Hemmung der Verjährung nach § 203 I BGB. Begriff der
"Verhandlungen"; Beendigung der Hemmung durch "Einschlafen" von
Verhandlungen; keine Rückwirkung wiederaufgenommener, zuvor
"eingeschlafener" Verhandlungen; arglistige Berufung auf die Verjährung (§
242 BGB)
BGH, Urteil vom 15. Dezember 2016 -
IX ZR 58/16 - OLG Koblenz
Fundstelle:
noch nicht bekannt
für BGHZ vorgesehen
Amtl. Leitsatz:
Die Wiederaufnahme
abgebrochener Verhandlungen führt nicht zu einer auf den Beginn der
Verhandlungen rückwirkenden Hemmung der Verjährung.
Zentrale Probleme:
Eine lehrreiche Entscheidung zum Verjährungsrecht: Nach § 203 S. 1 BGB führt die Aufnahme von
Verhandlungen zur Hemmung der Verjährung. Diese endet, wenn die Fortsetzung
der Verhandlung von einem Teil verweigert wird. Anerkannt ist, dass dies
auch gilt, wenn die Verhandlungen nur "einschlafen" (s. dazu
BGH NJW 2009, 1806 sowie die Anm. zu
BGH NJW 2010, 60).
"Eingeschlafen" sind Verhandlungen dann, wenn spätestens eine Erklärung der
anderen Seite zu erwarten gewesen wäre. Hier geht es nun um die
Frage, ob die Wiederaufnahme "eingeschlafener" Verhandlungen die
ursprüngliche Hemmung wiederaufleben lässt, d.h. auf die erstmalige Aufnahme
von Verhandlungen zurückwirkt. Der Senat verneint das mit überzeugender
Begründung. Ist der zeitliche Zusammenhang so nahe, sei bereits ein
"Einschlafen" zu verneinen.
©sl 2017
Tatbestand:
1 Der Kläger ist Architekt und hatte bei der G. Versicherung AG (im
Folgenden Haftpflichtversicherer) eine Berufshaftpflichtversicherung. Er
erbrachte für zwei Bauherren Architektenleistungen einschließlich
Bauüberwachung, Objektbetreuung und Dokumentation für den Neubau eines
Einfamilienhauses. Im Jahr 2008 leiteten die Bauherren gegen ihn ein
selbständiges Beweisverfahren ein. Er beauftragte deswegen am 18. Juni 2008
den - ihm hierzu nach der Schadensmeldung von dem Haftpflichtversicherer
empfohlenen - beklagten Rechtsanwalt, ihn in diesem Verfahren zu vertreten.
Der Beklagte nahm seinerseits wegen des selbständigen Beweisverfahrens im
Juli 2008 Kontakt zu dem Haftpflichtversicherer auf. Der im selbständigen
Beweisverfahren beauftragte Sachverständige stellte im Gutachten vom 18.
Dezember 2008 zahlreiche Mängel des Baus fest, die zumindest auch im
Zuständigkeitsbereich des Klägers lagen. Am 26. Mai 2009 erhoben die
Bauherren wegen dieser Mängel Klage gegen den Kläger auf Feststellung, dass
dieser verpflichtet sei, ihnen sämtlichen Aufwand zur Behebung der Mängel zu
erstatten. Der Beklagte, vom Kläger beauftragt, bestellte sich auch in
diesem Verfahren. Der Prozess ging für den Kläger im Frühjahr 2010 verloren.
2 Der Kläger fragte am 26. November 2009 bei seinem Haftpflichtversicherer
nach dem Stand der Dinge. Dieser entzog ihm daraufhin mit Schreiben vom 30.
November 2009 unter Berufung auf die Allgemeinen Versicherungsbedingungen
wegen vorsätzlicher Verletzung der Obliegenheiten den Versicherungsschutz.
Zur Begründung führte er aus, er sei seit Juli 2008 nicht mehr angeschrieben
oder in sonstiger Weise informiert worden. Insbesondere sei ihm keine
Klageschrift übersandt worden. Auch in Folge lehnte er die Erbringung von
Zahlungen gegenüber dem Kläger ab.
