Analoge Anwendung der der in § 832 BGB
vorgesehenen Beweislastumkehr für Aufsichtsverschulden im Rahmen der
Amtshaftung nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG
BGH, Urteil vom 13. Dezember 2012 -
III ZR 226/12 - OLG Koblenz
Fundstelle:
noch nicht bekannt
BGHZ 196, 35
Amtl. Leitsatz:
Beschädigen in einer Kindertagesstätte
untergebrachte Kinder Eigentum Dritter, so kommt dem Geschädigten, der gegen
eine Gemeinde als Trägerin der Kindertagesstätte wegen Verletzung der den
Erzieherinnen der Kindertagesstätte obliegenden Aufsichtspflichten
Amtshaftungsansprüche nach § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG geltend
macht, die Beweislastregel des § 832 BGB zugute (Aufgabe des Senatsurteils
vom 15. März 1954 - III ZR 333/52, BGHZ 13, 25).
Zentrale Probleme:
Eine wichtige und über den konkreten Fall hinaus
lehrreiche Entscheidung zum Deliktsrecht: Im Falle einer deliktischen
Schädigung durch einen Minderjährigen haftet der Aufsichtspflichtige, sofern
er nicht nachweist, dass er seiner Aufsichtspflicht nachgekommen ist oder
der Schaden auch bei Erfüllung dieser Pflicht eingetreten wäre. Es handelt
sich hier also um eine Haftung für vernutetes (eigenes) Verschulden des
Aufsichtspflichtigen (zur Reichweite s. auch
BGH NJW 2009, 1954 sowie
BGH v. 15.12.2012 - I ZR 74/12). Hier
handelte es sich bei den Aufsichtspflichtigen um Angestellte eines
städtischen Kindergartens. Daher kommt (nur) eine Amtshaftung der
Aufsichtspflichtigen nach § 839 BGB (die Art. 34 GG auf den Staat
überleitet) in Betracht. Diese Norm setzt die Verletzung einer
drittbezogenen Amtspflicht voraus, vor allem aber wird die
(Aufsichts-)Pflichtverletzung (und die Kausalität) nicht wie in § 832 BGB
vermutet. Der BGH wendet aber - unter Aufgabe seiner bisherigen Rspr. - die
Vermutungsregel des § 832 BGB auch im Rahmen des § 839 BGB an. Das gilt auch
für Beweislastregeln in den §§ 833, 836 BGB. Der entscheidende Satz findet sich
bei Tz. 24: "Verdrängt werden durch den Sondertatbestand
des § 839 BGB lediglich die Haftungstatbestände der §§ 823 ff BGB als
solche, nicht hingegen die in ihnen enthaltenen besonderen Beweislastregeln
". Zur Amtshaftung s. auch
BGH v. 6.3.2014 - III ZR 320/12 sowie
BGH v. 18.2.2014 – VI ZR 383/12
und BGH v. 9.10.2014 - III ZR 68/14.
©sl 2013
Tatbestand:
1 Der Kläger nimmt die beklagte Stadt
als Träger einer Kindertagesstätte wegen Lackschäden an seinem Fahrzeug auf
Schadensersatz in Anspruch.
2 Der Kläger parkte sein Fahrzeug am 22. Juni 2010 im Eingangsbereich eines
Schulgebäudes, in dem er - als Inhaber eines Sanitärunternehmens -einen
Wasserschaden beseitigte. In dem Schulgebäude befindet sich auch eine
Kindertagesstätte, deren 20 x 25 Meter großer Außenbereich mit einem
Gittermattenzaun aus Metall eingezäunt ist.
3 Am Schadenstag war eine aus acht Kindern bestehende Gruppe der Tagesstätte
unter der Leitung einer Erzieherin mit Gartenarbeiten beschäftigt. Drei
Kinder dieser Gruppe entfernten sich und warfen mehrere Kieselsteine, die
als Ziersteine um das Gebäude der Tagesstätte lagen, auf das Fahrzeug des
Klägers, das etwa zwei Meter von dem Außenbereich der Tagesstätte entfernt
parkte.
