Haftung von Eltern für Urheberrechtsverletzungen
ihrer Kinder (filesharing) nach § 832 BGB: Anforderungen an die
Aufsichtspflicht; Widerlegung der tatsächlichen Vermutung einer
Urheberrechtsverletzung zu Lasten des Inhabers eines Internetanschlusses;
Voraussetzungen der Störerhaftung des Anschlussinhabers ("Morpheus")
BGH, Urteil vom 15. November 2012 - I
ZR 74/12 - OLG Köln
Fundstelle:
NJW 2013, 1441
Amtl. Leitsatz:
Eltern genügen ihrer
Aufsichtspflicht über ein normal entwickeltes 13-jähriges Kind, das ihre
grundlegenden Gebote und Verbote befolgt, regelmäßig bereits dadurch, dass
sie das Kind über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an
Internettauschbörsen belehren und ihm eine Teilnahme daran verbieten. Eine
Verpflichtung der Eltern, die Nutzung des Internets durch das Kind zu
überwachen, den Computer des Kindes zu überprüfen oder dem Kind den Zugang
zum Internet (teilweise) zu versperren, besteht grundsätzlich nicht. Zu
derartigen Maßnahmen sind Eltern erst verpflichtet, wenn sie konkrete
Anhaltspunkte dafür haben, dass das Kind dem Verbot zuwiderhandelt.
Zentrale Probleme:
Eltern haften (nicht) für ihre Kinder ... Es geht um
die Haftung der Aufsichtspflichtigen nach § 832 BGB für deliktische
Schädigungen Dritter durch die zu beaufsichtigenden Personen (hier: Haftung
aus § 97 UrhG). Im Mittelpunkt steht dabei die sog. "Störerhaftung", bei der
es immer darum geht, welche Sorgfalts- bzw. Überwachungspflichten ein
Anschlussinhaber oder auch Plattformbetreiber hat (zu letzteren s. etwa
BGH v. 12.7.2012 - I ZR 18/11
(rapidshare). Bekanntlich haften Eltern ja nicht für ihre Kinder, sondern
für (vermutetes) eigens Verschulden bei deren Überwachung. Damit ist der
Maßstab der Überwachungspflichten von entscheidender Bedeutung. Diese setzt
der BGH (nicht nur) hier niedriger an, als das zT in der Literatur
geschieht. Die sehr lebensnahe Betrachtungsweise findet sich bei
Tz. 24 ff. Zu den Überwachungspflichten von Eltern s. auch
BGH NJW 2009, 1952 und
BGH NJW 2009, 1954. S. zu diesem Themenkreis auch
BGH v. 13.12.2012 - III ZR 226/12.
Bei der Frage einer eigenen Haftung des Anschlussinhabers
(hier: des Vaters des Mdj.) befasst sich der Senat mit der in
BGHZ 185, 330 begründeten tatsächlichen
Vermutung einer eigene Täterschaft bei der Urheberrechtsverletzung: Danach
trifft den Inhaber eines Internetanschlusses, von dem aus ein
urheberrechtlich geschütztes Werk Dritten über "filesharing" zugänglich
gemacht wurde, eine sekundäre Behauptungslast, wenn er geltend macht, dass
ein Dritter die Rechtsverletzung begangen hat. Das bedeutet keine
Beweislastumkehr, sondern nur den Nachweis der Möglichkeit, dass ein Dritter
die Rechtsverletzung begangen haben könnte. Das aber war hier gegeben (s.
Tz. 33). Auch eine Störerhaftung der Eltern als
Anschlussinhaber wird verneint (s. Tz. 40), vgl. zu dieser
im grundlegend BGHZ 185, 330. S. auch
BGH v. 8.1.2014 - I ZR 169/12 ("bearshare").
©sl 2013
Tatbestand:
Die vier Klägerinnen gehören zu den
größten deutschen Tonträgerherstellern. Sie sind jeweils Inhaber
ausschließlicher urheberrechtlicher Nutzungsrechte der Tonträgerhersteller
und ausübenden Künstler an zahlreichen auf Tonträgern aufgenommenen
Darbietungen von Musikwerken.
2 Am 28. Januar 2007 wurden nach den Ermittlungen eines von den Klägerinnen
beauftragten Unternehmens in einer Internettauschbörse unter einer
bestimmten IP-Adresse 1147 Audiodateien zum kostenlosen Herunterladen
angeboten. Die Klägerinnen stellten Strafanzeige gegen Unbekannt und teilten
der Staatsanwaltschaft die IP-Adresse mit. Nach der im Ermittlungsverfahren
eingeholten Auskunft des Internetproviders war die IP-Adresse zur fraglichen
Zeit dem Internetanschluss der Beklagten zugewiesen.