3 Im Jahr 2010 erwirkten die Bauherren gegen den Kläger wegen der Baumängel
einen Zahlungstitel über 36.430 € nebst Zinsen und Kosten. Nunmehr
nimmt der Kläger den Beklagten, soweit in der Revisionsinstanz noch von
Interesse, wegen des Verlusts seines Versicherungsschutzes hinsichtlich der
Schadensersatzforderungen der Bauherren in Anspruch. Er wirft ihm
vor, den Haftpflichtversicherer nicht, wie geboten, vom Gang des
selbständigen Beweisverfahrens und von der Feststellungsklage der Bauherren
unterrichtet zu haben. In den Vorinstanzen hatte die Klage keinen Erfolg.
Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger
den Antrag auf Zahlung von 59.602,67 € weiter.
Entscheidungsgründe:
4 Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
5 Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Zwar habe der Beklagte die ihn
treffende Pflicht aus dem Anwaltsvertrag verletzt, den Versicherungsschutz
des Klägers bei dem Haftpflichtversicherer nicht zu gefährden. Wegen dieser
Pflichtverletzung habe der Kläger den Versicherungsschutz verloren und sei
ihm in Höhe der von ihm zu tragenden Mängelbeseitigungskosten (nebst Zinsen
und Kosten) ein Schaden entstanden. Doch seien die dem Kläger
hieraus erwachsenen Schadensersatzansprüche verjährt. Der Lauf der
dreijährigen Verjährungsfrist nach § 195 BGB habe spätestens am 31. Dezember
2010 nach § 199 Abs. 1 BGB begonnen. Erstmals gehemmt sei
die Verjährung durch Aufnahme von telefonischen Verhandlungen am 19. Juni
2012 worden. Im Anschluss an das Telefonat seien diese jedoch
eingeschlafen. Insgesamt sei deswegen die Verjährung nur für die Zeit vom
19. Juni 2012 bis zum 19. September 2012 gehemmt gewesen. Eine Rückwirkung
der Hemmung auf den 1. Februar 2010, als die Parteien ein erstes Mal
verhandelt hätten, komme nicht in Betracht. Die Verjährungsfrist sei
deswegen am 31. März 2014 verstrichen. Zwar seien die Verhandlungen im Mai
2014 wieder aufgenommen worden, sie hätten aber wegen des Ablaufs der
Verjährungsfrist nicht zu einer weiteren Hemmung der Verjährung geführt.
6 Dem Beklagten sei nicht nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt, sich
auf die Einrede der Verjährung zu berufen. Der Beklagte habe gegenüber dem
Kläger niemals seine grundsätzliche Bereitschaft zur Schadensregulierung
mitgeteilt, sondern er habe nur zu erkennen gegeben, bereit zu sein, das
Bestehen der Ansprüche zu prüfen.
II.
7 Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung stand. Zutreffend
hat das Berufungsgericht erkannt, dass der von ihm angenommene
Schadensersatzanspruch des Klägers wegen Schlechterfüllung des
Anwaltsvertrages verjährt und dem Beklagten die Erhebung der
Verjährungseinrede nach Treu und Glauben nicht verwehrt ist.
8 1. Ansprüche gegen Rechtsanwälte verjähren seit Aufhebung
des § 51b BRAO durch Gesetz vom 9. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3214) mit
Wirkung vom 15. Dezember 2004 nach den allgemeinen
Verjährungsvorschriften der §§ 194 ff BGB. Danach verjährt der
Regressanspruch des Klägers nach § 195 BGB in drei Jahren mit dem Schluss
des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB) und
der Mandant von der Person des Schuldners und von den - den Anspruch
begründenden - Umständen Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit
erlangen müsste (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB; vgl. BGH, Urteil vom 6.
Februar 2014 - IX ZR 245/12, BGHZ 200, 172 Rn. 8 f).
9 a) Dem Kläger ist nach den nicht von der Revision angefochtenen
Feststellungen des Berufungsgerichts der Schaden spätestens mit dem Erlass
des zweiten Versäumnisurteils in dem Bauvertragsprozess zwischen den
Bauherren und dem Kläger Anfang des Jahres 2010 entstanden. Aufgrund dieses
wenig später rechtskräftig gewordenen Urteils stand fest, dass er den
Bauherrn dem Grunde nach Ersatz der Mangelbeseitigungskosten schuldete.
