Schlechterfüllung eines
Anwaltsvertrags: Kein immaterieller Schadensersatz für Schockschäden nach
unrichtiger Rechtsauskunft (§ 253 II BGB); Kausalität (Äquivalenz und
Adäquanz) und Schutzzweck der verletzten Pflicht
BGH, Urteil vom 9. Juli
2009 - IX ZR 88/08
Fundstelle:
NJW 2009, 3025
Amtl. Leitsatz:
Die Schlechterfüllung eines
Anwaltsvertrages, der nicht den Schutz der Rechtsgüter des § 253 Abs. 2 BGB
zum Gegenstand hat, begründet in der Regel keinen Schmerzensgeldanspruch.
Zentrale Probleme (s. dazu auch den
Telefonkommentar in Ausgabe
11/2009 der NJW Audio-CD):
Es geht um eine Frage der Korrektur der
Kausalität durch die Schutzzwecklehre, die sich sowohl bei der
Deliktshaftung als auch bei der Vertragshaftung stellt. Da § 253 II eine
schadensersatzrechtliche Regelung des allgemeinen Teils ist, kann auch
aufgrund einer Haftung aus § 280 I ein "Schmerzensgeld" zugesprochen werden.
Hier hatte ein Mandant aufgrund einer falschen Rechtsauskunft eine Anwalts
eine traumatische Belastungsstörung mit Krankheitswert erlitten. Der BGH
verneint zutreffend eine Haftung auf Schmerzensgeld: Zwar liege sowohl
äquivalente als auch adäquate Kausalität vor, jedoch bewege sich die
Verletzung außerhalb des Schutzzwecks der vertraglichen Pflicht, richtig zu
beraten. Diese hat schlicht nicht den Schutz u.a. der Gesundheit zum
Gegenstand. Eine vertragliche Haftung besteht also nur für diejenigen
äquivalenten und adäquaten Schadensfolgen, zu deren Abwendung die verletzte
Vertragspflicht übernommen wurde. Diese Haftungsbegrenzung aufgrund des
Schutzzwecks der Norm erfordert eine wertende Betrachtung. Sie gilt
gleichermaßen für die vertragliche wie die deliktische Haftung. Letztlich
geht es um eine Abgrenzung zum allgemeinen Lebensrisiko, das jeder selbst
zu tragen hat: Für Schäden, die aufgrund des allgemeinen Lebensrisikos
eintreten, wird deshalb auch dann nicht gehaftet, wenn sie im Zusammenhang
mit einem haftungsbegründenden Ereignis eintreten (s. dazu auch
BGH NJW 2005, 1420 sowie
BGH v. 20.3.2012 - VI ZR 114/11).
Der BGH zeigt aber zugleich auf, daß dennoch ein Anspruch aus § 253 II bei
Verletzung einer Pflicht aus einem Anwaltsvertrag nicht generell
ausgeschlossen ist: So etwa, wenn Ziel der anwaltlichen Tätigkeit u.a. der
Schutz eines der in § 253 II genannten Rechtsgüter ist. Das kommt vor allem
bei der Strafverteidigung (Freiheit!) in Betracht, wenn etwa aufgrund eines
anwaltlichen Fehlers eine Haft nicht aufgehoben wird und dergl. Zum anderen
ist ein solcher Anspruch bei der Verletzung von Nebenpflichten (§ 241 II)
