Störerhaftung des Betreibers eine W-Lan-Anschlusses
für Urheberrechtverletzungen im Internet; Beweislast bei
Urheberrechtsverletzungen im Internet - sekundäre Behauptungslast des
Anschlussbetreibers ("Sommer unseres Lebens")
BGH, Urteil vom 12. Mai 2010 - I ZR
121/08 - OLG Frankfurt/Main
Fundstelle:
BGHZ 185, 330
Amtl. Leitsatz:
a) Den Inhaber eines Internetanschlusses, von dem
aus ein urheberrechtlich geschütztes Werk ohne Zustimmung des Berechtigten
öffentlich zugänglich gemacht worden ist, trifft eine sekundäre
Darlegungslast, wenn er geltend macht, nicht er, sondern ein Dritter habe
die Rechtsverletzung begangen.
b) Der Inhaber eines WLAN-Anschlusses, der es unterlässt, die im
Kaufzeitpunkt des WLAN-Routers marktüblichen Sicherungen ihrem Zweck
entsprechend anzuwenden, haftet als Störer auf Unterlassung, wenn Dritte
diesen Anschluss missbräuchlich nutzen, um urheberrechtlich geschützte
Musiktitel in Internettauschbörsen einzustellen.
Zentrale Probleme:
Es handelt sich um DIE grundlegende Entscheidung des
BGH zur Störerhaftung im Internet. S. dazu auch die Anm. zu
BGH v. 15.11.2012 - I ZR 74/12
sowie die Fortführung in BGH v. 8.1.2014 - I ZR
169/12 ("bearshare").
©sl 2013
Tatbestand:
1 Die Klägerin vermarktet den
Tonträger „Sommer unseres Lebens" mit einer Aufnahme des Künstlers Sebastian
Hämer. Sie beauftragte die L. AG mit der Überwachung des Titels im Internet.
Am 8. September 2006 um 18.32 Uhr erfasste dieses Unternehmen einen Nutzer
mit einer bestimmten IP-Adresse, der zu diesem Zeitpunkt den Tonträger
„Sommer unseres Lebens" anderen Teilnehmern der Tauschbörse „eMule" zum
Herunterladen anbot. Nach der im Rahmen der daraufhin eingeleiteten
staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen eingeholten Auskunft der Deutschen
Telekom AG war die IP-Adresse zum fraglichen Zeitpunkt dem Internetanschluss
des Beklagten zugeordnet.
2 Die Klägerin hat beantragt,
dem Beklagten zu verbieten, die Tonträgerproduktion „Sommer unseres Lebens"
mit Darbietungen des Künstlers Sebastian Hämer im Internet in sogenannten
Tauschbörsen über Peer-to-Peer-Netzwerke bereitzustellen oder auf sonstige
Weise der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
3 Ferner hat sie den Beklagten auf Schadensersatz (150 €) sowie auf
Erstattung von Abmahnkosten (325,90 €) zuzüglich Zinsen in Anspruch
genommen.
4 Das Landgericht hat den Beklagten bis auf einen Teil der Zinsforderung
antragsgemäß verurteilt. Die Berufung des Beklagten hat zur Abweisung der
Klage geführt (OLG Frankfurt GRUR-RR 2008, 279). Mit ihrer vom
Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre
Klageanträge weiter. Der Beklagte beantragt, das Rechtsmittel
zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
5 I. Das Berufungsgericht hat Ansprüche der Klägerin gegen den
Beklagten aus § 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG verneint. Hierzu hat es ausgeführt:
6 Der Beklagte habe die Rechtsverletzung nicht selbst begangen, da er zum
fraglichen Zeitpunkt urlaubsabwesend gewesen sei und sich sein PC in einem
abgeschlossenen Büroraum befunden habe, der keinem Dritten zugänglich
gewesen sei. Die Rechtsverletzung könne daher nur von einem Dritten begangen
worden sein, der die WLAN-Verbindung des Beklagten von außerhalb genutzt
habe, um sich Zugang zu dessen Internetanschluss zu verschaffen. Für diese -
wie zu unterstellen sei - vorsätzliche rechtswidrige Urheberrechtsverletzung
eines Dritten hafte der Beklagte nicht als Störer. Der WLAN-Anschlussinhaber
dürfe nicht für das vorsätzliche Verhalten beliebiger Dritter, die mit ihm
in keinerlei Verbindung stünden, verantwortlich gemacht werden. Ein
WLAN-Anschlussinhaber hafte im privaten Bereich deshalb nicht generell wegen
der abstrakten Gefahr eines Missbrauchs seines Anschlusses von außen,
sondern erst, wenn konkrete Anhaltspunkte hierfür bestünden. Daran fehle es
im Streitfall.