3 Bei den Beklagten handelt es sich um ein Ehepaar. Sie hatten den
Internetanschluss auch ihren drei Kindern, die damals in ihrem Haushalt
lebten und 13, 15 und 19 Jahre alt waren, zur Verfügung gestellt. Ihrem
jüngsten Kind hatten sie zu dessen 12. Geburtstag den gebrauchten PC des
Beklagten zu 1 überlassen.
4 Bei einer vom zuständigen Amtsgericht angeordneten Durchsuchung der
Wohnung der Beklagten wurde am 22. August 2007 der PC des 13-jährigen Sohnes
der Beklagten beschlagnahmt. Auf dem Computer waren die
Tauschbörsenprogramme „Morpheus" und „Bearshare" installiert. Auf dem
Desktop des PC waren das Symbol des Programms „Bearshare" sowie die Ordner „My
Music" und „Papas Music" zu sehen. In den Ordnern waren Musikdateien
abgelegt. Bei seiner polizeilichen Anhörung gab der Sohn der Beklagten zu
Protokoll:
Ich wusste nicht, dass das so schlimm ist. Ich konnte mir auch gar nicht
vorstellen, erwischt zu werden. Ich werde dies nie mehr tun. Die Sache tut
mir leid. Ich dachte auch, ich hätte die Lieder nur runtergeladen. Ich
wusste gar nicht, dass ich sie über eine Tauschbörse zur Verfügung stelle.
5 Nach Einsichtnahme in die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft
ließen die Klägerinnen die Beklagten durch einen Rechtsanwalt abmahnen und
zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auffordern. Die
Beklagten gaben die Unterlassungserklärung ab. Sie weigerten sich jedoch,
Schadensersatz zu zahlen und die Abmahnkosten zu erstatten.
6 Die Klägerinnen sind der Ansicht, die Beklagten seien wegen einer
Verletzung ihrer elterlichen Aufsichtspflicht zum Ersatz des Schadens
verpflichtet, der durch das unbefugte öffentliche Zugänglichmachen der
Musikstücke entstanden sei. Sie nehmen die Beklagten wegen des öffentlichen
Zugänglichmachens von 15 Musikaufnahmen (drei Aufnahmen der Klägerin zu 1,
sieben Aufnahmen der Klägerin zu 2, drei Aufnahmen der Klägerin zu 3 und
zwei Aufnahmen der Klägerin zu 4) als Gesamtschuldner auf Zahlung von
Schadensersatz in Höhe von 200 € je Titel (600 € an die Klägerin zu 1, 1.400
€ an die Klägerin zu 2, 600 € an die Klägerin zu 3 und 400 € an die Klägerin
zu 4), insgesamt also 3.000 €, nebst Zinsen sowie auf Erstattung von
Abmahnkosten in Höhe von 2.380,80 € (an die Klägerinnen zu gleichen Teilen)
in Anspruch.
7 Das Landgericht hat der Klage stattgegeben (LG Köln, CR 2011, 687). Die
Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben (OLG Köln, WRP 2012, 1007).
Die Beklagten verfolgen mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen
Revision, deren Zurückweisung die Klägerinnen beantragen, ihren Antrag auf
Abweisung der Klage weiter.
Entscheidungsgründe:
8 A. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Beklagten
hafteten den Klägerinnen nach § 832 Abs. 1 BGB für den durch das unbefugte
Filesharing ihres minderjährigen Sohnes entstandenen Schaden, weil
sie ihre elterliche Aufsichtspflicht verletzt hätten. Der Anspruch
auf Erstattung von Abmahnkosten sei nach §§ 677, 683 Satz 1, § 670 BGB
begründet, weil die Abmahnung berechtigt gewesen sei und Kosten in der
verlangten Höhe ausgelöst habe. Zu den Schadensersatzansprüchen hat
das Berufungsgericht ausgeführt:
9 Den Klägerinnen stünden die behaupteten Nutzungsrechte an den in Rede
stehenden Musiktiteln zu. Der minderjährige Sohn der Beklagten habe die
Musiktitel über den Internetanschluss der Beklagten durch Teilnahme an
Tauschbörsen öffentlich zugänglich gemacht. Das folge daraus, dass auf
seinem Computer zwei Tauschbörsenprogramme installiert, allein in dem Ordner
„My Music" 11,2 Gigabite Audio- und Videodaten abgelegt und auch die in Rede
stehenden Titel auf dem PC gespeichert worden seien. Zudem ergebe sich dies
aus seinen geständnisartigen Äußerungen bei seiner polizeilichen Vernehmung.
