Wirksamkeit einer formularmäßigen Globalbürgschaft der GmbH für Schulden des Gesellschafters - Höchstbetragsbürgschaft mit Erstreckung auf Zins- und Verzugsschadenforderungen

BGH, Urteil vom 18. Juli 2002 - IX ZR 294/00 - OLG Karlsruhe - LG Karlsruhe


Fundstelle:

NJW 2002, 3167
für BGHZ vorgesehen


Zentrales Problem:

Es geht um die Frage der Wirksamkeit einer formularmäßig vereinbarten Globalbürgschaft nach §§ 3, 9 I, II Nr. 1 AGBG (jetzt: §§ 305c, 307 I, II Nr. 1 BGB), vgl. dazu die Anm. zu BGH NJW 1998, 3708 ff sowie zu BGH NJW 2000, 2675.
Das besondere an der vorliegenden Fallkonstellation ist, daß es sich nicht - wie in den bisher entschiedenen Fällen - um eine Bürgschaft des GmbH-Gesellschafters/Geschäftsführers für Verbindlichkeiten der GmbH, sondern um den umgekehrten Fall handelt. In diesem Fall kann nach der Aussage der vorliegenden Entscheidung der Ausnahmetatbestand, daß der Bürge das Entstehen bzw. die Höhe der Hauptschuld beeinflussen kann, gerade nicht eingreifen, weil zwar ein Alleingesellschafter/Geschäftsführer einer GmbH die Verbindlichkeiten der GmbH, nicht aber umgekehrt die GmbH seine Verbindlichkeiten beeinflussen kann. 

©sl 2002


Amtl. Leitsätze

a) Die formularmäßige globale Zweckerklärung in der Bürgschaft einer GmbH für Forderungen des Gläubigers gegen den Alleingesellschafter ist unwirksam.
b) Der Bürge, der eine Höchstbetragsbürgschaft erteilt hat, haftet in der Regel auch dann nicht über den vereinbarten Betrag hinaus, wenn sich die Hauptverbindlichkeit durch Verschulden oder Verzug des Hauptschuldners erhöht hat.
c) Eine Formularklausel ist unwirksam, soweit sie vorsieht, daß sich die Bürgschaft auch dann auf Zinsen, Provisionen und Kosten erstreckt, die im Zusammenhang mit den gesicherten Forderungen entstanden sind, wenn dadurch der vereinbarte Haftungshöchstbetrag überschritten wird.


Tatbestand:

Durch Formularerklärung vom 19. Juni 1991 übernahm die beklagte GmbH gegenüber dem klagenden Kreditinstitut die selbstschuldnerische Bürgschaft zur Sicherung aller bestehenden und künftigen Ansprüche der Klägerin aus der Geschäftsverbindung mit R. R. , dem damaligen Geschäftsführer der Beklagten, sowie mit dessen Ehefrau L. U. -R. , die zu jenem Zeitpunkt Alleingesellschafterin der Beklagten war. Die Haftung der Beklagten wurde für Forderungen gegen den Geschäftsführer auf 130.000 DM, für Forderungen gegen die Alleingesellschafterin auf 215.000 DM begrenzt. Ziffer 2 der Urkunde enthält folgende Bestimmung:
Die Bürgschaft umfaßt zusätzlich Zinsen, Provisionen und Kosten, die aus den verbürgten Ansprüchen oder durch deren Geltendmachung entstehen, und zwar auch dann, wenn dadurch der oben genannte Betrag überschritten wird. Dies gilt auch dann, wenn Zinsen, Provisionen und Kosten durch Saldenfeststellungen im Kontokorrent Teil der Hauptschuld werden und dadurch der oben genannte Betrag überschritten wird.
Bei Vertragsschluß unterhielt die Alleingesellschafterin bei der Klägerin drei Girokonten, die am 19./30. Juni 1991 Sollsalden von insgesamt 206.423,28 DM aufwiesen. Im Zusammenhang mit der Bürgschaftsübernahme vereinbarte der damalige Vorstand der Klägerin mit dem Geschäftsführer der Beklagten, daß die Konten bis zum Betrag von insgesamt 215.000 DM überzogen werden dürften, sie aber zum 31. Dezember 1991 auszugleichen seien. An diesem Tag betrug der Sollstand jedoch 261.484,59 DM. Die Klägerin nahm dies hin und ließ in der Folgezeit einzelne weitere Belastungen zu. Im Januar 1993 wurde vereinbart, daß die Kreditnehmerin monatliche Teilzahlungen von 15.000 DM zu leisten habe. Diese Verpflichtung wurde nicht erfüllt. Mit Anwaltsschriftsatz vom 23. Februar 2000 hat die Klägerin während des Rechtsstreits die Kreditvereinbarung, sofern sie noch fortwirken sollte, gekündigt.
Die Klägerin hat die Beklagte aus den Bürgschaften auf Zahlung der vereinbarten Höchstbeträge zuzüglich 8 % Zinsen seit dem 20. Juni 1991 (Forderungen gegen R. ) bzw. 1. Januar 1992 (Forderungen gegen U. -R. ) in Anspruch genommen. Die Beklagte hat eingewandt, die Bürgschaftsverträge seien wegen Verstoßes gegen §§ 30, 43 a GmbHG unwirksam, sich auf einen Mißbrauch der Vertretungsbefugnis berufen und die Höhe der Forderung aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen bestritten. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die Verurteilung in der Hauptsache auf 321.239,24 DM herabgesetzt sowie den Zinsanspruch aus der Bürgschaft in Höhe von 130.000 DM insgesamt und aus der Bürgschaft über 215.000 DM hinsichtlich eines Teilbetrages von 189.315,80 DM ab 1. März 2000 dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Der Senat hat die Revision im Umfang des 176.798,66 DM übersteigenden Hauptsachebetrages sowie des gesamten Zinsanspruchs angenommen.