7 Störer könne zwar auch sein, wer die Möglichkeit einer Rechtsverletzung,
zu der er einen adäquat-kausalen Beitrag geleistet habe, nicht erkannt habe,
sie aber hätte erkennen und mit zumutbaren Mitteln verhindern können. Es
erscheine aber fraglich, ob die Unterhaltung eines WLAN-Anschlusses als
adäquater Beitrag zu einer Urheberrechtsverletzung angesehen werden könne,
die ein vorsätzlich handelnder Dritter mit Hilfe dieses Anschlusses begehe.
Jedenfalls sei dem Anschlussinhaber nicht zuzumuten, seinen Computer stets
auf seine Kosten mit der neuesten Schutztechnik zu versehen. Solange keine
konkreten Anhaltspunkte für eine Rechtsverletzung bestünden, sei es dem
Anschlussinhaber unzumutbar, Mittel aufzuwenden, um einen vorsätzlich
rechtswidrigen Eingriff eines Dritten zu vermeiden, dessen Handeln dem
Beklagten unter keinem Gesichtspunkt zuzurechnen sei. Das erschwere die
Rechtsdurchsetzung nicht unzumutbar, weil immer dann, wenn der
Anschlussinhaber von konkreten Rechtsverletzungen erfahre, seine Prüfungs-
und Überwachungspflicht einsetze.
8
Schadens- und Aufwendungsersatzansprüche kämen erst recht nicht in
Betracht. Ein Verschuldensvorwurf gegenüber dem Beklagten scheide aus. Nach
Erhebungen aus der Praxis seien die Sicherheitsprobleme von WLAN-Anschlüssen
weithin unbekannt oder würden als nicht erheblich bewertet.
9 II. Die Revision hat im Wesentlichen Erfolg. Sie führt hinsichtlich des
Unterlassungsantrags sowie des Antrags auf Erstattung der Abmahnkosten zur
Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an
das Berufungsgericht.
10 1. Das Berufungsgericht ist allerdings ohne Rechtsfehler davon
ausgegangen, dass der Beklagte nicht als Täter oder Teilnehmer einer
Urheberrechtsverletzung nach §§ 19a, 97 UrhG haftet. Die dagegen
gerichteten Angriffe der Revision bleiben ohne Erfolg.
11 a) Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass der Beklagte im Zeitpunkt
der Rechtsverletzung urlaubsabwesend war und sich sein PC in einem
abgeschlossenen Büroraum befand. Es besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass
der Computer des Beklagten während seines Urlaubs mit dem Internet verbunden
war. Die Klägerin hat dies in den Vorinstanzen auch nicht geltend gemacht.
Die von der Revision aufgeworfene Frage, ob der Beklagte das fragliche Werk
öffentlich zugänglich gemacht hätte, wenn sein Rechner, ausgestattet mit den
maßgeblichen Daten und einer Tauschbörsensoftware, während seiner
Abwesenheit eingeschaltet und mit dem Internet verbunden gewesen wäre,
stellt sich daher im Streitfall nicht.
12 Wird ein geschütztes Werk der Öffentlichkeit von einer IP-Adresse
aus zugänglich gemacht, die zum fraglichen Zeitpunkt einer bestimmten Person
zugeteilt ist, so spricht zwar eine tatsächliche Vermutung dafür, dass diese
Person für die Rechtsverletzung verantwortlich ist. Daraus ergibt sich eine
sekundäre Darlegungslast des Anschlussinhabers, der geltend macht, eine
andere Person habe die Rechtsverletzung begangen (vgl. OLG Köln MMR
2010, 44, 45; GRUR-RR 2010, 173, 174). Dieser sekundären Darlegungslast ist
der Beklagte jedoch nachgekommen, indem er - von der Klägerin unbestritten -
vorgetragen hat, zum fraglichen Zeitpunkt im Urlaub gewesen zu sein, während
sich seine PC-Anlage in einem für Dritte nicht zugänglichen, abgeschlossenen
Büroraum befunden habe. Die Vorlage eines Routerprotokolls hat die Klägerin
von dem Beklagten in den Vorinstanzen nicht verlangt. Unabhängig von der
Frage, ob überhaupt ein solches Protokoll mit entscheidungserheblichem
Inhalt hätte vorgelegt werden können, war der computertechnisch nicht
versierte Beklagte jedenfalls nicht verpflichtet, von sich aus ein
Routerprotokoll vorzulegen. Das Berufungsgericht konnte deshalb ohne
Rechtsfehler annehmen, dass die unmittelbar urheberrechtsverletzende
Handlung nur von einem Dritten begangen worden sein konnte, der die
WLAN-Verbindung des Beklagten von außerhalb nutzte, um sich Zugang zu dessen
Internetanschluss zu verschaffen.