Die Beklagten hätten ihre Aufsichtspflicht verletzt. Sie hätten ihrem Sohn
die Nutzung des Internets in ihrer Abwesenheit nur gestatten dürfen, wenn
sie hinreichende Verhaltensregeln aufgestellt und deren Einhaltung
kontrolliert hätten. Nach dem Vorbringen der Beklagten liege es zwar nahe,
dass sie den zu stellenden Anforderungen hinsichtlich der Vorgabe von
Verhaltensregeln nachgekommen seien. Es könne aber nicht davon ausgegangen
werden, dass sie die von ihnen dargelegten Aufsichtsmaßnahmen hinreichend
umgesetzt hätten. Die Schadensersatzansprüche seien auch der Höhe nach
begründet.
10 Unter diesen Umständen komme es nicht darauf an, ob der Beklagte zu 1
darüber hinaus Rechte der Klägerinnen selbst oder mithilfe seines Sohnes
verletzt habe und daher unmittelbar hafte. Dafür könnte sprechen, dass auf
dem PC ein eigener Ordner mit der Bezeichnung „Papas Music" angelegt gewesen
sei, in dem sich Musiktitel einer Musikrichtung befunden hätten, für die
sich 13-jährige in der Regel nicht interessierten.
11 B. Die Revision hat Erfolg und führt zur Abweisung der Klage.
12 I. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung können
Schadensersatzansprüche der Klägerinnen gegen die Beklagten nach § 832 Abs.
1 BGB und damit auch Ansprüche auf Erstattung von Abmahnkosten nach §§ 677,
683 Satz 1, § 670 BGB nicht bejaht werden. Entgegen der Ansicht des
Berufungsgerichts haben die Beklagten ihre Aufsichtspflicht nicht verletzt.
13 1. Wer kraft Gesetzes zur Führung der Aufsicht über eine Person
verpflichtet ist, die wegen Minderjährigkeit der Beaufsichtigung bedarf, ist
gemäß § 832 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB zum Ersatz des Schadens verpflichtet,
den diese Person einem Dritten widerrechtlich zufügt. Die Ersatzpflicht
tritt nach § 832 Abs. 1 Satz 2 Fall 1 BGB nicht ein, wenn er seiner
Aufsichtspflicht genügt.
14 2. Die Beklagten waren kraft Gesetzes zur Führung der Aufsicht über ihren
damals 13-jährigen und damit minderjährigen Sohn verpflichtet.
Eltern haben nach § 1626 Abs. 1 Satz 1 BGB die Pflicht, für das
minderjährige Kind zu sorgen. Die elterliche Sorge umfasst nach § 1626 Abs.
1 Satz 2 BGB die Sorge für die Person des Kindes. Die Personensorge umfasst
nach § 1631 Abs. 1 BGB insbesondere die Pflicht, das Kind zu beaufsichtigen.
15 3. Die Beklagten sind jedoch nicht zum Ersatz des Schadens
verpflichtet, den ihr Sohn den Klägerinnen - wie diese geltend machen -
dadurch widerrechtlich zugefügt hat, dass er die in Rede stehenden
Musikaufnahmen in Tauschbörsen zum Herunterladen angeboten hat und
damit in das den Klägerinnen zustehende Recht des Tonträgerherstellers, den
Tonträger öffentlich zugänglich zu machen (§ 85 Abs. 1 Satz 1 Fall 3 UrhG),
und das ihnen übertragene Recht der ausübenden Künstler eingegriffen hat,
ihre Darbietung öffentlich zugänglich zu machen (§ 78 Abs. 1 Nr. 1 UrhG).
Die Beklagten haben entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ihrer
Aufsichtspflicht genügt.
16 a) Nach ständiger Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs bestimmt sich das Maß der gebotenen Aufsicht nach Alter,
Eigenart und Charakter des Kindes sowie danach, was den Aufsichtspflichtigen
in ihren jeweiligen Verhältnissen zugemutet werden kann. Entscheidend ist,
was verständige Aufsichtspflichtige nach vernünftigen Anforderungen
unternehmen müssen, um die Schädigung Dritter durch ein Kind zu verhindern.
Dabei kommt es für die Haftung nach § 832 BGB stets darauf an, ob der
Aufsichtspflicht nach den besonderen Gegebenheiten des konkreten Falles
genügt worden ist (BGH,
Urteil vom 24. März 2009 - VI ZR 51/08, NJW 2009, 1952 Rn. 8;
Urteil vom 24. März 2009 -
VI ZR 199/08, NJW 2009, 1954 Rn. 8; Urteil vom 20. März
2012 - VI ZR 3/11, NJW 2012, 2425 Rn. 16 ff., jeweils mwN). Von diesen
Grundsätzen ist auch das Berufungsgericht ausgegangen.