Weiter soll zugunsten des Klägers unterstellt werden, dass der
Haftpflichtversicherer gegenüber dem Kläger nach § 5 AHB 2002 wegen einer
vorsätzlichen Obliegenheitsverletzung schon im Jahr 2009 leistungsfrei
geworden ist. Dann aber stand mit der Rechtskraft des zweiten
Versäumnisurteils noch im Jahr 2010 fest, dass sich die Vermögenslage des
Klägers durch die hier ebenfalls unterstellte Pflichtverletzung des
Beklagten im Vergleich zu seinem früheren Vermögensstand objektiv
verschlechtert hat. Denn er musste den Bauherren die diesen
entstehenden Mangelbeseitigungskosten auf eigene Kosten erstatten. Dass es
sich bei dem Titel um ein Feststellungsurteil handelt, ist dabei
unerheblich. Für die Entstehung des Schadens genügt es, dass der
Schaden wenigstens dem Grunde nach erwachsen ist, mag auch seine Höhe noch
nicht beziffert werden können (vgl. BGH, Urteil vom 25. April 2013
- IX ZR 65/12, WM 2013, 1081 Rn. 10).
10 b) Weiter hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei festgestellt, dass
der Kläger spätestens im Jahr 2010 auch Kenntnis von der Person des
Schuldners und den anspruchsbegründenden Tatsachen besaß. Nach den nicht
angegriffenen Feststellungen wusste der Kläger seit Herbst 2009 um den
Verlust seines Versicherungsschutzes. Seit Anfang des Jahres 2010 wusste er
infolge des zweiten Versäumnisurteils, dass er den Bauherren die Kosten für
die Behebung der Baumängel somit selbst würde erstatten müssen. Dieses
Wissen allein genügt allerdings nicht.
11 Eine Kenntnis oder grobe fahrlässige Unkenntnis der den Anspruch
begründenden Umstände im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB liegen im Fall der
Anwaltshaftung nicht schon dann vor, wenn dem Mandanten Umstände bekannt
werden, nach denen zu seinen Lasten ein Rechtsverlust eingetreten ist.
Vielmehr muss er Kenntnis von solchen Tatsachen erlangen, aus denen sich für
ihn - zumal wenn er juristischer Laie ist - ergibt, dass der Rechtsberater
von dem üblichen rechtlichen Vorgehen abgewichen oder Maßnahmen nicht
eingeleitet hat, die aus rechtlicher Sicht zur Vermeidung eines Schadens
erforderlich waren. Nicht die anwaltliche Beratung, sondern erst
der Pflichtenverstoß des Rechtsberaters begründet den gegen ihn gerichteten
Regressanspruch (BGH, Urteil vom 6. Februar 2014 - IX ZR 245/12, BGHZ 200,
172 Rn. 15). Doch hat das Berufungsgericht verfahrensfehlerfrei
festgestellt, dass der Kläger auch von der Pflichtwidrigkeit des Beklagten
spätestens im Februar 2010 wusste, weil er -nunmehr anderweitig anwaltlich
beraten, gegenüber dem Beklagten wegen des Anwaltsfehlers die klageweise
Inanspruchnahme ankündigte. Mithin begann die dreijährige Verjährung
gemäß §§ 195, 199 BGB mit Ablauf des 31. Dezember 2010 und endete -
vorbehaltlich einer Hemmung - am 31. Dezember 2013.
12 2. Zutreffend ist auch die Ansicht des Berufungsgerichts, dass
die nach § 203 Satz 1 BGB wegen schwebender Verhandlungen eingetretene
Hemmung die Verjährung der klägerischen Forderung nach den getroffenen
Feststellungen nicht verhindert hat.
13 a) Der Begriff von Verhandlungen im Sinne des § 203 Satz 1 BGB
ist verwirklicht, wenn der Gläubiger klarstellt, dass er einen Anspruch
geltend machen und worauf er ihn stützen will. Anschließend genügt jeder
ernsthafte Meinungsaustausch über den Anspruch oder seine tatsächlichen
Grundlagen, sofern der Schuldner nicht sofort und erkennbar Leistung
ablehnt. Verhandlungen schweben schon dann, wenn eine der
Parteien Erklärungen abgibt, die der jeweils anderen Seite die Annahme
gestatten, der Erklärende lasse sich auf Erörterungen über die Berechtigung
des Anspruchs oder dessen Umfang ein (BGH, Beschluss vom 7. Juli
2011 - IX ZR 100/08, GI aktuell 2012, 96 mwN).
