Begriff des Verbotsgesetzes i.S.v. § 134 BGB: Wohnungsvermittlung durch Makler ohne Zustimmung des Vermieters - Wirksamkeit des Maklervertrags bei Verstoß gegen § 6 WoVermittG

BGH, Urteil vom 25. Juli 2002 - III ZR 113/02 - LG Verden - AG Syke


Amtl. Leitsatz:

Bietet ein Wohnungsvermittler entgegen dem Verbot des § 6 Abs. 1 WoVermG Wohnräume an, ohne dazu einen Auftrag von dem Vermieter oder einem anderen Berechtigten zu haben, führt dies nicht zur Nichtigkeit des mit dem Wohnungssuchenden geschlossenen Maklervertrages


Fundstelle:

NJW 2002, 3015


Zentrale Probleme:

In der sehr lehrreichen Entscheidung geht es um die Frage der Nichtigkeit eines Vertrages nach § 134 BGB wegen Verstoßes gegen ein Verbotsgesetz (s. dazu etwa auch
BGH NJW 2000, 1186). Der Makler hatte entgegen dem Verbot des § 6 WoVermG ohne Auftrag des Berechtigten Vermieters auf Veranlassung des (Vor)Mieters eine Wohnung vermittelt. Die Norm lautet:

§ 6 Angebote; Anforderungen an Anzeigen

(1) Der Wohnungsvermittler darf Wohnräume nur anbieten, wenn er dazu einen Auftrag von dem Vermieter oder einem anderen Berechtigten hat.
(2) Der Wohnungsvermittler darf öffentlich, insbesondere in Zeitungsanzeigen, auf Aushängetafeln und dergleichen, nur unter Angabe seines Namens und der Bezeichnung als Wohnungsvermittler Wohnräume anbieten oder suchen; bietet er Wohnräume an, so hat er auch den Mietpreis der Wohnräume anzugeben und darauf hinzuweisen, ob Nebenleistungen besonders zu vergüten sind.

Nichtigkeit nach § 134 BGB tritt allerdings grundsätzlich nur ein, wenn sich das Verbot gegen den Inhalt des Rechtsgeschäfts wendet (und nicht etwa nur gegen die Umstände seines Zustandekommens wie etwa bei einem Verstoß gegen das Ladenschlußgesetz). Die Nichtigkeitsfolge muß weiter dem Sinn und Zweck des Gesetzes entsprechen. Zu fragen ist stets, ob der Gesetzeszweck es erfordert, daß das Rechtsgeschäft, das unter Verstoß gegen die entsprechende Vorschrift vorgenommen wurde, nichtig ist (zur Schwarzarbeit vgl. etwa BGH NJW 1984, 1175). Danach kann idR dann ein Verbotsgesetz angenommen werden, wenn sich ein gesetzliches Verbot gegen beide Partner des Rechtsgeschäfts richtet (so insbesondere bei Strafgesetzen). Aber auch bei einseitigen Verbotsgesetzen kann die Nichtigkeitsfolge eintreten, wenn der Gesetzeszweck dies erfordert (vgl. etwa BGH NJW 2002, 66). Der BGH kommt hier zu dem zutreffenden Ergebnis, daß ein Verstoß gegen § 6 WoVermittG nicht zur Nichtigkeit des Maklervertrags nach § 134 BGB führt.
Das WoVermittG enthält übrigens noch weitere wichtige Regelungen in Bezug auf die Wirksamkeit von Maklerverträgen und sog. "Ablösevereinbarungen", die auf die besondere Drucksituation des Wohnungssuchenden Rücksicht nehmen:

§ 4a Unwirksame Vereinbarungen

(1) Eine Vereinbarung, die den Wohnungssuchenden oder für ihn einen Dritten verpflichtet, ein Entgelt dafür zu leisten, dass der bisherige Mieter die gemieteten Wohnräume räumt, ist unwirksam. Die Erstattung von Kosten, die dem bisherigen Mieter nachweislich für den Umzug entstehen, ist davon ausgenommen.
(2) Ein Vertrag, durch den der Wohnungssuchende sich im Zusammenhang mit dem Abschluss eines Mietvertrages über Wohnräume verpflichtet, von dem Vermieter oder dem bisherigen Mieter eine Einrichtung oder ein Inventarstück zu erwerben, ist im Zweifel unter der aufschiebenden Bedingung geschlossen, dass der Mietvertrag zustande kommt. Die Vereinbarung über das Entgelt ist unwirksam, soweit dieses in einem auffälligen Missverhältnis zum Wert der Einrichtung oder des Inventarstücks steht.

§ 5 Rückforderung von Leistungen

(1) Soweit an den Wohnungsvermittler ein ihm nach diesem Gesetz nicht zustehendes Entgelt, eine Vergütung anderer Art, eine Auslagenerstattung, ein Vorschuss oder eine Vertragsstrafe, die den in § 4 genannten Satz übersteigt, geleistet worden ist, kann die Leistung nach den allgemeinen Vorschriften des bürgerlichen Rechts zurückgefordert werden; die Vorschrift des § 817 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist nicht anzuwenden. Der Anspruch verjährt in vier Jahren von der Leistung an.
(2) Soweit Leistungen auf Grund von Vereinbarungen erbracht worden sind, die nach § 3 Abs. 2 Satz 2 oder § 4a unwirksam oder nicht wirksam geworden sind, ist Absatz 1 entsprechend anzuwenden.

