Amtshaftung gem. § 839 BGB i.V.m. Art. 34 S. 1
GG: Begriff des Amtsträgers im haftungsrechtlichen Sinn; Handeln "in
Ausführung" eines hoheitlichen Amtes; Begriff des "Verwaltungshelfers"
BGH, Urteil vom 9. Oktober 2014 - III
ZR 68/14 - KG Berlin
Fundstelle:
noch nicht bekannt
Amtl. Leitsatz:
a) Der den Berliner Stadtreinigungsbetrieben
(BSR) nach dem Berliner Straßenreinigungsgesetz zugewiesene Winterdienst
(hier: im Bereich von Straßenbahnhaltestellen) stellt eine hoheitliche
Aufgabe dar.
b) Beauftragt die BSR ein Privatunternehmen mit der Wahrnehmung des
Winterdienstes, so handeln dessen Mitarbeiter in Ausübung eines ihnen
anvertrauten öffentlichen Amtes im Sinne von Art. 34 Satz 1 GG mit der
Folge, dass das Privatunternehmen für Verletzungen der Räum- und
Streupflicht dritten Geschädigten gegenüber deliktsrechtlich nicht haftet.
Zentrale Probleme:
Im Mittelpunkt der Entscheidung steht die Amtshaftung nach
§ 839 BGB i.V.m. Art. 34 DG. Ein
privates Unternehmern, das vom Land Berlin mit Schneeräumarbeiten beauftragt
ist, wird wegen der Verletzung zweier Fußgänger nach einem Sturz in Anspruch
genommen. Wenn das Unternehmen als
Amtsträger im Sinne von § 839 BGB gehandelt hat, so ist diese Regelung
gegenüber anderen deliktischen Schadenersatzansprüchen vorrangig.
Dabei kommt es nicht auf die Person des Handelnden an,
sondern auf seine Funktion. Das hat
zur Folge, dass der Amtsträger nicht persönlich haftet, sondern seine
Haftung nach Art. 34 GG auf den Staat übergeleitet wird. Das ist ein Fall
einer gesetzlich angeordneten befreienden Schuldübernahme (s. dazu auch
BGH v. 13.12.2012 - III ZR 226/12
sowie
BGH v. 18.2.2014 – VI ZR 383/12).
Siehe dazu auch im Zusammenhang mit dem behördlich angeordneten Abschleppen
von Kraftfahrzeugen
BGH v. 18.2.2014 – VI ZR 383/12). Zur Haftung von gerichtlich bestellten
Sachverständigen s. auch
BGH v. 6.3.2014 - III ZR 320/12. Offen
lässt der Senat hier die Frage einer Haftung des Unternehmens nach den
Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung für Dritte, weil der dazu nötige
Tatsachenstoff in der Vorinstanz nicht vorgebracht war. Er deutet aber an,
dass es angesichts des Amtshaftungsanspruchs gegen das Land Berlin insoweit
an der Schutzbedürftigkeit fehlen könnte (s. dazu
BGH v. 18.2.2014 - VI
ZR 383/12).
©sl 2014
Tatbestand:
1 Die Klägerin ist eine
Berufsgenossenschaft und verlangt von der beklagten Gesellschaft mit
beschränkter Haftung aus übergegangenem Recht Schadensersatz. Die Klägerin
behauptet, zwei bei ihr versicherte Personen seien am 20. Januar 2010
beziehungsweise am 5. Februar 2010 infolge unzureichenden Winterdienstes der
Beklagten auf schneebedeckten Glatteisflächen im Bereich von
Straßenbahnhaltestellen in Berlin gestürzt und hierdurch erheblich verletzt
worden. Hierbei habe es sich um Arbeitsunfälle gehandelt, für die sie, die
Klägerin, Ersatzleistungen von insgesamt 40.567,92 € erbracht habe. Die
Räum- und Streupflicht habe den Berliner Stadtreinigungsbetrieben (im
Folgenden: BSR), einer rechtsfähigen Anstalt des öffentlichen Rechts, der
Streithelferin der Beklagten, obgelegen, die diese durch rechtsgeschäftliche
Vereinbarung an die Beklagte übertragen habe.
