Verhältnis
des reisevertraglichen Gewährleistungsrechts zum allgemeinen
Leistungsstörungsrecht: Anwendbarkeit des reisevertraglichen
Gewährleistungsrechts auch bei vollständiger Nichterbringung der
Reiseleistungen; Entschädigungsanspruch beim Reisevertrag nach § 651 f BGB
für nutzlos aufgewendete Urlaubszeit bei Überbuchung; Maßstab für die Höhe
der Entschädigung; Voraussetzungen des Einwands unzulässiger Rechtsausübung
(§ 242 BGB)
BGH, Urt. v.
11. Januar 2005 - X ZR 118/03
Fundstelle:
NJW 2005, 1047
Zentrale Probleme:
S. die
Pressemitteilung Nr. 3/05 des BGH v. 11.1.2005.
Zum Anwendungsbereich des Gewährleistungsrechts (Verhältnis zur
Unmöglichkeit) s. auch BGHZ
97, 255; zum Vertretenmüssen s. BGH NJW 2005, 418.
Amtl.
Leitsätze:
a) Kann der Reiseveranstalter infolge
einer Überbuchung den Kunden nicht an dem gebuchten Urlaubsort unterbringen
und tritt der Kunde deshalb die Reise nicht an, so steht dem Kunden wegen
Vereitelung der Reise ein Entschädigungsanspruch nach § 651 f Abs. 2 BGB zu.
b) Wenn der Kunde ein Ersatzangebot des Reiseveranstalters ablehnt, das,
gemessen an den subjektiven Urlaubswünschen des Kunden, der gebuchten Reise
nicht gleichwertig ist, kann der Veranstalter dem Entschädigungsanspruch des
Kunden nicht den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB)
entgegenhalten.
c) Arbeitet ein erwerbstätiger Kunde während der Urlaubszeit weiter oder
führt er eine ihm nicht vom Reiseveranstalter angebotene Ersatzreise durch,
so steht dies seinem Entschädigungsanspruch nicht entgegen.
d) Für die Höhe der Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit
darf das Arbeitseinkommen nicht zum Maßstab genommen werden, wohl aber der
Reisepreis (Aufgabe von BGHZ 63, 101 ff.; 77, 120 f.).
Tatbestand:
Die Kläger verlangen Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit.
Sie buchten und bezahlten bei der beklagten Reiseveranstalterin eine
Flugreise auf die Malediven-Insel N. F. für die Zeit vom 13. bis zum 27.
April 2002 zu einem Gesamtpreis von 4.976,-€. Eine Woche vor dem
vereinbarten Reisebeginn teilte die Beklagte den Klägern mit, daß das von
ihnen gewählte Hotel überbucht sei, und bot ihnen ein Ausweichquartier auf
einer anderen Malediven-Insel an. Die Kläger nahmen dieses Ersatzangebot
nicht an, sondern kündigten mit Schreiben vom 10. April 2002 den
Reisevertrag. Die Beklagte erstattete ihnen den gezahlten Reisepreis. Die
Kläger verlangen darüber hinaus eine Entschädigung wegen nutzlos
aufgewendeter Urlaubszeit in Höhe von 75,- € pro Tag und Person für 14
Urlaubstage, insgesamt also 2.100,- €.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Kläger hat
das Landgericht der Klage stattgegeben. Hiergegen richtet sich die Revision
der Beklagten. Sie begehrt die Wiederherstellung des erstinstanzlichen
klageabweisenden Urteils.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat keinen Erfolg.
