Widerrechtlichkeit der Drohung (§ 123 I BGB);
Verhältnis von § 123 BGB zu § 138 I BGB (Sittenwidrigkeit); Rechtswidrigkeit
der Kündigung eines Dienstvertrags zur Unzeit (§ 627 II BGB)
BGH, Urteil vom 7. Februar 2013 - IX
ZR 138/11 - OLG Saarbrücken
Fundstelle:
NJW 2013, 1591
Amtl. Leitsatz:
Veranlasst der Rechtsanwalt den persönlich nicht
haftenden Gesellschafter seiner Mandantin erstmals unmittelbar vor einem
anberaumten Gerichtstermin mit dem Hinweis, anderenfalls das Mandat
niederzulegen, zum Abschluss einer Haftungsübernahme, kann hierin eine
widerrechtliche Drohung liegen.
Zentrale Probleme:
Es geht um das "Klassikerproblem" der Rechtswidrigkeit
der Drohung gem. § 123 I BGB. Der Sachverhalt ist ähnlich wie derjenige in
BGH NJW 2002, 2774, unterscheidet sich aber im
Zeitpunkt der Drohung. Diese ist immer dann rechtswidrig, wenn entweder das
Drohungsmittel oder der Drohungszweck für sich genommen rechtswidrig sind.
Ist das nicht der Fall, kann sich die Rechtswidrigkeit der Drohung aus einer
Zweck-Mittel-Relation ergeben (s. dazu die Anm. zu
BGH NJW 2005, 2766). Der Senat sieht die Rechtswidrigkeit der Drohung
hier darin, dass die angedrohte Kündigung nach § 627 II BGB zur Unzeit
erfolgt wäre und damit Schadensersatzansprüche nach sich gezogen hätte. Dies
begründet ihre Rechtswidrigkeit. Damit war aber vorliegend bereits das
Drohungsmittel rechtswidrig, so dass es auf eine Zweck-Mittel-Relation gar
nicht mehr ankommt.
©sl 2013
Tatbestand:
1 Die Beklagte ist neben Dr. K. Gesellschafterin
verschiedener in- und ausländischer Gesellschaften, die von der Klägerin,
einer Anwaltsgesellschaft, unter anderem auf dem Gebiet des gewerblichen
Rechtsschutzes beraten und in Rechtsstreitigkeiten gerichtlich vertreten
wurden. Als die Gesellschaften im Jahre 2006 die Honorarrechnungen der
Klägerin aus der Zeit von März 2005 bis Juni 2006 wegen aufgetretener
Zahlungsschwierigkeiten nicht ausgleichen konnten, forderte die Klägerin die
Beklagte und deren Mitgesellschafter mit E-Mail vom 31. Juli 2006 auf, die
persönliche Haftung für die gegenwärtigen und künftigen Honoraransprüche zu
übernehmen. Den mitübersandten Entwurf einer persönlichen Haftungsübernahme
unterzeichnete die Klägerin nicht. Auch auf eine erneute Zusendung des
Vereinbarungsentwurfs mit E-Mail vom 10. August 2006 reagierte sie nicht. Zu
diesem Zeitpunkt waren für das Jahr 2005 14.876,39 € und für das Jahr 2006
22.950,96 € offen. Anlässlich eines Verhandlungstermins vor dem Landgericht
Saarbrücken am 28. August 2006, den die Klägerin für eine der Gesellschaften
wahrnahm und an dem die Beklagte und ihr Mitgesellschafter persönlich
teilnahmen, unterzeichneten beide die von der Klägerin entworfene und zum
Gerichtstermin mitgebrachte, als Übernahme der persönlichen Haftung
bezeichnete Vergütungsvereinbarung.
2 Hieraus nimmt die Klägerin die Beklagte auf Zahlung in Höhe von 51.734,06
€ in Anspruch. Die Beklagte tritt dem Zahlungsbegehren nur insoweit
entgegen, als sie geltend macht, die persönliche Haftungsübernahme sei ihr
vor dem Gerichtstermin abgepresst worden. Das Landgericht hat der Klage mit
Ausnahme eines geringen Teils der Zinsen stattgegeben. Die hiergegen
gerichtete Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom
Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren
Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
3 Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Nach den bislang getroffenen
Feststellungen des Berufungsgerichts kann ein Schadensersatzanspruch der
Beklagten auf Befreiung von der eingegangenen Haftungsübernahme nicht
verneint werden.
I.