13 b) Es kommt auch keine täterschaftliche Haftung des Beklagten unter dem
Aspekt der Verletzung einer wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflicht (vgl.
BGHZ 173, 188 Tz. 22 - Jugendgefährdende Schriften bei eBay) in Betracht.
Diese für das Wettbewerbsrecht entwickelte Haftungsgrundlage setzt voraus,
dass die Merkmale einer täterschaftlichen Haftung nach dem jeweiligen
Haftungsregime erfüllt sein müssen. Während im Lauterkeitsrecht das in Rede
stehende Verhalten - die Eröffnung einer nicht hinreichend begrenzten Gefahr
für die geschützten Interessen anderer Marktteilnehmer - ohne weiteres als
eine unlautere geschäftliche Handlung eingeordnet werden kann, müssen für
eine täterschaftlich begangene Urheberrechtsverletzung die Merkmale eines
der handlungsbezogenen Verletzungstatbestände des Urheberrechts erfüllt
sein. Im Streitfall müsste das Verhalten des Beklagten - also die
Unterhaltung eines nicht ausreichend gesicherten privaten WLAN-Anschlusses -
den Tatbestand der öffentlichen Zugänglichmachung des in Rede stehenden
urheberrechtlichen Werkes (§ 19a UrhG) erfüllen (vgl. zum Merkmal des
Anbietens im Markenrecht BGHZ 158, 236, 250 - Internet-Versteigerung I).
Dies ist indessen - wie dargelegt - nicht der Fall. Hinzu kommt, dass die
Haftung für die Verletzung einer wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflicht in
dem vom Senat entschiedenen Fall nicht zuletzt mit dem eigenen
geschäftlichen Interesse begründet worden ist, das der Betreiber der
Handelsplattform verfolgt und das es rechtfertigt, von ihm eine besondere
Rücksichtnahme auf Rechtsgüter zu verlangen, die durch sein Verhalten
gefährdet werden.
14 c) Allerdings hat der Bundesgerichtshof nach Verkündung des
Berufungsurteils entschieden, dass der private Inhaber eines Mitgliedskontos
bei eBay sich so behandeln lassen muss, als habe er selbst gehandelt, wenn
er das Konto nicht hinreichend vor dem Zugriff Dritter gesichert hat und es
von einem Dritten benutzt wird, ohne dass der Kontoinhaber dies veranlasst
oder geduldet hat (BGHZ 180, 134 Tz. 16 - Halzband). Die bei der
Verwahrung der Zugangsdaten für das Mitgliedskonto gegebene
Pflichtverletzung stellt danach einen eigenen, selbständigen
Zurechnungsgrund dar. Diese Entscheidung ist indes nicht auf den Fall der
Nutzung eines ungesicherten WLAN-Anschlusses durch außenstehende Dritte
übertragbar.
