IZPR: Gerichtsstand des
Erfüllungsorts nach Art. 5 Nr. 1 Buchst. b Brüssel I-VO für Honoraranspruch
eines Rechtsanwalt: Einheitlicher Gerichtsstand für Klagen aus gegenseitigen
Verträgen; autonomer Begriff der Dienstleistung; autonomer Begriff des
Erfüllungsorts, maßgeblicher Erfüllungsort bei mehreren Erfüllungsorten
BGH, Urt. v. 2. März 2006 -
IX ZR 15/05
Fundstelle:
NJW 2006, 1806
S. auch BGH v. 28.2.2012 -
XI ZR 9/11
Amtl. Leitsätze:
a) Für die Erbringung der Dienstleistung und der
Gegenleistung ist einheitlicher Erfüllungsort der Ort der
vertragscharakteristischen Leistung.
b) Ist eine Dienstleistung in mehreren Mitgliedstaaten zu erbringen, ist
als einziger Erfüllungsort der Ort zu bestimmen, in dem der Schwerpunkt der
Tätigkeit liegt.
c) Hat ein Rechtsanwalt eine Dienstleistung zu erbringen, die auch die
Teilnahme an der Verhandlung eines Schiedsgerichts in einem anderen
Mitgliedstaat erfordert, ist für die Feststellung des einheitlichen
Erfüllungsortes maßgebend, ob der Schwerpunkt der Tätigkeit in einer
Gesamtschau der Terminswahrnehmung oder der sonstigen Tätigkeit zukommt.
Tatbestand:
Die Klägerin, eine Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, begehrt von dem Beklagten,
einem Verein französischen Rechts mit Sitz bei Paris, die Zahlung von
Honorar für die Vertretung in einem Schiedsverfahren. Die mündliche
Verhandlung des Schiedsgerichts, bei der auch eine Beweisaufnahme
durchgeführt wurde, fand in London statt. Die Verhandlung wurde von dem
sachbearbeitenden Rechtsanwalt der Klägerin von seiner Kanzlei aus in
München vorbereitet.
Nach Abschluss des Schiedsverfahrens stellte die Klägerin zunächst auf Basis
eines Stundenhonorars 26.986,13 DM in Rechnung. Da der Beklagte nicht
bezahlte, macht die Klägerin ihre Honoraransprüche mit der Klage
entsprechend den Vorschriften der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung mit
drei Gebühren nach einem Streitwert von 704.454 € in Höhe von 16.778,43 €
geltend.
Das Landgericht hat die Klage wegen fehlender internationaler Zuständigkeit
abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat ihr das Berufungsgericht im
Wesentlichen stattgegeben. Mit der - zugelassenen - Revision verfolgt der
Beklagte sein Klageabweisungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
Die allein auf fehlende internationale Zuständigkeit des Landgerichts
gestützte Revision ist unbegründet.
1. Das Revisionsgericht ist auch nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform
des Zivilprozesses vom 27. Juli 2001 (BGBl. I S. 1887) befugt, die
internationale Zuständigkeit zu prüfen. § 545 Abs. 2 ZPO steht dem nicht
entgegen (BGHZ 153, 82, 84 f; 157, 224, 227; BGH, Urt. v. 7. Dezember 2004 -
XI ZR 366/03, WM 2005, 339, 340).
2. Das Berufungsgericht hat die internationale Zuständigkeit bejaht. Diese
ergebe sich zwar nicht schon aus einer rügelosen Einlassung gemäß § 39 ZPO
bzw. Art. 24 EuGVVO, wohl aber aus Art. 5 Nr. 1 Buchst. b EuGVVO, weil die
Dienstleistung für den Beklagten im Schwerpunkt am Kanzleisitz der Klägerin
in München erbracht worden sei. Dort habe die Kontaktaufnahme mit dem
Beklagten stattgefunden und der zeitliche Schwerpunkt der Tätigkeit für
Recherchen und Abfassen von Schriftsätzen gelegen. Durch die Inanspruchnahme
einer Rechtsanwaltskanzlei in München habe der Beklagte dies bewusst in Kauf
genommen. Dahinter trete London als Ort, an dem ein weiterer wichtiger Teil
der Dienstleistung erbracht worden sei, zurück.
3. Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung stand.
a) Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass auf den vorliegenden
Rechtsstreit die Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche
Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in
Zivil- und Handelssachen vom 22. Dezember 2000, ABl. EG 2001 Nr. 12, S. 1
(im Folgenden: EuGVVO) Anwendung findet. Diese Verordnung ist gemäß Art. 76
am 1. März 2002 für die Mitgliedstaaten der EG mit Ausnahme Dänemarks (vgl.
Art. 1 Abs. 3, Erwägungsgründe 21 und 22) in Kraft getreten und gilt gemäß
Art. 66 Abs. 1 für alle Klagen, die nach ihrem Inkrafttreten erhoben werden.
Da die Klage am 19. Dezember 2002 eingereicht wurde, ist die Verordnung
anwendbar. Die Parteien unterfallen nach Art. 1 und 2 den Regelungen der
Verordnung. Dies wird von der Revision nicht in Frage gestellt.
b) Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass die Zuständigkeit
nicht schon durch rügelose Einlassung gemäß Art. 24 EuGVVO begründet wurde.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht hat der Beklagte auf die
zuvor schriftlich erhobene Rüge nicht verzichtet, vielmehr durch Stellung
seines in erster Linie mit der mangelnden internationalen Zuständigkeit
begründeten Klageabweisungsantrags aus dem Schriftsatz vom 17. Juni 2003 die
Rüge aufrecht erhalten. Dass er sich hilfsweise zur Sache eingelassen hat,
ließ nicht die Befugnis entfallen, sich auf die Unzuständigkeit zu berufen
(EuGH NJW 1984, 2760, 2761; Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht, 8.
Aufl. Art. 24 EuGVVO Rn. 10 f m.w.N.).
c) Die internationale und örtliche Zuständigkeit des Landgerichts München I
ergibt sich jedoch aus Art. 5 Nr. 1 Buchst. b EuGVVO. Hiernach kann eine
Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates hat, in
einem anderen Mitgliedstaat verklagt werden, wenn Ansprüche aus einem
Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden, und zwar vor dem Gericht des
Ortes, in dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre.
Erfüllungsort für die Erbringung von Dienstleistungen ist nach Buchst. b
Spiegelstrich 2 der Ort in einem Mitgliedstaat, an dem diese nach dem
Vertrag erbracht worden sind oder hätten erbracht werden müssen.
Diese Voraussetzungen liegen hier vor:
(1) Der Begriff der Dienstleistung ist losgelöst von der lex causae
gemeinschaftsrechtlich zu verstehen. Er ist zwar in der EuGVVO selbst nicht
definiert. Es können jedoch der entsprechende gemeinschaftsrechtliche
Begriff aus Art. 50 EGV, der Begriff der Dienstleistung in Art. 5 Abs. 1 des
Römischen EWG-Übereinkommens über das auf vertragliche Schuldverhältnisse
anzuwendende Recht sowie der jeweilige Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 des Brüsseler
EWG-Übereinkommens und des Lugano-Übereinkommens über die gerichtliche
Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil-
und Handelssachen (EuGVÜ und Lugano-Übereinkommen) herangezogen werden (vgl.
Kropholler, aaO Art. 5 EuGVVO Rn. 43; Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches
Zivilverfahrensrecht 2. Aufl. Art. 5 EuGVVO Rn. 89). Er ist weit auszulegen
(vgl. BGHZ 123, 380, 384 f; Micklitz/Rott, EuZW 2001, 325, 328). Gemäß Art.