4 Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Vereinbarung sei nicht wegen
Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB unwirksam. Eine Überrumpelung der
Beklagten im Verhandlungstermin könne nicht angenommen werden, weil ihr der
Vereinbarungstext bereits per E-Mail vom 31. Juli und 10. August 2006
übersandt worden sei. Die Klägerin habe daher davon ausgehen können, die
Beklagte habe diesen Text bereits vor dem Verhandlungstermin zur Kenntnis
genommen. Selbst wenn der Terminvertreter der Klägerin vor dem
Verhandlungstermin zur Beklagten geäußert haben sollte, im Fall der
Nichtunterzeichnung der Vereinbarung werde er nicht auftreten, könne hieraus
eine Sittenwidrigkeit der Abrede nicht abgeleitet werden. Eine
widerrechtliche Drohung alleine genüge nicht. Besondere Umstände, die das
Geschäft nach seinem Gesamtcharakter als sittenwidrig erscheinen lasse,
lägen im Hinblick darauf, dass beträchtliche Gebührenforderungen der
Klägerin offenstanden und keine Aussicht auf eine Tilgung in absehbarer Zeit
bestanden hätte, nicht vor. Auch habe die geschäftserfahrene Beklagte damit
rechnen müssen, ihr würden die Dienstleistungen der Klägerin nicht dauerhaft
ohne zwischenzeitlichen Ausgleich der Honoraransprüche zur Verfügung
gestellt werden.
5 Auch könne die Beklagte nicht unter dem Gesichtspunkt eines Verschuldens
bei Vertragsabschluss die Befreiung von der eingegangen Verbindlichkeit
verlangen. Selbst wenn die Androhung einer Mandatsniederlegung im Falle der
Nichtunterzeichnung der Haftungsübernahme unterstellt werde, fehle es an der
Verwerflichkeit des Mittels, des Zwecks sowie der Mittel-Zweck-Relation.
Angesichts der vorher erfolgten Ankündigung, eine Haftungsübernahme zu
verlangen, der damit verbundenen Überlegungsfrist der Beklagten sowie des
Umstandes, dass keine höheren Gebühren als die gesetzlichen gefordert worden
seien, liege selbst bei Unterstellung der Ankündigung der
Mandatsniederlegung vor dem Termin keine verwerfliche Mittel-Zweck-Relation
vor. Es fehle an einer Zwangslage der Beklagten.
II.
6 Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung nicht stand.
7 1. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass auch bei
der unterstellten Annahme, die Klägerin habe nicht im Vorfeld des
Gerichtstermins vom 28. August 2006 auf eine Mandatsniederlegung
hingewiesen, sondern erst anlässlich des Gerichtstermins mit der
Niederlegung des Mandats gedroht, der Abschluss der Haftungsübernahme
nicht nach § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig ist.
8 Eine - widerrechtliche - Drohung macht ein Rechtsgeschäft
lediglich nach § 123 BGB anfechtbar; nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig ist es
nur dann, wenn besondere Umstände hinzukommen, die das Geschäft nach seinem
Gesamtcharakter als sittenwidrig erscheinen lassen (BGH, Urteil vom
7. Juni 1988 - IX ZR 245/86, WM 1988, 1156, 1158 f; vom 17. Januar 2008 -
III ZR 239/06, NJW 2008, 982 Rn. 11; vgl. auch Urteil vom 23. Februar 1995 -
IX ZR 29/94, WM 1995, 1064, 1068 und vom 26. September 1995 - XI ZR 159/94,
WM 1995, 1950 f zur arglistigen Täuschung). Dies gilt auch für die
Beurteilung einer in Aussicht gestellten Mandatskündigung durch den
Rechtsanwalt (BGH, Urteil vom 4. Juli 2002 - IX ZR
153/01, NJW 2002, 2774, 2775; vom
4. Februar
2010 - IX ZR 18/09, BGHZ 184, 209 Rn. 43). Solche besonderen Umstände
konnte das Berufungsgericht im Rahmen einzelfallbezogener Erwägungen,
insbesondere im Hinblick auf die Geschäftserfahrenheit der Beklagten und
darauf, dass ihr der fragliche Vereinbarungstext bereits vier Wochen zuvor
zugesandt wurde, verneinen. Auch die Revision wendet sich hiergegen nicht.