I. Das Berufungsgericht hat der Klage mit folgender Begründung stattgegeben:
Der Entschädigungsanspruch der Kläger sei unabhängig von der Kündigung
allein deshalb, weil die Beklagte die Reise durch zu vertretende Überbuchung
vereitelt habe, nach § 651 f Abs. 2 1. Altern. BGB begründet. Die Kläger
seien nicht verpflichtet gewesen, das Ersatzangebot der Beklagten
anzunehmen. Ob den Reisenden eine Pflicht zur Annahme des Ersatzangebots
treffe, sei lediglich unter den Gesichtspunkten des Mitverschuldens und
eines Verstoßes gegen Treu und Glauben zu prüfen, die aber beide dem
Anspruch der Kläger nicht entgegenstünden. Es könne im vorliegenden Fall
offenbleiben, ob der Reisende ein Ersatzangebot aus gefühlsmäßigen oder nur
aus sachlichen Gründen ablehnen dürfe. Denn die Kläger hätten ihre Ablehnung
sachlich begründet. Dies ergebe sich bereits aus der nicht zu beanstandenden
Feststellung des Amtsgerichts, daß das Ersatzangebot der vertraglich
vereinbarten Reise nicht gleichwertig gewesen sei, vielmehr eine Minderung
des Reisepreises um 30 % gerechtfertigt hätte. Der strenge Maßstab des § 651
e Abs. 1 BGB, der eine Kündigung des Reisevertrages erst bei Mängeln
erlaube, die eine Minderung um mehr als 50 % geböten, sei bei der Prüfung
eines Mitverschuldens oder eines Verstoßes gegen Treu und Glauben nicht
anzulegen.
Auch die Höhe der von den Klägern begehrten Entschädigung sei nicht zu
beanstanden, da sie in einem angemessenen Verhältnis zum Reisepreis stehe
und der Anspruch auch nicht im Hinblick auf den zu Hause verbrachten Urlaub
zu kürzen sei, weil ein Urlaub in B. im April dem geplanten Urlaub auf den
Malediven nicht nahekomme.
II. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung stand.
1. Keinen Erfolg hat die Verfahrensrüge der Revision, daß das
Berufungsurteil die Berufungsanträge nicht wiedergebe ... (wird ausgeführt).
2. Soweit die Revision sich dagegen wendet, daß das Berufungsgericht einen
Entschädigungsanspruch der Kläger nach § 651 f Abs. 2 BGB dem Grunde nach
bejaht hat, bleibt sie ebenfalls erfolglos.
a) Nach § 651 f Abs. 2 BGB kann der Reisende, wenn die Reise vereitelt oder
beeinträchtigt wird, auch wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit eine
angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Diese Vorschrift erweitert
hinsichtlich des Anspruchsumfangs die Regelung des § 651 f Abs. 1 BGB, daß
der Reisende unbeschadet der Minderung (§ 651 d BGB) oder der Kündigung (§
651 e BGB) Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen kann, es sei denn,
der Mangel der Reise beruht auf einem Umstand, den der Reiseveranstalter
nicht zu vertreten hat. Der Anspruch auf eine angemessene Entschädigung
wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit nach Absatz 2 der Vorschrift hat
daher zunächst einmal dieselben Voraussetzungen wie der
Schadensersatzanspruch nach Absatz 1. Zusätzliche haftungsbegründende
Voraussetzung ist die Vereitelung oder eine erhebliche Beeinträchtigung der
Reise. Hier liegen alle anspruchsbegründenden Voraussetzungen des
geltendgemachten Entschädigungsanspruchs vor.
b) Nicht nur ein Mangel der Reise im werkvertraglichen Sinne, sondern
auch die vollständige Nichterbringung der vertraglich geschuldeten Leistung
kann einen Anspruch nach § 651 f Abs. 1 oder Abs. 2 BGB begründen. Umstände,
die die gesamte Reise oder Einzelleistungen wie Beförderung, Unterbringung,
Verpflegung und sonstige Betreuung ganz oder teilweise unmöglich machen,
oder eine Leistungsverweigerung des Reiseveranstalters verhindern oder
mindern den nach dem Vertrag vorausgesetzten Nutzen der Reise und werden
daher vom reisevertraglichen Gewährleistungsrecht der §§ 651 c ff. BGB
einschließlich des § 651 f BGB erfaßt (BGH, Urt. v. 23.09.1982 - VII ZR
22/82, NJW 1983, 35 u. I 3 a).