50 Abs. 1 EGV sind unter einer Dienstleistung Leistungen zu verstehen, die
in der Regel gegen Entgelt erbracht werden, soweit sie nicht den
Vorschriften über den freien Waren- und Kapitalverkehr und über die
Freizügigkeit von Personen unterliegen. Gemäß Art. 50 Abs. 2 Buchst. d EGV
gehören hierzu insbesondere freiberufliche Tätigkeiten.
Die Tätigkeit, die ein Rechtsanwalt für seinen Mandanten erbringt, ist eine
Dienstleistung im Sinne dieser Regelungen (Kropholler, aaO Art. 5 EuGV-VO
Rn. 43, 44; Geimer in Geimer/Schütze, aaO Art. 5 EuGVVO Rn. 90; Rau-scher/Leible,
Europäisches Zivilprozessrecht Art. 5 Brüssel I-VO Rn. 49 f). Dies wird auch
von der Revision nicht in Frage gestellt.
(2) Art. 5 Nr. 1 Buchst. b EuGVVO bestimmt nicht lediglich den
internationalen Gerichtsstand für die Klagen bezüglich der vom Rechtsanwalt
(Dienstleister) zu erbringenden Dienstleistung. Der für die Dienstleistung
ermittelte Erfüllungsort gilt vielmehr auch für die Gegenleistung. Art. 5
Nr. 1 Buchst. b EuGVVO knüpft nicht an die Erfüllung der streitigen
Verpflichtung an, sondern an den Erfüllungsort der
vertragscharakteristischen Leistung. Dies ist dem Wortlaut der Bestimmung
zwar nicht deutlich zu entnehmen, ergibt sich aber aus der
Entstehungsgeschichte und dem Zweck der Vorschrift. In dem Vorschlag der
Kommission für die EuGVVO (KOM (1999) 348 endg.) ist Art. 5 des insoweit
unverändert gebliebenen Entwurfs auf S. 9 wie folgt begründet worden:
"Die im Brüsseler Übereinkommen für
vertragliche Schuldverhältnisse geltende Regelung wird beibehalten (a).
Um jedoch Nachteile durch den Rückgriff durch Regeln des Internationalen
Privatrechts des Staates des angerufenen Gerichts ... zu vermeiden,
bestimmt Nr. 1 Buchst. b für zwei Arten von vertraglichen
Schuldverhältnissen als Gerichtsstand den Ort, an dem die Verpflichtung,
die "Gegenstand des Verfahrens" ist, erfüllt worden ist oder zu erfüllen
wäre. Erfüllungsort ist für den Verkauf von Waren der Ort, an dem die
Waren vertragsgemäß geliefert worden sind oder hätten geliefert werden
müssen. Für die Erbringung von Dienstleistungen ist Erfüllungsort der
Ort, an dem die Dienstleistungen vertragsgemäß erbracht worden sind oder
hätten erbracht werden müssen. Diese pragmatische Bestimmung des
Erfüllungsorts, die auf einem rein faktischen Kriterium beruht, gilt
unabhängig davon, welcher Art die streitige Verpflichtung ist, d.h. sie
gilt auch, wenn die Verpflichtung in der Zahlung einer vertraglich
vereinbarten finanziellen Gegenleistung besteht. Sie ist auch dann
anwendbar, wenn mit einer Klage mehrere Ansprüche geltend gemacht
werden."
Sinn und Zweck der Regelung ist es,
einen einheitlichen Gerichtsstand für sämtliche Klagen aus dem Kauf bzw.
Dienstleistungsvertrag zu schaffen (Kropholler, aaO Art. 5 EuGVVO Rn. 27,
46; Rauscher/Leible, aaO Art. 5 Brüssel I-VO Rn. 51; Schlosser,
EU-Zivilprozessrecht 2. Aufl. Art. 5 EuGVVO Rn. 10; Geimer in Geimer/Schütze,
aaO Art. 5 EuGVVO Rn. 89, 132; Zöl-ler/Geimer, ZPO 25. Aufl. Art. 5 EuGVVO
Rn. 4, 7; Thorn, IPrax 2004, 354, 356; Kienle, IPrax 2005, 113.