2 Die Parteien haben insbesondere um die Frage der Passivlegitimation der
Beklagten gestritten. Die Klägerin hat gemeint, die Beklagte hafte selbst
für unzureichenden Winterdienst, weil sie diese Aufgabe übernommen habe. Die
Beklagte hat sich demgegenüber darauf berufen, dass es sich bei der
Wahrnehmung der Räum- und Streupflicht in den betreffenden
Haltestellenbereichen um eine hoheitliche Aufgabe handele mit der Folge,
dass sie gemäß Art. 34 Satz 1 GG nicht passiv legitimiert sei.
3 Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Kammergericht hat die
hiergegen eingelegte Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer vom
Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr
Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
4 Die zulässige Revision ist unbegründet.
I.
5 Das Berufungsgericht (Grundeigentum 2014, 588) hat in Übereinstimmung mit
dem Landgericht die Passivlegitimation der Beklagten verneint und hierzu im
Wesentlichen ausgeführt: Die Räum- und Streupflicht sei in Berlin
gesetzlich als öffentliche Aufgabe geregelt, die für das Land Berlin von der
BSR hoheitlich durchgeführt werde. Werde diese Pflicht aufgrund
eines (privatrechtlichen) Vertrags einem Privatunternehmen - wie hier: der
Beklagten - übertragen, so handelten deren Mitarbeiter in Ausübung
eines öffentlichen Amtes im Sinne von Art. 34 GG und seien somit gegenüber
Dritten haftungsrechtlich freigestellt. Für eine Aufspaltung der
Räum- und Streupflicht in einen beim Hoheitsträger verbleibenden
Überwachungs- und Kontrollteil einerseits und einen dem Privatunternehmen
zugewiesenen privatrechtlichen Übertragungsteil andererseits finde sich kein
Anhalt. Die Beklagte sei mit der Beauftragung durch die BSR zum
Verwaltungshelfer geworden. Mit der rechtsgeschäftlichen
Übertragung auf die Beklagte habe sich der hoheitliche Charakter der Aufgabe
nicht geändert. Entscheidend für die Einordnung als Verwaltungshelfer sei
nicht die Rechtsform, unter der der Beauftragte tätig werde, sondern die
Funktion, die er wahrnehme. Die Beklagte habe gleichsam als "Werkzeug" der
BSR gehandelt. Sie sei an die Vorgaben des Straßenreinigungsgesetzes
gebunden gewesen, ein eigener Ermessensspielraum habe ihr nicht zugestanden.
Für einen Schuldbeitritt der Beklagten gebe es keine Anhaltspunkte. Etwaige
Haftungsregelungen im Vertrag zwischen der BSR und der Beklagten beträfen
allein das Innenverhältnis zwischen den beiden Vertragsparteien.
II.
6 Diese Würdigung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
7 1. Zutreffend hat das Kammergericht eine eigene deliktsrechtliche
Haftung der Beklagten (§§ 823, 31, 831 BGB i.V.m. § 116 SGB X)
abgelehnt. Diese ist gemäß § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 Satz
1 GG ausgeschlossen, weil die Mitarbeiter der Beklagten in Ausübung eines
ihnen anvertrauten öffentlichen Amtes gehandelt haben.
