IPR: Internationales
Gesellschaftsrecht, Geltung der Sitztheorie im Verhältnis zu
Nicht-EG-Mitgliedstaaten ("Trabrennbahn")
BGH, Urteil vom 27. Oktober
2008 - II ZR 158/06
Fundstelle:
NJW 2009, 289
für BGHZ 178, 192
s. auch BGH v. 8.10.2009 - IX ZR 227/06
Amtl. Leitsatz:
a) Eine in der Schweiz
gegründete Aktiengesellschaft mit Verwaltungssitz in Deutschland ist in
Deutschland als rechtsfähige Personengesellschaft zu behandeln.
b) Eine Vollmacht, für eine nordrhein-westfälische Stadt Erklärungen "in
allen Grundstücksangelegenheiten" abzugeben, ist unwirksam.
Zentrale Probleme:
S. die Pressemitteilung des BGH Nr. 197/2008.
Der zitierte Tz. 22 (übrigens ein lobenswertes Beispiel für den "judicial
self-restraint"!) zitierte Referentenentwurf findet sich hier:
Referentenentwurf des
Bundesministeriums der Justiz zum Internationalen Privatrecht der
Gesellschaften, Vereine und juristischen Personen v. 7.1.2008
;
s. dazu auch die
Pressemeldung des BMJ v. 7.1.2008.
Zum kommunalrechtlichen Schriftformerfordernis als
stellvertretungsrechtliche Regelung s.
Anm. zu BGH
NJW 1995, 3389.
S. auch BGH v. 12.7.2011 - II ZR 28/10.
©sl 2008
Tatbestand:
1 Die Klägerin ist eine Aktiengesellschaft schweizerischen Rechts mit drei
Aktionären, von denen einer den Verwaltungsrat bildet. Sie verlangt von der
Beklagten aufgrund einer Mietvertragskündigung Herausgabe eines Grundstücks
und Zahlung der Miete und Erstattung von Anwaltskosten i.H.v. zusammen
42.194,95 €. Die Parteien streiten über die Rechts- und Parteifähigkeit der
Klägerin sowie über die Fragen, ob zwischen ihnen ein Mietvertrag bestanden
hat und ob er ggf. wirksam gekündigt worden ist.
2 Das streitige Grundstück ist Teil eines größeren Geländes, an dem die
Stadt G. dem Trabrennverein G. e.V. ein Erbbaurecht bestellt hatte. Dieser
hatte mit der Beklagten im Jahre 1978 - mit Neufassung in 1996 - einen
"Pachtvertrag" über eine Teilfläche zum Zwecke der Veranstaltung von
Trödelmärkten geschlossen. Am 3. Juni 2002 wurde über das Vermögen des
Trabrennvereins das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Insolvenzverwalter
schloss mit dem G. Rennverein (im Folgenden: GR) über das Gelände zwei
Pachtverträge, denen zufolge auch die zu dem Geschäftsbetrieb gehörenden
Verträge auf den GR übergehen sollten, soweit sie in einer Anlage aufgeführt
waren. Der Mietvertrag mit der Beklagten war in der Anlage nicht aufgeführt.
Gleichwohl vertraten sowohl der Insolvenzverwalter als auch der GR in der
Folgezeit gegenüber der Beklagten die Auffassung, der mit ihr bestehende
Mietvertrag sei auf den GR übergegangen. Die Beklagte stellte das in Abrede.
3 Mit Vertrag vom 16. Juli 2004 veräußerte der Insolvenzverwalter das
Erbbaurecht an die Klägerin. Nachdem die Stadt dieser Veräußerung zugestimmt
hatte - ob ordnungsgemäß vertreten, ist streitig -, wurde der Rechtsübergang
am 24. September 2004 im Grundbuch eingetragen.
