Umfang von
Aufklärungspflichten des Verkäufers; Haftung für selbständige und
unselbständige Beratungspflichten des Verkäufers
BGH, Urteil vom 16. Juni 2004 - VIII ZR
303/03
Fundstelle:
NJW 2004, 2301
Amtl. Leitsätze:
a) Die Aufklärungs- und
Beratungspflicht des Verkäufers beschränkt sich auch im Fachhandel auf
diejenigen - für den ihm bekannten Verwendungszweck bedeutsamen -
Eigenschaften des Kaufgegenstandes, die er kennt oder kennen muß. Der Käufer
kann deshalb grundsätzlich keine Aufklärung über ganz entfernt liegende
Risiken erwarten, die allenfalls dem Hersteller der Ware aufgrund dessen
überragender Sachkunde bekannt sind.
b) Eine Pflicht zur Erkundigung beim Hersteller über die Eigenschaften des
Kaufgegenstandes trifft den Verkäufer nur dann, wenn er aufgrund konkreter
Anhaltspunkte Zweifel an der Eignung der Ware für die vom Käufer
beabsichtigte Verwendung hat oder haben muß.
Zentrale Probleme:
Der Fall spielt noch im
alten Schuldrecht im Zusammenhang mit der Haftung des Verkäufers für
Beratungsverschulden. Danach war eine Haftung aus fahrlässiger c.i.c.
(heute: §§ 280 I, 311 II, 241 II BGB) wegen vorvertraglicher Falschberatung
durch die Gewährleistungsregeln ausgeschlossen, sofern sich der
Beratungsfehler auf eine Eigenschaft gründete, die gleichzeitig einen
(potentiellen) Sachmangel darstellte. Nur im Fall der Übernahme einer
Beratungspflicht wurde eine solche Haftung zugelassen, diese dann aber der
Verjährung von § 477 BGB a.F. (1/2 Jahr) unterstellt. War die
Beratungspflicht aber nicht nur eine vorvertragliche Pflicht, sondern hatte
der Verkäufer unabhängig vom Kaufvertrag eine besondere vertragliche Pflicht
zur Beratung übernommen (sog. selbständige Beratungspflicht), war eine
Haftung durch das Gewährleistungsrecht nicht verdrängt (s. dazu die Anm. zu
BGH NJW 1997, 3227
ff;
BGH
NJW 1999, 3192;
BGH NJW 2001, 2630
sowie Lorenz/Riehm, Lehrbuch z. neuen Schuldrecht Rn. 579).
Die daraus resultierenden schwierigen und häufig kaum nachvollziehbaren
Abgrenzungsprobleme sind angesichts der verbleibenden Unterschiede im
Verjährungsrecht durch die Neuregelung allenfalls entschärft, keinesfalls
aber ausgeräumt.
Ebenso wie bisher - häufig schwer nachvollziehbar und am eigentlichen
Problem vorbeigehend - zwischen zusicherungsfähigen und sonstigen nicht
mangelbezogenen Eigenschaften abzugrenzen war, wird nunmehr die
entscheidende Frage sein, ob der Beratungsgegenstand einer
Beschaffenheitsvereinbarung i.S.v. § 434 zugänglich ist oder nicht. Die
Haftung aus der Verletzung einer selbständigen Nebenpflicht unterliegt -
anders als die Haftung für Mangelfolgeschäden - nicht der Verjährungsregel
des § 438 BGB, sondern der Regelverjährung. Diese ist nicht nur ein Jahr
länger als erstere, sondern beginnt auch erst mit Fälligkeit und Vorliegen
der weiteren subjektiven Voraussetzungen des § 199 I. Die Rechtsprechung
wird damit weiter versucht sein, auf die Konstruktion eines selbständigen
Beratungsvertrages zurückgreifen, um die gewährleistungsrechtliche
Verjährung zu umgehen.
Unabhängig von dieser Konkurrenzfrage ist die Entscheidung unter dem neuen
Schuldrecht aber in Bezug auf das Vertretenmüssen des Verkäufers bei
Lieferung einer mangelhaften Sache von Interesse. Da der Verkäufer nach
neuem Recht bereits bei fahrlässiger Mangelunkenntnis auf Schadensersatz
haftet (für den Schadensersatz neben der Leistung, z.B. Mangelfolgeschaden
aus § 280 I BGB, für den Schadensersatz statt der Leistung nach § 280 I,
III, 281, 283 bzw. § 311a II BGB), stellt sich in diesem Zusammenhang die
Frage nach der Erkundigungspflicht des Verkäufers beim Hersteller über die
Eignung der Ware noch dringender. Der BGH nimmt hier zu recht eine
restriktive Haltung ein.