17 b) Das Berufungsgericht hat angenommen, die Beklagten hätten ihrem Sohn
die Nutzung des Internets in ihrer Abwesenheit nur gestatten dürfen, wenn
sie hinreichende Verhaltensregeln aufgestellt und deren Einhaltung
kontrolliert hätten. Nach dem Vorbringen der Beklagten liege es zwar nahe,
dass sie den zu stellenden Anforderungen hinsichtlich der Vorgabe von
Verhaltensregeln nachgekommen seien. Es könne aber nicht davon ausgegangen
werden, dass sie die von ihnen dargelegten Aufsichtsmaßnahmen hinreichend
umgesetzt hätten. Nach Darstellung der Beklagten seien auf dem Computer
ihres Sohnes eine Firewall und ein Sicherheitsprogramm installiert gewesen,
das - seinerseits gesichert durch ein Administratorpasswort - bezüglich der
Installation weiterer Programme auf „keine Zulassung" gestellt gewesen sei.
Da der Sohn der Beklagten die Filesharingsoftware habe installieren können,
könne eine Firewall aber nicht sachgerecht installiert gewesen sein. Darüber
hinaus habe nach Darstellung der Beklagten der Beklagte zu 1 den PC seines
Sohnes monatlich überprüft. Dass dem Beklagten zu 1 die
Tauschbörsenprogramme nicht aufgefallen seien, sei jedoch ein deutliches
Indiz dafür, dass er den PC seines Sohnes nicht ausreichend kontrolliert
habe. Bei einer monatlichen Kontrolle der Softwareliste oder des Desktops
hätte der Beklagte zu 1 die von seinem Sohn bereits Anfang Oktober 2006
installierten Programme noch vor dem Bereitstellen der Dateien in
Tauschbörsen Ende Januar 2007 entdecken müssen. Die Systemsteuerung des
Betriebssystems biete eine Übersicht über die auf dem Rechner installierte
Software. Zudem seien die Programmsymbole der Tauschbörsenprogramme auf dem
Desktop zu sehen gewesen.
18 c) Damit hat das Berufungsgericht die Anforderungen überspannt,
die an das Maß der gebotenen Aufsicht zu stellen waren.
19 aa) Zu der Frage, inwieweit Eltern verpflichtet sind, ihr minderjähriges
Kind bei der Internetnutzung zu beaufsichtigen, um eine Schädigung Dritter
durch das Kind und insbesondere eine Urheberrechte verletzende Teilnahme des
Kindes an Tauschbörsen zu verhindern, werden im Wesentlichen zwei
Auffassungen vertreten:
20 Nach einer Auffassung - die auch vom Berufungsgericht vertreten wird -
genügt es nicht, wenn Eltern ihr minderjähriges Kind, dem sie einen Computer
und einen Internetanschluss zur Verfügung stellen, über die mit der
Internetnutzung verbundene Gefahr von Rechtsverletzungen belehren und ihm
eine urheberrechtsverletzende Teilnahme an Tauschbörsen untersagen.
Vielmehr sind Eltern nach dieser Ansicht darüber hinaus verpflichtet, die
Installation und Nutzung von Filesharingsoftware durch das Kind mittels
technischer Maßnahmen - wie etwa der Installation von Firewalls oder der
Einrichtung von individuellen Benutzerkonten mit beschränkten
Nutzungsbefugnissen - zu verhindern. Eltern sind nach dieser Ansicht ferner
verpflichtet, das Kind bei der Nutzung des Internets laufend zu überwachen
und den Computer des Kindes regelmäßig zu überprüfen, selbst wenn kein
Anhaltspunkt dafür besteht, dass das Kind bei der Internetnutzung Rechte
Dritter verletzt (vgl. OLG Köln, GRUR 2010, 173, 174; LG Hamburg,
MMR 2006, 700; MMR 2007, 131 f.; CR 2006, 780, 782; LG München I, MMR 2008,
619, 621 f.; LG Düsseldorf, ZUM-RD 2011, 698, 699; vgl. auch Stang/Hühner,
CR 2008, 342, 245; Rauer, K&R 2012, 532, 533; Hoffmann, MMR 2012, 391, 392).