4 Offenbar um den Übergang des Mietvertrages auf die Klägerin zu verhindern,
vereinbarte die Beklagte am 23. August 2004 mit dem GR - im Gegensatz zu
ihrem bis dahin vertretenen Standpunkt - einen Nachtrag zu dem
"Pachtvertrag" aus 1996 und schloss vorsorglich einen eigenständigen
"Unterpachtvertrag" mit dem GR. Dementsprechend zahlte sie die Miete nicht
an die Klägerin, sondern an den GR.
5 Gestützt auf das Sonderkündigungsrecht aus § 111 InsO erklärte die
Klägerin mit Schreiben vom 29. September 2004 die Kündigung des
Mietvertrages. Mit Schreiben vom 9. Dezember 2004 erklärte sie die fristlose
Kündigung wegen Zahlungsverzuges.
6 Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 19.928,12 € - das ist die
Miete für die Zeit ab dem 1. November 2004 nebst MwSt - verurteilt und im
Übrigen die Klage abgewiesen. Auf die Berufung beider Parteien hat das
Oberlandesgericht den Verurteilungsbetrag auf 17.179,41 € - das ist der
Netto betrag - vermindert und die weitergehenden Rechtsmittel zurückgewiesen
(OLG Hamm ZIP 2006, 1822). Dabei hat es die Revision zugelassen und in den
Entscheidungsgründen ausgeführt, die Sache habe grundsätzliche Bedeutung,
soweit es um die Frage der Anwendbarkeit der Gründungstheorie auf die
Schweiz gehe.
7 Beide Parteien haben Revision eingelegt, die Klägerin hilfsweise auch
Nichtzulassungsbeschwerde.
Entscheidungsgründe:
8 Die Revision der Beklagten ist begründet und führt - im Umfang der
Beschwer der Beklagten - unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur
vollständigen Abweisung der Klage. Auch zugunsten der Klägerin hat das
Berufungsgericht die Revision zugelassen. Eine Beschränkung der Zulassung
ergibt sich weder aus dem Tenor des Urteils noch mit hinreichender
Sicherheit aus den Gründen. Die Revision der Klägerin bleibt jedoch
erfolglos.
9 I. Die Klage ist zulässig. Dabei ist für das Verfahren über die Revision
der Beklagten als richtig zu unterstellen, dass die Klägerin - wie die
Beklagte behauptet, das Berufungsgericht aber offen gelassen hat - ihren
Verwaltungssitz in Deutschland hat.
10 1. Die Klägerin ist in Deutschland rechts- und parteifähig.
11 a) Das Berufungsgericht hat dazu ausgeführt: Es könne offen bleiben, ob
die Klägerin ihren Verwaltungssitz in der Schweiz oder in Deutschland habe.
In jedem Fall sei sie nach deutschem internationalem Privatrecht rechtsfähig
und damit auch parteifähig. Zwar gelte für sie nicht unmittelbar die
Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Niederlassungsfreiheit, aus
der sich ergebe, dass Gesellschaften mit Sitz in einem Mitgliedstaat der
Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraums berechtigt seien,
ihren Verwaltungssitz in einen anderen Mitgliedstaat zu verlegen, ohne
deshalb nach dem Recht des Sitzstaates beurteilt zu werden. Die Schweiz sei
aber hinsichtlich der Niederlassungsfreiheit schweizerischer Gesellschaften
wie ein Mitgliedstaat zu behandeln. Ihr Recht sei nämlich - u.a. durch
mehrere sektorielle Abkommen -dem Recht der Europäischen Union stark
angenähert. Deshalb komme es auf den grundsätzlichen Streit über die Frage,
ob die neuere Rechtsprechung zu den EU- und EWR-Gesellschaften auch auf
Gesellschaften aus Drittstaaten auszudehnen sei, nicht an. Jedenfalls
bezüglich der Schweiz sei es aus Gründen der Rechtssicherheit und -klarheit
gerechtfertigt, die für EU- und EWR-Gesellschaften geltenden Grundsätze
anzuwenden.
12 b) Dieser Begründung kann nicht gefolgt werden.