15 Der IP-Adresse kommt keine mit einem eBay-Konto vergleichbare
Identifikationsfunktion zu. Anders als letzteres ist sie keinem konkreten
Nutzer zugeordnet, sondern nur einem Anschlussinhaber, der grundsätzlich
dazu berechtigt ist, beliebigen Dritten Zugriff auf seinen Internetanschluss
zu gestatten. Die IP-Adresse gibt deshalb bestimmungsgemäß keine
zuverlässige Auskunft über die Person, die zu einem konkreten Zeitpunkt
einen bestimmten Internetanschluss nutzt. Damit fehlt die Grundlage dafür,
den Inhaber eines WLAN-Anschlusses im Wege einer unwiderleglichen Vermutung
so zu behandeln, als habe er selbst gehandelt (vgl. BGHZ 180, 134 Tz. 16 -
Halzband). Es ginge deshalb zu weit, die nicht ausreichende Sicherung eines
WLAN-Anschlusses mit der unsorgfältigen Verwahrung der Zugangsdaten für ein
eBay-Konto gleichzusetzen. Dies würde die WLAN-Nutzung im Privatbereich auch
mit unangemessenen Haftungsrisiken belasten, weil der Anschlussinhaber bei
Annahme einer täterschaftlichen Verantwortung unbegrenzt auf Schadensersatz
haften würde, wenn außenstehende Dritte seinen Anschluss in für ihn nicht
vorhersehbarer Weise für Rechtsverletzungen im Internet nutzen.
16 d) Der Beklagte ist auch nicht Teilnehmer der durch den unbekannten
Dritten begangenen Urheberrechtsverletzung. Ihm fehlt jedenfalls der dafür
erforderliche Vorsatz (vgl. zum Markenrecht BGHZ 158, 236, 250 -
Internet-Versteigerung I).
17 e) Haftet der Beklagte nicht als Täter oder Teilnehmer einer
Urheberrechtsverletzung, scheidet ein Schadensersatzanspruch der Klägerin
aus. Nicht zu beanstanden ist daher die Abweisung des Zahlungsantrags,
soweit die Klägerin Schadensersatz begehrt hat.
18 2. Soweit das Berufungsgericht die Klage mit dem Unterlassungsantrag
abgewiesen hat, kommt eine Bestätigung dagegen nicht in Betracht.
Denn entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann die Klägerin den
Beklagten als Störer auf Unterlassung in Anspruch nehmen. Das
Berufungsgericht meint zwar, der Betreiber eines privaten WLAN-Anschlusses
hafte nicht generell wegen der abstrakten Gefahr eines Missbrauchs seines
Anschlusses durch einen Außenstehenden, sondern erst wenn konkrete
Anhaltspunkte für einen solchen Missbrauch bestünden. Dem kann aber
für den hier vorliegenden Fall nicht beigetreten werden, dass der
WLAN-Anschluss ohne die auch im privaten Gebrauch verkehrsüblichen und
zumutbaren Zugangssicherungen betrieben wird.
a) Als Störer kann bei der Verletzung absoluter Rechte auf
Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer - ohne Täter oder Teilnehmer
zu sein - in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung
des geschützten Rechts beiträgt (BGH, Urt. v. 18.10.2001 - I ZR
22/99, GRUR 2002, 618, 619 = WRP 2002, 532 - Meißner Dekor I; BGH, Urt. v.
30.4.2008 - I ZR 73/05, GRUR 2008, 702 Tz. 50 = WRP 2008, 1104 -
Internet-Versteigerung III). Da die Störerhaftung nicht über Gebühr
auf Dritte erstreckt werden darf, die nicht selbst die rechtswidrige
Beeinträchtigung vorgenommen haben, setzt die Haftung des Störers nach der
Rechtsprechung des Senats die Verletzung von Prüfpflichten voraus. Deren
Umfang bestimmt sich danach, ob und inwieweit dem als Störer in Anspruch
Genommenen nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten ist (BGH, Urt.
v. 15.10.1998 - I ZR 120/96, GRUR 1999, 418, 419 f. = WRP 1999, 211 -
Möbelklassiker; BGHZ 158, 343, 350 - Schöner Wetten; BGH, Urt. v. 9.2.2006 -
I ZR 124/03, GRUR 2006, 875 Tz. 32 = WRP 2006, 1109 -
Rechtsanwalts-Ranglisten).
20 b) Der Betrieb eines nicht ausreichend gesicherten WLAN-Anschlusses ist
adäquat kausal für Urheberrechtsverletzungen, die unbekannte Dritte unter
Einsatz dieses Anschlusses begehen. Auch privaten Anschlussinhabern obliegen
insoweit Prüfungspflichten, deren Verletzung zu einer Störerhaftung führt.
21 aa) Es ist nicht gänzlich unwahrscheinlich, dass unberechtigte
Dritte einen unzureichend gesicherten WLAN-Anschluss dazu benutzen,
urheberrechtlich geschützte Musiktitel im Internet in Tauschbörsen
einzustellen. Die Unterlassung ausreichender Sicherungsmaßnahmen beruht auch
auf dem Willen des Anschlussinhabers.