Wenn hier die Beklagte den Klägern erklärte, daß sie sie nicht auf der Insel
N. F. unterbringen könne, weil die dortigen Quartiere überbucht seien, so
lag dem entweder die Unmöglichkeit der vertraglich geschuldeten Leistung
(§ 275 Abs. 1 BGB) oder eine Leistungsverweigerung zugrunde. Die Kläger
hatten unter den ihnen angebotenen verschiedenen Malediven-Inseln eine Wahl
getroffen und nach dem Inhalt des Reisevertrages einen Urlaub auf der von
ihnen ausgesuchten Insel gebucht. Bei der gebuchten Reise handelte es sich
deshalb nicht etwa um eine Gattungs- oder Wahlschuld der Beklagten des
Inhalts, daß sie für die Kläger einen Urlaub auf irgendeiner, erst nach
Vertragsschluß von ihr zu bestimmenden Insel der Malediven bewerkstelligen
mußte. Die Leistungspflicht der Beklagten war vielmehr auf die gebuchte
Insel N. F. konkretisiert; nur durch die Verschaffung eines Urlaubs auf
gerade dieser Insel konnte die Beklagte ihrer Leistungspflicht genügen.
Ebenso wenig hatten die Parteien eine Ersetzungsbefugnis der Beklagten
vereinbart. Der Bundesgerichtshof hat auch bereits entschieden, daß der
Reiseveranstalter nicht berechtigt ist, den Reisenden ohne seine Zustimmung
an einem anderen Urlaubsort unterzubringen (BGH, Urt. v. 23.09.1982, aaO).
Das Angebot der Beklagten, die Kläger auf einer anderen als der gebuchten
Malediven-Insel einzuquartieren, änderte daher nichts daran, daß sie die
Vertragserfüllung ablehnte.
c) Das Verschulden des Reiseveranstalters - oder seiner
Erfüllungsgehilfen (§ 278 BGB) - wird nach § 651 f Abs. 1 BGB vermutet. Die
Beklagte hat nichts zu ihrer Entlastung vorgetragen.
d) Die Reise ist auch vereitelt worden. Kann oder will der Reiseveranstalter
den Reisevertrag nicht ordnungsgemäß erfüllen, z.B. infolge einer
Überbuchung, und führt dies dazu, daß der Kunde die Reise nicht antritt, so
wird die Reise vereitelt. Der Bundesgerichtshof hat bereits entschieden, daß
eine Vereitelung der Reise anzunehmen ist, wenn der gegen seinen Willen an
einem anderen Urlaubsort untergebrachte Reisende die Reise alsbald abbricht
(Urt. v. 23.09.1982 unter I 2; vgl. auch OLG Düsseldorf NJW-RR 1989, 1078
und 1994, 950). Dies gilt genauso, wenn der Kunde aus dem gleichen Grund
schon den Antritt der Reise ablehnt.
e) Damit sind alle Anspruchsvoraussetzungen eines Entschädigungsanspruchs
der Kläger nach § 651 f Abs. 2 BGB erfüllt. Wie das Berufungsgericht
zutreffend entschieden hat, bedurfte es einer zusätzlichen Kündigung des
Reisevertrages nach § 651 e Abs. 1 BGB nicht. Für den Anspruch aus § 651
f Abs. 2 BGB brauchen auch nicht die Voraussetzungen einer Kündigung
vorzuliegen. Denn der Wortlaut des Absatz 1, wonach der Anspruch
"unbeschadet der Minderung oder Kündigung" gegeben ist, besagt, daß die
verschiedenen Gewährleistungsansprüche unabhängig nebeneinander bestehen
(so auch Er-man/Seiler, BGB, 11. Aufl., § 651 f Rdn. 1; Staudinger/J.