©sl 2004
Tatbestand:
Die Parteien streiten über die von der Beklagten erklärte Aufrechnung
mit einer Schadensersatzforderung gegen eine - unstreitige –
Kaufpreisforderung der Klägerin.
Die Klägerin handelt mit Metall- und Kunststofferzeugnissen. Die Beklagte
stellt Werbeartikel für Sport und Sportereignisse her und vertreibt diese.
Im Frühjahr 2000 erhielt sie von einer Firma, die in verschiedenen Orten
kleine Fußballturniere veranstaltet, den Auftrag zur Lieferung von
Werbebanden, die mit Hilfe von Metallstützen am Rand eines Fußballfeldes
aufgestellt werden sollten. Die Stützen hatte die Beklagte bei einem anderen
Lieferanten bestellt; ihre Beschaffenheit war dem Angestellten O. der
Klägerin, der im Vorfeld des Kaufvertrages mit der Beklagten Gespräche über
das am besten geeignete Material für die Banden geführt hatte, jedoch im
wesentlichen bekannt. Nach den von der Revision nicht angegriffenen
Feststellungen des Berufungsgerichts fanden im Zusammenhang mit den
Kaufverhandlungen mehrfache Unterredungen zwischen den Parteien und eine
„intensive Beratung“ des Geschäftsführers der Beklagten durch den Zeugen O.
statt, wobei verschiedene Alternativen erörtert wurden. Im Verlauf dieser
Besprechungen wies der Verkäufer der Klägerin ausdrücklich darauf hin, daß
die angebotenen Kunststoffplatten schlagfest und witterungsbeständig seien,
daß sie sich bei Wärme aber ausdehnen könnten und man dies bei der
Befestigung der Platten in den Halterungen berücksichtigen müsse. Die
Beklagte bestellte schließlich die benötigte Anzahl der von der Klägerin
empfohlenen Platten, versah sie mit einem Werbeaufdruck und lieferte sie
mitsamt den Stützen an ihre Kundin. Für die Platten und das entsprechende
Zubehör - PVC-Profile und Kleber – berechnete die Klägerin der Beklagten
insgesamt 7.268,33 DM.
Bereits bei dem ersten Fußballturnier, bei dem die Werbebanden eingesetzt
wurden, wölbten sich die Platten infolge der starken einseitigen
Sonneneinstrahlung (sog. Bi-Metall-Effekt) und fielen aus ihren Halterungen.
Die Kundin der Beklagten ließ deshalb bei einer anderen Firma neue geeignete
Halterungen anfertigen und kürzte die Rechnung der Beklagten um die ihr
hierdurch entstandenen Kosten in Höhe von 12.900 DM. Mit diesem Betrag
rechnet die Beklagte gegen die eingeklagte Kaufpreisforderung der Klägerin
auf.
Das Amtsgericht hat nach Einholung eines Sachverständigengutachtens und
weiterer Beweisaufnahme die Aufrechnung der Beklagten für begründet erachtet
und die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin hat
der Einzelrichter des Landgerichts, dem der Rechtsstreit zur Entscheidung
übertragen worden war, nach erneuter Beweisaufnahme zurückgewiesen.
Mit ihrer vom Einzelrichter wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache
zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Klageforderung in vollem
Umfang weiter.