13 Im Verhältnis zwischen Deutschland und der Schweiz findet die sog.
Gründungstheorie nach geltendem Recht keine Anwendung.
14 aa) Es bestehen - anders als etwa im Verhältnis zu den Staaten der
Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) - keine
völkerrechtlichen Verträge, nach denen eine Aktiengesellschaft
schweizerischen Rechts mit Verwaltungssitz in Deutschland nach dem Recht
ihres Gründungsstaates zu behandeln ist.
15 Die Schweiz ist zwar Mitglied der Europäischen Freihandelsassoziation
(EFTA), nicht aber auch Partei des von den übrigen EFTA-Staaten mit der
Europäischen Union geschlossenen EWR-Abkommens. Deshalb sind die Regeln über
die Niederlassungsfreiheit in Art. 31, 24 des EWR-Abkommens auf
schweizerische Gesellschaften ebenso wenig anwendbar wie diejenigen der Art.
43, 48 EG-Vertrag.
16 Auch aus dem "Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren
Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft
andererseits über die Freizügigkeit" vom 21. Juni 1999 (ABl. EG Nr. L 114 v.
30. April 2002, S. 6 ff.) ergibt sich nichts Gegenteiliges. Dieses Abkommen
begründet für die Angehörigen der Vertragsstaaten Dienstleistungsfreiheit in
dem jeweiligen anderen Vertragsstaat für die Dauer von 90 Arbeitstagen.
Daraus ergibt sich keine - zeitlich begrenzte - Niederlassungsfreiheit für
Gesellschaften (Jung, NZG 2008, 681, 683, a.A. Beretta, GPR 2006, 95, 96),
denn die Gesellschaften können von der Dienstleistungsfreiheit auch ohne
Verlegung ihres Verwaltungssitzes Gebrauch machen. Im Übrigen hat die
Klägerin ihren Verwaltungssitz nach dem als richtig zu unterstellenden
Vortrag der Beklagten dauerhaft in Deutschland.
17 Eine Pflicht zur Anerkennung schweizerischer Gesellschaften mit
Verwaltungssitz in Deutschland lässt sich auch nicht aus dem Allgemeinen
Übereinkommen über den Handel mit Dienstleistungen (GATS, BGBl 1994 II S.
1643) herleiten (MünchKommBGB/Kindler, 4. Aufl. IntGesR Rdn. 481 f.; a.A.
Hoffmann in Anwaltkomm.BGB, Anh. zu § 12 EGBGB Rdn. 146 ff.). Dieses
Übereinkommen, das allein eine Förderung des Handels mit Dienstleistungen
bezweckt, richtet sich nur an die Mitgliedstaaten und begründet keine
subjektiven Rechte der Angehörigen dieser Staaten. Eine
völkerrechtsfreundliche Auslegung des nationalen Rechts (vgl. BVerfG NJW
1982, 507, 510 - Eurocontrol I; NJW 1982, 512, 514 - Eurocontrol II) im
Sinne einer Gewährleistung auch der Niederlassungsfreiheit für
Gesellschaften scheitert bereits daran, dass das Übereinkommen international
nicht so verstanden wird (Lehmann, RIW 2004, 816 ff.; Jung, NZG 2008, 681,
683).
18 Auch aus Art. 6 Abs. 1, Art. 14 EMRK i.V.m. Art. 1 Abs. 1 und Art. 5 des
ersten Zusatzprotokolls ergibt sich keine Pflicht Deutschlands,
schweizerische Kapitalgesellschaften mit Verwaltungssitz in Deutschland als
rechtsfähig anzuerkennen (Großfeld/Boin, JZ 1993, 370 f.; Ebenroth/Auer, JZ
1993, 374 f.; a.A. Meilike, RIW 1992, 578; BB 1995, Beilage 9, S. 8 ff.).