22 bb) Auch Privatpersonen, die einen WLAN-Anschluss in Betrieb
nehmen, ist es zuzumuten zu prüfen, ob dieser Anschluss durch angemessene
Sicherungsmaßnahmen hinreichend dagegen geschützt ist, von außenstehenden
Dritten für die Begehung von Rechtsverletzungen missbraucht zu werden. Die
Zumutbarkeit folgt schon daraus, dass es regelmäßig im wohlverstandenen
eigenen Interesse des Anschlussinhabers liegt, seine Daten vor
unberechtigtem Eingriff von außen zu schützen. Zur Vermeidung von
Urheberrechtsverletzungen durch unberechtigte Dritte ergriffene
Sicherungsmaßnahmen am WLAN-Zugang dienen zugleich diesem Eigeninteresse des
Anschlussinhabers. Die Prüfpflicht ist mit der Folge der Störerhaftung
verletzt, wenn die gebotenen Sicherungsmaßnahmen unterbleiben.
23 cc) Welche konkreten Maßnahmen zumutbar sind, bestimmt sich auch für eine
Privatperson zunächst nach den jeweiligen technischen Möglichkeiten (vgl.
BGHZ 172, 119 Tz. 47 - Internet-Versteigerung II). Es würde die
privaten Verwender der WLAN-Technologie allerdings unzumutbar belasten und
wäre damit unverhältnismäßig, wenn ihnen zur Pflicht gemacht würde, die
Netzwerksicherheit fortlaufend dem neuesten Stand der Technik anzupassen und
dafür entsprechende finanzielle Mittel aufzuwenden. Die Prüfungspflicht im
Hinblick auf die unbefugte Nutzung eines WLAN-Routers konkretisiert sich
vielmehr dahin, dass jedenfalls die im Kaufzeitpunkt des Routers für den
privaten Bereich marktüblichen Sicherungen ihrem Zweck entsprechend wirksam
einzusetzen sind (vgl. dazu für den Bereich der
Verkehrssicherungspflichten BGH, Urt. v. 31.10.2006 - VI ZR 223/05, NJW
2007, 762 Tz. 11; Urt. v. 2.3.2010 - VI ZR 223/09 Tz. 9 f., VersR 2010,
544).
24 dd) Die dem privaten WLAN-Anschlussinhaber obliegende Prüfungspflicht
besteht nicht erst, nachdem es durch die unbefugte Nutzung seines
Anschlusses zu einer ersten Rechtsverletzung Dritter gekommen und diese ihm
bekannt geworden ist. Sie besteht vielmehr bereits ab Inbetriebnahme des
Anschlusses. Die Gründe, die den Senat in den Fällen der
Internetversteigerung dazu bewogen haben, eine Störerhaftung des
Plattformbetreibers erst anzunehmen, nachdem er von einer ersten
Rechtsverletzung Kenntnis erlangt hat, liegen bei privaten
WLAN-Anschlussbetreibern nicht vor. Es geht hier nicht um ein
Geschäftsmodell, das durch die Auferlegung präventiver Prüfungspflichten
gefährdet wäre (vgl. BGHZ 158, 236, 251 f. - Internet-Versteigerung I). Es
gelten auch nicht die Haftungsprivilegien nach § 10 TMG und Art. 14 f. der
Richtlinie 2000/31/EG über den elektronischen Geschäftsverkehr, die im Falle
des Diensteanbieters nach § 10 Satz 1 TMG (Host Provider) einen
weitergehenden Unterlassungsanspruch ausschließen. Das hoch zu bewertende,
berechtigte Interesse, über WLAN leicht und räumlich flexibel Zugang zum
Internet zu erhalten, wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass die zum
Zeitpunkt der Installation des WLAN-Routers auch im Privatbereich
verkehrsüblich vorhandenen Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung
angewandt werden.
25 c) Die Klägerin kann den Beklagten als Störer auf Unterlassung in
Anspruch nehmen. Er hat unter Verletzung der ihm obliegenden Prüfungspflicht
eine Ursache dafür gesetzt, dass ein Dritter über seinen unzureichend
gesicherten WLAN-Anschluss die in Rede stehende Urheberrechtsverletzung
begehen konnte.