denkbar, denn diese beinhalten ja gerade auch den Schutz der in § 253 II
genannten Rechtsgüter. So kann etwa ein Anwalt auf Schmerzensgeld haften,
wenn der Mandant im Fahrzeug des Anwalts auf dem Weg zum Gericht bei einem
durch den Anwalt verursachten Verkehrsunfall verletzt wird (Haftung aus §
280 I, 241 II BGB).
©sl 2009
Tatbestand:
1 Die Klägerin und ihr Ehemann hatten bis 30. November 2004 ein
Einfamilienhaus gemietet. Am 26. Dezember 2002 hantierten ihre damals
fünfjährigen Zwillingssöhne mit brennenden Wunderkerzen, wodurch in der
weiteren Folge das Haus in Brand geriet und nicht mehr bewohnbar war. Die
Vermieterin lastete den Brand der Klägerin an und verlangte, die Miete
weiterzuzahlen. Hierauf ersuchten die Eheleute die beklagten Rechtsanwälte
um Rechtsauskunft. Die Beklagten vertraten die Eheleute in dem von der
Vermieterin angestrengten Verfahren auf Zahlung der Miete. Am 25. Juni 2003
kündigten die Eheleute das Mandat, weil der Beklagte zu 1 sie grob
fehlerhaft beraten habe. Er habe erklärt, die private
Haftpflichtversicherung müsse für das Schadensereignis nicht einstehen, wenn
sich erweise, dass die Eheleute oder deren Kindermädchen den Brand grob
fahrlässig mit verursacht hätten. Die Eheleute hätten deshalb damit
gerechnet, den Wiederaufbau des zerstörten Hauses aus eigenen Mitteln in
Höhe von 600.000 € übernehmen zu müssen.
2 Die Klägerin begehrt - soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse
-aus eigenem sowie aus abgetretenem Recht ihres Ehemanns Schmerzensgeld
wegen der fehlerhaften Beratung. Sie und ihr Ehemann hätten sich im
Anschluss an den Brand in Dauerpanik und seelischer Auflösung im Sinne einer
postraumatischen Belastungsstörung befunden. Hierfür seien die sie
belastenden gänzlich unvertretbaren Rechtsauskünfte mitursächlich gewesen.
Wegen ihrer Gesundheitsbeeinträchtigung stehe ihr - der Klägerin - ein
Schmerzensgeld von mindestens 4.000 € zu; für ihren Ehemann sei ein Betrag
von mindestens 2.000 € anzusetzen.
3 Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist
ohne Erfolg geblieben. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision
verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
4 Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg.
I.
5 Das Berufungsgericht, dessen Urteil in VersR 2008, 1396 abgedruckt ist,
hat ausgeführt, die geltend gemachten Beeinträchtigungen wiesen zwar eine
psychische Belastungsstörung mit Krankheitswert auf, gleichwohl scheide eine
Ersatzpflicht der Beklagten aus. Es fehle an dem notwendigen Zusammenhang
zwischen dem Schutzweck der verletzten Pflicht und dem eingetretenen
Schaden. Die Klägerin laste dem Beklagten zu 1 an, im Rahmen seiner
Beratungstätigkeit eine falsche Auskunft erteilt zu haben. Die Pflicht zur
ordnungsgemäßen Beratung folge aus dem Anwaltsvertrag, der im vorliegenden
Fall allein auf die Vermögensinteressen der Klägerin und ihres Ehemanns
ausgerichtet gewesen sei. Nichtvermögensrechtliche Angelegenheiten seien
nicht Gegenstand des Mandats gewesen und seien auch nicht anlässlich der
Frage, ob die Eheleute den Wiederaufbau des Hauses bezahlen müssten,
erörtert worden. Im Rahmen des Anwaltsvertrages hätten deshalb keine
Obhutspflichten für die psychische und geistige Verfassung der Mandanten
bestanden. Die psychische Verarbeitung fehlerhafter Auskünfte und Hinweise
werde im allgemeinen Verkehr regelmäßig dem Empfänger überantwortet,
jedenfalls soweit es allein Risiken und Bedrohungen in Bezug auf die eigene
Vermögenslage betreffe. Belastungen hieraus müssten dem allgemeinen
Lebensrisiko zugerechnet werden.
II.
6 Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung stand.
7 Die Ansicht des Berufungsgerichts, der geltend gemachte
Nichtvermögensschaden werde vom Schutzzweck der verletzten
Beratungsverpflichtung der Beklagten nicht erfasst, ist rechtlich
zutreffend.