Danach genießen juristische Personen zwar Grundrechtsschutz nach der
Europäischen Menschenrechtskonvention. Dieser Schutz gilt aber nur für
diejenigen juristischen Personen, die nach dem jeweiligen Kollisionsrecht
anerkannt sind. Welche Regeln für die Anerkennung maßgebend sind, wird von
der Europäischen Menschenrechtskonvention nicht vorgegeben, sondern den
nationalen Rechtsordnungen überlassen.
19 bb) Aufgrund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs in den
Entscheidungen "Centros",
"Überseering"
und "Insipre Art"
(ZIP 1999, 438; 2002, 2037; 2003, 1885) hat sich der Bundesgerichtshof für
diejenigen Auslandsgesellschaften, die in einem Mitgliedstaat der
Europäischen Union oder des EWR oder in einem mit diesen aufgrund eines
Staatsvertrages in Bezug auf die Niederlassungsfreiheit gleichgestellten
Staat gegründet worden sind, der sog. Gründungstheorie angeschlossen (BGHZ
154, 185; 164, 148; BGH v. 14.3.2005 - II ZR 5/03,
ZIP 2005, 805). Danach ist die Rechtsfähigkeit einer Gesellschaft nach
dem Recht ihres Gründungsstaats zu beurteilen. Die Rechtsfähigkeit von
Gesellschaften, die in einem "Drittstaat" gegründet worden sind, der weder
der Europäischen Union angehört noch aufgrund von Verträgen hinsichtlich der
Niederlassung gleichgestellt ist, hat die Rechtsprechung dagegen weiter nach
der Sitztheorie beurteilt, wonach für die Rechtsfähigkeit einer Gesellschaft
das Recht des Sitzstaates maßgeblich ist (BGHZ 153, 353, 355; Bay-ObLG
DB 2003, 819; OLG Hamburg ZIP 2007, 1108; offen gelassen von BGH, Urt. v. 2.
Dezember 2004 - III ZR 358/03, Tz. 11, juris, insoweit in BGHZ 161, 224
nicht abgedruckt).
20 Ob diese Beurteilung bezüglich der Gesellschaften aus Drittstaaten
nach wie vor richtig ist, kann entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts
nicht mit der Begründung offen gelassen werden, jedenfalls im Verhältnis zur
Schweiz sei von der Gründungstheorie auszugehen (dagegen auch Wachter,
GmbHR 2005, 1484, 1485 und Weller, ZGR 2006, 748, 765). Auch wenn die
Schweiz ihre Rechtsordnung dem Recht der EU-Mitgliedstaaten stark
angeglichen haben mag, ist sie nicht Mitglied der Europäischen Union und hat
auch das EWR-Abkommen nicht ratifiziert. Das ist eine bewusste Entscheidung
gegen die dort für die EWR-Mitgliedstaaten eröffnete europäische
Niederlassungsfreiheit, die von den deutschen Gerichten nicht unbeachtet
gelassen werden kann. Eine nur für die Schweiz geltende Ausnahme von den
allgemeinen Regeln des deutschen internationalen Privatrechts kommt zudem
aus Gründen der Rechtssicherheit nicht in Betracht. Auch bei anderen Staaten
müsste dann jeweils geprüft werden, ob ihre Rechtsordnung so weit den
europäischen Standards angeglichen wäre, dass man sie wie einen
EU-Mitgliedstaat behandeln könnte. Bezüglich der Schweiz gelten daher die
allgemeinen Regeln für die Rechtsfähigkeit ausländischer Gesellschaften, auf
die nicht die Grundsätze der europarechtlichen Niederlassungsfreiheit
anwendbar sind.