21 Nach anderer Auffassung genügen Eltern, die ihrem minderjährigen
Kind ihren Internetanschluss zur Verfügung stellen, ihrer Aufsichtspflicht
grundsätzlich bereits dadurch, dass sie das Kind über die mit der
Internetnutzung verbundene Gefahr von Rechtsverletzungen belehren, wobei
sich Inhalt und Umfang der Belehrung nach Alter und Einsichtsfähigkeit des
jeweiligen Kindes richten. Dagegen sind Eltern nach dieser
Auffassung grundsätzlich nicht verpflichtet, dem Kind den Internetzugang
teilweise zu versperren, die Nutzung des Internets durch das Kind ständig zu
überwachen und den Computer des Kindes regelmäßig zu überprüfen. Zu
derartigen Maßnahmen sind Eltern vielmehr erst dann verpflichtet, wenn sie
konkrete Anhaltspunkte für eine rechtsverletzende Nutzung des
Internetanschlusses durch das Kind haben (vgl. OLG Frankfurt a.M.,
GRUR-RR 2008, 73, 74; LG Mannheim, MMR 2007, 267, 268; ZUM-RD 2007, 252, 254
f.; MMR 2007, 459, 460; Grosskopf, CR 2007, 122 f.; Peter, K&R 2007, 371,
373; Leistner/Stang, WRP 2008, 533, 549; Mühlberger, GRUR 2009, 1022, 1025
f.; Sandor, ITRB 2012, 9, 13; Schüttler, jurisPR-ITR 2/2007 Anm. 2; Wenn,
jurisPR-ITR 5/2008 Anm. 2; Krieg, jurisPR-ITR 16/2008 Anm. 3; vgl. auch
Spindler in Bamberger/Roth, Beck'scher Online-Kommentar BGB, Stand: 1.
August 2012, § 832 Rn. 31a; Moritz in jurisPK-BGB, 6. Aufl., § 832 Rn. 46;
Heckmann in jurisPK-Internetrecht, 3. Aufl., Kap. 3.2 Rn. 81; Weidert/Molle
in Ensthaler/Weidert, Handbuch Urheberrecht und Internet, 2. Aufl., Kap. 7
Rn. 168).
22 bb) Der Senat teilt die letztgenannte Auffassung.
23 (1) Die Anforderungen an die Aufsichtspflicht, insbesondere die
Pflicht zur Belehrung und Beaufsichtigung von Kindern, richten sich nach der
Vorhersehbarkeit des schädigenden Verhaltens. Dabei hängt es hauptsächlich
von den Eigenheiten des Kindes und seinem Befolgen von Erziehungsmaßahmen
ab, in welchem Umfang allgemeine Belehrungen und Verbote ausreichen oder
deren Beachtung auch überwacht werden muss (vgl.
BGH NJW 2009, 1952
Rn. 17;
NJW 2009, 1954 Rn.
14, jeweils mwN).
24 Danach
genügen Eltern ihrer Aufsichtspflicht über ein normal entwickeltes
13-jähriges Kind, das ihre grundlegenden Gebote und Verbote befolgt,
regelmäßig bereits dadurch, dass sie das Kind über die Rechtswidrigkeit
einer Teilnahme an Internettauschbörsen belehren und ihm eine Teilnahme
daran verbieten. Eine Verpflichtung der Eltern, die Nutzung des Internets
durch das Kind zu überwachen, den Computer des Kindes zu überprüfen oder dem
Kind den Zugang zum Internet (teilweise) zu versperren, besteht
grundsätzlich nicht. Zu derartigen Maßnahmen sind Eltern erst verpflichtet,
wenn sie konkrete Anhaltspunkte dafür haben, dass das Kind dem Verbot
zuwiderhandelt.
25 (2) Es ist allerdings nicht zu bestreiten, dass erfahrungsgemäß
Kinder und Jugendliche aus pädagogischen Gründen auferlegte Verbote
gelegentlich übertreten (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juli 2007 - I ZR
18/04, BGHZ 173, 188 Rn. 26 - Jugendgefährdende Medien bei eBay).
Daraus folgt entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung aber keine
Verpflichtung der Eltern, ohne konkreten Anlass regelmäßig zu kontrollieren,
ob ihr Kind bei der Nutzung von Computer und Internet ihm auferlegte Verbote
beachtet.
26 Eine solche Verpflichtung widerspräche der gesetzlichen Wertung des §
1626 Abs. 2 Satz 1 BGB. Danach sollen die Eltern bei der Pflege und
Erziehung die wachsende Fähigkeit und das wachsende Bedürfnis des Kindes zu
selbständigem verantwortungsbewusstem Handeln berücksichtigen. Mit
diesem Erziehungsgrundsatz wäre es nicht zu vereinbaren, wenn Eltern die
Nutzung des Internets durch ihr 13-jähriges Kind ohne konkreten Anlass
regelmäßig kontrollieren müssten (vgl. Wenn, jurisPR-ITR 5/2008
Anm. 2; Krieg, jurisPR-ITR 16/2008 Anm. 3; Heckmann in jurisPK-Internetrecht,
3. Aufl., Kap. 3.2 Rn. 81).
27 (3) Eine abweichende Beurteilung ergibt sich auch nicht unter
Berücksichtigung des Grundsatzes, dass sich die Zumutbarkeit von
Aufsichtsmaßnahmen nicht nur nach der Person des Aufsichtsbedürftigen,
seiner Eigenart und seinem Charakter, sondern auch nach dem Ausmaß der
Gefahr richtet, die außenstehenden Dritten durch das fragliche Verhalten des
Aufsichtspflichtigen droht (vgl. BGH, Urteil vom 27. Februar 1996 - VI ZR
86/95, NJW 1996, 1404, 1405).