8 a) In seinem Anwendungsbereich verdrängt § 839 BGB als vorrangige
Spezialregelung konkurrierende Ansprüche aus §§ 823 ff BGB (s. etwa
Senatsurteile vom 18. Dezember 1972 - III ZR 121/70, BGHZ 60, 54, 62 f; vom
5. Juli 1990 - III ZR 217/89, BGHZ 112, 74, 75; vom
13. Dezember 2012 - III ZR 226/12,
BGHZ 196, 35, 43 Rn. 24 und
vom 6. März 2014 - III ZR 320/12,
BGHZ 200, 253, 259 Rn. 29 mwN). Im Rahmen der
Haftung nach § 839 BGB tritt gemäß Art. 34 Satz 1 GG - im Wege der
befreienden Haftungsübernahme - der Staat beziehungsweise die jeweilige
Anstellungskörperschaft als Anspruchsgegner des Geschädigten an die Stelle
dessen, der in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes gehandelt
hat; in diesem Falle scheidet eine persönliche Haftung des Amtsträgers
gegenüber dem Geschädigten aus (Senat, Urteile vom 17. Februar 1983
- III ZR 147/81, NVwZ 1983, 763; vom 6. Juli 1989 - III ZR 79/88, BGHZ 108,
230, 232; vom 21. Januar 1993 - III ZR 189/91, BGHZ 121, 161, 163; vom 22.
Juni 2006 - III ZR 270/05, NVwZ 2007, 487 Rn. 6 und vom
6. März 2014 aaO S. 259 f Rn. 29
mwN; BGH,
Urteil vom 18. Februar 2014 - VI ZR 383/12, VersR 2014, 502 Rn. 7).
9 b) Die Mitarbeiter der Beklagten haben bei der Wahrnehmung des
Winterdienstes in Ausübung eines ihnen anvertrauten öffentlichen Amtes
gehandelt.
10 aa) Der Winterdienst an Straßenbahnhaltestellen in Berlin ist, wie das
Berufungsgericht zu Recht angenommen hat (s. auch KG, Urteil vom 30. März
2001 - 9 U 8905/99, BeckRS 2001, 11879 Rn. 2 und 12 sowie VersR 2006, 946),
eine hoheitliche Aufgabe.
11 (1) Die öffentlich-rechtliche Körperschaft, der die
Verkehrssicherung obliegt (hier das Land Berlin), hat grundsätzlich die
Wahl, ob sie dieser Pflicht als Fiskus, also privatrechtlich, oder als
Träger öffentlicher Gewalt, also hoheitsrechtlich, genügen will
(Senatsurteil vom 18. Dezember 1972 aaO S. 56, 58 ff; vgl. auch
Senatsurteile vom 5. Juli 1990 aaO S. 74 f und vom 11. Juni 1992 - III ZR
134/91, BGHZ 118, 368, 369).
12 (2) Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 des Berliner Straßenreinigungsgesetzes (in
der für die hier streitgegenständlichen Schadensfälle maßgeblichen, vom 1.
November 2003 bis zum 27. November 2010 geltenden Fassung) obliegt die
ordnungsgemäße Reinigung der in den Straßenreinigungsverzeichnissen A und B
aufgeführten Straßen - zu der gemäß § 1 Abs. 4 StrReinG auch der
Winterdienst gehört - dem Land Berlin als öffentliche Aufgabe für die
Anlieger und Hin-terlieger. Nach § 4 Abs. 1 Satz 4 StrReinG werden die
Aufgaben des Landes Berlin von den Berliner Stadtreinigungsbetrieben (BSR)
als (rechtsfähiger) Anstalt des öffentlichen Rechts hoheitlich durchgeführt
(s. dazu auch § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 3 Nr. 2 des Berliner
Betriebe-Gesetzes vom 14. Juli 2006, GVBl. 2006, 827). Für den Winterdienst
bestimmt § 4 Abs. 4 StrReinG, dass hierzu die Anlieger verpflichtet sind;
für Gehwege und Gehwegteile, die keinem Anliegergrundstück zuzuordnen sind,
ist der Winterdienst von der BSR durchzuführen.
13 (3) Hiernach wird die BSR im Rahmen des ihr obliegenden Winterdienstes
für das Land Berlin hoheitlich tätig. Die dagegen erhobenen Einwände der
Revision verfangen nicht.