14 Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts haben die Parteien vom 1.
Februar bis zum 15. Juli 2010, vom 19. Juni bis zum 19. September 2012 und
wieder ab dem 21. Mai 2014 in diesem Sinne verhandelt. Mit Schreiben vom 1.
Februar 2010 hat der Kläger gegenüber dem Beklagten die Regressforderung
geltend gemacht, der Beklagte hat hierauf seine Vorgehensweise erläutert und
den Kläger gebeten, ihm die Deckungsablehnungen des Haftpflichtversicherers
zur Verfügung zu stellen, weil er sich mit diesem in Verbindung setzen
wolle. Mithin durfte der Kläger annehmen, der Beklagte lasse sich auf
Erörterungen über die Berechtigung des Anspruchs ein. Ein weiteres Gespräch
über den von dem Kläger geltend gemachten Regressanspruch haben die Parteien
in einem Telefonat am 19. Juni 2012 geführt. Der Beklagte hat dem Kläger
mitgeteilt, seinen eigenen Haftpflichtversicherer eingeschaltet zu haben.
Weiter hat er den Kläger gebeten, den gesamten Schriftverkehr mit seinem
Haftpflichtversicherer vorzulegen. Er wolle sodann Kontakt mit diesem
aufnehmen und danach sich mit seinem eigenen Haftpflichtversicherer in
Verbindung setzen. Die Wertung des Berufungsgerichts, auch hier hätten die
Parteien im Sinne von § 203 Satz 1 BGB verhandelt, greift die Revision mit
Recht nicht an. Ab dem 21. Mai 2014 tauschten die Parteien erneut
Schriftsätze über die Frage aus, ob Haftungsansprüche des Klägers gegen den
Beklagten bestehen, und verhandelten erneut über den geltend gemachten
Anspruch.
15 b) Nach § 203 Satz 1 BGB ist die Verjährung im Fall schwebender
Verhandlungen über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände
gehemmt, bis der eine oder andere Teil die Fortsetzung der Verhandlung
verweigert. Eine ausdrückliche Verweigerung der Fortsetzung der
Verhandlungen und eine endgültige Ablehnung der Leistung durch den Beklagten
sind in den genannten Zeiträumen nicht erfolgt. Doch reicht es -
entgegen der Ansicht der Revision - für eine Beendigung der Hemmung aus,
wenn die Verhandlungen beidseits nicht fortgesetzt werden, sie - bildlich
gesprochen - einschlafen. Dies hat der Bundesgerichtshof in
ständiger Rechtsprechung zu § 852 Abs. 2 BGB aF entschieden (BGH, Urteil vom
6. März 1990 - VI ZR 44/89, VersR 1990, 755, 756; vom 5. November 2002 - VI
ZR 416/01, BGHZ 152, 298, 303; vom 1. März 2005 - VI ZR 101/04, NJW-RR 2005,
1044, 1047). Diese Grundsätze haben auch im Anwendungsbereich des §
203 Satz 1 BGB Geltung. Dies war nicht nur der eindeutige Wille des
Gesetzgebers, sondern diese Auslegung entspricht Sinn und Zweck der
Verjährungsvorschriften, innerhalb angemessener Fristen für Rechtssicherheit
und Rechtsfrieden zu sorgen (BGH, Urteil vom 6. November 2008 - IX ZR
158/07, NJW 2009, 1806 Rn. 12). Die Verhandlungen sind in diesem
Sinne zu dem Zeitpunkt "eingeschlafen", in dem spätestens eine Erklärung der
anderen Seite zu erwarten gewesen wäre (BGH, Urteil vom 6. November
2008 - IX ZR 158/07, NJW 2009, 1806 Rn. 11; vom 5. Juni 2014 - VII ZR
285/12, WM 2014, 1925 Rn. 16).