28 Das Ausmaß der Gefahr, die Dritten dadurch droht, dass ein Kind
urheberrechtsverletzende Tauschbörsen nutzt, ist wesentlich geringer als
beispielsweise die Gefahr, der Dritte durch das Fehlverhalten eines Kindes
im Straßenverkehr oder beim Umgang mit Feuer ausgesetzt sind. Die
massenhafte Nutzung von Tauschbörsen beeinträchtigt die urheberrechtlich
geschützten Rechte und wirtschaftlichen Interessen der Rechtsinhaber zwar
auch dann ganz erheblich, wenn die einzelne Rechtsverletzung für sich
genommen kein beträchtliches Ausmaß erreicht (BGH, Beschluss vom 19. April
2012 - I ZB 80/11, GRUR 2012, 1026 Rn. 23 = WRP 2012, 1250 - Alles kann
besser werden). Daraus folgt entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung
jedoch keine Verpflichtung von Eltern, die Nutzung des Internets durch ihre
Kinder ohne konkreten Anhaltspunkt für derartige Rechtsverletzungen zu
beschränken oder zu überwachen.
29 cc) Nach diesen Maßstäben haben die Beklagten ihrer Aufsichtspflicht
dadurch genügt, dass sie ihrem Sohn die rechtswidrige Teilnahme an
Internettauschbörsen nach einer entsprechenden Belehrung verboten haben. Die
Beklagten haben vorgetragen, sie hätten mit ihren Kindern immer wieder über
das Thema des illegalen Downloads von Musik und Filmen aus dem Internet
diskutiert und ihnen dies ausdrücklich untersagt. Damit sind die Beklagten,
wie auch das Berufungsgericht insoweit mit Recht angenommen hat, den an die
Vorgabe von Verhaltensregeln zu stellenden Anforderungen nachgekommen. Die
Revisionserwiderung macht ohne Erfolg geltend, die Aufklärung des Sohnes
über die Gefahren des illegalen Filesharing könne nicht so intensiv gewesen
sein, wie die Beklagten behaupten; denn dieser habe bei seiner polizeilichen
Vernehmung bekundet, er habe gar nicht gewusst, dass er die Lieder nicht nur
herunterlade, sondern sie auch über eine Tauschbörse zur Verfügung stelle.
Eine besonders intensive Belehrung war indessen im Blick darauf nicht
erforderlich, dass es sich beim Sohn der Beklagten um ein normal
entwickeltes, einsichtsfähiges und verhaltensunauffälliges 13-jähriges Kind
handelte. Zu Überwachungsmaßnahmen waren die Beklagten dagegen nicht
verpflichtet. Für die Beklagten beststanden keine Anhaltspunkte, dass sich
ihr Sohn nicht an das ihm auferlegte Verbot hält. Sie waren daher
entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts weder verpflichtet, ihren
13-jährigen Sohn etwa durch Installation einer Firewall oder eines
Sicherheitsprogramms daran zu hindern, auf seinem Computer weitere Programme
zu installieren, noch verpflichtet, ihn dadurch zu überwachen, dass sie
seinen Computer beispielsweise durch eine monatliche Kontrolle der
Softwareliste und des Computerdesktop nach bereits installierten
Tauschbörsenprogrammen durchsuchen.
30 II. Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich auch nicht aus
anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).
31 1. Das Berufungsgericht hat offengelassen, ob der Beklagte zu 1 die
Rechte der Klägerinnen selbst oder mithilfe seines Sohnes verletzt hat und
daher unmittelbar nach §§ 97, 19a UrhG haftet. Diese Frage ist zu verneinen.
Es kann nicht angenommen werden, der Beklagte zu 1 sei für die von
den Klägerinnen behaupteten Urheberrechtsverletzungen unmittelbar als Täter
oder Teilnehmer verantwortlich.