Der neuen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der für die örtliche
Zuständigkeit bei Honorarklagen von Rechtsanwälten nunmehr darauf abstellt,
dass Erfüllungsort für das Honorar gemäß § 269 Abs. 1 BGB in der Regel der
Wohnsitz des Mandanten ist (BGHZ 157, 20, 23 f; BGH, Urt. v. 4. März 2004 -
IX ZR 101/03, NJW-RR 2004, 932) kommt deshalb für die Anwendung des Art. 5
Nr. 1 Buchst. b EuGVVO keine Bedeutung zu (Neumann/Spangenberg, BB 2004,
901, 903; Palandt/Heinrichs, BGB 65. Aufl. § 269 Rn. 13).
(3) Anders als nach der Vorgängerregelung des Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ ist der
Erfüllungsort nicht mehr nach der lex causae, also mit Hilfe des
Internationalen Privatrechts des angerufenen Gerichts zu bestimmen (sog.
Tessili-Regel; vgl. EuGH, NJW 1977, 491; NJW 2000, 719; BGH, Urt. v. 31.
Januar 1991 - III ZR 150/88, NJW 1991, 3095, 3096; näher hierzu z.B.
Kropholler, aaO Art. 5 EuGVVO Rn. 22, 27; Micklitz/Rott, EuZW 2001, 325 ff).
Vielmehr wurde mit Art. 5 Nr. 1 Buchst. b EuGVVO ein selbstständiger
Erfüllungsortbegriff geschaffen (Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO 27. Aufl.
Art. 5 EuGVVO Rn. 4; Zöller/Geimer, ZPO aaO Art. 5 EuGVVO Rn. 3). Dieser
ist losgelöst von rechtlichen Kategorien der einzelnen Mitgliedstaaten
gemeinschaftsrechtlich autonom auszulegen (Kropholler, aaO Art. 5 Rn.
42; Geimer in Geimer/Schütze, aaO Art. 5 EuGVVO Rn. 132; Rauscher/Leible,
aaO Art. 5 Brüssel I-VO Rn. 32, 45; Kienle IPrax 2005, 113).
(4) Soweit Art. 5 Nr. 1 Buchst. b EuGVVO sowohl darauf abstellt, wo die
Dienstleistung nach dem Vertrag erbracht worden ist, als auch darauf, wo sie
hätte erbracht werden müssen, ist streitig, in welchem Verhältnis der
rechtliche zum tatsächlichen Erfüllungsort steht. Zum Teil wird vertreten,
es handele sich um eine zeitgebundene Rangfolge; solange noch nicht erfüllt
ist, sei nur der rechtliche Erfüllungsort maßgeblich, nach der Erfüllung
allein der tatsächliche, auch wenn er vom rechtlichen abweicht (Kropholler,
aaO Art. 5 EuGVVO Rn. 47; Rauscher/Leible, aaO Art. 5 Brüssel I-VO Rn. 42,
51). Nach anderer Ansicht handelt es sich um nebeneinander stehende,
parallele Zuständigkeitsbestimmungen (Geimer in Geimer/Schütze, aaO Art. 5
EuGVVO Rn. 142).
Die Frage kann hier offen bleiben; es ist nichts dafür ersichtlich, dass im
vorliegenden Fall der vertragliche und der tatsächliche Leistungsort
auseinander fallen. Die Klägerin hat ihre Leistungen an den Orten erfüllt,
wo sie nach den vertraglichen Vereinbarungen zu erbringen waren. Die
Vorbereitung der mündlichen Verhandlung sollte vom Kanzleisitz des
sachbearbeitenden Rechtsanwalts in München aus erfolgen, die Teilnahme an
der Verhandlung des Schiedsgerichts in London. Hierüber herrscht zwischen
den Parteien kein Streit.