16 Gemessen hieran ist gegen die Wertung des Berufungsgerichts, die Verhandlungen zwischen den Parteien im Jahr 2010 seien am 15. Juli 2010
eingeschlafen, revisionsrechtlich nichts zu erinnern. Der Kläger hatte dem
Beklagten unter Androhung der Streitverkündung eine Frist bis zu diesem
Datum gesetzt, sich zur Haftungsfrage zu erklären. Dieses Datum konnte
mithin als der Zeitpunkt angesehen werden, in dem spätestens eine Erklärung
des Beklagten zu erwarten gewesen wäre, zumal eine Antwort des Beklagten
weder innerhalb der ihm gesetzten Frist noch im nahen zeitlichen
Zusammenhang mit der ihm gesetzten Frist erfolgt ist. Da somit die
Verhandlungen zwischen den Parteien
eingeschlafen sind, bevor der Lauf der Verjährung begann, konnten sie nicht
zu einer Hemmung der Verjährung führen.
17 Nach den Verhandlungen am 19. Juni 2012 kam es nach den Feststellungen des Berufungsgerichts bis zum 21. Mai 2014 zu keinen weiteren
Kontakten zwischen den Parteien. Soweit deswegen das Berufungsgericht
angenommen hat, die Verhandlungen seien mit dem Ablauf von drei Monaten,
mithin am 19. September 2012, eingeschlafen, ist dies revisionsrechtlich
nicht zu beanstanden. Denn es unterliegt grundsätzlich tatrichterlichem und
im Revisionsrechtszug daher nur beschränkt nachprüfbarem Ermessen, die
Zeitspanne zu bestimmen, innerhalb derer auf die Erklärung eines der
Verhandlungsführer eine Antwort des anderen vernünftigerweise zu erwarten
war (BGH, Urteil vom 28. März 1985 - III ZR 20/84, VersR 1985, 642, 644).
Feste Fristen, wann Verhandlungen einschlafen, bestehen nicht. Der Zeitraum,
den man dem einen Teil zur Reaktion auf die Äußerung des anderen Teils
einräumen muss, hängt von dem Gegenstand der Verhandlung und der
Verhandlungssituation ab (vgl. Er-man/Schmidt-Räntsch, BGB, 14. Aufl., § 203
Rn. 6). Das Berufungsgericht hat diesen Zeitraum mit drei Monaten großzügig
bemessen. Die Verhandlungen zwischen den Parteien waren kurz und spielten
sich an einem Tag ab. Der Beklagte hatte vom Kläger Unterlagen angefordert,
die einfach zu beschaffen waren und in wenigen Tagen hätten zusammengestellt
und ihm überlassen werden können. Vorher wollte er, wie er gegenüber dem
Kläger deutlich erklärt hat, nicht tätig werden. Soweit der Kläger auf die
Komplexität der Angelegenheit und die Beteiligung von zwei Versicherungen
verweist, kam es deswegen - worauf das Berufungsgericht mit Recht verwiesen
hat - nicht an. Infolgedessen war die Verjährung 93 Tage gehemmt.
18 Die Verhandlungen ab dem 21. Mai 2014 hatten auf die Verjährung keinen
Einfluss mehr. Denn unter Beachtung der festgestellten Hemmung war die
Schadensersatzforderung des Klägers spätestens ab dem 4. April 2014
verjährt. § 203 BGB gilt nur für Ansprüche, die nicht bereits vor Aufnahme
der Verhandlungen verjährt waren (vgl. OLGR Celle 2005, 489, 490).
Selbst
wenn die Parteien im Mai 2014 in Unkenntnis der Verjährung verhandelt haben,
sind diese Verhandlungen verjährungsrechtlich unerheblich (vgl. jurisPK-BGB/Lakkis,
7. Aufl., § 203 Rn. 19).
19 c) Die Wiederaufnahme der im Jahr 2010 und im Jahr 2012 abgebrochenen
Verhandlungen am 19. Juni 2012 und am 21. Mai 2014 hat nicht eine Hemmung
rückwirkend ab dem 1. Februar 2010 und/oder 19. Juni 2012 zur Folge.