Eckert, BGB (2004), § 651 f Rdn. 9). Es kommt deshalb nicht darauf an, ob
die Reise, falls die Kläger das Ersatzangebot angenommen hätten, infolge der
Unterschiede zwischen dem ursprünglich gebuchten und dem ersatzweise
angenommenen Urlaubsort erheblich beeinträchtigt gewesen wäre. Diese
Voraussetzung gilt nur für eine Kündigung, nicht aber für einen
Entschädigungsanspruch wegen Vereitelung der Reise (so zutreffend OLG
Düsseldorf, aaO; OLG Frankfurt RRa 1995, 224).
f) Die Beklagte kann dem Entschädigungsanspruch der Kläger auch nicht den
Einwand der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB) mit der Begründung
entgegensetzen, die Kläger hätten ein gleichwertiges Ersatzangebot nicht
angenommen.
(1) Die tatsächlichen Voraussetzungen einer unzulässigen Rechtsausübung muß
der Einwendende darlegen. Grundsätzlich obliegt es deshalb nicht dem
Reisenden, Rechtfertigungsgründe für seine Nichtannahme des Ersatzangebotes
vorzutragen (so richtig OLG Celle NJW-RR 2002, 1711), sondern ist es Sache
des Reiseveranstalters, besondere Umstände darzutun und erforderlichenfalls
zu beweisen, deretwegen die Ablehnung des Reisenden ausnahmsweise gegen Treu
und Glauben verstieß. Diese Umstände müssen letztlich den Schluß
rechtfertigen, daß nicht die Unterschiede zwischen den beiden
Reiseleistungen der hauptsächliche Beweggrund des Reisenden für seine
Ablehnung waren, sondern daß ihn andere, im Verhältnis zum Reiseveranstalter
nicht schutzwürdige Motive antrieben, etwa schlichte Vertragsreue.
(2) Gründe, die die Ablehnung des Ersatzangebots der Beklagten durch die
Kläger als treuwidrig erscheinen lassen, sind nicht ersichtlich. Die Frage,
ob ein Rechtsmißbrauch schon anzunehmen ist, wenn das Ersatzangebot unter
Berücksichtigung der subjektiven Wünsche des Reisenden der gebuchten Reise
gleichwertig war, braucht im vorliegenden Fall nicht entschieden zu werden.
Denn das Ersatzangebot der Beklagten war nicht gleichwertig. Das
Berufungsgericht hat diesbezüglich in rechtlich nicht zu beanstandender
tatrichterlicher Würdigung darauf abgestellt, daß die Kläger schnorcheln und
tauchen wollten und daß für diese Zwecke die ersatzweise angebotene Insel,
so ähnlich sie ansonsten der gebuchten gewesen sein mag, weniger geeignet
war, weil ihr ein Hausriff fehlt, das für Urlauber, die schnorcheln und
tauchen wollen, eine erstrebenswerte Bequemlichkeit darstellt. Auf die von
der Revision angegriffene Feststellung des Berufungsgerichts, das
Amtsgericht habe wegen der Unterschiede zwischen den beiden Inseln
zutreffend eine Minderung des Reisepreises um 30 % für gerechtfertigt
gehalten, kommt es dabei nicht an. Es geht allein darum, ob die Ablehnung
einer anderen als der gebuchten Reise gegen Treu und Glauben verstieß. Dies
ist aus den bereits genannten Gründen nicht schon dann der Fall, wenn die
Annahme des Ersatzangebotes zu keiner größeren Beeinträchtigung des
Reisenden geführt hätte.
3. Auch hinsichtlich der Höhe des Anspruchs hat die Revision keinen Erfolg.
Die vom Berufungsgericht vorgenommene Festsetzung der Entschädigung auf etwa
die Hälfte des Reisepreises läßt keinen Rechtsfehler erkennen.
a) Unbegründet ist die in diesem Zusammenhang erhobene Rüge der Revision,
die Kläger müßten erst noch beweisen, daß sie in der geplanten Reisezeit
zuhause geblieben seien. Der Senat tritt nicht der im Schrifttum vertretenen
Auffassung bei, daß der Entschädigungsanspruch wegen Vereitelung der Reise
auch davon abhängt, wie der Kunde die für die Reise vorgesehene Zeitspanne
verbracht hat (vgl. z.B. Erman/Seiler, aaO Rdn. 7, 8; Führich, Reiserecht,
4. Aufl. Rdn. 345; MünchKomm./Tonner, BGB, 4. Aufl., § 651 f Rdn. 29, 32;
Staudinger/J. Eckert, aaO Rdn. 67; Baumgärtel/Strieder, Handbuch der
Beweislast, 2. Aufl., § 651 f BGB Rdn. 4). Vielmehr steht mit der
Vereitelung der Reise zugleich der haftungsausfüllende Tatbestand der
vertanen Urlaubszeit fest.