8 1. Revisionsrechtlich ist vom Vorbringen der Klägerin auszugehen. Danach
hat der Beklagte zu 1 nach der Mandatserteilung auf Frage der Klägerin
erklärt, sie müssten die Kosten der Haussanierung tragen, wenn das für den
Brand kausale Verhalten der Eheleute als grob fahrlässig eingestuft werden
sollte. Aus dem von der Klägerin in diesem Zusammenhang vorgelegten
Schreiben des Beklagten zu 1 an die Eheleute vom 12. Februar 2003 geht
hervor, dass der Beklagte zu 1 unter Bezugnahme auf § 61 VVG a.F. die
Ansicht vertreten hat, die private Haftpflichtversicherung müsse bei einem
grob fahrlässigem Fehlverhalten der Klägerin nicht leisten.
9 Das Berufungsgericht ist auf dieser tatsächlichen Grundlage zutreffend
davon ausgegangen, dass die Auskunft unrichtig war und der Beklagte zu 1
damit seine anwaltliche Beratungspflicht verletzt hat. Ein Rechtsanwalt ist
innerhalb der Grenzen des ihm erteilten Mandats verpflichtet, seinen
Auftraggeber umfassend und erschöpfend zu belehren, um ihm eine
eigenverantwortliche, sachgerechte Entscheidung darüber zu ermöglichen, wie
er seine Interessen in rechtlicher und wirtschaftlicher Hinsicht zur Geltung
bringen will (BGHZ 171, 261, 263 f Rn. 9 f; BGH, Urt. v. 13. März 2008 - IX
ZR 136/07, WM 2008, 1560, 1561 Rn. 14 f, v. 15. Januar 2009 - IX ZR 166/07,
WM 2009, 571, 572 Rn. 10; Zugehör in Zugehör/Fischer/Sieg/Schlee, Handbuch
der Anwaltshaftung 2. Aufl. Rn. 483). Das den Beklagten erteilte
vorgerichtliche Beratungsmandat war auf die Wahrnehmung der Interessen der
Klägerin und ihres Ehemanns im Zusammenhang mit dem Brandschaden und den
hierauf gerichteten Ansprüchen der Vermieterin bezogen und erfasste damit
auch die hier in Rede stehende Frage nach einer Einstandspflicht der
Haftpflichtversicherung. Die erteilte Auskunft war unrichtig, weil nach §
152 VVG a.F. - jetzt § 103 VVG - für die Haftpflichtversicherung der
subjektive Risikoausschluss nur für vorsätzliches und widerrechtliches
Handeln des Versicherungsnehmers gilt und § 61 VVG a.F. hierdurch
eingeschränkt wird (BGH, Urt. v. 30. Mai 1963 - II ZR 14/61, VersR 1963,
742, 743). Dementsprechend besteht nach § 4 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AHB ein
Risikoausschluss nur für Versicherungsansprüche aller Personen, die den
Schaden vorsätzlich herbeigeführt haben. Damit sind die Beklagten zum Ersatz
des durch die unzutreffende Auskunft entstandenen Schadens verpflichtet.
10 2. Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch auf Ersatz des
immateriellen Schadens ist § 253 Abs. 2 BGB in der Fassung des Zweiten
Gesetzes zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften vom 19. Juli
2002 (BGBl I 2674), der mit Wirkung zum 1. August 2002 die Vorschrift des §
847 BGB ersetzt hat. Die Neuregelung fasst den Anwendungsbereich der
Ersatzpflicht für immaterielle Schäden erheblich weiter. Sie sieht sowohl
bei der Vertragshaftung als auch bei der Gefährdungshaftung den Ersatz
immaterieller Schäden vor, während diese Bereiche früher nicht mit umfasst
waren (BAG NZA 2007, 262, 264 f Rn. 23 f; Palandt/Heinrichs, BGB 68.