Entscheidungsgründe:

Die Revision führt insoweit zur Aufhebung und Zurückverweisung.

I.
Aufgrund des Senatsbeschlusses vom 18. April 2002 über die Annahme der Revision ist die Verurteilung der Beklagten aus der Bürgschaft zur Sicherung der Ansprüche gegen R. R. im Umfang des eingeklagten Hauptsachebetrages von 130.000 DM rechtskräftig. Die Annahme betrifft in der Hauptsache den 46.798,66 DM übersteigenden Teil des Anspruchs aus der Bürgschaft, die Forderungen gegen die Alleingesellschafterin sichert, und beruht darauf, daß das Berufungsgericht in die Haftung auch die vertraglichen Ansprüche der Klägerin gegen die Hauptschuldnerin einbezogen hat, die bis zum 31. Dezember 1991 über den Betrag von 215.000 DM hinaus sowie anschließend ab 1. Januar 1992 auf den Konten Nr. 05, 13 und 08 entstanden sind.
Das Berufungsurteil hat dies wie folgt begründet: Die formularmäßige Erweiterung der Haftung der Beklagten auf alle bestehenden und künftigen Ansprüche gegen die Hauptschuldnerin sei nicht nach § 9 Abs. 1 AGBGB unwirksam. Verbürge sich die Gesellschaft für alle Privatverbindlichkeiten ihres Alleingesellschafters, dann könne sie sich ohne weiteres über die bei Erteilung der Bürgschaft bestehenden Verbindlichkeiten des Hauptschuldners in Kenntnis setzen und die Entscheidung, ob weitere Verbindlichkeiten eingegangen werden, beeinflussen. Die Gesellschaft werde in einem solchen Falle durch die weite Zweckerklärung nicht unbillig benachteiligt.
Diese Auffassung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Beklagte haftet nur für die Forderungen gegen die Hauptschuldnerin, die den Anlaß zur Übernahme der Bürgschaft bildeten. Das sind lediglich die vor dem 1. Januar 1992 durch Kreditgewährung auf den Konten 05, 08 und 13 entstandenen Ansprüche bis zu einem Betrag von 215.000 DM.