20 aa) Der vom Kläger für seine Ansicht, dass bei Wiederaufnahme durch "Einschlafenlassen"
abgebrochener Verhandlungen die Hemmung rückwirkend auf den Zeitpunkt wirke,
zu dem die Verhandlungen erstmalig aufgenommen worden seien, in Bezug
genommene Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 19. Dezember 2013 (IX ZR
120/11, ZInsO 2014, 164 Rn. 2) betrifft einen anderen Sachverhalt. Dort hat
der Bundesgerichtshof entschieden, bei schwebenden Verhandlungen wirke die
Hemmung grundsätzlich auf den Zeitpunkt zurück, in dem der Gläubiger seinen
Anspruch gegenüber dem Schuldner geltend gemacht habe. Voraussetzung sei,
dass der Verpflichtete auf die Mitteilung des Berechtigten alsbald, also
zeitnah, antworte (vgl. jurisPK-BGB/Lakkis, aaO Rn. 10). Der Beschluss
befasst sich also nur mit der Frage, ob bei einer Verhandlung die Hemmung
mit dem Zugang des Anforderungsschreibens des Berechtigten eintritt oder
erst mit dem Antwortschreiben des Verpflichteten. Wie
die Zeit zwischen wiederaufgenommenen Verhandlungen verjährungsrechtlich zu
werten ist, ist damit nicht beantwortet.
21 bb) Mit Recht hat das Berufungsgericht gesehen, dass mit der
Wiederaufnahme der Verhandlungen am 19. Juni 2012 und am 21. Mai 2014 die
Hemmung nicht auf den Beginn der Verhandlungen im Jahr 2010 und/oder 2012
zurückwirkt.
22 (1) In Literatur (Staudinger/Peters/Jacoby, BGB, 2014, § 203 Rn. 12;
MünchKomm-BGB/Grothe, 7. Aufl., § 203 Rn. 8; BeckOGK-BGB/Meller-Hannich,
2016, § 203 Rn. 54; BeckOK-BGB/Spindler, 2016, § 203 Rn. 5) und
Rechtsprechung (OLG Köln, Beschluss vom 1. Juli 2013 - 5 U 44/13, nv)
wird
erwogen, dass dann, wenn über einen Anspruch mehrfach verhandelt wird, die
dazwischen liegenden Zeiträume insgesamt als hemmend zu behandeln sind.
Voraussetzung ist, dass entweder bei wertender Betrachtungsweise die
späteren Verhandlungen letztlich nur die früheren fortführen oder dass
zwischen den einzelnen Verhandlungsabschnitten ein enger zeitlicher
Zusammenhang besteht. Als Beispielsfall wird genannt, dass frühere
Verhandlungen eingeschlafen sind und mit Verspätung wiederaufgenommen
werden. Andere stellen sich auf den Standpunkt, neue Verhandlungen setzten
stets eine neue Hemmung in Gang (BGH, Urteil vom 28. März 1985 - III ZR
20/84, VersR 1985, 642, 644; Erman/Schmidt-Räntsch, BGB, 14. Aufl., § 203
Rn. 6; jurisPK-BGB/Lakkis, 7. Aufl., § 203 Rn. 17; vgl. BGH, Urteil vom 5.
November 2002 - VI ZR 416/01, BGHZ 152, 298, 302 aE; OLG Hamm, VersR 1997,
1112; OLG Frankfurt, MDR 2010, 326).
23 (2) Werden beidseits nicht fortgesetzte und deswegen als abgebrochen
anzusehende Verhandlungen wieder aufgenommen, kommt eine rückwirkende
Hemmung durch die neuen Verhandlungen auf den Zeitpunkt der ersten
Verhandlung nicht in Betracht. Für eine Rückwirkung der Hemmung unter
wertenden Gesichtspunkten oder bei einem engen zeitlichen Zusammenhang
besteht schon kein Bedarf, weil bei Vorliegen besonderer Umstände auch bei
längeren Zeiträumen zwischen den Kontakten zwischen dem Berechtigten und dem
Verpflichteten nicht von einem das Verhandlungsende bewirkenden Einschlafen
auszugehen ist (vgl. BeckOGK-BGB/Meller-Hannich, 2016, § 203 Rn. 54).
Im
Übrigen muss die Frage, wie die Zeiträume zwischen beendeten und
wiederaufgenommenen Verhandlungen verjährungsrechtlich zu bewerten sind, in
beiden Fällen des Verhandlungsendes aus systematischen Gründen gleich
beantwortet werden, also sowohl in dem Fall, dass Verhandlungen endgültig
abgelehnt werden, als auch in dem Fall, dass sie einschlafen. Ein
nachvollziehbarer Grund, eingeschlafene und ausdrücklich abgebrochene
Verhandlungen bei der Bewertung ihrer Wiederaufnahme unterschiedlich zu
behandeln, ist nicht ersichtlich. Der Gesetzgeber wollte eingeschlafene und
abgelehnte Vergleichsverhandlungen im Rahmen des § 203 BGB gleichbehandeln.