4 Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die beklagte Stadt hafte
für die an seinem Fahrzeug durch den Steinwurf entstandenen Lackschäden
wegen Verletzung der Aufsichtspflicht seitens der Erzieherinnen der
Kindertagesstätte. Soweit die als Zeuginnen vernommenen
Erzieherinnen nichts Näheres zur Wahrnehmung der ihnen obliegenden
Aufsichtspflicht bekundet hätten, gehe dies zu Lasten der Beklagten.
5 Die beklagte Stadt hat die Auffassung vertreten, die Bediensteten der
Kindertagesstätte hätten ihre Aufsichtspflicht nicht verletzt. Eine ständige
Überwachung der Kinder "auf Schritt und Tritt" könne nicht verlangt werden.
6 Das Landgericht hat - nach Beweisaufnahme - die Klage abgewiesen. Das
Berufungsgericht hat das erstinstanzliche Urteil auf die Berufung des
Klägers abgeändert und die Beklagte unter Klageabweisung im Übrigen zur
Zahlung von 1.125,58 € verurteilt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen
Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.
Entscheidungsgründe
7 Die Revision ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
I.
8 Das Berufungsgericht hat einen Schadensersatzanspruch des Klägers
gemäß § 839 Abs. 1 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG bejaht. Die
Erzieherinnen der Kindertagesstätte seien in Ausübung eines
öffentlichen Amts tätig geworden. Die ihnen im Hinblick auf die
ihnen anvertrauten Kleinkinder obliegende Aufsichtspflicht bezwecke
auch den Schutz Dritter vor aufgrund kindlichen Verhaltens drohenden
Gefahren. Diese Aufsichtspflicht hätten die Erzieherinnen bei der
Aufsicht über die am 22. Juni 2010 sich im Außenbereich der Tagesstätte
aufhaltenden Kinder verletzt.
9 Das Spielverhalten der Kinder sei in regelmäßigen Abständen von wenigen
Minuten zu kontrollieren gewesen. Letztlich bleibe ungeklärt, ob und
inwieweit die für die Kinderbetreuung verantwortlichen Erzieherinnen ihre
Aufsichtspflicht konkret erfüllt hätten. Hierfür sowie für die Kausalität
der Pflichtverletzung für den eingetretenen Schaden und für das Verschulden
treffe die Beklagte die Darlegungs- und Beweislast. Insoweit sei - entgegen
einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 15. März 1954 (III ZR 333/52,
BGHZ 13, 25) - der Auffassung zu folgen, die eine Anwendung der
Beweislastumkehr nach § 832 Abs. 1 Satz 2 BGB auch bei
öffentlich-rechtlichen Aufsichtsverhältnissen befürworte. Ein überzeugender
Grund für eine rechtliche Ungleichbehandlung des Geschädigten je nach der
Natur der Aufsichtspflicht sei nicht ersichtlich.
10 Den somit ihr entsprechend § 832 Abs. 1 Satz 2 BGB obliegenden
Entlastungsbeweis habe die Beklagte nicht erbracht. Das Ergebnis der
Beweisaufnahme trage nicht die Behauptung der Beklagten, die zuständige
Erzieherin habe regelmäßig nach den Kindern der Gruppe geschaut.
II.
11 Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung stand.
12 1. Zu Recht und mit zutreffender Begründung ist das
Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die Erzieherinnen der in
öffentlicher Trägerschaft stehenden Kindertagesstätte in Ausübung eines
öffentlichen Amtes tätig waren und sich die Haftung der beklagten Stadt
daher nach Amtshaftungsgrundsätzen gemäß § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34
GG beurteilt. Dies wird von der Revision auch nicht in Frage gestellt.
13 2. Zutreffend hat das Berufungsgericht des Weiteren den Umfang
und den Inhalt der den Erzieherinnen der Kindertagesstätte - auch zum Schutz
Dritter (vgl. Senat, Urteil vom 15. März 1954 - III ZR 333/52, BGHZ
13, 25, 26 zur Aufsichtspflicht beamteter Lehrer; OLG Düsseldorf, VersR
1996, 710; Staudinger/ Belling [2012], BGB, § 832 Rn. 24) - obliegenden
Aufsichtspflicht bestimmt. Maßgeblich sind stets die Umstände des
Einzelfalls, insbesondere Alter, Eigenart und Charakter der
Aufsichtsbedürftigen, das örtliche Umfeld, das Ausmaß der drohenden
Gefahren, die Voraussehbarkeit des schädigenden Verhaltens sowie die
Zumutbarkeit der Aufsichtsmaßnahme für den Aufsichtspflichtigen
(BGH, Urteile vom 10. Juli 1984 - VI ZR 273/82, NJW 1984, 2574, 2575; vom 7.