1. Der Bürge kann formularmäßig grundsätzlich nicht wirksam verpflichtet werden, die Haftung umfassend für alle gegenwärtigen und zukünftigen Forderungen aus der Geschäftsverbindung des Gläubigers mit dem Hauptschuldner zu übernehmen, weil eine solche Vereinbarung ihn entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt (§ 9 Abs. 1 AGBG; nunmehr § 307 Abs. 1 BGB). Wer indes aufgrund seiner Stellung als Mehrheitsgesellschafter oder Geschäftsführer der Hauptschuldnerin den Umfang der Kreditaufnahme bestimmen kann, wird durch eine solche Formularbestimmung in seinen schutzwürdigen Belangen nicht unbillig beeinträchtigt (BGHZ 142, 213, 216; 143, 95, 101 - jeweils m.w.N.). Diese Ausnahmeregelung ist zum Schutz des Bürgen vor einer von ihm nicht steuerbaren Entwicklung des Umfangs seiner Haftung sowie im Interesse der Rechtsklarheit eng zu begrenzen. Sie greift daher nur dort ein, wo der Bürge aufgrund der ihm in der Rechtsbeziehung zum Hauptschuldner zustehenden Befugnisse hinreichend davor geschützt ist, daß die Bürgschaft Forderungen deckt, die ohne oder gegen seinen Willen begründet wurden. Aus diesen Gründen ist eine formularmäßige weite Zweckerklärung regelmäßig auch dann unwirksam, wenn ein Kaufmann (BGH, Urt. v. 24. September 1998 - IX ZR 425/97, WM 1998, 2186) oder eine juristische Person (BGH, Urt. v. 29. März 2001 - IX ZR 20/00, WM 2001, 1517) die Bürgschaft erteilt; denn auch für diese hat die dadurch bewirkte umfassende Haftung ein nicht beherrschbares Risiko zur Folge, sofern sie nicht in der Lage sind, die Entschließung des Hauptschuldners nach ihrem Willen und Interesse zu steuern.

2. Entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes entfällt die Schutzbedürftigkeit der beklagten Gesellschaft nicht deshalb, weil ihre Alleingesellschafterin die Kredite bei der Klägerin aufgenommen hat.
a) Die GmbH und der alleinige Gesellschafter sind trotz Vereinigung aller Geschäftsanteile in einer Hand als selbständige Rechtssubjekte streng voneinander zu trennen (vgl. BGHZ 20, 5, 12; 21, 378, 384; 56, 97, 103). Zwar kann der Alleingesellschafter die Rechtshandlungen der Gesellschaft in aller Regel nach seinem Belieben ausrichten. Umgekehrt trifft dies jedoch nicht in der gleichen Weise zu. Die Gesellschaft hat keine rechtliche Handhabe, darauf einzuwirken, welche Verbindlichkeiten der Alleingesellschafter außerhalb des Geschäftsbetriebs der GmbH - sei es privat oder in einem anderen Gewerbe - begründet. Daß die Gesellschaft infolge der "Personenidentität" sofort Kenntnis von dem Geschäft erhält, besagt nichts, weil es nicht in erster Linie auf dieses Wissen, sondern auf die rechtliche Möglichkeit, das Geschäft zu verhindern oder sich vor daraus drohenden Nachteilen zu schützen, ankommt. Solche Einwirkungsmöglichkeiten standen der Beklagten im Verhältnis zu ihrer damaligen Alleingesellschafterin nicht zur Verfügung. Der Alleingesellschafter kann in der GmbH über deren Vermögen grundsätzlich frei verfügen (BGHZ 95, 330, 340). Ersatzansprüche der GmbH kommen lediglich in Betracht, soweit es um die Erhaltung des Stammkapitals und die Gewährleistung des Bestandsschutzes geht (vgl. BGHZ 122, 123, 130; 149, 10, 16).

b) Die Interessenlage der bürgenden Gesellschaft ist mit der eines Mitgesellschafters, welcher eine Globalverpflichtung übernommen hat, ebenfalls nicht vergleichbar. Jener wird im allgemeinen zu Lasten der Gesellschaft nur solche Forderungen begründen, die den Gesellschaftszweck fördern und damit auch seinen eigenen wirtschaftlichen Interessen dienen sollen. Verbindlichkeiten, die der Alleingesellschafter persönlich eingeht, werden dagegen häufig in keinerlei Zusammenhang mit dem Geschäftsbetrieb der bürgenden Gesellschaft stehen. Sie bilden dann aus Sicht der Gesellschaft lediglich eine Belastung, die das Betriebsergebnis negativ zu beeinflussen droht und sich auf den Geschäftserfolg ungünstig auswirken kann.

c) Zudem lassen die Erwägungen des Berufungsgerichtes außer Betracht, daß im Falle einer Veräußerung der Geschäftsanteile - die auch im Streitfall erfolgt ist - die zunächst vorhandene "Kenntnis" der Gesellschaft verlorengeht, wenn der Erwerber nicht vollständig über das Ausmaß der persönlichen Geschäftsverbindung des bisherigen Alleingesellschafters zum Gläubiger informiert wird. Auch in dieser Hinsicht enthält somit die Globalklausel für die Gesellschaft ein Risiko, das derjenige, der die Gesellschaftsanteile einer GmbH erwirbt und sich anschließend umfassend verbürgt, im allgemeinen nicht eingeht.