Entscheidungsgründe:
I. Das Berufungsurteil ist entgegen der Ansicht der Revision nicht bereits
deshalb aufzuheben, weil der Einzelrichter über die Berufung der Klägerin
entschieden hat, ohne den Rechtsstreit dem Berufungsgericht wegen der
Grundsatzbedeutung der Sache zur Entscheidung über eine Übernahme
vorzulegen. Zwar ist der Einzelrichter, dem der Rechtsstreit - wie hier -
gemäß § 526 Abs. 1 ZPO zur Entscheidung übertragen worden ist, zur Vorlage
des Verfahrens unter anderem dann verpflichtet, wenn sich aus einer
wesentlichen Änderung der Prozeßlage die grundsätzliche Bedeutung der
Rechtssache ergibt (§ 526 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Eine derartige Änderung
der Prozeßlage ist hier jedoch nicht eingetreten; insbesondere begründet
allein der Umstand, daß der Einzelrichter auf Grund der in der
Berufungsinstanz durchgeführten ergänzenden Beweisaufnahme erstmals den
Bi-Metall-Effekt als Schadensursache angesehen hat, keine wesentliche
Änderung im Sinne des § 526 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO (vgl. Musielak/Ball,
ZPO, 3. Aufl., § 526 Rdnr. 8; Musielak/Wittschier aaO, § 348a Rdnr. 17). Im
übrigen schreibt § 526 Abs. 3 ZPO ausdrücklich vor, daß ein Rechtsmittel
nicht auf eine unterlassene Vorlage (des Einzelrichters) gestützt werden
kann; ob in Fällen greifbarer Gesetzeswidrigkeit ausnahmsweise etwas anderes
zu gelten hat (so z.B. Musielak/Wittschier aaO Rdnr. 22; Thomas/Putzo/Reichold,
ZPO, 25. Aufl., § 526 Rdnr. 14), bedarf hier keinerEntscheidung. Der von der
Revision gerügte Verstoß gegen das Gebot des gesetzlichen Richters (Art. 101
Abs. 1 Satz 2 GG) liegt deshalb nicht vor.
II. 1. Der Einzelrichter des Landgerichts hat den zur Aufrechnung gestellten
Schadensersatzanspruch der Beklagten mit der Begründung bejaht, nach den
insbesondere vom Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätzen zur
Beratungspflicht eines Verkäufers sei davon auszugehen, daß zwischen den
Parteien im Zusammenhang mit den Kaufverhandlungen ein selbständiger
Beratungsvertrag zustande gekommen sei; denn es sei der Beklagten bei den
Gesprächen erkennbar auf eine fachmännische Beratung durch die Klägerin
angekommen.
Die sich daraus ergebende Pflicht zur umfassenden Information der Beklagten
über die Eigenschaften der Platten habe die Klägerin dadurch verletzt, daß
sie nicht auf den - ihr allerdings unbekannten - Bi-Metall-Effekt
hingewiesen habe. Zwar hätte sich die Beklagte eigentlich um eine
(anderweitige) sachverständige Beratung bemühen müssen und es nicht
lediglich bei der Befragung des Angestellten der Klägerin belassen dürfen.
Jedoch sei die fehlerhafte Beratung der Klägerin dafür ursächlich gewesen,
daß die Beklagte eine ungeeignete Konstruktion für die Halterungen und
Stützen der Werbebanden gewählt habe.
2. Diese Erwägungen halten der rechtlichen Überprüfung nicht stand.
a) Ein selbständiger Beratungsvertrag kann auf der Grundlage der
tatrichterlichen Feststellungen schwerlich angenommen werden.
Auszugehen ist zunächst von dem Grundsatz, daß eine besondere Haftung des
Verkäufers für fahrlässig unrichtige oder unvollständige Angaben des
Verkäufers über Eigenschaften des Kaufgegenstandes durch die
Sondervorschriften der - hier noch anwendbaren - §§ 459 ff. BGB a.F.
ausgeschlossen ist. Beschränkt sich die Erklärung des Verkäufers aber nicht
auf die Unterrichtung des Käufers über die Eigenschaften der Ware, holt sich
vielmehr der nicht genügend sachkundige Käufer bei dem Verkäufer als
Fachmann im Zuge der Kaufvertragsverhandlungen Rat ein, so nimmt der
Verkäufer die Stellung einer Vertrauensperson ein; ihn trifft die
Verpflichtung zur sachgemäßen und umfassenden Aufklärung über die besonderen
Eigenschaften des ausgewählten oder von ihm verkauften Produkts (Senatsurteil
vom 23. Juli 1997 - VIII ZR 238/96, NJW 1997, 3227 = WM 1997, 2315 unter II
1 m.w.Nachw.).
Dies hat der Einzelrichter an sich nicht verkannt. Zutreffend ist er auch
davon ausgegangen, daß die Informationen, die der Zeuge O. dem
Geschäftsführer der Beklagten über die technischen und physikalischen
Merkmale der angebotenen Kunststoffplatten und ihre Eignung für den
vorgesehenen Zweck gegeben hat, über die bloße Unterrichtung über die
Eigenschaften der Ware, wie sie häufig im Vorfeld eines Kaufvertrages
erteilt wird, hinausgehen. Daß zwischen den Parteien ein Beratungsverhältnis
mit besonderen Sorgfalts- und Hinweispflichten der Klägerin zustande
gekommen ist, steht danach außer Frage.