(1) Der Wortlaut des § 651 f Abs. 2 BGB, wonach der Reisende bei
Vereitelung oder erheblicher Beeinträchtigung der Reise "auch wegen nutzlos
aufgewendeter Urlaubszeit" eine Entschädigung verlangen kann, besagt nicht,
daß er einen Entschädigungsanspruch (nur) für den Fall haben soll, daß er
seine Urlaubszeit infolge der Vereitelung nutzlos aufgewendet hat.
Bereits dies legt die Auslegung nahe, daß in der Formulierung "wegen nutzlos
aufgewendeter Urlaubszeit" lediglich das gesetzgeberische Motiv für die
Regelung zum Ausdruck kommt und deshalb bei einer Vereitelung der Reise nur
noch in Frage steht, ob im Einzelfall eine Entschädigung ausnahmsweise nicht
erforderlich und welcher Geldbetrag ansonsten zu zahlen ist. Auch der
Umstand, daß der Gesetzgeber der Vereitelung eine erhebliche
Beeinträchtigung der Reise zur Seite gestellt und beide Tatbestände
gleichermaßen als ausreichende Voraussetzung für einen
Entschädigungsanspruch angesehen hat, läßt in Verbindung mit der Tatsache,
daß bei einer erheblichen Beeinträchtigung der Reise die aufgewendete
Urlaubszeit mit Sicherheit - ganz oder teilweise - vertan ist (vgl.
Begründung des Regierungsentwurfs zum Entwurf eines Gesetzes über den
Reiseveranstaltervertrag, BT-Drucks. 8/786 S. 30), die gesetzgeberische
Wertung erkennen, daß auch bei Vereitelung der Reise von einer so
schwerwiegenden Beeinträchtigung des vertraglich geschuldeten
Leistungserfolges auszugehen ist, daß eine Entschädigung dafür geboten ist,
daß der Kunde seine Urlaubszeit nicht so verbringen konnte, wie vom
Veranstalter geschuldet. Über die Höhe der Entschädigung ist damit noch
nichts gesagt. Insbesondere liegt es im Ermessen des Tatrichters, in
Bagatellfällen von der Zuerkennung einer Entschädigung abzusehen (vgl. BGH,
Urt. v. 14.01.1991 - VI ZR 120/91, NJW 1992, 1043).
(2) Aber nicht nur der Wortlaut des Gesetzes, sondern auch der Sinn und
Zweck der Entschädigung, dem Kunden einen Ausgleich für die entgangene
Urlaubsfreude zu verschaffen, sprechen dafür, daß bei Vereitelung der Reise
ohne weiteres eine Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit
geboten ist. Mit der Vereitelung der Reise steht fest, daß der Kunde den von
ihm geplanten konkreten Nutzen seiner Urlaubszeit, nämlich den Erfolg der
von ihm beim Reiseveranstalter gebuchten Reise, nicht erreichen kann. In
diesem Zusammenhang sind die Streitfragen zu beantworten, ob die Entstehung
eines immateriellen Schadens verhindert wird, wenn ein berufstätiger
Reisekunde den ihm vom Arbeitgeber bewilligten oder selbst organisierten
Urlaub widerruft, stattdessen weiterarbeitet und seinen Urlaub auf später
verschiebt oder wenn er in der geplanten Reisezeit eine andere Reise
durchführt, die ihm nicht der Reiseveranstalter angeboten hat
(Ersatzurlaub). Diese Fragen sind in Rechtsprechung und Schrifttum streitig
(gegen einen Entschädigungsanspruch bei Weiterarbeit BGHZ 82, 219, 227; OLG
Düsseldorf NJW-RR 1990, 573; Erman/Seiler, aaO Rdn. 8; dafür LG Frankfurt
NJW-RR 1991, 315; Führich, aaO Rdn. 353; Staudin-ger/J. Eckert, aaO Rdn. 69;