32 a) Die Klägerinnen tragen nach allgemeinen Grundsätzen als
Anspruchsteller die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die
Voraussetzungen der geltend gemachten Ansprüche auf Schadensersatz und
Erstattung von Abmahnkosten erfüllt sind. Danach ist es grundsätzlich ihre
Sache, darzulegen und nachzuweisen, dass der Beklagte zu 1 Täter oder
Teilnehmer der von ihnen behaupteten Urheberechtsverletzung ist.
33 b) Wird
ein urheberrechtlich geschütztes Werk oder eine urheberrechtlich geschützte
Leistung der Öffentlichkeit von einer IP-Adresse aus zugänglich gemacht, die
zum fraglichen Zeitpunkt einer bestimmten Person zugeteilt ist, spricht
allerdings eine tatsächliche Vermutung dafür, dass diese Person für die
Rechtsverletzung verantwortlich ist (vgl.
Urteil vom 12. Mai 2010 - I ZR
121/08, BGHZ 185, 330 Rn. 12 - Sommer unseres Lebens). Da
die Beklagten Inhaber des Internetanschlusses sind, über den die Musikstücke
nach Darstellung der Klägerinnen in Tauschbörsen öffentlich zugänglich
gemacht wurden, spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass sie für die
von den Klägerinnen behauptete Verletzung ihrer Rechte verantwortlich sind.
34 c) Diese tatsächliche Vermutung ist im Streitfall jedoch
entkräftet, da nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen die
ernsthafte Möglichkeit besteht, dass allein ein Dritter und nicht auch der
Anschlussinhaber den Internetzugang für die behauptete Rechtsverletzung
genutzt hat. Das Berufungsgericht ist insbesondere aufgrund der
Einlassung des Sohnes der Beklagten bei seiner polizeilichen Vernehmung
davon ausgegangen, dieser habe den Internetzugang der Beklagten dazu
genutzt, die in Rede stehenden Musiktitel über Tauschbörsen öffentlich
zugänglich zu machen. Damit ist die tatsächliche Vermutung, die
Beklagten hätten die Rechte der Klägerinnen verletzt, erschüttert.
Dem steht nicht entgegen, dass nach den Feststellungen des Berufungsgerichts
auf dem PC des Sohnes ein eigener Ordner mit der Bezeichnung „Papas Music"
angelegt war, in dem sich Musiktitel einer Musikrichtung befanden, für die
sich 13-jährige in der Regel nicht interessieren. Dieser Umstand könnte
allenfalls ein Indiz für eine Verantwortlichkeit des Beklagten zu 1 sein; er
kann aber keine tatsächliche Vermutung seiner Verantwortlichkeit begründen.
35 d) Unter diesen Umständen ist es wiederum Sache der Klägerinnen als
Anspruchsteller, die für eine Haftung der Beklagten als Täter oder
Teilnehmer einer Urheberrechtsverletzung sprechenden Umstände darzulegen und
nachzuweisen. Solche Umstände haben die Klägerinnen nicht hinreichend
dargelegt. Allein die Tatsache, dass auf dem PC des Sohnes der Beklagten der
soeben beschriebene Ordner mit der Bezeichnung „Papas Music" angelegt war,
lässt nicht darauf schließen, der Beklagte zu 1 habe die Rechte der
Klägerinnen an den hier in Rede stehenden Musiktiteln selbst oder mithilfe
seines Sohnes verletzt. Die Musikaufnahmen in diesem Ordner gehören nicht zu
den 15 Musikaufnahmen, wegen deren öffentlicher Zugänglichmachung die
Klägerinnen die Beklagten im vorliegenden Rechtsstreit in Anspruch nehmen.
Es kann auch nicht angenommen werden, der Beklagte zu 1 habe die im Ordner
„Papas Music" enthaltenen Musikdateien allein oder zusammen mit seinem Sohn
über eine Tauschbörse heruntergeladen und dabei im Gegenzug die hier in Rede
stehenden Musiktitel in der Tauschbörse öffentlich zugänglich gemacht. Die
Revisionserwiderung verweist selbst auf den unwidersprochen gebliebenen
Vortrag der Beklagten, der Beklagte zu 1 habe die im Ordner „Papas Music"
enthaltene Musik von rechtmäßig erworbenen CDs zum privaten Gebrauch auf
seinen PC aufgespielt, ihr Sohn habe diese Musik nachdem ihm der PC
überlassen worden sei, in dem mit „Papas Music" bezeichneten Ordner
abgelegt. Die Revisionserwiderung zeigt auch kein Vorbringen der Klägerinnen
auf, aus dem sich der für eine Teilnehmerhaftung des Beklagten zu 1
erforderliche Vorsatz in Bezug auf die Haupttat (vgl. BGHZ 185, 330 Rn. 16 -
Sommer unseres Lebens; BGH, Urteil vom 22. Juni 2011 - I ZR 159/10, GRUR
2011, 1018 Rn. 24 = WRP 2011, 1469 - Automobil-Onlinebörse, mwN), also das
öffentliche Zugänglichmachen der hier in Rede stehenden Musikaufnahmen durch
seinen Sohn, ergeben könnte.