21 cc) Nach diesen allgemeinen Regeln des deutschen Privatrechts ist
die Rechtsfähigkeit einer in der Schweiz gegründeten Gesellschaft nach dem
Recht des Ortes zu beurteilen, an dem sie ihren Verwaltungssitz hat (BGHZ
97, 269, 271). Eine in der Schweiz gegründete Aktiengesellschaft ist also
nur dann in Deutschland rechtsfähig, wenn sie im deutschen Handelsregister
eingetragen ist, was eine Neugründung voraussetzt. Der Senat sieht keinen
Anlass, diese Rechtsprechung grundsätzlich aufzugeben. Allerdings
herrscht im Schrifttum Streit über die Frage, ob der Übergang von der
"Gründungstheorie" zur "Sitztheorie" für Gesellschaften unter dem Regime der
europarechtlichen Niederlassungsfreiheit einen ebensolchen Schritt für
Gesellschaften aus Drittstaaten rechtfertigt oder gar erfordert. Die dies
befürwortenden Autoren berufen sich zur Begründung ihrer Meinung vor allem
auf die Einheit des deutschen Kollisionsrechts und den durch die
"Gründungstheorie" ausgelösten Wettbewerb der internationalen
Gesellschaftsformen (Eidenmüller, ZIP 2002, 2233, 2244; Behrens in
Großkomm.z.GmbHG Einl. B Rdn. 36; Rehm in Eidenmüller, Ausländische
Kapitalgesellschaften im deutschen Recht 2004, § 2 Rz. 87; Leible/Hoffmann,
ZIP 2003, 925, 930; Paefgen, WM 2003, 561, 570). Die Gegenmeinung sieht
die Gründe für die ursprünglich umfassende Geltung der "Sitztheorie" -
Schutz der Gläubiger und Minderheitsgesellschafter nach deutschen Standards,
Verhinderung einer Flucht in Gesellschaftsrechte mit den geringsten
Anforderungen ("race to the bottom") - im Verhältnis zu den Drittstaaten als
nach wie vor gegeben an und will deshalb ein "gespaltenes" Kollisionsrecht
in Kauf nehmen (Hüffer, AktG 7. Aufl. § 1 Rdn. 32 f.; Münch-KommBGB/Kindler
aaO Rdn. 433; Erman/Hohloch, BGB 12. Aufl., Anh. II Art. 37 EGBGB Rdn. 32;
MünchKommAktG/Heider, 2. Aufl. Einl. Rdn. 122 ff.; Hausmann in Reithmann/Martiny,
Internationales Vertragsrecht, 6. Aufl. Rdn. 2284 b; Wiedemann, GesR II § 1
IV 2, 3; Palandt/Heldrich, BGB 67. Aufl. Anh. zu Art. 12 EGBGB Rdn. 9;
Bayer, BB 2003, 2357, 2363 f.; Ebke, JZ 2003, 927, 929 f.; Horn, NJW 2004,
893, 897; Wachter, GmbHR 2005, 1484, 1485; Weller, ZGR 2006, 748, 765).
22 Der Gesetzgeber hat dazu bisher noch keine Regelung getroffen.
Insbesondere enthält § 4 a GmbHG idF des Gesetzes zur Modernisierung des
GmbH-Rechts und zur Verhinderung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23. Oktober
2008 (BGBl I S. 2026) keine Regelung über die Anerkennung ausländischer
Gesellschaften mit Verwaltungssitz im Inland (Kindler, AG 2007, 721, 725
f.). Wohl hat der Gesetzgeber - einer Empfehlung des Deutschen Rates für
Internationales Privatrecht folgend (abgedruckt bei Sonnenberger/Bauer, RIW
2006 Beil. 1 zu Heft 4) - am 14. Dezember 2007 einen
Referentenentwurf
eines Gesetzes zum Internationalen Privatrecht
der Gesellschaften, Vereine und juristischen Personen vorgelegt. Darin
schlägt er vor, die "Gründungstheorie" im deutschen Recht zu kodifizieren
(Art. 10 EGBGB-E). Dieses Gesetzgebungsvorhaben ist indes noch nicht
abgeschlossen. Gegen die generelle Geltung der "Gründungstheorie" sind im
politischen Meinungsbildungsprozess Bedenken geäußert worden. Angesichts
dessen ist es schon vom Ansatz her nicht Sache des Senats, der
Willensbildung des Gesetzgebers vorzugreifen und die bisherige
Rechtsprechung zu ändern. Ein Bedürfnis für eine solche Entscheidung ist
im vorliegenden Fall schon deshalb nicht ersichtlich, weil die Klägerin
nicht daran gehindert wird, ihre Rechte vor deutschen Gerichten geltend zu
machen.