14 Soweit die Revision darauf hinweist, dass in § 4 Abs. 4 StrReinG (ebenso
wie in § 3 Abs. 7 StrReinG) nicht ausdrücklich von einer "hoheitlichen"
Betätigung der BSR die Rede sei, verkennt dies, dass das Berliner
Straßenreinigungsgesetz die Straßenreinigungspflicht einschließlich des
Winterdienstes generell dem Land Berlin als "öffentliche Aufgabe" zuweist,
die von der BSR "hoheitlich durchgeführt" wird (§ 1 Abs. 4, § 4 Abs. 1 Satz
1 und 4 StrReinG).
15 Eine Differenzierung des rechtlichen Charakters der Betätigung der BSR
zwischen Straßenreinigung und Winterdienst findet im Berliner
Straßenreinigungsgesetz keinen tragfähigen Anhalt. Ein solcher ergibt sich
insbesondere weder aus der nach Straßenreinigung und Winterdienst
unterscheidenden Regelung über die Kostentragung in § 7 Abs. 1 und 6
StrReinG noch aus den Gesetzesmaterialien. Die Kostenregelung betrifft
allein das interne Abrechnungsverhältnis zwischen dem Land Berlin und der
BSR als Anstalt des öffentlichen Rechts, für die das Land Berlin
Gewährträger ist (§ 1 Abs. 1 Nr. 1, § 5 Berliner Betriebe-Gesetz). Sie gibt
keine Grundlage dafür, die Wahrnehmung des Winterdienstes als
nichthoheitliche Aufgabe einzuordnen. Dass die zusätzlichen Kosten des von
der BSR wahrzunehmenden Winterdienstes allein vom Land Berlin zu tragen
sind, spricht weit mehr dafür, den Winterdienst als Aufgabe des Landes
Berlin anzusehen, denn - wie die Revision es meint - als (von vornherein
"eigene", nichthoheitliche) Aufgabe der BSR. Entsprechendes gilt für die von
der Revision herangezogene Vorlage des Senats von Berlin zum Siebten Gesetz
zur Änderung des Straßenreinigungsgesetzes vom 14. September 2010
(Abgeordnetenhaus von Berlin, Drucks. 16/3460). Danach sollte angesichts der
vielen Unfälle im Winter 2009/2010 die Durchführung des Winterdienstes in
Haltestellenbereichen anstelle der Anlieger, die für den gehwegseitigen
Winterdienst verantwortlich waren, nunmehr "komplett" auf die BSR übertragen
werden (aaO Vorlage, S. 1 f und Gesetzesentwurf mit Begründung, S. 12). In
der Gesetzesbegründung zu § 4 Abs. 4a StrReinG nF (aaO S. 12) heißt es, dass
der Winterdienst in den öffentlichen Plätzen "als hoheitliche Aufgabe
ebenfalls auf die Berliner Stadtreinigungsbetriebe übertragen" werde. Dies
weist bestärkend darauf hin, dass der Landesgesetzgeber die Betätigung der
BSR im Bereich des Winterdienstes insgesamt als "hoheitlich" ansieht. Die
Begriffe "Verantwortung der BSR" oder "Sache der BSR" sagen nichts
Gegenteiliges, sondern bringen nur zum Ausdruck, dass die Durchführung der
Aufgabe (hier: des Winterdienstes) bei der BSR liegt.
16 bb) Die Beklagte hat die hoheitliche Aufgabe des Winterdienstes
aufgrund der vertraglichen Vereinbarung mit der BSR ihrerseits als
Amtsträger im Sinne von Art. 34 Satz 1 GG wahrgenommen.
17 (1) Ob sich das Handeln einer Person als Ausübung eines ihr
anvertrauten öffentlichen Amtes darstellt, bestimmt sich danach, ob die
eigentliche Zielsetzung, in deren Sinn der Betreffende tätig wird,
hoheitlicher Tätigkeit zuzurechnen ist und ob zwischen dieser Zielsetzung
und der schädigenden Handlung ein so enger äußerer und innerer Zusammenhang
besteht, dass die Handlung ebenfalls als noch dem Bereich hoheitlicher
Betätigung angehörend angesehen werden muss. Dabei ist nicht auf die Person
des Handelnden, sondern auf seine Funktion, das heißt auf die Aufgabe, deren
Wahrnehmung die im konkreten Fall ausgeübte Tätigkeit dient, abzustellen
(st. Rspr.; s. nur Senat, Urteil vom 14. Mai 2009 - III ZR 86/08,
BGHZ 181, 65, 67 Rn. 10; Beschluss vom 31. März 2011 - III ZR 339/09, NVwZ-RR
2011, 556 Rn. 7; Urteile vom 15. September 2011 - III ZR 240/10, BGHZ 191,
71, 75 f Rn. 13 und vom 6. März 2014 aaO S. 260 Rn. 31 mwN).