Aufl. § 253 Rn. 8; Wagner NJW 2002, 2049, 2055). Deshalb schließt nunmehr
auch die vertragliche Haftung des rechtlichen Beraters aus § 675 Abs. 1 in
Verbindung mit § 280 Absatz 1 BGB einen Anspruch auf eine billige
Entschädigung in Geld (Schmerzensgeld) mit ein (Fischer, in
Zugehör/Fischer/Sieg/Schlee, aaO Rn. 1092; Fahrendorf, in Rinsche/Fahrendorf/Terbille,
Die Haftung des Rechtsanwalts, 7. Aufl. Rn. 769; Vollkommer/Greger/Heinemann,
Anwaltshaftungsrecht, 3. Aufl. § 20 Rn. 43; Zugehör, Grundsätze der
zivilrechtlichen Haftung der Rechtsanwälte, Steuerberater und
Wirtschaftsprüfer Rn. 103 ).
11 Nach dem - bestrittenen - Vortrag der Klägerin, den das Berufungsgericht
seiner Beurteilung zugrunde gelegt hat, ist bei der Klägerin sowie ihrem
Ehemann ein Nichtvermögensschaden entstanden. Die Klägerin hat in diesem
Zusammenhang geltend gemacht, sie habe aufgrund der fehlerhaften Beratung
angenommen, für die Sanierung des Hauses 600.000 € zahlen zu müssen, was für
sie und ihre Familie existenzbedrohend gewesen wäre. Bis zum Anwaltswechsel
im Juni 2003 habe sie in jeder Nacht stundenlange Schlaflosigkeit, dauernde
schwere Erschöpfungszustände sowie Zustände von Verzweiflung, Mutlosigkeit,
Dauerpanik und seelischer Auflösung erlitten. In abgeschwächter Form hat sie
dies auch für ihren Ehemann behauptet. Eine äquivalente und adäquate (Mit-)Verursachung
der geltend gemachten körperlichen und psychischen Beeinträchtigung durch
die fehlerhafte Beratung lässt sich unter diesen Umständen nicht verneinen.
Nach dem behaupteten Ausmaß der Belastungen handelt es sich nicht mehr um
geringfügige Einwirkungen ohne wesentliche Beeinträchtigung der
Lebensführung, wie sie etwa bei für das Alltagsleben typische und häufig
auch aus anderen Gründen als einem besonderen Schadensfall entstehende
Beeinträchtigungen des körperlichen und seelischen Wohlbefindens aufkommen
können und die im Einzelfall weder unter dem Blickpunkt der Ausgleichs- noch
der Genugtuungsfunktion ein Schmerzensgeld als billig erscheinen lassen
(vgl. BGH, Urt. v. 14. Januar 1992 - VI ZR 120/91, NJW 1992, 1043; v. 27.
Mai 1993 - III ZR 59/92, NJW 1993, 2173, 2175 insoweit in BGHZ 122, 363
nicht abgedruckt). Es ist auch davon auszugehen, dass die beschriebenen
Beeinträchtigungen trotz der "Vorschädigung" auf Grund des Brandgeschehens
letztlich erst durch die anwaltliche Fehlinformation ausgelöst worden sind.
12 3. Die Kriterien der äquivalenten und adäquaten Verursachung führen
nicht in allen Fällen zu einer sachgerechten Eingrenzung der Haftung für
schadensursächliches Verhalten. Dem Anspruchsgegner darf deshalb nur der
Schaden zugerechnet werden, der innerhalb des Schutzbereichs der verletzten
Norm eingetreten ist. Diese Wertung gilt auch im Vertragsrecht.
Die Haftung des Schädigers ist dort durch den Schutzzweck der verletzten
vertraglichen Pflicht beschränkt. Dies bedeutet für den Bereich der
Anwalts- (und Steuerberater)haftung, dass der Berater vertraglich nur für
solche Nachteile einzustehen hat, zu deren Abwendung er die aus dem Mandat
folgenden Pflichten übernommen hat (BGHZ 116, 209, 212; 163, 223, 230;
BGH, Urt. v. 26. Juni 1997 - IX ZR 233/96, NJW 1997, 2946, 2947; v. 6.