9 2. Nach gefestigter Rechtsprechung begründet der Tatbestand einer
rechtswidrigen Drohung oder arglistigen Täuschung außer der
Anfechtungsmöglichkeit auch einen Schadensersatzanspruch wegen Verschuldens
beim Vertragsschluss (§ 311 Abs. 2 BGB), der dem Bedrohten oder Getäuschten
das Recht gibt, auch ohne Ausübung eines Gestaltungsrechts Befreiung von der
eingegangenen Verbindlichkeit zu verlangen (BGH, Urteil vom 11. Mai 1979 - V
ZR 75/78, NJW 1979, 1983 f; vom 24. Oktober 1996 - IX ZR 4/96, WM 1997, 77,
78; vom 3. Februar 1999 - VIII ZR 14/98, WM 1999, 1034, 1035; vom 18.
September 2001 - X ZR 107/00, NJW-RR 2002, 308, 309 f), sofern dem
Betroffenen durch den Vertragsschluss ein Schaden entstanden ist (BGH,
Urteil vom 26. September 1997 - V ZR 29/96, WM 1997, 2309, 2311 f; vom 4.
Juli 2002 - IX ZR 153/01, NJW 2002, 2774, 2775; vom 10. Januar 2006 - XI ZR
169/05, WM 2006, 377, 380). Auf einen derartigen Schadensersatzanspruch
findet die Jahresfrist des § 124 BGB weder direkt noch entsprechend
Anwendung (BGH, Urteil vom 18. September 2001, aaO S. 310).
10 a) In der Ankündigung eines Rechtsanwaltes, das Mandat
niederzulegen, um hierdurch eine günstigere Vergütungsabrede durchzusetzen,
kann ausnahmsweise eine rechtswidrige Drohung liegen (vgl. BGH,
Urteil vom 12. Januar 1978 - III ZR 53/76, AnwBl 1978, 227, 228 f; D.
Fischer in Zugehör/ G. Fischer/Vill/D. Fischer/Rinkler/Chab, Handbuch der
Anwaltshaftung, 3. Aufl., Rn. 938; Gehrlein, Anwalts- und
Steuerberaterhaftung, 2. Aufl., S. 180 f). Ob eine Drohung in einem solchen
Fall rechtswidrig ist, hängt von dem Verhältnis zwischen dem verfolgten
Zweck und dem dazu eingesetzten Mittel ab; entscheidend ist, ob der Drohende
an der Erreichung des Zwecks ein berechtigtes Interesse hat und die Drohung
nach Treu und Glauben als ein angemessenes Mittel zur Erreichung dieses
Zwecks anzusehen ist (BGH, Urteil vom 4. November 1982 - VII ZR 11/82, WM
1983, 90, 91; vom 4. Juli 2002, aaO; vom 4. Februar 2010, aaO Rn. 33 ff).
11 b) So ist aufgrund der Mittel-Zweck-Relation eine widerrechtliche Drohung
gegeben, wenn der Verteidiger unmittelbar vor Beginn der Hauptverhandlung
erstmals seinen Mandanten mit dem Hinweis, anderenfalls das Mandat
niederzulegen, zur Unterzeichnung einer Gebührenvereinbarung veranlasst
(BGH, Urteil vom 4. Februar 2010, aaO Rn. 37; vgl. auch vom 12. Januar 1978, aaO).
Unter derartigen Gegebenheiten missbraucht der Verteidiger die
Zwangslage seines Mandanten, der sich in der unmittelbar bevorstehenden
Hauptverhandlung seines vertrauten Wahlverteidigers bedienen möchte, in
verwerflicher Weise zur Durchsetzung von Gebühreninteressen. Unterrichtet
dagegen der Anwalt längere Zeit vor Beginn der Hauptverhandlung den
Mandanten über den Inhalt der von ihm gewünschten Gebührenvereinbarung als
Voraussetzung für die Fortsetzung der weiteren Verteidigung, so wird dieser
in der Lage sein, die ihn angesonnene Gebührenvereinbarung zurückzuweisen
und rechtzeitig vor Beginn der in Rede stehenden Verhandlung auf der
Grundlage einer ihm genehmen Gebührenabrede andere Wahlverteidiger
einzusetzen (BGH, Urteil vom 4. Februar 2010, aaO Rn. 38).