23 c) Zwar ist eine Aktiengesellschaft schweizerischen Rechts mit
Verwaltungssitz im Inland nicht als Aktiengesellschaft rechtsfähig. Sie ist
aber nach der Rechtsprechung des Senats als rechtsfähige
Personengesellschaft deutschen Rechts zu behandeln, nämlich als offene
Handelsgesellschaft oder Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die keiner
Eintragung in ein deutsches Register bedürfen (BGHZ 151, 204; krit. Binz, BB
2005, 2361, 2363 ff.). Wenn diese Gesellschaft in Deutschland am
Geschäftsverkehr teilnimmt, wäre es nicht hinnehmbar, ihr nicht die
Möglichkeit zu geben, Rechte zu begründen und klageweise geltend zu machen.
Als Kehrseite davon haften die Gesellschafter zwar persönlich und
unbeschränkt für die Gesellschaftsverbindlichkeiten. Die Rechtsfolgen dieser
Haftung zu regeln, ist aber eine Frage des Innenrechts der betreffenden
Gesellschaften. Entgegen der Auffassung der Revision ist diese
Rechtsprechung nicht auf Gesellschaften mit Satzungssitz auf der Insel
Jersey oder in ähnlichen zur Europäischen Union gehörenden Gebieten mit
einem Sonderstatus beschränkt.
24 2. Die Klägerin ist durch ihren Gesellschafter N. M. ordnungsgemäß
vertreten.
25 Die Vertretungsmacht bestimmt sich nach den Vorschriften über die
Personengesellschaften deutschen Rechts. Dabei kann offen bleiben, ob die
Klägerin als offene Handelsgesellschaft oder als Gesellschaft bürgerlichen
Rechts zu behandeln ist. In beiden Fällen ist M. zur (Allein-)Vertretung der
Klägerin befugt. Das ergibt sich für die offene Handelsgesellschaft schon
aus § 125 Abs. 1 HGB, wonach grundsätzlich jeder Gesellschafter zur (Allein-)Vertretung
berechtigt ist (vgl. MünchKommHGB/K. Schmidt, 2. Aufl. § 125 Rdn. 25).
Darüber hinaus ist die Alleinvertretungsmacht des Gesellschafters M. in der
Satzung der Klägerin begründet. Darin ist bestimmt, dass M. - als
alleiniger Verwaltungsrat - die Klägerin vertritt. Das gilt auch, soweit die
Gesellschaft nach deutschem Recht als Personengesellschaft zu beurteilen
ist.
26 II. Die somit zulässige Klage ist unbegründet.
27 Die Klägerin kann von der Beklagten weder Zahlung von Miete, noch
Herausgabe des Grundstücks verlangen. Ebenso wenig steht ihr ein Anspruch
auf Ersatz von Anwaltskosten zu. Sie hat das Erbbaurecht, aus dem sich diese
Ansprüche allein ergeben könnten, nicht erworben, weil die hierfür
erforderliche Zustimmungserklärung der Stadt G. von einem dazu nicht wirksam
bevollmächtigten Beamten abgegeben worden ist.
28 Zum Erwerb des Erbbaurechts bedurfte es zunächst gemäß § 873 BGB i.V.m. §
11 Abs. 1 ErbbauRG einer Einigung und einer Eintragung der Rechtsänderung im
Grundbuch. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Darüber hinaus ist in § 7 des
zwischen der Stadt G. und dem Trabrennverein G. e.V. geschlossenen
Erbbaurechtsvertrages vom 29. Dezember 1978 vereinbart, dass jede
Veräußerung des Erbbaurechts der schriftlichen Zustimmung der Stadt bedarf.