Februar 2002 - III ZR 206/01, NJW 2002, 2459, 2460; v. 13. Februar 2003 - IX
ZR 62/02, WM 2003, 1621, 1622; v. 18. Januar 2007 - IX ZR 122/04, WM 2007,
567, 568 Rn. 8; v. 15. Januar 2009 - IX ZR 166/07, aaO Rn. 9; Fischer, in
Zugehör/Fischer/ Sieg/Schlee, aaO Rn. 1033; Fahrendorf, in Rinsche/Fahrendorf/Terbille,
aaO Rn. 756 f). Der Schutzzweck der Beratung ergibt sich hierbei aus dem
für den Anwalt erkennbaren Ziel, das der Mandant mit der Beauftragung
verfolgt, und ist objektiv aus Inhalt und Zweck der vom Anwalt geschuldeten
Tätigkeit zu bestimmen (BGH, Urt. v. 26. Juni 1997 - IX ZR 233/96, aaO).
Nach diesen Grundsätzen scheidet ein Schmerzensgeldanspruch aus.
13 a) Nach der im Schrifttum vertretenen Ansicht kommt im Rahmen der
vertraglichen Anwaltshaftung ein Schmerzensgeldanspruch aus § 253 Abs. 2 BGB
nur dann in Betracht, wenn der Schutz der in dieser Bestimmung genannten
Rechtsgüter des Mandanten in den Bereich der vom Anwalt übernommenen
Pflichten fällt. Dies wird etwa bejaht, wenn der Mandant infolge
eines Fehlers seines Verteidigers in Haft genommen oder ihm die beantragte
Haftverschonung versagt wird (Fischer, in Zugehör/Fischer/Sieg/Schlee,
aaO Rn. 1092; Fahrendorf, in Rinsche/Fahrendorf/Terbille, aaO Rn. 769; Chab
AnwBl 2005, 497, 498). Für den Regelfall wird dagegen angenommen, dass
ein Anwaltsauftrag nicht auf die Wahrnehmung oder Förderung eines Interesses
zur Wahrung der Körperintegrität oder Gesundheit gerichtet ist (Fahrendorf,
in Rinsche/Fahrendorf/Terbille, aaO Rn. 766; Fischer, in Zugehör/Fischer/
Sieg/Schlee, aaO Rn. 1033, 1035 Fallgestaltung 7) und durch
Beratungsfehler verursachte Gesundheitsschäden deshalb keinen
Schmerzensgeldanspruch des Mandanten begründen können (Vollkommer/Greger/Heinemann,
aaO; Chab, BRAK-Mitt. 2008, 158, 159). Diese Auffassung schließt an die
zu § 847 BGB ergangene Rechtsprechung an, nach der Gesundheitsschädigungen
von Mandanten infolge anwaltlicher Fehler bei der Rechtsberatung und
Rechtsvertretung außerhalb des Schutzzwecks der Anwaltshaftung liegen und
deshalb keinen Schmerzensgeldanspruch auslösen können (OLG Hamm NJW-RR
2001, 1142, 1143; OLG Braunschweig, Urt. v. 2. November 2000 - 2 U 13/00,
n.v., m. Anm. Borgmann BRAK-Mitt. 2001, 290).
14 b) Der Literaturmeinung ist im Ausgangspunkt zuzustimmen. Die
Schlechterfüllung eines Anwaltsvertrages, der nicht den Schutz der
Rechtsgüter des § 253 Abs. 2 BGB zum Gegenstand hat, kann nicht Grundlage
eines Schmerzensgeldanspruchs sein. Die Neuregelung des § 253 Abs. 2 BGB
schließt es nicht von vornherein aus, die Haftung aus dem Gesichtspunkt des
Schutzzwecks der Norm für immaterielle Schäden einzuschränken. Die
Grundsätze über den Schutzzweck der verletzten vertraglichen Pflicht gelten
für das gesamte Schadensersatzrecht und lassen sich nicht auf den Bereich
von Vermögensschäden beschränken. Sie sind auch im Rahmen der vertraglichen
Anwaltshaftung zu berücksichtigen (BGHZ 163, 223, 230; BGH, Urt. v. 26.