12 c) Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung
sind diese Grundsätze auch auf die Prozessvertretung im Zivilrechtsstreit
übertragbar. Nicht nur der Strafprozess wird durch ein besonderes
Vertrauensverhältnis zwischen Mandanten und Verfahrensbevollmächtigten
gekennzeichnet, sondern dies gilt auch für Mandate im zivilgerichtlichen
Verfahren. Ohnehin ist der Anwaltsvertrag in besonderer Weise durch gegenseitiges Vertrauen
geprägt (BGH, Urteil vom 23. Februar 1995 - IX ZR 29/94, NJW 1995, 1425,
1430). Dass auch im Zivilprozess von einem besonderen Vertrauensverhältnis
zwischen Mandant und Anwalt auszugehen ist, zeigt die vorliegende
Fallgestaltung. Wird unmittelbar vor dem anberaumten Verhandlungstermin der
Mandant mit der Ankündigung des Prozessbevollmächtigten überrascht, er werde
das Mandat unverzüglich niederlegen, wird der Mandant im Anwaltsprozess nur
selten in der Lage sein, einen neuen Prozessanwalt für diesen Termin zu
stellen. Da sich die Partei die Mandatsniederlegung selbst dann als eigenes
Verschulden zurechnen lassen muss, wenn der Anwalt die Kündigung zur Unzeit
ausspricht (BGH, Beschluss vom 24. Januar 1985 - I ZR 113/84, VersR 1985, 542,
543; vom 25. Juni 1991 - VI ZB 15/91, VersR 1992, 378 f; Urteil vom 15. März
2006 - XII ZR 138/01, NJW 2006, 2334 Rn. 16; Zöller/Vollkommer, ZPO, 29.
Aufl., § 85 Rn. 24), liegt es nicht fern, dass im anberaumten Termin gegen
die nicht vertretene Partei Versäumnisurteil ergehen wird (vgl. BGH,
Beschluss vom 24. Januar 1985, aaO). Der Grundsatz, dass der Anwalt seinen
Mandanten nicht im Stich lassen darf (BGH, Urteil vom 12. Januar 1978, aaO,
S. 228), erfährt daher im Zivilprozess besondere Bedeutung.
13 d) Unter Berücksichtigung der vorgenannten
Grundsätze ist die erstmalige Androhung einer Mandatsniederlegung kurz vor
Aufruf der Sache im Zivilprozess zur Durchsetzung einer günstigeren
Vergütungsabrede oder einer entsprechenden Haftungsübernahme kein
angemessenes Mittel zur Erreichung des an sich berechtigten Anliegens, eine
beträchtliche, offenstehende Vergütung zu erhalten oder zu sichern.
14 aa) Gemäß § 627 Abs. 2 Satz 1 BGB ist es dem
Dienstpflichtigen verwehrt, die Kündigung des Dienstvertrages zur Unzeit
auszusprechen. Eine derartige Kündigung liegt bei einem Anwaltsvertrag vor,
wenn sie zu einem Zeitpunkt erfolgt, in dem der Mandant nicht in der Lage
ist, sich die notwendigen Dienste eines anderen Anwalts zu besorgen (MünchKomm-BGB/Henssler,
6. Aufl., § 627 Rn. 33; Zugehör/Rinkler, aaO Rn. 95; Vollkommer/Greger/
Heinemann, Anwaltshaftungsrecht, 3. Aufl., § 6 Rn. 6). Daher ist es dem
Anwalt verwehrt, das Mandat im oder unmittelbar vor dem Termin zur
mündlichen Verhandlung niederzulegen (BGH, Urteil vom 12. Januar 1978, aaO;