(5) Ist die Dienstleistung tatsächlich und vertragsgemäß in zwei
verschiedenen Mitgliedstaaten erbracht worden, ist hinsichtlich der
einheitlich fällig werdenden Gegenleistung (vgl. § 16 BRAGO, § 8 RVG)
maßgebend, wo der örtliche Schwerpunkt der Dienstleistung war.
Der Europäische Gerichtshof hat im Urteil vom 19. Februar 2002 (Rs.C-256/00
Besix) bereits zu der Vorläuferregelung in Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ festgestellt,
dass ein einziger Erfüllungsort zu bestimmen ist. Dies ist grundsätzlich der
Ort, zu dem der Streitgegenstand die engste Verknüpfung aufweist (EuGH, NJW
2002, 1407, 1408 Rn. 32).
Auch für Art. 5 Nr. 1 Buchst. b EuGVVO muss ein einziger Erfüllungsort
bestimmt werden. Andernfalls wäre das dargelegte Ziel der Verordnung, einen
einheitlichen Gerichtsstand für alle Klagen aus dem Dienstleistungsvertrag
zu schaffen, nicht zu erreichen. Der Ort, zu dem der Streitgegenstand die
engste Verknüpfung aufweist, ist bei einer Dienstleistung der Ort, an dem
der Tätigkeitsschwerpunkt liegt (Rauscher/Leible, aaO Art. 5 Brüssel
I-VO Rn. 55; im Ergebnis ebenso Kropholler, aaO Art. 5 EuGVVO Rn. 50).
Die Revision meint, bei der Beauftragung eines Rechtsanwalts mit der
Vertretung vor einem (Schieds-)Gericht liege der Ort der Dienstleistung
immer am Ort des (Schieds-)Gerichts; die vorherige Tätigkeit habe lediglich
vorbereitenden Charakter. Diese Auffassung trifft nicht zu. Wie der örtliche
Schwerpunkt einer Dienstleistung zu bestimmen ist, die in mehreren
Mitgliedsstaaten zu erbringen ist, lässt sich nicht allgemein festlegen.
Wird ein Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung eines Mandats beauftragt, ist im
Grundsatz davon auszugehen, dass er die hierdurch erforderlich werdende
Tätigkeit vom Sitz seiner Kanzlei aus erbringt (vgl. BGH, Urt. v. 31. Januar
1991 aaO; BayObLG NJW-RR 1996, 52, 53; Drews, TranspR 1999, 193, 194;
Heussler/Steinkraus, AnwBl. 1999, 186). Nach den Feststellungen des
Berufungsgerichts trifft dies auch im vorliegenden Fall zu. Von der Kanzlei
des sachbearbeitenden Rechtsanwalts der Klägerin in München aus wurden die
Kontaktaufnahme mit dem Beklagten und die erforderlichen Recherchen und
sonstigen Vorarbeiten durchgeführt sowie vorbereitende Schriftsätze
gefertigt.
Muss der Anwalt einen Teil seiner Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat
erbringen, sind für die Bestimmung eines einheitlichen Erfüllungsortes
Zeitaufwand und Bedeutung der Tätigkeitsanteile abzuwägen. Die Tätigkeit bei
einem (Schieds-)Gericht führt nicht zwingend dazu, dass in jedem Fall der
Ort der mündlichen Verhandlung als Schwerpunkt der gesamten
Leistungserbringung anzusehen ist. Der bei Warenlieferungen für die
Bestimmung des Erfüllungsortes maßgebliche Gesichtspunkt der Sach- und
Beweisnähe des Gerichts (vgl. z.B. Kienle, IPrax 2005, 113, 114) kann zwar
auch bei Dienstleistungsverträgen, etwa bei Bau- oder Architektenverträgen,
eine Rolle spielen. Für den Streit um die Vergütung eines Rechtsanwalts ist
dieser Gesichtspunkt aber regelmäßig ohne Bedeutung. Der Ort der Verhandlung
eines Schiedsgerichts, der von den Parteien frei vereinbar ist, knüpft
häufig nicht an eine besondere örtliche Gebundenheit des Streitgegenstandes
an. Dafür ist auch hier nichts ersichtlich. Entscheidend für die Ortswahl
ist vielmehr häufig die gute Erreichbarkeit für alle Beteiligten, wenn sie -
wie hier - aus weit von einander entfernt liegenden Orten zusammenkommen
müssen. Maßgebend für die Feststellung des Erfüllungsortes kann deshalb
regelmäßig nur sein, welche Bedeutung der Terminswahrnehmung und den
sonstigen Tätigkeiten, insbesondere der Fertigung vorbereitender
Schriftsätze und weiterer vor der Verhandlung zu erbringender Leistungen, in
einer Gesamtschau zukommt.