gegen einen Entschädigungsanspruch bei Ersatzurlaub: Führich, aaO Rdn. 351;
Soergel/H.W. Eckert, BGB, 12. Aufl., § 651 f Rdn. 15; Staudinger/J. Eckert,
aaO Rdn. 70; dafür Palandt/Sprau, BGB, 64. Aufl., § 651 f Rdn. 6; Bartl, NJW
1979, 1385, 1388). Nach Ansicht des erkennenden Senats beeinträchtigen
Weiterarbeit und Ersatzurlaub den Entschädigungsanspruch nicht. Weder sind
diese Umstände bei der Schadensberechnung einzusetzen - was zur Folge hätte,
daß ein möglicher Schaden letztlich doch nicht entstanden wäre -, noch
findet insoweit eine Vorteilsanrechnung statt. Denn in beiden Fällen hat der
Kunde aufgrund eigener Initiative, um die Zeit seiner geplanten, aber
vereitelten Reise doch noch nutzbringend zu gestalten, Anstrengungen
entfaltet, zu denen er dem Reiseveranstalter gegenüber nicht verpflichtet
war. Ein eigenes Verhalten des Geschädigten, zu dem er nicht aufgrund seiner
Schadensabwendungs- und -minderungspflicht (§ 254 Abs. 2 BGB) verpflichtet
ist, darf aber wegen des Grundsatzes, daß überpflichtmäßige Anstrengungen
des Geschädigten den Schädiger nicht entlasten sollen, weder in die
Schadensberechnungsbilanz eingestellt werden, noch braucht der Geschädigte
es sich im Wege der Vorteilsausgleichung anrechnen zu lassen (BGHZ 55,
329, 332 ff.; Palandt/Heinrichs, vor § 249 Rdn. 125).
b) Gegen die vom Berufungsgericht festgesetzte Höhe der Entschädigung ist
rechtlich nichts einzuwenden. Die Bemessung der Entschädigung ist
grundsätzlich Aufgabe des Tatrichters. Die Würdigung des Tatrichters kann
vom Revisionsgericht nur in engen Grenzen nachgeprüft werden, insbesondere
darauf, ob er die für die Bemessung maßgeblichen Kriterien nicht verkannt,
alle maßgeblichen Umstände berücksichtigt und sich um eine angemessene
Beziehung der Entschädigung zum Umfang der Beeinträchtigung bemüht hat (vgl.
BGHZ 85, 168, 170; 92, 177, 183; 138, 388, 391 zum Schmerzensgeld;
Münch-Komm./Prütting, ZPO, 2. Aufl., § 287 Rdn. 4). Auf der Grundlage dieser
eingeschränkten Prüfungsmöglichkeit läßt die Festsetzung des
Berufungsgerichts keinen Rechtsfehler erkennen.
(1) Zu Unrecht rügt die Revision, daß das Berufungsgericht die Entschädigung
anhand des von den Klägern geltend gemachten durchschnittlichen täglichen
Nettoverdienstes berechnet habe.
aa) Es ist zwar richtig, daß das Einkommen des Reisenden kein geeigneter
Maßstab für die Höhe der Entschädigung ist. Die frühere Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs, daß vertane Urlaubszeit ein Vermögensschaden und dessen
Richtgröße der Aufwand sei, den die Beschaffung zusätzlichen Urlaubs
erfordern würde, also das Arbeitseinkommen (BGHZ 63, 98, 101 ff.; 77, 116,
120 f., 123), war dadurch begründet, daß nach § 253 BGB in der bis zum 31.
Dezember 2001 geltenden Fassung wegen eines immateriellen Schadens
Entschädigung in Geld nur in den vom Gesetz geregelten Fällen gefordert
werden konnte und damals eine gesetzliche Ersatzpflicht des
Reiseveranstalters für den immateriellen Schaden des Reisenden noch fehlte.