3. Das Berufungsgericht hat im Ansatz zutreffend als Anlaßkredit die auf den Girokonten 05, 08 und 13 bis zum 31. Dezember 1991 begründeten Verbindlichkeiten bestimmt. Dies gilt allerdings nur bis zu einer Gesamtsumme von 215.000 DM; denn auf diesen Betrag war die Kreditgewährung vertraglich begrenzt, als die Beklagte die Bürgschaft erteilte. Die darüber hinaus von der Klägerin gewährte Überziehung ist deshalb von der Bürgschaft nicht gedeckt. Der Anlaßkredit war zudem bis Ende des Jahres 1991 befristet. Für die Forderungen, die nach diesem Zeitpunkt dadurch entstanden sind, daß das Kontokorrentkreditverhältnis verlängert wurde, hat die beklagte Bürgin nicht einzustehen (vgl. BGHZ 142, 213, 219). Das Berufungsgericht hat daher die auf diese Weise begründeten Zinsansprüche sowie die Forderungen aus der Zulassung weiterer Überweisungen und Lastschriften - insgesamt 97.955,99 DM - zu Unrecht der Haftung aus der Bürgschaft unterworfen.
II.
Das Berufungsgericht hat den geltend gemachten Zinsanspruch, der die Bürgschaft in Höhe von 130.000 DM für Forderungen gegen den Geschäftsführer R. betrifft, dem Grunde nach als gerechtfertigt angesehen. Die Bürgschaft sehe ausdrücklich - durch Fettdruck hervorgehoben - vor, daß die Bürgschaft Zinsen, Provisionen und Kosten auch dann umfasse, wenn dadurch die Bürgschaftssumme überschritten werde. Diese Klausel verstoße weder gegen § 3 noch gegen § 9 AGBG; denn sie sei mit der gesetzlichen Regelung vereinbar.

Dagegen wendet sich die Revision ebenfalls mit Erfolg.

1. Die Beklagte hat sich "bis zum Betrag von 130.000 DM" verbürgt. Die übernommene Verpflichtung ist dadurch als Höchstbetragsbürgschaft ausgewiesen. Die Parteien haben die betragsmäßige Grenze gekennzeichnet, bis zu der der Bürge äußerstenfalls haften will (vgl. BGH, Urt. v. 2. Februar 1989 - IX ZR 99/88, NJW 1989, 1484, 1485; v. 13. Juni 1996 - IX ZR 229/95, WM 1996, 1391, 1392). Die Haftung erstreckt sich zwar auf die gesamte Hauptschuld, wird jedoch durch den angegebenen Betrag nach oben abschließend begrenzt.