Dieses Zustimmungserfordernis ist im ErbbauGrundbuch eingetragen, wie sich
der von der Klägerin vorgelegten Kopie des Grundbuchauszugs entnehmen lässt.
Damit hängt die Wirksamkeit der Rechtsübertragung gemäß §§ 5 f. ErbbauRG von
der Zustimmung ab. Fehlt die Zustimmung, sind sowohl das Verpflichtungs- als
auch das Verfügungsgeschäft (schwebend) unwirksam (MünchKommBGB/von Oefele,
4. Aufl. § 6 ErbbauVO Rdn. 2).
29 1. Die Zustimmungserklärung, die der Stadtkämmerer in Vertretung des
Oberbürgermeisters der Stadt G. unter dem 28. Juli 2004 abgegeben hat, ist -
wie die Revision zu Recht geltend macht und was der Senat gemäß § 545 Abs. 1
ZPO nachprüfen kann - gemäß § 164 Abs. 1 BGB unwirksam. Der Stadtkämmerer
hatte keine wirksame Vollmacht zur Vertretung der Stadt.
30 Nach § 64 Abs. 1 GO NW sind Erklärungen, durch welche die Gemeinde
verpflichtet werden soll, in Schriftform abzugeben und von dem Bürgermeister
oder seinem Stellvertreter und einem vertretungsberechtigten Beamten oder
Angestellten zu unterzeichnen. Darin liegt die Anordnung einer
Gesamtvertretung (BGH, Urt. v. 4. Dezember 1981 - V ZR 241/80, NJW 1982,
1036, 1037; v. 15. April 1998 - VIII ZR 129/97, NJW 1998, 3058, 3060). Der
Unterschrift dieser zwei Personen bedarf es nach § 64 Abs. 2 und 3 GO NW nur
dann nicht, wenn ein Geschäft der laufenden Verwaltung betroffen ist oder
wenn ein für ein bestimmtes Geschäft oder einen Kreis von Geschäften
ausdrücklich Bevollmächtigter die Erklärung abgibt. Eine derartige Vollmacht
ist allerdings nur wirksam, wenn sie nicht so weit gefasst ist, dass damit
die Vorschriften über die Gesamtvertretung unterlaufen werden (vgl. BGH,
Urt. v. 6. Mai 1997 - KZR 43/95, ZIP 1997, 2166, 2168). Die Gesamtvertretung
dient dem Schutz des Vertretenen. Sie kann deshalb von den Vertretern nicht
geändert werden. Ihnen ist es auch versagt, eine Einzelvollmacht zu
erteilen, die so weit geht, dass sie einer Alleinvertretung gleichkommt (Sen.Urt.
v. 25. November 1985 - II ZR 115/85, ZIP 1986, 501, 503).
31 Die Erklärung, dass der Veräußerung des Erbbaurechts zugestimmt werde,
war eine Verpflichtungserklärung i.S. des § 64 Abs. 1 GO NW. Dadurch sollte
die Gemeinde verpflichtet werden, das Grundstück von nun an dem Erwerber des
Erbbaurechts - der Klägerin - zu überlassen. Das ist schon deshalb eine
bedeutsame Rechtsänderung, weil gemäß § 33 ErbbauRG beim Heimfall (§ 2 Nr. 4
ErbbauRG) die von dem Erbbauberechtigten bewilligten Grundpfandrechte im
Wesentlichen bestehen bleiben, die Person des Erbbauberechtigten für den
Grundstückseigentümer also von erheblicher Bedeutung ist (Münch-KommBGB/von
Oefele aaO § 5 Rdn. 1).
32 Die Erklärung betraf kein Geschäft der laufenden Verwaltung. Unter
Geschäften der laufenden Verwaltung sind Geschäfte zu verstehen, die in mehr
oder weniger regelmäßiger Wiederkehr vorkommen und nach Größe, Umfang der
Verwaltungstätigkeit und Finanzkraft der beteiligten Gemeinde von sachlich
weniger erheblicher Bedeutung sind (BGHZ 92, 164, 173; Urt. v. 6. Mai 1997
aaO S. 2167). Schon das erste Merkmal, die regelmäßige Wiederkehr, ist hier
nicht erfüllt.