Diese Rechtsprechung ist durch die zum 1. Oktober 1979 erfolgte Einführung
des § 651 f Abs. 2 BGB hinfällig geworden. Denn für die dort geregelte
Entschädigung sind nach dem Willen des Gesetzgebers immaterielle Momente,
insbesondere die entgangene Urlaubsfreude, von Bedeutung (Begründung des
Regierungsentwurfs aaO; Beschlußempfehlung und Bericht des
Rechtsausschusses, BT-Drucks. 8/2343 S. 11; BGHZ 85, 168, 171 f.). Auch die
Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 13. Juni 1990 über
Pauschalreisen (90/314/EWG) ist dahin auszulegen, daß sie dem Verbraucher
einen Anspruch auf Ersatz des immateriellen Schadens, einschließlich des
Schadens wegen entgangener Urlaubsfreude, verleiht, der auf der
Nichterfüllung oder mangelhaften Erfüllung des Reisevertrages beruht (EuGH
Slg. I 2002, 2631 Gründe Nr. 22-24). Der immaterielle Charakter des durch
die vertane Urlaubszeit entstandenen Schadens führt dazu, daß nicht nur im
Erwerbsleben stehenden Reisenden, sondern auch nicht oder nicht mehr
berufstätigen Personen wie etwa Schülern oder Rentnern eine Entschädigung
wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit zuzubilligen ist (Begründung des
Regierungsentwurfs aaO; BGHZ 85, 168, 171 f.). Deshalb verbietet es sich,
das Arbeitseinkommen zum Maßstab zu machen (so auch Führich, aaO Rdn. 352 b;
Staudinger/J. Eckert, aaO Rdn. 72, 74; Tonner, Der Reisevertrag, 4. Aufl., §
651 f BGB Rdn. 46). An der früheren, bereits zu § 651 f Abs. 2 BGB
ergangenen Rechtsprechung, daß sowohl das Nettoeinkommen als auch der
Reisepreis berücksichtigt werden können (BGH, Urt. v. 23.09.1982 - VII
ZR 22/82, NJW 1983, 35 u. II 1, 2 a; Urt. v. 21.10.1982 - VII ZR 61/82, NJW
1983, 218 u. I 1 b), hält der Senat deshalb nicht mehr fest.
bb) Es bedarf keiner Erörterung, ob die Kläger, die nicht auf ihr
individuelles Einkommen, sondern auf den Durchschnittsverdienst der
Bevölkerung abgestellt haben, überhaupt im Sinne der früheren
Kommerzialisierungsrechtsprechung das Einkommen zum Maßstab genommen haben.
Denn jedenfalls ist ihnen das Berufungsgericht insoweit nicht gefolgt, das
vielmehr allein auf das angemessene Verhältnis der Entschädigungssumme zum
Reisepreis abgestellt hat. Wenn der Reisepreis als Bemessungskriterium
genommen wird, so ist dies rechtlich nicht zu beanstanden (BGH, Urt. v.
23.09.1982 und v. 21.10.1982). Denn dies entspricht der Absicht des
Gesetzgebers, der keinen starren Maßstab für die Bemessung der Entschädigung
festlegen wollte, aber dem Reisepreis und dem Ausmaß der Beeinträchtigung
Bedeutung beimaß (Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses aaO).
Die Berücksichtigung des Reisepreises rechtfertigt sich durch die Erwägung,
daß der Reisepreis zeigt, wieviel Geld der mit der geplanten Reise
verbundene immaterielle Gewinn dem Kunden wert war (vgl. OLG Düsseldorf RRa
1994, 177; Führich, aaO; Staudinger/J. Eckert, aaO Rdn. 36). Dies gilt
jedenfalls für Pauschalreisen, die, wie hier, An- und Abreise und Unterkunft
abdecken. Ob der an den Reiseveranstalter zu zahlende Preis als
Bemessungsgrundlage auch dann ausreicht, wenn der Veranstalter nur eine
Einzelleistung erbringt, oder ob dann der Gesamtaufwand berücksichtigt
werden muß, den der Kunde für die geplante Reise aufbringen wollte (vgl.