Juli 1987 - VI ZR 176/86, NJW-RR 1987, 1430, 1431 und vom
24. März 2009 - VI ZR 199/08, NJW
2009, 1954 Rn. 8; OLG Düsseldorf aaO; Staudinger/Belling
aaO Rn. 65 ff; Spindler in Beck OK [2012], BGB, § 832 Rn. 19 ff). Danach
waren vorliegend die Kleinkinder der von der Zeugin K. betreuten Gruppe zwar
nicht "auf Schritt und Tritt", aber doch in kurzen Abständen regelmäßig zu
kontrollieren (vgl. BGH, Urteil vom 24. März 2009 - VI ZR 51/08, VersR 2009,
788, 789 mwN; OLG Köln, MDR 1999, 997 f; OLG Düsseldorf aaO S. 711). Dies
gilt auch deshalb, weil es aufgrund der Lage des Außengeländes der
Tagesstätte und der konkreten Tätigkeit der Kinder dieser Gruppe
(Gartenarbeiten unter Zuhilfenahme von Gartengeräten) nicht ausgeschlossen
erschien, dass die Kinder selbst oder Dritte in Folge kindlichen Spiels und
gruppendynamischer Prozesse gefährdet werden konnten.
14 Gegen das auf diese Weise bestimmte Maß der Aufsicht erhebt auch die
Revision keine Einwände.
15 3. a) Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist ferner die Feststellung
des Berufungsgerichts, es bleibe letztlich ungeklärt, ob und inwieweit die
für die Kinderbetreuung auf dem Freigelände der Kindertagesstätte
verantwortlichen Erzieherinnen, namentlich die Zeugin K. , ihrer
Aufsichtspflicht nachgekommen seien.
16 Nach § 286 Abs. 1 ZPO hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten
Inhalts der Verhandlung und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme
nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung wahr
oder nicht wahr ist. Diese Würdigung ist grundsätzlich Sache des
Tatrichters, an dessen Feststellungen das Revisionsgericht gemäß § 559 Abs.
2 ZPO gebunden ist. Dieses kann lediglich überprüfen, ob das
Berufungsgericht die Voraussetzungen und die Grenzen des § 286 ZPO gewahrt
hat. Damit unterliegt der Nachprüfung nur, ob sich der Tatrichter mit dem
Prozessstoff und den etwaigen Beweisergebnissen umfassend und
widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Würdigung also vollständig und
rechtlich möglich ist und nicht gegen Denk- und Erfahrungssätze verstößt
(vgl. nur Senat, Urteile vom 19. Juni 2008 - III ZR 46/06, NJW-RR 2008, 1484
Rn. 22 und vom 5. November 2009 - III ZR 6/09, NJW 2010, 1456 Rn. 8, jeweils
mwN).
17 Bei Anwendung dieses revisionsrechtlichen Maßstabes bestehen gegen die
Würdigung des Berufungsgerichts, nach dem vom Landgericht gefundenen
Beweisergebnis verblieben zumindest Restzweifel, ob die Erzieherinnen ihrer
Aufsichtspflicht hinreichend nachgekommen seien, keine Bedenken. Die
Beweisaufnahme hat insbesondere nicht ergeben, welche Kontrollmaßnahmen in
welchen zeitlichen Abständen die Zeugin K. hinsichtlich der Gruppe, die
ihrer Aufsicht unterlag und aus der die Kinder stammten, die das Fahrzeug
des Klägers mit Steinen beworfen haben, ergriffen hat. Zwar ist der Umstand,
dass die Zeugin den Steinwurf und das von ihm erzeugte Aufprallgeräusch
nicht mitbekommen hat, in Bezug auf die hinreichende Wahrnehmung ihrer
Aufsichtspflicht unergiebig, da die Wurfstelle nach den Feststellungen des
Berufungsgerichts 10 beziehungsweise 20 bis 25 Meter von der zu
beaufsichtigenden Gruppe entfernt war und Kinderlärm das Aufprallgeräusch
überdeckt haben mag. Der Umstand, dass sich drei Kinder und damit ein ganz
erheblicher Teil der von ihr zu beaufsichtigenden Gruppe von den
Gartenarbeiten entfernt hatten, konnte der Zeugin jedoch bei Beobachtung der
ihr obliegenden Aufsichtspflicht nicht über einen längeren Zeitraum
verborgen geblieben sein.