©sl 2002


Tatbestand

Die klagende Immobilienmaklerin bot dem Beklagten, der eine Wohnung für sich und seine Familie suchte, an, ihm ein geeignetes Objekt zu vermitteln. Sie benannte ihm ein Einfamilienhaus in W. , das ihr die Eheleute G. an die Hand gegeben hatten. Diese waren Mieter und suchten einen Nachmieter. Der Beklagte mietete das Einfamilienhaus. Die Klägerin fordert von ihm Zahlung der Maklerprovision. Der Beklagte macht geltend, der Vermieter sei nicht damit einverstanden gewesen, daß die Eheleute G. die Klägerin beauftragt hätten, für sie einen Nachmieter zu suchen. Daher habe wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134 BGB i.V.m. § 6 Abs. 1 des Gesetzes zur Regelung der Wohnungsvermittlung vom 4. November 1971, BGBl. I S. 1747, künftig WoVermG) ein wirksamer Maklervertrag nicht zustande kommen können.
Das Amtsgericht hat der Klage bis auf einen Teil des Zinsanspruchs stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

1. Das Berufungsgericht hat einen Anspruch der Klägerin auf Maklerprovision verneint, weil zwischen den Parteien ein wirksamer Maklervertrag nicht zustande gekommen sei. Für die von der Klägerin entfaltete Maklertätigkeit habe weder ein Auftrag noch die Zustimmung der Eheleute B. , der Vermieter und Eigentümer des Hauses, vorgelegen. Ein von den Parteien möglicherweise geschlossener Maklervertrag sei daher jedenfalls nichtig wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134 BGB i.V.m. § 6 Abs. 1 WoVermG).

2. Die Erwägungen des Berufungsgerichtes halten der rechtlichen Prüfung nicht stand. Ein Verstoß gegen § 6 Abs. 1 WoVermG führt nicht zur Nichtigkeit des mit dem Wohnungssuchenden geschlossenen Maklervertrages. Daher kann offenbleiben, ob hier eine Verletzung des § 6 Abs. 1 WoVermG ausscheidet, weil die Klägerin im Auftrag der Vormieter G. handelte und diese, wie die Revision meint, "Berechtigte" im Sinne der vorgenannten Bestimmung waren.
a) Ob § 6 Abs. 1 WoVermG ein gesetzliches Verbot mit Nichtigkeitsfolge für den Maklervertrag enthält, kann allerdings nicht schon aus der Gesetzessprache ("darf ... nur, wenn ...") entnommen werden (vgl. Senatsurteil BGHZ 118, 142, 146). Einen Hinweis auf das Nichtbestehen eines solchen Verbots gibt das Gesetz jedoch dadurch, daß es an anderer Stelle die Unwirksamkeit von Vereinbarungen anordnet (§§ 2 Abs. 5; 3 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. 5 Abs. 2; 3 Abs. 4 Satz 1; 4 a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 WoVermG) oder dem Wohnungsvermittler ausdrücklich einen Anspruch versagt (§ 2 Abs. 2 und 3 WoVermG). Hingegen steht das Verbot des § 6 Abs. 1 WoVermG - nach seinem Wortlaut und nach dem Willen des Gesetzgebers (Begründung der Bundesregierung zu dem Entwurf eines Gesetzes über Maßnahmen zur Verbesserung des Mietrechts und der Begrenzung des Mietanstiegs BT-Drucks. VI/1549 S. 13 [zu Art. 5 § 7-E]) - allein unter der Bußgeldsanktion des § 8 Abs. 1 Nr. 3 WoVermG (vgl. OLG Karlsruhe NJW 1976, 1408 a.E.; Baader/Gehle, Gesetz zur Regelung der Wohnungsvermittlung 1993 § 6 Rn. 26; a.A. Windisch WuM 1999, 265, 268).