Hiernach können auch Mitarbeiter eines privaten Unternehmens Amtsträger im
haftungsrechtlichen Sinne sein. Dies kommt neben den Fällen der Beleihung
eines Privatunternehmens mit hoheitlichen Aufgaben auch dann in Betracht,
wenn Private als Verwaltungshelfer bei der Erledigung hoheitlicher Aufgaben
tätig werden (vgl. Senat, Urteile vom 21. Januar 1993 aaO S. 164 f;
vom 14. Oktober 2004 - III ZR 169/04, BGHZ 161, 6, 10 und vom 2. Februar
2006 - III ZR 131/05, NVwZ 2006, 966 Rn. 7). Dafür ist erforderlich,
dass ein innerer Zusammenhang und eine engere Beziehung zwischen der
Betätigung des Privaten und der hoheitlichen Aufgabe besteht, wobei die
öffentliche Hand in so weitgehendem Maße auf die Durchführung der Arbeiten
Einfluss nimmt, dass der Private gleichsam als bloßes "Werkzeug" oder
"Erfüllungsgehilfe" des Hoheitsträgers handelt und dieser die Tätigkeit des
Privaten deshalb wie eine eigene gegen sich gelten lassen muss (s.
dazu Senat, Urteile vom 19. Januar 1984 - III ZR 172/82, NJW 1985, 677, 678;
vom 21. Januar 1993 aaO; Beschluss vom 31. März 2011 aaO S. 557 Rn. 9 und
Urteil vom 15. September 2011 aaO S. 76 Rn. 13; vgl. auch Senatsurteile vom
2. Februar 2006 aaO und vom 14. Mai 2009 aaO S. 72 Rn. 18 sowie BGH, Urteil
vom 18. Februar 2014 aaO Rn. 5). Je stärker der hoheitliche
Charakter der Aufgabe in den Vordergrund tritt, je enger die Verbindung
zwischen der übertragenen Tätigkeit und der von der öffentlichen Hand zu
erfüllenden hoheitlichen Aufgabe und je begrenzter der
Entscheidungsspielraum des Privaten ist, desto näher liegt es, ihn als
Beamten im haftungsrechtlichen Sinne anzusehen. Jedenfalls im
Bereich der Eingriffsverwaltung kann sich die öffentliche Hand der
Amtshaftung für fehlerhaftes Verhalten ihrer Bediensteten grundsätzlich
nicht dadurch entziehen, dass sie die Durchführung einer Maßnahme durch
privatrechtlichen Vertrag auf einen privaten Unternehmer überträgt (Senat,
Urteile vom 21. Januar 1993 aaO S. 165 f und vom 14. Oktober 2004 aaO S. 10
f; BGH, Urteil vom 18. Februar 2014 aaO mwN).
18 (2) Nach diesen Grundsätzen hat das Kammergericht die Beklagte zu Recht
als Verwaltungshelfer eingeordnet, dessen Handeln oder Unterlassen sich die
öffentliche Hand wie eine eigene (Un-)Tätigkeit zurechnen lassen muss.