18 Gleichermaßen ist nicht festgestellt, ob eine - unterstellte -
Aufsichtspflichtverletzung der Zeugin K. ursächlich für den Schaden des
Klägers geworden ist. Denn es ist nicht ausgeschlossen, dass es den drei
Kindern auch bei einer im Abstand von wenigen Minuten erfolgenden und damit
hinreichenden Kontrolle durch die Zeugin hätte gelingen können, unbeobachtet
Steine aufzusammeln, sich von der Gruppe für kurze Zeit zu entfernen und die
Steine auf das Fahrzeug des Klägers zu werfen.
19 b) Damit ist vorliegend - wie das Berufungsgericht zutreffend
erkannt hat - die Frage der Darlegungs- und Beweislast für die Erfüllung der
Aufsichtspflicht und die Ursächlichkeit einer etwaigen
Aufsichtspflichtverletzung für den Schaden des Klägers von entscheidender
Bedeutung. Fraglich ist insbesondere, ob die Beweislastregel des § 832 BGB
im Rahmen der Amtshaftung nach § 839 BGB anwendbar ist. Dies ist in
Rechtsprechung und Literatur umstritten:
20 aa) Der Senat hat in einer älteren Entscheidung (Urteil
vom 15. März 1954 - III ZR 333/52, BGHZ 13, 25, 27 f) eine Anwendung
des § 832 BGB und des dort geregelten Entschuldigungsbeweises bei einem
Zusammentreffen mit einem Anspruch aus § 839 BGB abgelehnt (so auch
OLG Düsseldorf VersR 1996, 710; OLG Dresden, NJW-RR 1997, 857, 858; OLG
Hamburg, OLGR 1999, 190, 191; OLG Karlsruhe, Urteil vom 30. März 2006 - 12 U
298/05, Juris Rn. 18 ff; Staudinger/Wöstmann [2013], BGB, § 839 Rn. 780;
MünchKomm BGB/Wagner, 5. Aufl., § 839 Rn. 6, 12; Palandt/Sprau, BGB, 71.
Aufl., § 832
Rn. 3, § 839 Rn. 3; NK-BGB/Katzenmeier, 2. Aufl. § 832 Rn. 6; Oberhardt, Die
Aufsichtspflicht öffentlicher Einrichtungen nach § 832 BGB - im
Spannungsfeld zur Amtshaftung, 2010, S. 291 ff). Die Haftung des
Beamten sei in § 839 BGB abschließend und selbständig in dem Sinn geregelt,
dass neben diesen Vorschriften die Bestimmungen in §§ 823 ff BGB über die
allgemeine Deliktshaftung keine Anwendung finden könnten (so auch
OLG Düsseldorf; OLG Karlsruhe, jew. aaO; zur methodischen Begründung vgl.
Oberhardt aaO S. 311 ff). Das gelte auch für die Bestimmungen in §
832 BGB, die nicht nur eine Beweisregel enthielten, sondern einen
selbständigen Deliktstatbestand schafften. Es sei zwar nicht zu
verkennen, dass danach der beamtete Aufsichtspflichtige günstiger gestellt
sei als der allgemeine Aufsichtspflichtige, der nach § 832 BGB den
Entschuldigungsbeweis führen müsse. Eine solche Begünstigung von
fahrlässig ihre Amtspflicht verletzenden Beamten sei aber auch sonst dem
Gesetz nicht fremd, wie sich aus § 839 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 und 3 BGB
ergebe. Andererseits könne eine Verpflichtung zum Schadensersatz
aus § 839 BGB auch dann begründet sein, wenn einer der sonstigen
Deliktstatbestände nicht oder nicht voll verwirklicht sei. Soweit es sich um
Ausübung öffentlicher Gewalt handele, komme dem Geschädigten überdies
zugute, dass er sich an den Staat halten könne, statt an den möglicherweise
nicht leistungsfähigen Beamten (Senat aaO).