Juni 1997 - IX ZR 233/96, aaO; v. 13. Februar 2003 - IX ZR 62/02, aaO; v.
18. Januar 2007 - IX ZR 122/04, aaO). Die von der Revision befürchtete
Privilegierung des Anwaltstandes scheidet auch deshalb aus, weil bei der
Berücksichtigung der Grundsätze über den Schutzzweck wie auch bei anderen
Schuldverhältnissen zu prüfen ist, ob das in § 253 Abs. 2 BGB aufgeführte
und verletzte Rechtsgut in den Schutzbereich der im Einzelfall übernommenen
Vertragspflicht fällt.
15 (1) So kann etwa im Bereich der Strafverteidigung das in § 253 Abs. 2
BGB genannte Rechtsgut der Freiheit in den Schutzzweck der verletzten
Pflichtfallen. In Betracht kann dies kommen, wenn ein Verteidiger den
aussichtsreichen Antrag auf Verlegung eines Termins zur Hauptverhandlung
unterlässt und sein Mandant infolgedessen nach Ausbleiben im Termin in
Untersuchungshaft genommen wird (vgl. KG NJW 2005, 1284, 1285, zu § 847
BGB; Chab BRAK-Mitt. 2008 aaO; allgemein für den Fall der
Freiheitsentziehung auch Fahrendorf, in Rinsche/Fahrendorf/Terbille, aaO Rn.
769). Gleiches wird zu gelten haben, falls infolge eines Fehlers des
Anwalts die beantragte Haftverschonung versagt wird (Fischer, in
Zugehör/Fischer/Sieg/Schlee, aaO Rn. 1092). Entsprechende Erwägungen kommen
ferner für Mandate bei Unterbringungsmaßnahmen und sonstigen auf
Freiheitsentziehung gerichteten Verfahren in Betracht.
16 Eine vertragliche Verpflichtung auf Ersatz des Nichtvermögensschadens
kann sich schließlich bei Verletzung einer Nebenpflicht (§ 241 Abs. 2
BGB) ergeben. Unter dem Gesichtspunkt der Verkehrssicherungspflicht ist
der Anwalt etwa gehalten, seine Kanzleiräume so einzurichten und zu
unterhalten, dass sich seine Mandanten keine Körper- oder Gesundheitsschäden
zuziehen (Zugehör, Beraterhaftung nach der Schuldrechtsreform Rn. 150).
Bei unzureichender Verkehrssicherung kann deshalb im Verletzungsfalle die
Zuerkennung eines Schmerzensgelds in Frage kommen, ohne dass es einer
unerlaubten Handlung bedarf (vgl. Fahrendorf, in Rinsche/Fahrendorf/Terbille,
aaO Rn. 766).
17 (2) Hiervon unterscheidet sich die vorliegende Fallgestaltung. Der
geltend gemachte Anwaltsfehler betrifft eine Hauptpflicht der Beklagten.
Er bezieht sich auf einen vorgerichtlichen Beratungsauftrag, der eine
vermögensrechtliche Angelegenheit zum Gegenstand hatte, nämlich
Zahlungs- und Schadensersatzansprüche Dritter abzuwehren. Das Mandat betraf
ausschließlich die Wahrnehmung der vermögensrechtlichen Interessen der
Klägerin und ihres Ehemanns im Zusammenhang mit den Folgen, die sich aus dem
durch die Kinder verursachten Brand des angemieteten Wohnhauses ergaben. Der
Inhalt des Vertrages war auf die Erteilung ordnungsgemäßer Rechtsauskünfte
in diesem vermögensrechtlichen Bereich gerichtet. Der Schutz der Gesundheit
der Mandanten gehörte hingegen nicht zu den von den Beklagten übernommenen
Pflichten. |