Nicht gefolgt werden kann dem Landgericht aber insofern, als es – wie dem
Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe trotz einiger unklarer Formulierungen
zu entnehmen ist - einen selbständigen, neben dem Kaufvertrag bestehenden
Beratungsvertrag bejaht hat. Eine solche rechtliche Beziehung ist nach der
gefestigten Rechtsprechung des Senats nur unter engen Voraussetzungen
anzunehmen, die hier offensichtlich nicht erfüllt sind (Senatsurteile
vom 23. Juli 1997 aaO unter II 2 c und vom 23. Juni 1999 - VIII ZR 84/98
unter II 3). Näher würde es liegen, lediglich - wie auch sonst im Regelfall
(vgl. Senatsurteil BGHZ 148, 194, 197) - von
einer unselbständigen kaufvertraglichen Nebenverpflichtung des Verkäufers
zur Beratung des Käufers auszugehen. Die Frage kann jedoch offen blieben,
weil sich die Rechtsfolgen der Verletzung einer rechtlich selbständigen bzw.
einer unselbständigen Beratungspflicht nur hinsichtlich der Verjährung (§§
195, 477 Abs. 1 BGB a.F.) unterscheiden, auf die es im vorliegenden Fall
nicht ankommt.
b) Auch die Verletzung einer bloßen kaufvertraglichen Nebenpflicht kann
unter dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsschluß einen
Schadensersatzanspruch wegen eines Beratungsfehlers begründen (vgl. dazu
Wolf, Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zum Kaufrecht,
WMSonderbeilage 2/1998, S. 26 unter 7. a) und b)). Eine solche
Pflichtverletzung ist im vorliegenden Fall nach den von den Vorinstanzen
getroffenen Feststellungen indessen nicht anzunehmen.
Ob dem Verkäufer, der es übernommen hat, den Käufer über die Eigenschaften
und Verwendungsmöglichkeiten einer Ware zu beraten, die Verletzung der
hierdurch begründeten Beratungspflicht vorzuwerfen ist, hängt in erster
Linie vom Umfang dieser - selbständigen oder unselbständigen - Verpflichtung
ab, der sich wiederum nach den Umständen des Einzelfalles bestimmt (st.
Rspr. des Senats, vgl. z.B. Urteil vom 23. Juli
1997 - VIII ZR 238/96, NJW 1997, 3227 = WM 1997, 2315 unter II 2 a;
Urteil vom 23. Juni 1999 - VIII ZR 84/98, NJW 1999,
3192 = WM 1999, 1898 unter II 2 b a.E.). Dabei ist vor allem auf die
Sicht des Käufers abzustellen. Dieser kann berechtigterweise in einem
Fachgeschäft eine größere Sachkunde des Verkaufspersonals erwarten als in
einem Warenhaus, und vom Hersteller eines Produkts wiederum eine größere
Sachkunde als vom bloßen (Fach-)Händler. Diese Erwartung ist für den
Verkäufer auch unschwer erkennbar, zumal dann, wenn der nicht bzw. nicht
hinreichend sachkundige Käufer oder Kaufinteressent - wie hier - sich
ausdrücklich nach einem geeigneten Material für einen bestimmten
Verwendungszweck erkundigt.
Aus der Natur des Beratungsverhältnisses ergeben sich zugleich jedoch auch
seine Grenzen. Wer sich mit der Bitte um Beratung an den nicht mit dem
Hersteller identischen Verkäufer wendet, muß damit rechnen, daß er nicht
über jedes denkbare Risiko, das mit der beabsichtigten Verwendung der Ware
verbunden ist, lückenlos aufgeklärt wird; denn beim Verkäufer wird er
regelmäßig nicht dieselbe überragende Sachkunde voraussetzen können wie beim
Hersteller. Ganz entfernt liegende Risiken, die sich möglicherweise erst
durch aufwendige Untersuchungen feststellen lassen, braucht der Verkäufer
nicht zu kennen. Die wirtschaftlichen Folgen der Verwirklichung eines
solchen Risikos kann deshalb der Käufer im Regelfall nicht dadurch auf den
Verkäufer abwälzen, daß er ihn um Beratung über den Kaufgegenstand bittet.