33 Eine damit nach § 64 Abs. 3 GO NW erforderliche Vollmacht ist dem
Stadtkämmerer nicht wirksam erteilt worden. Nach dem Inhalt der
Vollmachtsurkunde vom 30. Juni 2004 sollte der Kämmerer berechtigt sein, die
Stadt "in allen Grundstücksangelegenheiten" zu vertreten. Damit betraf die
Vollmacht einen wesentlichen Bereich der Geschäfte, für die nach § 64 Abs. 1
GO NW eine Gesamtvertretung angeordnet ist. Da die Geschäfte der laufenden
Verwaltung davon ohnehin ausgenommen sind, sind es gerade die
Grundstücksgeschäfte, die von der Gesamtvertretung erfasst werden. Für sie
ist ein besonderer Schutz der Gemeinde angezeigt. Wenn für diesen Bereich
eine umfassende Einzelvollmacht erteilt werden könnte, würde damit der von §
64 Abs. 1 GO NW bezweckte Schutz der Gemeinde unterlaufen. Die gesetzlich
angeordnete Gesamtvertretung wäre dann für einen wichtigen Geschäftsbereich
in eine Alleinvertretungsmacht umgewandelt. Das würde gegen den Zweck des §
64 GO NW verstoßen.
34 2. Die von dem Stadtkämmerer als Vertreter ohne Vertretungsmacht
abgegebene Erklärung ist von der Stadt nicht genehmigt worden. Dabei kann
offen bleiben, ob die Zustimmung als einseitiges Rechtsgeschäft nach § 180
Abs. 2 BGB überhaupt genehmigungsfähig ist. Denn jedenfalls hätte die Stadt
auch eine erneute und wirksame Zustimmungserklärung zu der Übertragung des
Erbbaurechts abgeben können (vgl. BGHZ 33, 76, 85), was jedoch ebenfalls
nicht geschehen ist.
35 Eine Genehmigung oder - erneute - Zustimmungserklärung ist weder
ausdrücklich noch konkludent abgegeben worden. Eine konkludente Erklärung
liegt insbesondere nicht in dem von dem Oberbürgermeister unterzeichneten
Schreiben vom 3. Juni 2005 an die Klägerin. Sie setzt nämlich voraus, dass
sich der Erklärende zumindest der Möglichkeit bewusst ist, durch sein
Handeln eine schwebend unwirksame Erklärung oder einen schwebend unwirksamen
Vertrag zu genehmigen (BGH, Urt. v. 22. Oktober 1996 - XI ZR 249/95, ZIP
1996, 2169, 2171; v. 17. Mai 2002 - V ZR 149/01, WM 2002, 2342, 2343).
Dieses Bewusstsein oder auch nur der Zweifel, dass die Erklärung des
Stadtkämmerers unwirksam sein könnte, ist dem Schreiben des
Oberbürgermeisters nicht zu entnehmen. Darin wird im Hinblick auf die
"formalrechtliche Ausfertigung und Unterzeichnung der Zustimmungserklärung"
vom 28. Juli 2004 ausgeführt:
"Durch die am 30. Juni 2004 vom damaligen Oberbürgermeister der Stadt G. ,
Herrn O. W. , und Herrn Stadtrat J. H. unterzeichnete Vollmacht ist Herr
Stadtkämmerer R. K. generell bevollmächtigt worden, die Stadt G. in allen
Grundstücksangelegenheiten rechtsgeschäftlich zu vertreten …
Durch diese Vollmacht wird die Unterzeichnung der Zustimmungserklärung durch
Herrn Stadtkämmerer K. vom 28. Juli 2004 zur Übertragung des Erbbaurechtes
in vollem Umfang abgedeckt." |