b) Für die Frage, ob verbotswidrige Rechtsgeschäfte nach § 134 BGB nichtig sind, kommt es aber vor allem auf den Sinn und Zweck des Verbots an. Entscheidend ist, ob das Gesetz sich nicht nur gegen den Abschluß des Rechtsgeschäfts wendet, sondern auch gegen seine privatrechtliche Wirksamkeit und damit gegen seinen wirtschaftlichen Erfolg. Die Nichtigkeit kann im Ausnahmefall auch aus der Verletzung einseitiger Verbote folgen, falls der Zweck des Gesetzes nicht anders zu erreichen ist und die durch das Rechtsgeschäft getroffene Regelung nicht hingenommen werden kann (st. Rspr., vgl. Senatsurteil aaO S. 144 f; BGHZ 115, 123, 125; 146, 250, 257 f). Diese Voraussetzung ist bei § 6 Abs. 1 WoVermG nicht erfüllt (h.M.: OLG Karlsruhe aaO; Staudinger/Reuter, BGB 13. Bearb. 1995 § 652 Rn. 43 und 47; Dehner in BGB-RGRK 12. Aufl. 1978 vor § 652 Rn. 13; Palandt/Sprau, BGB 61. Aufl. 2002 § 652 Rn. 8; Roth in MünchKomm/BGB 3. Aufl. 1997 § 652 Rn. 67 und 70; Erman/O. Werner, BGB 10. Aufl. 2000 § 652 Rn. 35; Soergel/Lorentz, BGB 12. Aufl. 1999 § 652 Rn. 22; Baader/Gehle aaO Rn. 26 ff; Weimar BlGBW 1974, 92, 93; vgl. auch OLG Frankfurt NJW 1979, 878, 879; a.A. LG Hannover NJW-RR 1991, 1295 f; Dehner, Das Maklerrecht - Leitfaden für die Praxis 2001 Rn. 346; Tonner, Verbraucherschutz im Recht des Immobilienmaklers 1981 S. 91 f; Schwerdtner, Maklerrecht 4. Aufl. 1999 Rn. 254 f; Benöhr NJW 1973, 1286 f; Windisch aaO).
aa) § 6 Abs. 1 WoVermG normiert ein einseitig an den Wohnungsvermittler gerichtetes Verbot, Wohnungen ohne Auftrag des Vermieters oder eines sonst Berechtigten anzubieten (vgl. BT-Drucks. aaO [zu Art. 5 § 8-E]). Die Bestimmung soll unterbinden, daß Wohnungsvermittler Wohnräume anbieten, von denen sie zufällig durch Dritte erfahren oder die sie aus Anzeigen in Zeitungen entnommen haben, ohne daß sie von den Berechtigten einen entsprechenden Auftrag haben. Dadurch sollen den Wohnungssuchenden Zeit und Unkosten für vergebliche Besichtigung von Wohnräumen erspart werden (BT-Drucks. aaO [zu Art. 5 § 6-E]; a.A. Dehner, Das Maklerrecht aaO).
bb) Die vorbeschriebene Zielrichtung mag zwar mittels der Nichtigkeitssanktion am besten erreicht werden (vgl. LG Hannover aaO 1296; Benöhr aaO 1286). Das genügt indes für die Annahme eines Verbotsgesetzes im Sinne des § 134 BGB nicht. Das Gesetz muß die Nichtigkeit des verbotswidrigen Geschäfts vielmehr erfordern, weil der Gesetzeszweck nicht anders erreicht und das betreffende Geschäft nicht hingenommen werden kann (Senat BGHZ 118, 142, 145; BGHZ 146, 250, 258). So liegt es bei § 6 Abs. 1 WoVermG aber nicht.
War die Besichtigung der Wohnung erfolglos, weil der Vermieter die Wohnung dem Makler nicht an die Hand gegeben hatte, so erhält der Makler nach den allgemeinen Grundsätzen des Maklerrechts ohnehin keine Vergütung (§ 652 Abs. 1 BGB, § 2 Abs. 1 WoVermG). Hat dagegen der Nachweis zum Abschluß eines Mietvertrages geführt, so hat sich die Gefahr eines unnützen Zeit- und Kostenaufwandes, die die Gesetzesvorschrift vermeiden will, nicht verwirklicht. Die Unwirksamkeit des Provisionsversprechens, obwohl dem Wohnungssuchenden eine vollwertige Leistung erbracht wurde, könnte nur dem generalpräventiven Zweck dienen, dem Makler durch eine solche Nichtigkeitssanktion von vornherein jeden Anreiz für einen Wohnungsnachweis ohne Vermieterauftrag zu nehmen. Dieser Zweck wird jedoch bereits in ähnlicher Weise durch die Bußgeldandrohung des § 8 Abs. 1 Nr. 3 WoVermG erreicht. Dabei erscheint die Verhängung eines Bußgeldes gegenüber der Nichtigkeitsfolge insofern sachgerechter, als sie eine ungerechtfertigte - jedenfalls durch den Zweck des § 6 Abs. 1 WoVermG nicht gedeckte - Begünstigung des Wohnungssuchenden vermeidet (vgl. OLG Karlsruhe aaO; Baader/Gehle aaO Rn. 27 ff). Entstehen dem vergeblich Wohnungssuchenden Kosten, weil der Makler keinen Auftrag des Vermieters oder eines sonst Berechtigten hatte, kann er den Makler auf Schadensersatz in Anspruch nehmen.
3. Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden. Das Berufungsgericht hat - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - nicht festgestellt, ob die Parteien überhaupt einen Nachweismaklervertrag geschlossen haben und die Klägerin den geschuldeten Nachweis erbracht hat. Die neue Verhandlung gibt dem Berufungsgericht Gelegenheit, auf die hierzu erhobenen Rügen der Revisionserwiderung einzugehen.