Insoweit bleibt es vielmehr bei dem Grundsatz, daß - außerhalb der
kaufrechtlichen Gewährleistung (§§ 459 ff BGB a.F.) - das Verwendungsrisiko
beim Käufer liegt.
c) Innerhalb des so begrenzten Beratungsverhältnisses ist der Verkäufer
zunächst jedenfalls verpflichtet, den Käufer über alle für den vorgesehenen
und ihm mitgeteilten Verwendungszweck wesentlichen - insbesondere auch
ungünstige - Eigenschaften der in Betracht kommenden Ware zu informieren,
die ihm bekannt sind. Hat der Verkäufer Bedenken gegen die uneingeschränkte
Eignung der Ware oder liegen konkrete Anhaltspunkte in dieser Richtung vor,
so muß er dies dem Käufer offenbaren oder seine Zweifel durch Rückfrage beim
Hersteller ausräumen. Darüber hinaus kann dem Verkäufer eine
Erkundigungspflicht jedoch nicht angesonnen werden. Es würde schon in
objektiver Hinsicht die Beratungspflicht des Verkäufers überspannen, wollte
man ihm stets dann eine Pflicht zur Rückfrage auferlegen, wenn er zwar keine
Kenntnis von einer bestimmten negativen Eigenschaft hat (und auch nicht
haben muß), diese aber auch nicht mit letzter Sicherheit ausschließen
könnte, falls er danach gefragt würde.
3. Nach den dargelegten Grundsätzen fehlt es im vorliegenden Fall entgegen
der Auffassung des Landgerichts schon an der Verletzung der der Klägerin
obliegenden Beratungspflicht. Der Zeuge O. hat die Beklagte über alle ihm
bekannten Merkmale, die für die ihm mitgeteilte Verwendung der empfohlenen
Kunststoffplatten von Bedeutung sein konnten, unterrichtet; insbesondere hat
er sie darauf hingewiesen, daß sich die Platten bei Wärme ausdehnen könnten
und dies bei der Haltevorrichtung berücksichtigt werden müsse. Daß die
Wärmeeinwirkung überdies zu einer Verwölbung der Platten auf Grund ihrer
physikalischen Eigenschaften (sog. Bi-Metall-Effekt) führen konnte, war ihm
nicht bekannt und mußte ihm auch nicht bekannt sein. Dieses Phänomen ist
erst im Laufe des Rechtsstreits durch das Gutachten eines Sachverständigen
für Baustoffe und Bauphysik geklärt worden. Entsprechende Anhaltspunkte, die
dem Zeugen O. Anlaß zu einer Erkundigung bei der Herstellerin hätten geben
können, waren nicht erkennbar. Infolgedessen lag das auf dem
Bi-Metall-Effekt beruhende Verwendungsrisiko außerhalb der Grenzen der dem
Zeugen obliegenden Beratungs- und Aufklärungspflicht, und zwar auch aus der
maßgeblichen Sicht der Beklagten als Käuferin. Angesichts des
Geschäftsfeldes der Klägerin, die mit einem relativ breiten Warensortiment -
Metall- und Kunststofferzeugnisse verschiedenster Art - handelt, konnte die
Beklagte nicht im selben Umfang mit einer überragenden Sachkunde der
Verkäuferin rechnen, wie sie üblicherweise nur beim Hersteller einer Ware
oder allenfalls bei einem spezialisierten Fachhändler zu erwarten ist.
Fehlt es demnach schon objektiv an der Verletzung einer Beratungspflicht,
kommt es auf die - vom Landgericht offenbar übersehene - Frage des
Verschuldens des Zeugen O. , welches der Klägerin zuzurechnen wäre (§§ 276,
278 BGB), nicht mehr an.
III. Die Sache ist zur Endentscheidung reif, da weitere Feststellungen nicht
zu erwarten sind (§ 563 Abs. 3 ZPO).
Auf der Grundlage der tatrichterlichen Feststellungen erweist sich die Klage
bis auf einen geringen Teil der Zinsforderung als begründet, weil die
Beklagte die Klageforderung selbst nicht bestritten hat und die von ihr
erklärte Aufrechnung mit einem Schadensersatzanspruch wegen Verletzung einer
Beratungspflicht, wie ausgeführt, nicht durchgreift. Die Entscheidung über
die Nebenforderungen beruht auf den §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F.
Für den von der Beklagten bestrittenen Zinssatz von 9 % für die
Verzugszinsen hat die Klägerin keinen Beweis erbracht, so daß ihr - unter
Abweisung der Klage hinsichtlich der weitergehenden Zinsforderung -
lediglich die gesetzlichen Verzugszinsen zuzusprechen waren. Dementsprechend
waren auf die Rechtsmittel der Klägerin das Berufungsurteil aufzuheben und
die erstinstanzliche Entscheidung abzuändern.
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