21 Ergänzend wird angeführt, für eine analoge Anwendung der
Beweislastregel des § 832 BGB fehle es an den Analogievoraussetzungen der
Rechtsähnlichkeit und der planwidrigen Regelungslücke (Oberhardt
aaO S. 315). Einer Übertragung der Beweislastregel des § 832 Abs. 1 Satz 2
BGB auf den Amtshaftungsanspruch bedürfe es im Übrigen auch deshalb nicht,
weil mit Hilfe der flexiblen, im Bereich des Amtshaftungsanspruchs
bestehenden Instrumentarien der Beweiserleichterung etwaige
Beweisschwierigkeiten bei einer möglichen Unbilligkeit interessengerecht
gelöst werden könnten (Oberhardt aaO S. 303 ff, 324).
22 bb) Nach anderer Auffassung, der sich das Berufungsgericht
angeschlossen hat, soll die in § 832 Abs. 1 Satz 2 BGB bestimmte Beweislast
auch bei öffentlich-rechtlichen Aufsichtsverhältnissen Anwendung finden
(OLG Köln MDR 1999, 997, 998; Marburger, VersR 1971, 777, 788;
Mertens, MDR 1999, 998; Staudinger/Belling [2012], BGB, § 832 Rn. 211;
Soergel/Krause [2005], BGB, § 832 Rn. 19; Spindler in Bamberger/Roth, BGB,
3. Aufl., § 832 Rn. 3; Schaub in Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, 7. Aufl., §
832 Rn. 2; Ansgar Staudinger in Hk-BGB, 7. Aufl., § 832 Rn. 4; Geigel/Kapsa,
Haftpflichtprozess, 26. Aufl., 20. Kap. Rn. 251; Greger, Haftungsrecht des
Straßenverkehrs, 4. Aufl., § 12 Rn. 13; so wohl auch Moritz in JurisPK
[2012], BGB, § 832 Rn. 10 f). Es könne keinen Unterschied machen, ob
eine bestehende Aufsichtspflicht sich als Amtspflicht darstelle oder nicht
(so in einem vergleichbaren Fall OLG Köln aaO: "konkret also, ob
die Steine vom Gelände eines städtischen Kindergartens oder eines
Kindergartens in freier Trägerschaft geworfen wurden."). Nach
neuerer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs würden zudem sowohl bei der
Haftung für Tiere als auch bei der Haftung für den Zustand von Gebäuden die
Beweislastregeln des § 833 Satz 2 BGB (vgl. BGH, Urteil vom 26.
Juni 1972 - III ZR 32/70, VersR 1972, 1047) beziehungsweise des §
836 Abs. 1 Satz 2 BGB (vgl. BGH, Urteil vom 5. April 1990 - III ZR
4/89, NJW-RR 1990, 1500, 1501) im Rahmen des § 839 BGB entsprechend
herangezogen. Ein plausibler Grund, warum für § 832 Abs. 1
Satz 2 BGB etwas anderes gelten solle, sei nicht zu erkennen (OLG
Köln; Staudinger/Belling; Ansgar Staudinger; Mertens, jew. aaO; Marburger
aaO S. 788). Auch die Aufsichtspflicht nach § 832 BGB regele - wie § 836 BGB
- nur einen Unterfall der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht, da auch sie
der Verhinderung von Schäden an Rechtsgütern Dritter infolge einer
"Verkehrseröffnung" diene (Mertens aaO S. 998 f). Zudem finde im
Fall der Aufsichtspflicht die Beweislastumkehr ihren Grund darin, dass dem
Geschädigten regelmäßig der Nachweis der Aufsichtspflichtverletzung ohne
Einblick in die internen Vorgänge beim Verpflichteten nicht möglich sein
werde (Staudinger/Belling aaO; Mertens aaO S. 999; Spindler;
Moritz, jew. aaO; Marburger aaO S. 788). Es entspreche dem Wesen der
Aufsichtspflicht als einer gesetzlichen Pflicht gegenüber dem Geschädigten,
dass der Pflichtige Rechenschaft darüber ablege, was er zur Erfüllung seiner
Pflicht getan habe (Staudinger/Belling aaO). Diese ratio greife
unabhängig davon, ob die Aufsichtspflicht dem Pflichtigen aufgrund eines
privatrechtlichen Rechtsverhältnisses oder als Amtspflicht obliege (Mertens
aaO). Der zur Begründung der Nichtanwendbarkeit der Beweislastregel des §
832 BGB herangezogene Verweis auf die gesetzlichen Haftungsprivilegien des
seine Amtspflicht verletzen- den Organwalters (§ 839 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2,
3 BGB) trage nicht, weil diese sämtlich auf anderen Erwägungen beruhten als
solchen, die für die Verteilung der Beweislast maßgeblich seien (Mertens aaO).