19 Schaltet die öffentliche Hand für die Wahrnehmung der hoheitlich
ausgestalteten Räum- und Streupflicht im Wege der rechtsgeschäftlichen
Vereinbarung einen privaten Unternehmer ein, so handeln die Mitarbeiter
dieses Unternehmens wie "Werkzeuge" oder "verlängerte Arme" des
Hoheitsträgers. Relevante eigene Entscheidungsspielräume stehen ihnen nicht
zu, da sie bei der Erledigung dieser Aufgabe an die gleichen Vorgaben
gebunden sind wie die öffentliche Hand (vgl. für ähnliche
Fallgestaltungen auch OLG Celle, NVwZ-RR 2009, 863 f; OLG Nürnberg, NVwZ-RR
2010, 955 f). Die vom Land Berlin als rechtsfähige Anstalt des öffentlichen
Rechts errichtete BSR kann sich ihrer Amtshaftung für unzureichenden
Winterdienst nicht durch die Einschaltung Privater entledigen. Mit dem
Amtshaftungsanspruch bekommt der Geschädigte einen solventen
Anspruchsgegner, was bei einem Schadensersatzanspruch gegen ein
Privatunternehmen nicht stets der Fall wäre. Das Verweisungsprivileg des §
839 Abs. 1 Satz 2 BGB bringt dem Geschädigten insoweit keine Nachteile, weil
diese Regelung auf die Haftung der öffentlichen Hand wegen Verletzung der
Verkehrssicherungspflicht nicht anwendbar ist (s. Senatsurteile vom 11. Juni
1992 aaO S. 370 ff und vom 1. Juli 1993 - III ZR 167/92, BGHZ 123, 102, 104
ff).
20 Entgegen der Ansicht der Revision hat die Beauftragung eines Privaten mit
der Erledigung der hoheitlichen Räum- und Streupflicht somit - anders als
bei der Abwälzung von Straßenverkehrssicherungspflichten auf die Anlieger
und deren Auftragserteilung an Dritte (s. dazu Senatsurteil vom 11. Juni
1992 aaO S. 372 f und BGH, Urteil vom 22. Januar 2008 - VI ZR 126/07, NJW
2008, 1440, 1441 Rn. 9 mwN) - nicht zur Folge, dass die haftungsrechtliche
Verantwortung der öffentlichen Hand auf die Verletzung von Kontroll- und
Überwachungspflichten verkürzt wird. Die Aufgabe wird hier im
Rechtssinne nicht auf den Privaten "delegiert", sondern dieser wird
lediglich als Helfer oder "Werkzeug" der öffentlichen Hand tätig.
21 cc) Soweit die Revision für den Schadensfall vom 20. Januar 2010 ("Fall
H. ") geltend machen möchte, dass nicht die Beklagte, sondern ein von der
Beklagten beauftragter Subunternehmer eingeschaltet worden sei, steht dies
im Widerspruch zu der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellung, wonach
das Vorbringen der Klägerin darin bestanden hat, dass die "mit der
Schneebeseitigung beauftragte Beklagte ... nicht geräumt habe". Diese
Feststellung ist für das Revisionsgericht bindend (§ 559 Abs. 1, § 314 ZPO),
nachdem ein Tatbestandberichtigungsantrag nicht gestellt worden ist (s. dazu
BGH, Urteile vom 8. Januar 2007 - II ZR 334/04, NJW-RR 2007, 1434, 1435 Rn.
11; vom 1. Dezember 2008 - II ZR 102/07, BGHZ 179, 71, 79 f Rn. 16 und vom
16. Dezember 2010 - I ZR 161/08, NJW 2011, 1513, 1514 Rn. 12). Einen
anderslautenden Parteivortrag in den Vorinstanzen zeigt die Revision auch
nicht auf. Abgesehen davon wäre dieser Vortrag in der Sache selbst
unerheblich, denn die Einschaltung von Subunternehmern ändert für sich
genommen nicht die Rechtsnatur der hoheitlichen Betätigung der Beklagten.