Das Berufungsgericht hat nicht verkannt, dass ein wichtiger Teil der
Dienstleistung in London erbracht wurde. Es hat gleichwohl, vor allem im
Hinblick auf den zeitlichen Aufwand, den Schwerpunkt der Tätigkeit am
Kanzleisitz des bearbeitenden Anwalts gesehen. Obwohl im vorliegenden Fall
von vorneherein feststand, dass die Sache vor einem Schiedsgericht in London
zu verhandeln war, beauftragte der bei Paris ansässige Beklagte die
Klägerin, weil er besonderen Wert gerade auf die Bearbeitung der Sache durch
den später sachbearbeitenden Rechtsanwalt der Klägerin legte, der seinen
Kanzleisitz in München hat. Der Beklagte hat damit bewusst in Kauf genommen,
dass der zeitliche Schwerpunkt der Tätigkeit des sachbearbeitenden
Rechtsanwalts in München lag. Unter diesen Umständen ist es
revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht den
Schwerpunkt der Tätigkeit in tatrichterlicher Würdigung in München gesehen
und damit die internationale Zuständigkeit des Landgerichts bejaht hat.
Demgegenüber ist bedeutungslos, dass die international tätige Klägerin ihren
Sitz in Berlin hat und zur Zeit der Beauftragung auch ein Büro in London
unterhielt, weil beides für die Abwicklung des Mandats keinerlei Bedeutung
besaß.
4. Eine Vorlage gemäß Art. 234 EGV an den Europäischen Gerichtshof ist nicht
angezeigt. Eine Vorlagepflicht gemäß Art. 234 Abs. 3 EG-Vertrag besteht dann
nicht, wenn das letztinstanzliche nationale Gericht in dem bei ihm
schwebenden Verfahren feststellt, dass die betreffende
entscheidungserhebliche gemeinschaftsrechtliche Frage bereits Gegenstand der
Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof war oder die richtige Anwendung
des Gemeinschaftsrechts offenkundig ist, und damit für einen vernünftigen
Zweifel keinerlei Raum bleibt (EuGH, Urt. v. 6. Oktober 1982, Rs. 283/81 -
C.I.L.F.I.T.-Slg. 1982, 3415, 3430 Rn. 16; vgl. BGHZ 109, 29, 35; BGH, Urt.
v. 28. März 2001 - VIII ZR 72/00, WM 2001, 1264, 1265 f; v. 24. Oktober 2003
- V ZR 48/03, WM 2004, 693, 695; v. 10. Oktober 2005 - II ZR 148/03, NJW
2006, 371, 373; BVerfG NJW 1988, 1456). So liegt der Fall hier. In dem
zitierten Urteil vom 19. Februar 2002 (aaO) hat der Europäische Gerichtshof
bereits zur Vorgängerregelung in Art. 5 EuGVÜ festgestellt, dass ein
einziger Erfüllungsort nach dem Gesichtspunkt zu bestimmen ist, zu welchem
Ort der Streitgegenstand die engste Verknüpfung aufweist. Dies gilt
zweifellos auch für Art. 5 EuGVVO. Darüber herrscht auch zwischen den
Parteien kein Streit. Die hiernach vorzunehmende Beurteilung im Einzelfall
obliegt vornehmlich dem Tatrichter. |