Auch lasse die Tatsache, dass der Kreis der Amtspflichten weiter
reiche als das Verbot, die durch §§ 823 ff BGB geschützten Güter zu
verletzen, keinen Schluss darauf zu, dass der Geschädigte auf anderem Gebiet
(beweismäßig) schlechter zu stellen sei (Mertens aaO). Schließlich
habe das Argument, dem Geschädigten einer Amtspflichtverletzung stehe ein
leistungsfähiger Schuldner gegenüber, in anderen Fällen der Beweislastumkehr
die Rechtsprechung zu Recht nicht davon abgehalten, auch diese auf die
haftende Körperschaft überzuleiten. Die Frage, wer hafte, habe mit der
Frage, wer welche Haftungsvoraussetzungen darlegen und beweisen müsse,
nichts zu tun (Mertens aaO).
23 cc) Der Senat schließt sich - unter Aufgabe seiner früheren
Rechtsprechung (Urteil vom 15. März 1954, aaO) - der zuletzt genannten
Auffassung an. Die Beweislastregel des § 832 BGB gilt auch im Rahmen der
Haftung für die Verletzung der öffentlich-rechtlichen Aufsichtspflicht nach
§ 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG.
24 Die den Bediensteten einer Kindertagesstätte obliegende Aufsichtspflicht
über die ihnen anvertrauten Kinder ist, soweit sie der Vermeidung von
Schäden Dritter dient, eine besondere Ausprägung der
Verkehrssicherungspflichten, wie sie allgemein von der Grundnorm des § 823
BGB erfasst werden. Im Bereich der privatrechtlichen Haftung ist sie
in § 832 BGB geregelt, der im Rahmen der §§ 823 ff BGB einen eigenständigen
Haftungstatbestand bildet (Staudinger/ Belling aaO Rn. 2 mwN).
Zwar ist für eine unmittelbare Anwendung der deliktsrechtlichen
Haftungstatbestände der §§ 823 ff BGB im Fall von Amtspflichtverletzungen
grundsätzlich kein Raum, weil § 839 BGB insofern einen Sondertatbestand
darstellt (Senat, Urteil vom 5. April 1990 - III ZR 4/89, NJW-RR
1990, 1500, 1501). Dies bedeutet indes nicht, dass die besonderen
Beweislastregeln der §§ 832, 833 Satz 2 und § 836 BGB im Rahmen der
Amtshaftung keine Anwendung finden können. Verdrängt werden durch
den Sondertatbestand des § 839 BGB lediglich die Haftungstatbestände der §§
823 ff BGB als solche, nicht hingegen die in ihnen enthaltenen besonderen
Beweislastregeln (vgl. Senat aaO zur Anwendbarkeit von § 836 BGB
sowie Urteil vom 26. Juni 1972 - III ZR 32/70, VersR 1972, 1047, 1048 zur
Anwendbarkeit der Beweislastregel des § 833 Satz 2 BGB).