Dies ergibt sich aus dem Gesetzgebungsverfahren (vgl. BT-Drucks. 14/6857 S.
43; BGH, Urteil vom 6. November 2008 - IX ZR 158/07, NJW 2009, 1806 Rn. 12).
Hat aber der Verpflichtete die Fortsetzung der Verhandlungen ausdrücklich
abgelehnt, würde es ihn unzumutbar belasten, wenn die Hemmung nur deshalb
zurückwirkte, weil er später wieder gesprächsbereit ist (vgl. OLG Köln,
Beschluss vom 1. Juli 2013 - 5 U 44/13, nv; Staudinger/Peters/Jacoby, BGB,
2014, § 203 Rn. 12; BeckOGK-BGB/Meller-Hannich, 2016, § 203 Rn. 56).
Entsprechendes gilt aber auch, wenn der Berechtigte die Verhandlungen
einschlafen lässt.
24 Auch ist eine Rückwirkung der Hemmung mit Sinn und Zweck der Verjährungsvorschriften, innerhalb angemessener Fristen für Rechtssicherheit
und Rechtsfrieden zu sorgen, nicht zu vereinbaren. Wollte man nämlich eine
solche
annehmen, könnte die Frage der Begründetheit des Anspruchs auf unabsehbare
Zeit in der Schwebe gelassen werden, indem die Verhandlungen zunächst nicht
weitergeführt und zwischendurch immer wieder aufgenommen werden (vgl.
BGH,
Urteil vom 6. November 2008 - IX ZR 158/07, aaO).
25 3. Mit Recht hat das Berufungsgericht auch gesehen, dass dem
Beklagten die Erhebung der Verjährungseinrede nach § 214 Abs. 1 BGB nicht gemäß §
242 BGB verwehrt ist. Danach kann der Einrede der Verjährung der
Arglisteinwand aus § 242 BGB nicht nur dann entgegengesetzt werden, wenn der
Schuldner den Gläubiger absichtlich von der Erhebung der Klage abgehalten
hat. Vielmehr reicht aus, dass der Schuldner durch sein Verhalten objektiv -
sei es auch unabsichtlich - bewirkt, dass die Klage nicht rechtzeitig
erhoben wird, und die spätere Verjährungseinrede unter Berücksichtigung
aller Umstände des Einzelfalls mit dem Gebot von Treu und Glauben
unvereinbar wäre, wobei insoweit ein strenger Maßstab anzulegen ist (BGH,
Beschluss vom 5. November 2014 - XII ZB 186/13, FamRZ 2015, 248 Rn. 15 mwN).
Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Kläger einen
entsprechenden Sachvortrag nicht gehalten. Der Beklagte hat ihn weder
vorsätzlich noch unbeabsichtigt von der Erhebung der Regressklage
abgehalten. In seinen Antwortschreiben hat er immer nur seine Bereitschaft
bekundet, die geltend gemachten Ansprüche zu prüfen, nicht aber in Aussicht
gestellt, die Einrede der Verjährung nicht zu erheben. Ein schutzwürdiges
Vertrauen des Klägers, der Beklagte werde die Einrede der Verjährung nicht
erheben, wurde dadurch nicht geschaffen.
III.
26 Das Berufungsgericht ist auch nicht verfahrensfehlerhaft zu der Feststel
lung gelangt, zwischen dem 19. Juni 2012 und dem 21. Mai 2014 sei es zu
keinem weiteren Kontakt zwischen den Beteiligten gekommen. Ebenso wenig
beruht die Wertung des Berufungsgerichts, der Kläger habe nicht erwarten
dürfen, dass der Beklagte, ohne die erbetenen Unterlagen (gegebenenfalls
erneut) zu erhalten, an die Versicherer herantreten würde, auf einem
Verfahrensfehler. Die Verfahrensrügen, mit denen sich die Revision gegen
diese Wertungen wendet, hat der Senat geprüft, aber nicht für durchgreifend
erachtet. Insoweit wird gemäß § 564 ZPO von einer Begründung abgesehen.
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