2. Gleichwohl hat die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes Formularklauseln, die die Haftung in einem Maße erweitern, wie dies Ziffer 2 des Bürgschaftsvertrages vom 19. Juni 1991 vorsieht, bisher nicht nach §§ 3, 9 AGBG beanstandet (BGHZ 77, 256, 258; BGH, Urt. v. 26. Oktober 1977 - VIII ZR 197/75, WM 1978, 10, 11; Beschl. v. 6. Dezember 1983 - IX ZR 73/82, WM 1984, 198, 199; vgl. auch Urt. v. 17. März 1994 - IX ZR 174/93, WM 1994, 1064, 1068), im wesentlichen mit der Begründung, daß jeder, der gegenüber einem Kreditinstitut eine Bürgschaft eingehe, mit einer solchen Klausel, die den Bürgschaftsumfang im Einklang mit dem Gesetz festlege, rechnen müsse.
Diese Auffassung ist indes in den letzten Jahren sowohl im Schrifttum (MünchKomm-BGB/Basedow, 4. Aufl. § 23 AGBG Rn. 216; Reinicke/Tiedtke, Kreditsicherungsrecht 4. Aufl. Rn. 107 ff; Staudinger/Horn, BGB 13. Bearb. Rn. 72 vor §§ 765 ff; Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG 9. Aufl. Anh. §§ 9-11 Rn. 260 b; Heinrichs NJW 1996, 1381, 1386; Pape NJW 1996, 887, 890) als auch in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte (OLG Nürnberg NJW 1991, 232; OLG Hamm WM 1995, 1872, 1874; OLG Celle WiB 1996, 358; OLG Stuttgart ZIP 1996, 1508, 1510) zunehmend auf Kritik gestoßen. Eine vorformulierte Bestimmung dieses Inhalts sei im Hinblick auf die durch den Höchstbetrag erfolgte Haftungsbegrenzung überraschend. Teilweise wird die Klausel auch als unangemessene Benachteiligung des Bürgen i.S.d. § 9 AGBG beanstandet.
3. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Überraschungscharakter einer solchen Bestimmung durch deren Stellung und Gestaltung im Formular des Vertrages aufgehoben werden kann; denn der Senat schließt sich der von den Oberlandesgerichten Celle (aaO) und Stuttgart (aaO) vertretenen Auffassung an, daß die Haftungserweiterungsklausel gemäß § 9 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 AGBG unwirksam ist, soweit sie einen Anspruch des Gläubigers über den vereinbarten Höchstbetrag hinaus begründen soll.
a) Die Klausel unterliegt der Inhaltskontrolle nach §§ 9-11 AGBG. Die Hauptleistung des Bürgen besteht in der Übernahme der Haftung für die Forderungen, die den Anlaß zum Abschluß des Bürgschaftsvertrages gebildet haben, bis zu dem Höchstbetrag von 130.000 DM. Die Abrede, daß der Haftungsumfang unter den in der Klausel bezeichneten Voraussetzungen, den vereinbarten Höchstbetrag übersteigen kann, stellt eine die Hauptverpflichtung erweiternde Nebenabrede dar, die demzufolge der Inhaltskontrolle zugänglich ist (vgl. BGHZ 130, 19, 32; Ulmer/Brandner/Hensen, aaO § 8 Rn. 10).
b) Die besondere Form der Höchstbetragsbürgschaft dient dem Zweck, das Haftungsrisiko des Bürgen summenmäßig endgültig festzulegen. Eine solche Risikoeinschränkung kann auch dann vorgenommen werden, wenn sich die Verpflichtung des Bürgen auf mehrere Gläubigerforderungen bezieht und diese den vereinbarten Höchstbetrag übersteigen. Gesichert sind dann alle Ansprüche, jedoch im Gesamtergebnis nur bis zu dem vertraglich festgelegten Höchstbetrag, unabhängig davon, in welchem Umfang dem Gläubiger Forderungen gegen den Hauptschuldner zustehen. Der in dieser Begrenzung liegende vertragswesentliche Schutz des Bürgen wird durch eine Erweiterungsklausel, wie sie das von den Parteien verwendete Formular enthält, weitgehend beseitigt. Danach kann der Gläubiger, sofern ihm gegen den Hauptschuldner Forderungen in Höhe des verbürgten Betrages zustehen, die daraus herrührenden Zinsansprüche sowie sämtliche Kosten der Rechtsverfolgung zusätzlich geltend machen. Da sich diese Befugnis zudem auf alle verbürgten Ansprüche erstreckt, kann eine den Höchstbetrag weit - sogar um ein Vielfaches - übersteigende Bürgenhaftung eintreten. Schon der in diesem Rechtsstreit zusätzlich eingeklagte Zinsanspruch macht immerhin mehr als 80 % des Höchstbetrages aus. Darüber hinaus soll nach dieser Bestimmung sogar hinsichtlich der Hauptsumme die Begrenzung auf den vereinbarten Höchstbetrag entfallen, soweit die Forderung dadurch entstanden ist, daß Zinsen, Provisionen und Kosten durch Saldenfeststellung im Kontokorrent Teil der Hauptschuld geworden sind. Dies hat weiter zur Folge, daß der Bürge nicht mehr feststellen kann, auf welchen Betrag sich seine Verpflichtung beläuft, bevor er nicht die Entwicklung der Verbindlichkeit des Hauptschuldners in allen Einzelheiten überprüft hat. Damit begründet die Klausel für den Bürgen in mehrfacher Hinsicht ein nicht kalkulierbares Risiko, das nach dem Sinn und Zweck einer Höchstbetragsbürgschaft gerade ausgeschaltet sein soll.
c) Seit der letzten zu dieser Frage bisher ergangenen höchstrichterlichen Entscheidung hat sich die Rechtsprechung zur Beurteilung formularmäßiger weiter Zweckerklärungen in Bürgschaften - beginnend mit den Urteilen vom 1. Juni 1994 (BGHZ 126, 174) und vom 18. Mai 1995 (BGHZ 130, 19) - grundlegend geändert. Die heutige ständige Rechtsprechung, wonach solche Klauseln in der Regel unwirksam sind und im Wege ergänzender Vertragsauslegung auf die Haftung für den "Anlaßkredit" begrenzt werden, beruht entscheidend darauf, daß derartige Bestimmungen den Bürgen einem Risiko aussetzen, das mit dem Rechtsgedanken des § 767 Abs. 1 Satz 3 BGB sowie dem Transparenzgebot nicht zu vereinbaren ist (vgl. auch BGHZ 137, 153; 143, 95). Von der hier zu beurteilenden Haftungserweiterungsklausel gehen vergleichbare Wirkungen aus, die nach Treu und Glauben unzumutbar sind. Diese Gründe haben den Bundesverband Deutscher Banken bereits vor einigen Jahren veranlaßt, ein neues Formular zu entwickeln, das eine solche Klausel nicht mehr enthält (vgl. Lwowski in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 2. Aufl. Anhang zu § 91).
d) Ziffer 2 des Bürgschaftsvertrages ist damit unwirksam, soweit diese Bestimmung einen den Höchstbetrag übersteigenden vertraglichen Anspruch des Gläubigers begründet. Dem kann nicht entgegengehalten werden, das Gesetz sehe in § 767 Abs. 1 Satz 2 BGB eine Ausdehnung der Bürgenhaftung vor, wenn sich die Gläubigerforderung durch Verschulden oder Verzug des Hauptschuldners erhöhe. Die in § 765 BGB normierte Bürgschaft bezieht sich auf die Haftung für Verbindlichkeiten ohne summenmäßige Begrenzung. Dann regelt § 767 BGB, welcher Stand der Hauptverbindlichkeit für die Bürgenhaftung maßgebend ist. Die Vereinbarung einer Höchstbetragsbürgschaft schränkt demgegenüber den im gesetzlichen Regelfall geltenden Haftungsumfang des Bürgen ein. Die Aufnahme eines Höchstbetrages in die Bürgschaftsurkunde ist grundsätzlich so zu verstehen, daß sie das Risiko der Verpflichtung in der Weise verringert - auch in Abweichung von § 767 Abs. 1 Satz 2 BGB -, daß der Bürge unter keinen Umständen für die Ansprüche des Gläubigers gegen den Hauptschuldner über den vereinbarten Höchstbetrag hinaus einzustehen hat. Weitere Ansprüche des Gläubigers gegen den Bürgen entstehen dann allein dadurch, daß der Bürge selbst in Verzug gerät oder sonstige Pflichten aus dem Bürgschaftsvertrag verletzt. Das Kreditinstitut kann die eigenen Belange dadurch rechtzeitig wahren, daß es das Zins- und Kostenrisiko bei Festlegung des Höchstbetrages mit berücksichtigt (vgl. Lwowski, aaO Ziffer 2).