MünchKomm-BGB/Henssler, aaO; Vollkommer/Greger/Heinemann, aaO). Verstößt der
Anwalt gegen das Verbot zur Unzeit zu kündigen, ist zwar die Kündigung
regelmäßig wirksam (MünchKomm-BGB/Henssler, aaO Rn. 34; Zugehör/Rinkler, aaO
Rn. 94), der Anwalt macht sich aber schadensersatzpflichtig
(BGH, Urteil vom
4. Juli 2002 - IX ZR 153/01, NJW 2002, 2774, 2775) und handelt rechtswidrig.
15 Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung kann
aus dem Umstand, dass die Kündigung wirksam ist, nicht geschlossen
werden, der Anwalt sei zur Kündigung berechtigt, ein derartiges Verhalten
sei nicht rechtswidrig. Die Kompensation durch die von § 627 Abs. 2 Satz 2
BGB angeordnete Rechtsfolge der Schadensersatzpflicht zeigt bereits, dass
das Verhalten des Anwalts als widerrechtlich angesehen wird. Ein derartiges
Verhalten ist nur dann nicht gegeben, wenn für die unzeitgemäße Kündigung
ein wichtiger Grund (§ 627 Abs. 2 BGB) vorliegt (vgl. MünchKomm-BGB/Henssler,
aaO Rn. 35). Derartige Gründe können auf objektiv äußeren Umständen sowie
dem Berufsrecht beruhen oder auch in der Beziehung zwischen Anwalt und
Mandanten liegen, etwa wenn der Mandant den unaufschiebbaren
Kündigungswunsch des Anwalts durch Beleidigung, tätliche Angriffe oder
schwere Beanstandungen auslöst (vgl. Münch-Komm-BGB/Henssler, aaO). Das
alleinige Interesse an einer Erhöhung oder Sicherung der Vergütung vermag
dagegen keinen wichtigen Grund im Sinne dieser Bestimmung zu bilden. Der Anwalt hat sein
(erweitertes) Vergütungsverlangen nicht zur Unzeit, sondern im Rahmen
angemessener Fristen gegenüber seinem Mandanten zu verfolgen. Entgegen der
Ansicht der Revisionserwiderung kann sich die Klägerin als
Vorleistungsverpflichtete nicht auf die Bestimmung des § 321 BGB stützen.
Die Unsicherheitseinrede des § 321 Abs. 1 BGB greift nicht mehr, sobald der
Vorleistungspflichtige seine Leistung erbracht hat (vgl. BGH, Urteil vom 8.
Oktober 1990 - VIII ZR 247/89, BGHZ 112, 279, 287). Dies war bei den von der
Klägerin in den E-Mails vom 31. Juli 2006 und vom 10. August 2006
aufgeführten offenstehenden Vergütungsvorgängen der Fall. Im Übrigen wird §
321 BGB bei Dienstverträgen durch die spezielleren Bestimmungen des
Dienstvertragsrechts verdrängt (vgl. MünchKomm-BGB/Emmerich, aaO, § 321 Rn.
6; Erman/H. P. Westermann, BGB, 13. Aufl., § 321 Rn. 3).
16 bb) Ebenso, wie es dem Anwalt grundsätzlich
verwehrt ist, unmittelbar vor einem Verhandlungstermin das Mandat aus
Gebühreninteresse niederzulegen, darf er eine solche Maßnahme auch zur
Unzeit nicht androhen. Es ist ihm daher versagt, kurz vor einem
Verhandlungstermin die Fortführung des Mandats von der Zahlung eines
weiteren Honorars abhängig zu machen (BGH, Urteil vom 12. Januar 1978, aaO).
Auch eine derartige Drohung ist widerrechtlich, wenn der Anwalt nicht eine
angemessene Zeit vor dem Termin hinreichend deutlich macht, die von ihm
gewünschte Vergütungsabrede sei die Voraussetzung für die Fortsetzung der
weiteren Vertretung vor dem Zivilgericht. Nur dann ist der hiervon
betroffene Mandant oder sind [im Falle der Vertretung einer juristischen
Person], wie hier, die angesprochenen Gesellschafter in der Lage, die
angesonnene Abrede zurückzuweisen und rechtzeitig vor dem in Betracht
kommenden Verhandlungstermin andere Prozessbevollmächtigte zu bestellen
(vgl. BGH, Urteil vom 4. Februar 2010 - IX ZR 18/09, BGHZ 184, 209 Rn. 38).
17 cc) Nach dem von der Beklagten unter Beweis
gestellten und dem Revisionsverfahren zugrunde zu legenden Vorbringen wurde
ihr erstmals unmittelbar vor dem Verhandlungstermin außerhalb des
Gerichtsgebäudes seitens des von der Klägerin gestellten Prozessanwalts
erklärt, bei Nichtunterzeichnung der Haftungsübernahme werde er das Mandat
unverzüglich niederlegen und im Termin nicht auftreten. Eine unter diesen
Umständen zustande gekommene Abrede beruht im Hinblick auf die
widerrechtliche Drohung auf einer unzulässigen Willensbeeinflussung und
begründet nach § 311 Abs. 2 BGB den Anspruch auf Befreiung von der
eingegangenen Verbindlichkeit (vgl.
BGH, Urteil vom 4. Juli 2002, aaO).
III.
18 Das Urteil des Berufungsgerichts unterliegt daher
der Aufhebung (§ 562 Abs. 1 ZPO); die Sache ist, weil sie nicht zur
Endentscheidung reif ist, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563
Abs. 1 Satz 1 ZPO). Das Berufungsgericht muss die von den Parteien benannten
Beweismittel zur bestrittenen Behauptung der Beklagten, sie sei erstmals vor
dem Gerichtstermin mit der Ankündigung einer Mandatsniederlegung
konfrontiert worden, erheben.
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