechtsähnlichen
Struktur besteht. Jedoch sind die Zwecke einer Handelsgesellschaft
und einer Stiftung in Bezug auf die Gesellschafter beziehungsweise die
Destinatäre so ähnlich, dass es geboten ist, in analoger Anwendung der
Grundsätze des Internationalen Gesellschaftsrechts auch das Rechtsverhältnis
zwischen Stiftung und (potentiellem) Destinatär dem Personalstatut der
Stiftung zuzuordnen. Typischerweise ist eine Handelsgesellschaft
auf die Erwirtschaftung eines Gewinns gerichtet, der letztlich in Form von
Ausschüttungen ihren Gesellschaftern zugutekommen soll. Sind - wie hier -
Destinatäre bestimmt, ist es in vergleichbarer Weise Zweck einer Stiftung,
ihr Vermögen beziehungsweise die Erträge hieraus unmittelbar oder mittelbar
den Begünstigten zuzuwenden. Deren Verhältnis zur Stiftung ist deshalb in
dieser entscheidenden Hinsicht mit der Rechtsbeziehung von Gesellschaftern
zur Gesellschaft gleichartig.
15 Unterliegen somit die Rechtsstellung der Beklagten und ihre Berechtigung,
Zuwendungen von der Klägerin zu erhalten, deren - österreichischem
-Personalstatut, ist die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast
für die hierfür maßgeblichen Tatsachen ebenfalls nach österreichischem Recht
zu beurteilen. Die allgemeinen Beweislastregeln sind
materiell-rechtlich zu qualifizieren und daher der lex causae zu entnehmen.
Dies beruht auf der engen Verflechtung der Regelungen zur
Verteilung der Beweislast mit den materiellen Rechten der Parteien.
Die Verweisung auf das ausländische materielle Recht enthält damit notwendig
auch eine Verweisung auf die dafür geltenden Beweislastregeln des
betreffenden Rechts (vgl. BGH, Urteile vom 8. November 1951 - IV ZR
10/51, BGHZ 3, 342, 346 und vom 26. November 1964 - II ZR 55/63, BGHZ 42,
385, 388 f; Coester-Waltjen, Internationales Beweisrecht, Rn. 371;
Linke/Hau, Internationales Zivilverfahrensrecht, 5. Aufl., Rn. 344;
Nagel/Gottwald, IZPR, 7. Aufl., § 10 Rn. 67). Für Schuldverhältnisse
ergibt sich dies bereits aus Art. 18 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 593/2008
(Rom I) und Art. 22 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 864/2007 (Rom II).
16 Von der Frage der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast zu trennen
ist allerdings die subjektive Obliegenheit der Beweisführung. Diese
ist ebenso wie der Beweisantritt und die Fragen der Beweiswürdigung
prozessualer Natur und daher nach der lex fori zu beurteilen.
17 2. Die Sache wird nach § 563 Abs. 4 ZPO zur neuen Verhandlung und
Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Von der
Ermittlung des maßgeblichen österreichischen Rechts durch das
Revisionsgericht (zu dieser Möglichkeit BGH, Urteil vom 12. November 2003 -
VIII ZR 268/02, NJW-RR 2004, 308, 310 mwN) sieht der Senat ab. Es
ist nicht auszuschließen, dass nach Maßgabe des anwendbaren österreichischen
Rechts neue tatrichterliche Feststellungen notwendig werden, so dass ohnehin
eine Zurückverweisung in Betracht kommt. Das Berufungsgericht wird im neuen
Verfahren auch Gelegenheit haben, sich gegebenenfalls mit den weiteren Rügen
der Revision zu befassen, auf die einzugehen der Senat im vorliegenden
Verfahrensstadium keine Veranlassung hat. In diesem Zusammenhang merkt der
Senat allerdings an, dass es, selbst wenn die klagende Stiftung nach dem
österreichischen Recht für die streitentscheidenden Tatsachen nicht
darlegungs- und beweisbelastet sein sollte, zu ihren Lasten gehen könnte,
wenn sie weiterhin die maßgeblichen Urkunden nicht vollständig vorlegt
(sekundäre Darlegungslast [vgl. z.B. Senat, Urteil vom 19. Mai 2016 - III ZR
274/15, NJW-RR 2016, 842 Rn. 40 mwN] beziehungsweise eine etwaig im
österreichischen Recht bestehende vergleichbare Rechtsfigur).
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