25 Soweit demgegenüber in der Entscheidung des Senats vom 15. März 1954 (aaO)
die Nichtanwendbarkeit der in § 832 BGB enthaltenen Beweislastregel im
Bereich der Amtshaftung angenommen wird, hält der Senat hieran nicht mehr
fest. Der dort zur Begründung herangezogene Normcharakter des § 832 BGB als
selbständiger Deliktstatbestand ist für die Anwendbarkeit der in ihm
zugleich enthaltenen Beweislastregel im Rahmen der Amtshaftung nicht von
entscheidender Bedeutung. Insbesondere hat die Verdrängung des
Haftungstatbestandes des § 832 BGB durch den Sondertatbestand des § 839 BGB
nicht zwingend zur Folge, dass die in § 832 BGB enthaltenen Beweislastregel
zu vernachlässigen wäre. Letztere ist hinsichtlich ihrer
Anwendbarkeit im Bereich der Amtshaftung vielmehr getrennt zu betrachten.
Ein Grund, sie insoweit anders zu behandeln als die - ebenfalls eine
Vermutung mit Möglichkeit des Entlastungsbeweises enthaltenden -
Beweislastregeln des § 833 Satz 2 und des § 836 BGB, ist nicht erkennbar.
Die Anwendung der Beweislastregel des § 832 BGB stellt auch nicht die
grundsätzliche Ausgestaltung der gesetzlichen Amtshaftung als Haftung für
Verschulden in Frage. Letzteres wird lediglich vermutet, nicht aber
als Haftungsvoraussetzung derogiert.
26 Die Geltung der Beweislastregel des § 832 BGB im Bereich der Amtshaftung
ist sachlich gerechtfertigt. Für eine Haftung für eine vermutete
Aufsichtspflichtverletzung sprechen dort dieselben Gründe wie im Bereich der
privatrechtlichen Haftung (Mertens aaO S. 999). Es entspricht dem Wesen der
Aufsichtspflicht als einer gesetzlichen Pflicht gegenüber dem Geschädigten,
dass der Pflichtige Rechenschaft darüber ablegt, was er zur Erfüllung seiner
Pflicht getan hat (Staudinger/Belling aaO Rn. 211 unter Hinweis auf Prot II
595). Dagegen ist dem Geschädigten der Nachweis der
Aufsichtspflichtverletzung häufig nicht möglich, da er regelmäßig nicht
weiß, welche konkreten Maßnahmen zur Erfüllung der Aufsichtspflicht im
Einzelfall ergriffen beziehungsweise unterlassen wurden. Die sonst im
Bereich der Amtshaftung bis hin zum Anscheinsbeweis geltenden
Beweiserleichterungen helfen ihm insoweit nicht, da sie eine
Amtspflichtverletzung - hier: eine Aufsichtspflichtverletzung - gerade
voraussetzen (vgl. etwa Senat, Urteil vom 21. Oktober 2004 - III ZR 254/03,
VersR 2005, 1079, 1082 f). Vor der Beweisnot, in die er geriete,
wenn er eine Aufsichtspflichtverletzung der Erzieherinnen nachzuweisen
hätte, vermag ihn daher nur die Vermutung gemäß § 832 BGB zu bewahren.
27 Gegen eine Anwendung der Beweislastregel des § 832 BGB im Bereich der
Amtshaftung können schließlich nicht die in § 839 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 und
3 BGB bestimmten gesetzlichen Haftungsprivilegien des Amtsträgers angeführt
werden. Sie weisen nach Inhalt und Grund keinen Zusammenhang mit der
Beweislastregel des § 832 BGB auf (vgl. Mertens aaO). Auch kann mit ihnen
nicht eine generelle Haftungsprivilegierung des Amtsträgers gerechtfertigt
werden unabhängig von deren Anwendungsbereich und sachlicher Berechtigung.
28 Nach alledem ist kein überzeugender Grund für eine unterschiedliche
Ausgestaltung der Beweislast danach ersichtlich, ob die (im Übrigen
inhaltsgleiche) Aufsichtspflicht dem Betreffenden als Amtspflicht oder als
privatrechtliche Pflicht obliegt. Die in § 832 BGB enthaltene
Beweislastregel ist gleichermaßen in beiden Konstellationen anwendbar.
29 4. Anhaltspunkte für ein Mitverschulden des Klägers ergeben sich entgegen
der Auffassung der Revision weder aus den von der Revision nicht
angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts noch aus dem Sachvortrag
der Beklagten.
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