36 2. Die Beklagten sind den Klägerinnen entgegen der Ansicht der
Revisionserwiderung auch nicht als Inhaber des Internetanschlusses unter dem
Gesichtspunkt der Eröffnung einer Gefahrenquelle zum Schadensersatz und zur
Erstattung von Abmahnkosten verpflichtet.
37 a) Schadensersatzansprüche der Klägerinnen scheiden aus, weil die
Beklagten als Inhaber des Internetanschlusses nicht als Täter oder
Teilnehmer einer von ihrem Sohn begangenen Urheberrechtsverletzung haften.
38 Der Betrieb eines Internetanschlusses kann unter dem
Gesichtspunkt der Eröffnung einer Gefahrenquelle keine Haftung des
Anschlussinhabers für eine täterschaftlich begangene Urheberrechtsverletzung
begründen. Für eine täterschaftlich begangene
Urheberrechtsverletzung müssen die Merkmale eines der handlungsbezogenen
Verletzungstatbestände des Urheberrechts erfüllt sein (vgl. BGHZ 185, 330
Rn. 13 - Sommer unseres Lebens; BGH, GRUR 2011, 1018 Rn. 18 -
Automobil-Onlinebörse). Im Streitfall müsste das beanstandete
Verhalten der Beklagten - also der Betrieb des Internetanschlusses - den
Tatbestand der öffentlichen Zugänglichmachung (§ 19a UrhG) der Tonträger (§
85 Abs. 1 Satz 1 Fall 3 UrhG) und Darbietungen (§ 78 Abs. 1 Nr. 1 UrhG)
erfüllen. Dies ist indessen nicht der Fall.
39 Die Beklagten sind auch nicht Teilnehmer einer von ihrem Sohn begangenen
Urheberrechtsverletzung. Ihnen fehlt jedenfalls der dafür erforderliche
Vorsatz.
40 b) Die
Beklagten haften als Inhaber des Internetanschlusses auch nicht als Störer
wegen einer von ihrem Sohn begangenen Urheberrechtsverletzung auf
Unterlassung. Auch die von den Klägerinnen geltend gemachten
Ansprüche auf Erstattung von Abmahnkosten sind daher nicht begründet, da die
Abmahnung unter keinem Gesichtspunkt berechtigt war.
41 Als Störer kann bei der Verletzung absoluter Rechte auf
Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer - ohne Täter oder Teilnehmer
zu sein - in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung
des geschützten Rechts beiträgt. Da die Störerhaftung nicht
über Gebühr auf Dritte erstreckt werden darf, die nicht selbst die
rechtswidrige Beeinträchtigung vorgenommen haben, setzt die Haftung des
Störers nach der Rechtsprechung des Senats die Verletzung von Prüfpflichten
voraus. Deren Umfang bestimmt sich danach, ob und inwieweit dem als Störer
in Anspruch Genommenen nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten ist
(BGHZ 185, 330 Rn. 19 - Sommer unseres
Lebens, mwN).
42 Der Senat hat zwar entschieden, dass nach diesen Grundsätzen der
Inhaber eines ungesicherten WLAN-Anschlusses als Störer auf Unterlassung
haftet, wenn außenstehende Dritte diesen Anschluss missbräuchlich nutzen, um
urheberrechtlich geschützte Musiktitel in Internettauschbörsen einzustellen
(vgl. BGHZ 185, 330 Rn. 20 bis 24 - Sommer unseres Lebens). Diese
Entscheidung ist aber nicht auf die hier vorliegende Fallgestaltung
übertragbar, bei der Eltern den Internetanschluss ihren Kindern zur
Verfügung stellen. Die Prüfpflichten, die Eltern als Inhabern eines
Internetanschlusses obliegen, haben bei einer Überlassung des
Internetanschlusses an ihr minderjähriges Kind denselben Inhalt und Umfang
wie ihre Aufsichtspflicht über das Kind hinsichtlich dessen Internetnutzung
(vgl. oben Rn. 22 ff.). Die Beklagten haben diese Prüfpflichten nicht
verletzt (vgl. oben Rn. 29).
43 III. Danach ist auf die Revision der Beklagten das Berufungsurteil
aufzuheben. Auf die Berufung der Beklagten ist das landgerichtliche Urteil
abzuändern und die Klage abzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91
Abs. 1, § 100 Abs. 2 ZPO.
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