26 aa) Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht auf der Grundlage der von
der L. AG ermittelten IP-Adresse festgestellt, dass ein außenstehender
Dritter den WLAN-Anschluss des Beklagten für die das Verwertungsrecht der
Klägerin verletzende Handlung benutzt hat.
27 (1) Der Beklagte hat zwar bestritten, dass die Klägerin korrekt an seine
IP-Adresse gelangt sei, und geltend gemacht, bei der Feststellung der
IP-Adresse des wirklichen Täters müsse ein Ermittlungsfehler unterlaufen
sein. Nach den vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Feststellungen des
Landgerichts hat die L. AG aber die fragliche IP-Adresse mit Hilfe der von
ihr entwickelten zuverlässigen und eingehend überwachten Software ermittelt.
Nachdem das Landgericht das pauschale Bestreiten des Beklagten als zu
unbestimmt angesehen hatte und der Beklagte seinen Vortrag in zweiter
Instanz nicht weiter substantiiert hat, konnte das Berufungsgericht insoweit
ohne Rechtsfehler auf die Feststellungen des Landgerichts verweisen.
28 (2) Für die Auskunft der Deutschen Telekom AG, wonach die ermittelte
IP-Adresse im fraglichen Zeitpunkt dem WLAN-Anschluss des Beklagten
zugeordnet war, bestand kein Beweiserhebungsverbot. Sie konnte deshalb vom
Berufungsgericht auch ohne Rechtsfehler verwertet werden.
29 Auskünfte über den Namen des hinter einer IP-Adresse stehenden
Anschlussinhabers richten sich nach den Regelungen des
Telekommunikationsgesetzes über die Bestandsdatenabfrage (LG Stuttgart MMR
2005, 624, 628; LG Hamburg MMR 2005, 711; LG Würzburg NStZ-RR 2006, 46;
Sankol, MMR 2006, 361, 365; a.A. Bock in Beck'scher TKG-Kommentar, 3. Aufl.,
§ 113 Rdn. 24; Bär, MMR 2005, 626). Es handelt sich nicht um Verkehrsdaten
nach § 96 Abs. 1, § 113a TKG, die gemäß § 100g Abs. 2, § 100b Abs. 1 StPO
nur auf richterliche Anordnung erhoben werden dürfen. Die Zuordnung einer zu
einem bestimmten Zeitpunkt benutzten dynamischen IP-Adresse zu einem
Anschlussinhaber enthält keine Aussage darüber, mit wem der Betreffende
worüber und wie lange kommuniziert hat. Es entspricht auch dem Willen des
Gesetzgebers, die IP-Adressen von Anschlussinhabern als Bestandsdaten
einzuordnen (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs eines Gesetzes zur
Änderung der Strafprozessordnung, BT-Drucks. 14/7008, S. 7; Begründung des
Regierungsentwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung der
Telekommunikationsüberwachung BT-Drucks. 16/5846, S. 26 f.). Die Ermittlung
des einer konkreten IP-Adresse zu einem bestimmten Zeitpunkt zugeordneten
Anschlussinhabers erfolgt daher auf der Grundlage der allgemeinen Befugnisse
der Strafverfolgungsbehörden gemäß § 161 Abs. 1 Satz 1 und § 163 StPO, so
dass die Auskunft der Deutschen Telekom AG rechtmäßig eingeholt worden ist.
30 (3) Der Beklagte hat vorgetragen, sein Computer sei zwar WLAN-fähig, bei
der Installation im Jahre 2003/04 sei diese Funktion aber deaktiviert worden
und die Vernetzung über eine strukturierte Verkabelung erfolgt. Das steht
indes einer Nutzung des WLAN-Zugangs durch einen Dritten am 8. September
2006 nicht entgegen. Vielmehr konnte das Berufungsgericht durch Bezugnahme
auf die landgerichtlichen Feststellungen im Hinblick auf die von der
Deutschen Telekom AG erteilte Auskunft davon ausgehen, dass der WLAN-Zugang
des Beklagten zum fraglichen Zeitpunkt aktiviert war.
31 Entgegen dem Vortrag des Beklagten konnte sein WLAN-Router dann auch
nicht während seines Urlaubs über einen der Stromversorgung seines
PC-Systems dienenden Sammelstecker ausgeschaltet gewesen sein.
32 bb) Der Beklagte hat die ihm als Betreiber eines WLAN-Anschlusses
obliegende Prüfungspflicht hinsichtlich ausreichender Sicherungsmaßnahmen
verletzt.