22 dd) Ebenso ohne Erfolg rügt die Revision bezüglich des Schadensfalls vom
5. Februar 2010 ("Fall Ha. "), dass die Beklagte insoweit nicht von der BSR,
sondern von den Berliner Verkehrs-Betrieben (BVG) - einer anderen vom Land
Berlin errichteten rechtsfähigen Anstalt des öffentlichen Rechts (§ 1 Abs. 1
Nr. 2 Berliner Betriebe-Gesetz) - mit der Wahrnehmung des Winterdienstes
beauftragt worden sei. Auch hier zeigt die Revision keinen dahin gehenden
Parteivortrag in den Vorinstanzen auf. Nach den tatbestandlichen
Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Klägerin vorgebracht, dass die
Beklagte "von der Streithelferin zu 2 (nachfolgend: BSR) mit der
Schneebeseitigung beauftragt" worden sei. Auch diese Feststellung ist für
das Revisionsgericht bindend (§ 559 Abs. 1, § 314 ZPO), nachdem ein
Tatbestandberichtigungsantrag nicht angebracht worden ist.
23 2. Ohne Erfolg bleibt der Versuch der Revision, die
Schadensersatzforderung der Klägerin aus übergegangenem Recht ihrer
Versicherten gegen die Beklagte (auch) aus einem Vertrag mit Schutzwirkung
zugunsten Dritter herzuleiten.
24 a) Das durch die Rechtsprechung entwickelte Institut des Vertrags
mit Schutzwirkung zugunsten Dritter beruht auf einer maßgeblich durch das
Prinzip von Treu und Glauben (§ 242 BGB) geprägten ergänzenden
Vertragsauslegung (§ 157 BGB). Danach wird ein Dritter in die aus einem
Vertrag folgenden Sorgfalts- und Schutzpflichten einbezogen, wenn er mit der
Hauptleistung nach dem Inhalt des Vertrags bestimmungsgemäß in Berührung
kommen soll, ein schutzwürdiges Interesse des Gläubigers an der Einbeziehung
des Dritten besteht, den Interessen des Schuldners durch Erkennbarkeit und
Zumutbarkeit der Haftungserweiterung Rechnung getragen wird und der Dritte
schutzbedürftig ist (s. nur
BGH, Urteil vom 18. Februar 2014 aaO S. 502 f Rn. 9 und
Senatsurteil vom 24. Oktober 2013 - III ZR 82/11, BeckRS 2013, 20079 Rn. 12
, jeweils mwN).
25 b) Zu den danach erforderlichen Voraussetzungen für die Annahme eines
Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter (hier zugunsten der
Versicherten der Klägerin) hat die Klägerin in den Vorinstanzen indessen
nichts vorgebracht. Sie hat sich dort auf dieses Rechtsinstitut nicht
berufen und insbesondere keinen Vortrag zur insoweit maßgeblichen Auslegung
des Vertrags zwischen der BSR und der Beklagten gehalten. Dementsprechend
hat das Berufungsgericht hierzu keine Würdigung vorgenommen. Eine Nachholung
des erforderlichen Tatsachenvortrags in der Revisionsinstanz ist der
Klägerin versagt (§ 559 Abs. 1 ZPO). Es braucht daher nicht entschieden zu
werden, ob der Geschädigte nach den vorstehend beschriebenen Grundsätzen
angesichts des ihm zustehenden Amtshaftungsanspruchs schutzbedürftig ist.
26 3. Nach alledem scheidet eine Haftung der Beklagten gegenüber der
Klägerin beziehungsweise deren Versicherten aus. Passiv legitimiert ist
gemäß Art. 34 Satz 1 GG die BSR, der die Durchführung der Straßenreinigung
einschließlich des Winterdienstes als hoheitliche Aufgabe obliegt und die
die Beklagte und deren Mitarbeiter als Verwaltungshelfer mit der Wahrnehmung
des Winterdienstes betraut hat. Die BSR kann als rechtsfähige Anstalt des
öffentlichen Rechts haftpflichtige Körperschaft im Sinne des Art. 34 Satz 1
GG sein; ob ihr beamtenrechtliche Dienstherreneigenschaft zukommt, ist dabei
ohne Belang (s. Senatsurteil vom 22. Oktober 2009 - III ZR 295/08, VersR
2010, 346, 348 Rn. 15, 17 mwN).
|