BGH, Urt. v. 23.09.1982, aaO u. II 2 a), kann im vorliegenden Fall offen
bleiben.
Da die Entscheidung des Berufungsgerichts, den Reisepreis zum Maßstab zu
nehmen, rechtlich nicht zu beanstanden ist, bedarf es im vorliegenden Fall
auch keiner Prüfung, ob daneben andere Maßstäbe zulässig sind und
insbesondere feste, sowohl vom Einkommen als auch vom Reisepreis unabhängige
Tagessätze verwendet werden dürfen, wie sie zum Beispiel das Landgericht
Frankfurt am Main (RRa 2003, 26) und das Oberlandesgericht Düsseldorf (RRa
2003, 14) ihrer Bemessung der Entschädigung als Ausgangspunkt zugrundelegen.
(2) Die Entscheidung des Berufungsgerichts, etwa die Hälfte des Reisepreises
als Entschädigungssumme anzusetzen, läßt keinen Rechtsfehler erkennen. Der
Tatrichter hat die Höhe der Entschädigung bei einer Vereitelung der Reise
nach den Umständen des jeweiligen Falles zu bemessen. Der Vorschlag von
Führich (aaO Rdn. 352 b), für jeden gänzlich vertanen Urlaubstag die
zeitanteilige Quote des vollen Reisepreises anzusetzen, der dazu führt, daß
der Reisende nicht nur aufgrund der Befreiung von seiner Pflicht zur
Gegenleistung (§§ 326 Abs. 1 Satz 1, 812 BGB) den gezahlten Reisepreis
zurückverlangen, sondern den gleichen Betrag als Entschädigung nach § 651 f
Abs. 2 BGB noch einmal fordern kann, mag ein angemessenes Ergebnis
erbringen, wenn die Reise durchgeführt wurde, aber so schwer beeinträchtigt
war, daß, verglichen mit dem Ausbleiben der vertraglich geschuldeten
Leistung, die mit der Beeinträchtigung verbundenen Belastungen des Reisenden
einen zusätzlichen Ausgleich erfordern. Bei Vereitelung der Reise hingegen
ist die tatrichterliche Bemessung der Entschädigung mit der Hälfte des
Reisepreises revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
(3) Unbegründet ist auch die Revisionsrüge, daß das Berufungsgericht den
Resterholungswert unberücksichtigt gelassen habe, der einem zuhause
verbrachten Urlaub zukomme.
Der Senat hält nicht an der bisherigen Rechtsprechung fest, wonach der
Resterholungswert eines zuhause verbrachten Urlaubs einen
Schadensminderungsposten darstellt, den der Tatrichter bei der Bemessung der
Entschädigung berücksichtigen muß (dafür früher BGHZ 77, 116, 122; BGH, Urt.
v 23.09.1982 u. I 4 b; so auch MünchKomm./Tonner, aaO Rdn. 32 ff.; Palandt/Sprau,
aaO § 651 f Rdn. 6; Staudinger/J. Eckert, aaO Rdn. 68; dagegen Führich, aaO
Rdn. 350). Der Erholungswert eines häuslichen Urlaubs beruht auf der zuhause
genossenen Freizeit. Freizeitwert hat ein Urlaub aber mit oder ohne Reise.
Er ist mithin nicht Gegenstand der vom Reiseveranstalter geschuldeten
Leistung. Ihn will der Kunde nicht mit dem Reisepreis erkaufen; er hat
nichts mit dem Gewinn zu tun, den der Kunde sich gerade von der Reise, d.h.
von dem Ortswechsel, verspricht. Deshalb ist der reine Freizeitwert des
vereitelten Urlaubs vom Reiseveranstalter nicht zu entschädigen. Dann darf
aber auch kein Abzug von der Entschädigung erfolgen, wenn dieser
Freizeitwert dem Kunden erhalten bleibt, wie es bei einem zuhause
verbrachten Urlaub der Fall ist.
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