III.

Das Berufungsurteil ist daher in dem genannten Umfang aufzuheben. Eine eigene Sachentscheidung ist dem Senat nicht möglich.
1. Die Höhe der Hauptschuld von Frau U. -R. , die von der Bürgschaft der Beklagten gedeckt ist, muß unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu bestimmt werden. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die Klägerin die von der Hauptschuldnerin geleisteten Zahlungen vorrangig auf die durch die Bürgschaft nicht gesicherten Forderungsteile verrechnen durfte. Die insoweit im Bürgschaftsvertrag enthaltene Regelung ist rechtlich nicht zu beanstanden (vgl. BGHZ 77, 256, 258).
Die Beklagte konnte mit der Erfüllung dieses Bürgschaftsanspruchs nur in Verzug geraten, soweit die Hauptforderung zuvor fällig gestellt war; das folgt aus der Akzessorietät der Bürgschaft (§§ 767 Abs. 1 Satz 1, 768 BGB). Erst ab Fälligkeit des Anspruchs stehen dem Gläubiger gegebenenfalls Rechtshängigkeitszinsen (§ 291 BGB) zu (BGHZ 55, 198).
2. Auf den die Bürgschaft für Forderungen gegen den Geschäftsführer R. betreffenden Urteilsbetrag von 130.000 DM schuldet die Beklagte Zinsen ab Eintritt des Verzugs mit der Erfüllung der Bürgschaftsverpflichtung. Auch insoweit fehlt es an den erforderlichen Feststellungen.