33 Nach den vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Feststellungen
des Landgerichts hat der Beklagte allerdings keinen gänzlich ungesicherten
WLAN-Zugang verwendet. Vielmehr war der Zugang auf seinen Router bei
aktivierter WLAN-Unterstützung werkseitig durch eine WPA-Verschlüsselung
geschützt, die für die Einwahl in das Netzwerk des Beklagten einen
16-stelligen Authentifizierungsschlüssel erfordert. Mangels anderweitiger
Feststellungen kann jedenfalls für September 2006 auch nicht davon
ausgegangen werden, dass bei privater WLAN-Nutzung eine Verschlüsselung nach
dem WPA2-Standard verkehrsüblich und damit geboten war, um unberechtigte
Zugriffe Dritter auf das Drahtlosnetzwerk zu verhindern. Es
belastete die Verwender dieser Technologie unzumutbar und damit
unverhältnismäßig, wenn sie ihre Netzwerksicherheit fortlaufend dem neuesten
Stand der Technik anpassen und dafür entsprechende finanzielle Mittel
aufwenden müssten.
34 Die Prüfpflicht des Beklagten bezieht sich aber auf die Einhaltung der im
Kaufzeitpunkt des Routers für den privaten Bereich marktüblichen
Sicherungen. Diese Pflicht hat der Beklagte verletzt. Der Beklagte
hat es nach dem Anschluss des WLAN-Routers bei den werkseitigen
Standardsicherheitseinstellungen belassen und für den Zugang zum Router kein
persönliches, ausreichend langes und sicheres Passwort vergeben.
Der Schutz von Computern, Kundenkonten im Internet und Netzwerken durch
individuelle Passwörter gehörte auch Mitte 2006 bereits zum Mindeststandard
privater Computernutzung und lag schon im vitalen Eigeninteresse aller
berechtigten Nutzer. Sie war auch mit keinen Mehrkosten verbunden.
35 c) Auch wenn der Beklagte als Störer haftet, kommt eine Verurteilung nach
dem bislang gestellten Unterlassungsantrag nicht in Betracht. Denn der
Antrag, es dem Beklagten zu verbieten, die Tonträgerproduktion „Sommer
unseres Lebens" im Internet in Tauschbörsen zugänglich zu machen, verfehlt
die konkrete Verletzungsform.
36 Ein Unterlassungsanspruch steht der Klägerin nur insoweit zu, als sie
sich dagegen wendet, dass der Beklagte außenstehenden Dritten
Rechtsverletzungen der genannten Art ermöglicht, indem er den Zugang zu
seinem WLAN-Anschluss unzureichend sichert. Die Revision macht zwar geltend,
dass sich ihr Antrag konkret auf diese Verletzungsform beziehe. Es wird aber
nicht deutlich, dass er sich darauf beschränkt. Der Antrag bedarf daher der
Einschränkung, die nur die Klägerin selbst vornehmen kann.
-
37 Der Umstand, dass der gestellte Unterlassungsantrag die konkrete
Verletzungsform nicht erfasst, rechtfertigt andererseits nicht die Abweisung
der Klage. Aus der Sicht des Berufungsgerichts bestand kein Anlass, darauf
hinzuwirken, dass die Klägerin einen an der konkreten Verletzungsform
orientierten Unterlassungsantrag stellt (§ 139 Abs. 1 ZPO). Der Grundsatz
des fairen Verfahrens gebietet es unter diesen Umständen, der Klägerin die
Möglichkeit einzuräumen, ihren Antrag auf die konkrete Verletzungsform
anzupassen.
38 3. Hinsichtlich der geltend gemachten Abmahnkosten ist der Rechtsstreit
ebenfalls noch nicht zur Entscheidung reif. Das Berufungsgericht hat bislang
noch nicht geprüft, ob nach dem maßgeblichen Sachverhalt - unzureichende
Sicherung eines WLAN-Anschlusses, die zum einmaligen öffentlichen
Zugänglichmachen eines einzelnen Titels auf einer Tauschbörse geführt hat -
die vom Vertreter der Klägerin angesetzte Geschäftsgebühr auf der Grundlage
eines Streitwerts von 10.000 € zu berechnen ist (vgl. etwa LG Hamburg ZUM
2007, 869).
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